23Rs5/23s – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler sowie die fachkundigen Laienrichter AD in RR in Irene Rapp (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AD in RR in Sabine Weber (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Mitglieder des Senats in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geb am B*, Büroangestellte in **, **, vertreten durch Dr. Stephan Opperer, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, gegen die beklagte Partei C* , D*, **, **-Straße **, vertreten durch ihre Mitarbeiterin Mag. a Alexandra Gago, wegen Berufsunfähigkeitspension über die Berufung der klagenden Partei (ON 26) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.12.2022, 79 Cgs 25/22y 24, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.
Der Kostenersatzantrag der klagenden Partei im Berufungsverfahren wird a b g e w i e s e n .
Ein Kostenersatz aus Billigkeit findet im Berufungsverfahren nicht statt.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Entscheidungsgründe:
Text
Die am B* geborene Klägerin war im Zeitraum der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (1.9.2021) in verschiedenen Arbeitsverhältnissen 18 Beitragsmonate im Vertriebsaußendienst sowie insgesamt 123 Beitragsmonate als Büroangestellte/ Sekretärin beschäftigt. Die letzte Tätigkeit war jene als Sekretärin bei der E*. Die von der Klägerin erledigten Aufgabenbereiche waren typische Aufgaben einer Büroangestellten/Sekretärin bzw für den Vertriebsaußendienst.
Aus berufskundlicher Sicht genießt die Klägerin Berufsschutz als Angestellte (Büroangestellte/Sekretärin).
Die Tätigkeit der Klägerin als Sekretärin bei der E* ist aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben, die sie selbstständig zu erledigen hatte, dem Kollektivvertrag der Angestellten im Metallgewerbe Verwendungsgruppe III zuzuordnen (der dem im Referenzkollektivvertrag der Handelsangestellten der Beschäftigungsgruppe 3 im neuen Gehaltsschema der Beschäftigungsgruppe C oder D entspricht).
Die Klägerin kann im Rahmen ihres Berufsschutzes als Angestellte (Büroangestellte/ Sekretärin) unter Berücksichtigung ihres medizinischen Leistungskalküls, insbesondere des durchschnittlichen Zeitdrucks, auf die Tätigkeiten einer Büroangestellten mit einfachen Aufgaben oder einer Fakturistin mit einfachen Aufgaben verwiesen werden.
Dabei handelt es sich um leichte körperliche Arbeiten, leichte geistige Arbeiten mit durchschnittlichem Zeitdruck, die der Klägerin (weiter unten näher beschriebenen) nicht zumutbaren oder von ihr zu vermeidenden Arbeiten und Körperhaltungen müssen nicht ausgeführt werden. Die Arbeiten werden überwiegend im Sitzen ausgeführt. Der notwendige Körperhaltungswechsel kann eingehalten werden.
Diese Tätigkeiten werden in den Angestelltenkollektivverträgen der Beschäftigungsgruppe 2 (im neuen Gehaltsschema der Handelsangestellten Beschäftigungsgruppe B) zugeordnet.
Österreichweit existieren in diesen Verweisungstätigkeiten jeweils mehr als 100 (freie oder besetzte) Stellen in Teilzeitbeschäftigung (4 bis 6 Stunden/Tag) auch entsprechend dem Leistungskalkül der Klägerin. Eine Teilzeitbeschäftigung von 4 Stunden/Tag ist erforderlich, um in diesem Tätigkeitsbereich die Hälfte des Einkommens einer vollbeschäftigten Arbeitnehmer:in zu erlangen.
Büroangestellte verrichten allgemeine Sekretariatsarbeiten wie Schriftverkehr, Telefondienst, einfache Buchhaltungsaufgaben, Verwaltung von Handkasse oder Portokasse, Terminvereinbarung, Ablage- und Kopierarbeiten, Faxdienste, Vorbereitung von Besprechungen, Organisieren von Veranstaltungen, eventuell Kochen und Servieren von Kaffee, Tee und Ähnlichem, Anforderung von Büromaterialien und Lebensmitteln für die Teeküche.
Es handelt sich um körperlich leichte Arbeiten. Die Manipulation von Lasten über 6 kg Gewicht ist nicht berufstypisch. Arbeiten mit Bücken können vereinzelt vorkommen, wenn beispielsweise Unterlagen in Regalen oder Schränken unter Hüfthöhe einzuordnen sind. Vereinzelt sind Überkopfarbeiten erforderlich, wenn Unterlagen in Regalen oder Schränken in Über-Kopf-Höhe zu sortieren sind. Dabei kann entweder ein Tritthocker oder eine Leiter verwendet werden. Im Bürobereich ist es jedoch üblich, dass derartige Arbeiten ohne besonderes soziales Entgegenkommen von anderen Mitarbeiter:innen erledigt werden, wenn gesundheitliche Einschränkungen derartige Arbeitsabläufe verhindern. Die Arbeiten werden im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ausgeführt. Sofern hauptsächlich Buchhaltungsarbeiten, Schriftverkehr oder Telefondienst zu verrichten ist, wird überwiegend im Sitzen gearbeitet; kurzfristige Haltungswechsel zumindest im Stehen sind auch bei Telefondienst möglich. Da Büroangestellte ein breit gefächertes Aufgabenspektrum haben, welches von den Tätigkeiten einer Bürohilfskraft bis zu jenen einer Sekretärin oder Sachbearbeiterin reichen, sind Arbeiten unter durchschnittlichem bis zeitweise überdurchschnittlichem Zeitdruck auszuführen. Überdurchschnittlicher Zeitdruck ist über eine Stunde pro Arbeitstag zu bewältigen. Dies gilt auch bei Teilzeitbeschäftigung.
Büroangestellte werden je nach Aufgabenbereich in Beschäftigungsgruppe 2 (einfache Aufgaben, leichte geistige Arbeiten, durchschnittlicher Zeitdruck; neues Gehaltsschema Handelsangestellte Beschäftigungsgruppe B) oder 3 (vielfältiger Aufgabenbereich, teilweise selbstständiges Arbeiten, auch mittelschwere geistige Arbeiten, zeitweise besonderer Zeitdruck; neues Gehaltsschema Handelsangestellte Beschäftigungsgruppe C oder D) der Angestelltenkollektivverträge eingestuft.
Von diesem Sachverhalt muss das Berufungsgericht gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO ausgehen.
Mit Bescheid vom 16.11.2021 wurde der Antrag der Klägerin vom 5.8.2021 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension abgelehnt, weil dauernde Berufsunfähigkeit nicht vorliege. Vorübergehende Berufsunfähigkeit im Ausmaß von mindestens sechs Monaten liege ebenfalls nicht vor. Daher bestehe kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung. Es bestehe auch kein Anspruch auf medizinische oder berufliche Maßnahmen der Rehabilitation.
Diesen Bescheid bekämpft die Klägerin mit der (rechtzeitigen) vorliegenden Bescheidklage mit dem Begehren, die Beklagte kostenpflichtig dazu zu verpflichten, der Klägerin ab 1.9.2021 die Berufsunfähigkeitspension/Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zuzuerkennen. Dazu bringt die Klägerin zusammengefasst vor, sie befinde sich seit 6.8.2020 im Krankenstand und habe am 8.8.2021 eine neue Arbeitslosenmeldung eingebracht. Die Klägerin sei schwer bis gar nicht vermittelbar, weil sie aufgrund multipler Beeinträchtigung mehrfach Therapien absolvieren müsse, die jedoch keine deutliche, anhaltende oder dauerhafte Besserung erbracht hätten. Wegen massiven befundeten gesundheitlichen Beeinträchtigungen habe die Klägerin Anspruch auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeits-/Invaliditätspension.
Die Klägerin verfüge zwar angesichts ihrer Ausbildung und Berufserfahrung über ein fundiertes Wissen im Bereich Büro/Sekretariat/kaufmännische Angestellte. Es sei ihr durch die massiven körperlichen (schmerzbedingten) Einschränkungen aber nicht mehr möglich, länger zu sitzen oder zu stehen.
Die Beklagte bestreitet, beantragt Klagsabweisung und wendet - soweit im Rechtsmittelverfahren relevant - ein, selbst unter der Annahme der Verrichtung einer Tätigkeit als Angestellte sei die Klägerin noch dazu in der Lage, diesen Beruf und Verweisungsberufe innerhalb dieser Berufsgruppe auszuüben. Es sei auch nicht anzunehmen, dass in absehbarer Zeit ein derartiger Zustand vorliegen werde. Es bestehe deshalb weder ein Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension noch auf medizinische Rehabilitation.
Mit dem bekämpften Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren einschließlich des Kostenersatzantrags ab.
Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht neben dem eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegeben, im Rechtsmittelverfahren nicht bestrittenen, auch noch folgende großteils bekämpfte Urteilsannahmen zugrunde:
Die Klägerin ist dazu in der Lage, leichte körperliche sowie mittelschwere geistige Arbeiten unter durchschnittlichem Zeitdruck (langsam steigend auf zeitweise besonderen bzw überdurchschnittlichen Zeitdruck nach Pap) zu verrichten.
Diese Arbeiten können im Gehen, Stehen und Sitzen bzw im Wechsel dieser Körperhaltungen verrichtet werden. Nach ununterbrochenem Einhalten einer dieser Körperhaltungen soll nach maximal einer Stunde ein Lagewechsel für die Dauer von einigen Minuten möglich sein, wobei keine absolute Arbeitsunterbrechung erforderlich ist.
Die Arbeiten können in geschlossenen Räumen erfolgen. Eine Exposition gegenüber Kälte, Nässe und Zugluft ist zu meiden.
Unter Beachtung der beschriebenen Einschränkungen kann sich die tägliche Arbeitszeit nach den üblichen Bedingungen eines 6 stündigen Arbeitsverhältnisses richten.
Die Klägerin muss folgende Arbeiten vermeiden:
Es bestehen keine Einschränkungen bezüglich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte. Die Klägerin kann einen Fußweg von 500 m in 20 Minuten bewältigen. Es kann ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt werden. Wohnsitzwechsel und Tagespendeln sind der Klägerin möglich und zumutbar. Wochenpendeln ist der Klägerin unzumutbar.
Der beschriebene Gesundheitszustand besteht zumindest seit dem Zeitpunkt der Antragstellung (5.8.2021).
Regelmäßige Krankenstände im Gesamtausmaß von 7 oder mehr Wochen pro Jahr sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten.
Der gegenwärtige Zustand des Bewegungsapparats ist durch schmerzstillende und physikalische, physiotherapeutische Maßnahmen, edukative Leistungen und Hilfsmittel verbesserbar. Aufgrund der deutlichen Arthrose der linken Hüfte mit Verschmälerung des Gelenkspalts und Entrundung des Hüftkopfs wäre zeitnah die Implantation eines Kunstgelenks zu empfehlen. Aufgrund der ausgeprägten Adipositas ist mit einem etwas erhöhten perioperativen Risiko zu rechnen. Eine dauerhafte Änderung des Leistungskalküls würde sich daraus aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ergeben (ON 24 S 4 f).
Da der Klägerin derzeit nur Arbeiten mit durchschnittlichem Zeitdruck zumutbar sind, entsprechen Aufgabenbereiche, welche in den Angestelltenkollektivverträgen der Beschäftigungsgruppe 3 zugeordnet werden (neues Gehaltsschema der Handelsangestellten Beschäftigungsgruppen C und D) nicht dem gegebenen aktuellen Leistungskalkül der Klägerin.
Nach langsamer Steigerung des Zeitdrucks auf zeitweise besonderen Zeitdruck sind der Klägerin jedoch auch Aufgabenbereiche zumutbar, die in den Angestelltenkollektivverträgen der Beschäftigungsgruppe 3 (im neuen Gehaltsschema der Handelsangestellten Beschäftigungsgruppe C und D) zugeordnet werden (ON 24 S 6 Mitte).
Darüber hinaus traf das Erstgericht umfangreiche Feststellungen zum Berufsbild einer Fakturistin (ON 24 S 7 f), auf die gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 500a ZPO verwiesen wird.
Bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kann die Klägerin mit einer Fahrzeit von einer Stunde (pro Fahrtrichtung) von ihrer Wohnadresse aus Arbeitsstellen im geografischen Bereich im ** von ** sowie im ** bis ** erreichen. In diesem regionalen Arbeitsmarkt existieren in den Verweisungstätigkeiten der Büroangestellten mit einfachen Aufgaben und der Fakturistin mit einfachen Aufgaben insgesamt jeweils mehr als 30 Arbeitsstellen (frei oder besetzt) in Teilzeitbeschäftigung (4 bis 6 Arbeitsstunden pro Tag) entsprechend dem medizinischen Leistungskalkül der Klägerin (ON 24 S 8).
Rechtliche Beurteilung
In rechtlicher Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die Klägerin in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag in mehr als 90 Pflichtversicherungsmonaten (§ 223 Abs 2 ASVG) als Angestellte erwerbstätig gewesen sei, sodass ihr Berufsschutz als Angestellte (§ 273 Abs 1 ASVG) zukomme.
Ausgehend vom festgestellten gesamtmedizinischen Leistungskalkül der Klägerin könne diese jedoch im Rahmen ihres Berufsschutzes als Büroangestellte/Sekretärin nach wie vor die Tätigkeiten einer Büroangestellten und einer Fakturistin mit jeweils einfachen Aufgaben ausüben, ohne ihren Gesundheitszustand weiter anzugreifen.
In diesen Verweisungsberufen fänden sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt je mehr als 100 Stellen (frei oder besetzt) sowie auf dem regionalen Arbeitsmarkt mehr als 30 Stellen (frei oder besetzt), auch in Teilzeitbeschäftigung (4 bis 6 Stunden pro Tag), die dem medizinischen Leistungskalkül der Klägerin entsprächen.
Die Klägerin sei daher nicht dauerhaft berufsunfähig, sodass ihre Klage abgewiesen werden müsse. Anspruch auf Kostenersatz nach Billigkeit komme ihr nicht zu, weil kein Kostenverzeichnis vorgelegt sei und keine Umstände vorgebracht worden seien, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigten, insbesondere keine konkreten tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens behauptet oder hervorgekommen seien.
Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung der Klägerin aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer vollständigen und kostenpflichtigen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag und der Zuspruch im einzelnen verzeichneter Kosten des Berufungsverfahrens begehrt (ON 26 S 4 f).
Die Beklagte hat von der Einbringung einer Berufungsbeantwortung abgesehen, jedoch beantragt, dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 28 S 2).
Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Anfechtungsgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über die Berufung war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies sie sich aus nachstehenden Erwägungen als unbegründet:
1.: Der näheren Behandlung der Berufung ist zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen folgender formaler Gesichtspunkt voranzustellen:
1.1.: Die einzelnen Berufungsgründe dürfen grundsätzlich nicht gemeinsam ausgeführt werden (RIS Justiz RS0041768 [T1]). Dies wird im Wesentlichen aus der Bestimmung des § 474 Abs 2 ZPO abgeleitet. Wenn nämlich die Berufung nach diesem Maßstab insgesamt nicht hinreichend klar getrennt ausgeführt ist, kommt eine Verwerfung der Berufung in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 474 Abs 2 ZPO (hier wie im Folgenden iVm § 2 Abs 1 ASGG) in Betracht (4 Ob 268/97h; RIS Justiz RS0041768 [T3]). Die unzureichende oder unrichtige Benennung der Rechtsmittelgründe steht gemäß § 84 Abs 2 letzter Satz ZPO (also ohne die formelle Folge nach § 474 Abs 2 ZPO) einer meritorischen Erledigung des Rechtsmittels dann nicht im Weg, wenn das Begehren ausreichend deutlich erkennbar wird. Es reicht aus, wenn die Gründe sich insgesamt aus dem Rechtsmittelvorbringen hinreichend deutlich ergeben (6 Ob 177/15w ErwGr 2. mzwH; OLG Innsbruck 3 R 31/22s ErwGr A.2.1. oder zB 3 R 93/21g ErwGr B.c.). Dies bedeutet also, dass sowohl mehrere in einem Rechtsmittel (zulässigerweise) verquickte Rechtsmittel ausreichend konkret getrennt ausgeführt sein müssen (9 ObA 99/20d ErwGr 2.: Berufung und Befangenheitsantrag). Ein Rechtsmittel, das sich - wie hier jenes der Klägerin - auf mehrere Rechtsmittel gründe stützt, muss diese sachlich getrennt und nicht inhaltlich miteinander vermengt ausführen (6 Ob 177/15w ErwGr 2.). Wird schließlich ein bestimmter Rechtsmittel grund ausgeführt, muss dieser hinreichend klar und stringent dargestellt werden und klar diesem Rechtsmittelgrund zuordenbare Ausführungen enthalten (9 Ob 89/14z ErwGr 2.; vgl 2 Ob 41/16t). Lässt sich aus einem Rechtsmittelschriftsatz die Zuordnung zu dem einen oder dem anderen dort zulässigerweise gemeinsam ausgeführten Rechtsmittel nicht hinreichend klar erkennen (9 ObA 99/20d ErwGr 2.), innerhalb eines Rechtsmittels nicht mit hinreichender Klarheit erkennen, welcher konkrete Rechtsmittelgrund ausgeführt wird (6 Ob 177/15w ErwGr 2.) oder innerhalb des konkreten Rechtsmittels/grunds nicht klar zuordnen, welche Ausführungen den systematischen Anforderungen dieses Rechtsmittelgrunds entsprechen (9 Ob 89/14z ErwGr 2.), gehen alle dadurch entstehenden Unklarheiten zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (9 ObA 99/20d ErwGr 2.; 2 Ob 41/16t; 6 Ob 177/15w ErwGr 2.; 9 Ob 89/14z ErwGr 2.; 6 Ob 38/10x; RIS Justiz RS0041761; RS0041768; RS0041911 [T1]).
1.2.: Obwohl in der Berufung ausdrücklich die Rechtsmittelgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht werden (ON 20 S 2 zweiter Absatz), sind die Ausführungen der Berufung nicht getrennt und daher nicht eindeutig dem einen oder anderen Rechtsmittelgrund zuordenbar. Nach den vorstehenden Grundsätzen gehen daher die mangels getrennter Ausführung unvermeidbaren Unklarheiten zu Lasten der Berufungswerberin.
2.: Bezogen auf die geltend gemachte Beweisrüge verlangt der Oberste Gerichtshof für eine seiner Judikatur entsprechende Geltendmachung dieses Berufungsgrunds die bestimmten Angaben 1. welche konkrete Feststellung bekämpft wird, 2. infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, 3. welche Ersatz(Alternativ-)feststellung begehrt wird und 4. aufgrund welcher konkreter Beweisergebnisse/würdigung diese begehrten Ersatz(Alternativ-)feststellungen zu treffen gewesen wären (RIS Justiz RS0041835 [T4, T5]).
2.1.: Nun führt die Berufung zwar eine Reihe von Feststellungen an, die - insoweit hier noch hinreichend unter Einnahme eines sacherledigungsfreundlichen Standpunkts klar erkennbar - als unrichtig bezeichnet werden und daher (formal) als angefochten qualifiziert werden müssen:
2.1.1.: „Das Erstgericht führt auf Seite 4 des Urteils aus, die Klägerin sei in der Lage, leichte körperliche Arbeiten durchzuführen, dies im Gehen, Stehen und Sitzen,
[…]
2.1.2.: Wenn das Erstgericht weiter feststellt, es könne sich die tägliche Arbeitszeit nach den Bedingungen eines 6 stündigen Arbeitsverhältnisses richten, so ist dies unrichtig.
[…]
2.1.3.: Wenn das Erstgericht auf Seite 5 des Urteils feststellt, es bestünden keine Einschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte, so ist dies ebenfalls unrichtig.
[…]
2.1.4.: Die Klägerin kann auch nicht, wie vom Gericht festgestellt, ein öffentliches Verkehrsmittel verwenden, […].
2.1.5.: Wie das Erstgericht demnach auch noch feststellen kann, Wohnsitzwechsel und Tagespendeln wären der Klägerin möglich, ist unerfindlich.
[…]
2.1.6.: Von zwei Stunden (zwei Fahrwege) darf gar nicht gesprochen werden.“
2.2.: Zu den meisten dieser als angefochten anzusehenden Feststellungen fehlt es aber an der Darstellung, aufgrund welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen worden sein sollen und aufgrund welcher konkreten Beweisergebnisse (allenfalls zufolge welcher alternativen Beweiswürdigung) allenfalls begehrte Ersatzfeststellungen zu treffen gewesen wären. Nur bezüglich der zuletzt genannten beiden hinreichend klar als angefochten einzustufenden Feststellungen (2.1.5. und 2.1.6.) moniert die Klägerin, das Erstgericht habe sich zu Unrecht auf die Ausführungen der orthopädischen und traumatologischen sowie orthopädisch-chirurgischen Sachverständigen Dr. F* (zitiert wird dort S 13) und die unrichtigen Ausführungen im neurologischen und psychiatrischen Gutachten Dr. G* (bezogen wird dort S 22) bezogen. Die Berufung lässt jedoch im Dunkeln, aufgrund welcher anderen konkreten Beweisergebnisse von den beiden zitierten gutachterlichen Äußerungen abzuweichen wäre. Im Übrigen fehlt es bezüglich der erkennbar in Zweifel gezogenen Feststellung zu 2.1.1. bis 2.1.3. und 2.1.6. an konkreten Ersatzfeststellungen: In der Berufung muss nämlich nicht nur deutlich gemacht werden, welche konkrete Tatsachenfeststellung (dh welche Sätze/welcher Satz) des Urteils der Berufungswerber bekämpft und „ersetzt wissen will“, sondern es muss auch hinreichend klar werden, welche Feststellungen er statt dieser im Detail getroffen wünscht (die dann einer anderen rechtlichen Beurteilung unterzogen werden könnten: RIS Justiz RS0043190; RS0042386). Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts zu ermitteln und zu mutmaßen, durch welche konkreten Feststellungen sich der Berufungswerber für beschwert erachtet und welche Urteilsannahmen mangels ausdrücklicher Anfechtung unbestritten sind (§ 498 Abs 1 ZPO; vgl zB 9 ObA 99/20d ErwGr 2.). Daher wird für die Ausführung von Berufungen - letztlich auch im Sinn des erörterten § 474 Abs 2 ZPO - empfohlen, die bekämpfte(n) Feststellung(en) in ihrer vollen Länge zu benennen und ebenso die begehrte(n) Ersatzfeststellung(en) deutlich herauszustellen und in voller Länge zu bezeichnen ( Pochmarski/Tanczos/Kober , Berufung in der ZPO 4 [2022] S 173 f, 239; Pochmarski/Lichtenberg/Tanczos/Kober , Berufung in der ZPO³ [2017] S 148, 208 f mwN in FN 26, 28; OLG Innsbruck zB 3 R 31/22s ErwGr A.2.2.; 13 Ra 35/21a ErwGr 1.1.; 3 R 93/21g ErwGr A.3.; 3 R 71/21x ErwGr B)1. und 3 R 70/21z ErwGr 3.2.2.). Diesen Anforderungen wird die Berufung jedenfalls in den vier zuletzt genannten Punkten 2.1.1. bis 2.1.3. und 2.1.6. nicht gerecht.
2.3.: Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die in der Berufung erwähnten Urteilsfeststellungen auch sachlich anfechtungsfest sind, also die Berufung auch inhaltlich unbegründet ist:
2.3.1.: In § 272 ZPO ist das Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung verankert. Diese besteht darin, aus den - wie so oft auch hier - unterschiedlichen Verfahrensergebnissen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die verfahrensrelevanten tatsächlichen Ereignisse zu ziehen. Der persönliche Eindruck des Gerichts, seine Kenntnisse der Lebensvorgänge, seine Erfahrungen in der menschlichen Gemeinschaft und seine Menschenkenntnis werden zur entscheidenden Grundlage für die Wahrheitsermittlung. Bei der Bildung seiner Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige (hohe) Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist der Richter im Grunde - und nur im gewissen Umfang durch Beweiserleichterungen wie etwa den Anscheinsbeweis, durch Zugeständnisse der Parteien wie prozessuale Geständnisse oder Einengungen der Tatsachengrundlagen zB in Säumnisfällen eingeschränkt - frei: Das Gericht ist nach der Zivilprozessordnung an keine festen Beweisregeln, dh an keine generell-abstrakten Regeln, wann ein bestimmter Beweis als erbracht anzusehen ist, gebunden, sondern nur an seine persönliche, unmittelbare und objektivierbare, also im Instanzenzug nachprüfbare Überzeugung von der Wahrheit und von der Richtigkeit der Beweisergebnisse. Es hat daher anhand der dargestellten Instrumente zu überprüfen, ob mit den vorliegenden Beweisergebnissen jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht wird, der es rechtfertigt, die fraglichen Tatsachen nach dem anwendbaren Beweismaß für wahr zu halten. Bei dieser Überzeugungsbildung ist das Gericht nicht auf die aufgenommenen Beweise beschränkt, sondern kann auch das (vorprozessuale oder prozessuale) Verhalten der Prozessbeteiligten, sowie die Vorkommnisse in der gesamten Verhandlung berücksichtigen und miteinbeziehen (RIS Justiz RS0040127; OLG Innsbruck RIS Justiz RI0100103; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 272 ZPO Rz 1; Klauser/Kodek JN ZPO 18 [2018] § 272 ZPO E 24 ff; OLG Innsbruck zB 3 R 88/22y ErwGr I.A.1.1.).
2.3.2.: Anlässlich der Behandlung einer Beweisrüge einer Berufung ist folglich nur zu überprüfen, ob das Erstgericht die ihm vorliegenden Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat, jedoch nicht, ob seine Feststellungen mit der objektiven Wirklichkeit tatsächlich übereinstimmen (3 Ob 2004/96v; OLG Innsbruck 25 Rs 135/12g, SVSlg 62.419; 3 R 73/22t ErwGr A.1.1.; 13 Ra 6/22p ErwGr A.2.; A. Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 482 Rz 6 aE; Petschek/Stagel Der österreichische Zivilprozess [1963] 367). Gemäß § 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem erkennenden Gericht. Dieses hat wie dargelegt nach sorgfältiger Überzeugung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass in den Akten einzelne Beweisergebnisse existieren, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht im Allgemeinen noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung mit dem Ergebnis aufzuzeigen, dass die erstinstanzlichen Feststellungen abgeändert werden müssen (OLG Wien 133 R 80/18i ErwGr 2.1. [veröffentlicht unter RIS Justiz RW0000815]; 34 R 47/16f ErwGr 3.5. [Veröffentlichung in RIS Justiz RW0000784]; 34 R 125/15z ErwGr I.2. [Veröffentlichung unter RIS Justiz RW0000847, RW0000846]; LG Eisenstadt 13 R 93/03d, RIS Justiz RES0000012; OLG Innsbruck wie vor). Die Beweisrüge muss also überzeugend darlegen, dass die getroffenen Feststellungen entweder überhaupt zwingend unrichtig sind (OLG Wien 8 Rs 47/12b, SVSlg 62.416; 7 Ra 80/11b ZAS Judikatur 2012/95; LG Feldkirch 3 R 11/17s; 2 R 99/13v) oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen (OLG Wien wie vor; LGZ Wien 38 R 161/14d, MietSlg 66.718; LG Feldkirch wie vor; vgl auch LG Linz 15 R 201/09y, EFSlg 124.958; OLG Innsbruck RIS Justiz RI0100099; 13 Ra 24/20g ErwGr A.2.). Auch das Berufungsgericht ist im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht dazu verpflichtet, sich mit jedem einzelnen Beweisergebnis und/oder mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0043162; OLG Innsbruck zB 2 R 72/18g ErwGr II.1.2.). Solche zumindest bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für die allenfalls in der Berufung erkennbaren Alternativfeststellungen vermag die Berufung aber aus nachstehenden Erwägungen nicht aufzuzeigen:
2.3.3.: Die in der Berufung angegriffenen Feststellungen des Erstgerichts über das gesamtmedizinische Leistungskalkül (RIS Justiz RS0084399; RS0084413; RS0043194) der Klägerin (in ON 24 S 4 ab fünfter Absatz bis S 5 exklusive drittletzter Absatz) sind (fast wörtlich) in den Ausführungen des zusammenfassenden (10 ObS 332/99t) orthopädischen Gutachtens Dr. F* in ON 14 S 31 f gedeckt. In diesem ist ua angeführt (ON 14 S 13), dass die Klägerin sich selbstständig ein- und auskleiden kann. Der orthopädische Gutachter hat auch die Ausführungen des neurologisch/psychiatrischen Gutachtens Dr. G* und das daraus abzuleitende Leistungskalkül übernommen (ON 14 S 27 f) und daher eindeutig auch die Ausführungen in dessen Gutachten, wonach die Klägerin täglich für den Ehemann und die Eltern am Abend kocht und Einschlafstörungen beschrieben hat (ON 12 S 22) in sein Gutachten einfließen lassen. Auch diese Aspekte haben daher bereits in das gesamtmedizinische Gutachten samt dessen gesamtmedizinisches Leistungskalkül Eingang gefunden. Diesen Ausführungen stellt die Berufung keine abweichenden Beweisergebnisse , sondern lediglich aus dem Akteninhalt nicht näher beweismittelbelegte Gegenpositionen aus ihrem erstinstanzlichen Parteivorbringen (das keine Beweisergebnisse darstellt [vgl RIS Justiz RS0017844; RS0038037 {T11}]) und - nicht ausgehend von aktenkundigen Beweisergebnissen - gegenteilige Schlussfolgerungen gegenüber. Diese genügen nicht, um die auf den wie erwähnt mängelfreien beiden Gutachten fußende Beweiswürdigung des Erstgerichts (ON 24 S 8 f) ausreichend mit der Wirkung zu erschüttern, dass - wie dargestellt überwiegend nicht klar deponierte - Ersatzfeststellungen zu treffen gewesen wären. Auf diese beiden Gutachten baute nämlich das Erstgericht seine Beweiswürdigung ausdrücklich auf (ON 24 S 8 letzter Absatz). Insofern trifft daher auch der Vorwurf, dass das Erstgericht auf diese Ausführungen nicht eingegangen sei (ON 26 S 3), nicht zu. Im Übrigen liegen bei der Entscheidung von Beweiswürdigungsfragen nach freier Überzeugung (§§ 2 Abs 1 ASGG, 272 ZPO) kein Begründungsmangel und keine mangelhafte Beweiswürdigung vor, wenn bei der Begründung der Entscheidung Umstände nicht erwähnt wurden, die noch hätten erwähnt werden können oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die noch angestellt werden hätte können (2 Ob 77/95; RIS Justiz RS0040165). Das erkennende Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit allen Einzelheiten des Verfahrens und allen nur denkbaren Erwägungen auseinanderzusetzen (2 Ob 77/95; vgl 4 Ob 36/13t und RIS Justiz RS0043162 zur Berufungsentscheidung und der dort nicht erforderlichen Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Beweisergebnis bzw jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers). Auch eine in den nicht hinreichend klaren Berufungsausführungen allenfalls angedachte implizite Mängelrüge wegen unzureichender Begründung/Beweiswürdigung wäre daher schon inhaltlich unberechtigt.
2.3.4.: Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass auch die formelle Parteienvernehmung der Klägerin nicht zur Widerlegung von Sachverständigengutachten, insbesondere zum durch den Gesundheitszustand eingeschränkte (gesamt)medizinischen Leistungskalkül geeignet wäre (zB OLG Wien 7 Rs 96/08d, ARD 5968/8/2009), sofern die betroffene Partei - wie hier nie bestritten wurde - im Rahmen der Anamnese mit den Gutachtern ausführlich Gelegenheit erhielt, die maßgeblichen Umstände ihres Leidens zu schildern und so in das Verfahren einzubringen (OLG Wien 34 Rs 123/93, SVSlg 41.562).
2.4.: Die Beweisrüge erweist daher als weder formal noch inhaltlich begründet.
3.: Auch die Rechtsrüge ist unberechtigt:
3.1.: Die Rechtsrüge der Berufung geht teilweise nicht von den getroffenen Feststellungen aus: Nämlich insofern, als es der Klägerin richtigerweise möglich ist, den in ON 24 S 6 f festgestellten Leistungsanforderungen im Beruf einer Büroangestellten zu entsprechen (ON 24 S 6 ab erster Absatz). Insoweit ist die Rechtsrüge nicht der Judikatur des Obersten Gerichtshofs konform ausgeführt (RIS Justiz RS0043312; RS0043603).
3.2.: Soweit die Berufung darauf abhebt, der Klägerin sei es nicht möglich, Anreisezeiten von zwei Stunden zu bewältigen, ist sie auf die gegenteiligen Feststellungen hinzuweisen, wonach sie keinen Einschränkungen bezogen auf den Anmarschweg zur Arbeitsstätte unterliegt. Sie kann einen Fußweg von 500 m in 20 Minuten bewältigen und ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen. Ua Wohnsitzwechsel und Tagespendeln sind der Klägerin möglich und zumutbar (ON 24 S 5 dritter Absatz).
3.2.1.: Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs kommt es für die Beurteilung der Minderung der Arbeitsfähigkeit nicht auf die Verhältnisse am Wohnort der versicherten Person an: Vielmehr ist auf die Verhältnisse am allgemeinen Arbeitsmarkt in Österreich abzustellen, weil die versicherte Person sonst durch die Wahl des Wohnorts die Voraussetzungen für die Gewährung der Pension beeinflussen könnte (10 ObS 126/22k Rn 16; 10 ObS 107/22s Rn 6). Auch die Lage des Wohnorts des Versicherten hat daher als persönliches Moment bei der Beurteilung der geminderten Arbeitsfähigkeit grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (RIS Justiz RS0085017; RS0084871). Dahinter steht die Überlegung, dass von einem Versicherten grundsätzlich zu verlangen und ihm zumutbar ist, sofern nicht medizinische Gründe dem entgegenstehen, was nach den wiedergegebenen Feststellungen eben gerade nicht der Fall ist, durch entsprechende Wahl seines Wohnorts (allenfalls durch das hier ausgeschlossene Wochenpendeln), die Bedingungen für die Erreichung des Arbeitsplatzes herzustellen , die für Arbeitnehmer im Allgemeinen gegeben sind (10 ObS 126/22k Rn 17; 10 ObS 107/22s Rn 6; RIS Justiz RS0084939; RS0085017 [T7]; RS0084871 [T4]).
3.2.2.: Ob einem Versicherten eine Verweisung auf eine Halbtagsbeschäftigung (hier: sechsstündige Teilzeitbeschäftigung) zumutbar ist, hängt davon ab, ob das damit erzielbare Einkommen inklusive Sonderzahlung und anderen regelmäßigen Gehaltsbestandteilen nicht unerheblich unter dem ASVG-Ausgleichszulagenrichtsatz (§ 293 Abs 1 lit a ASVG) liegt (10 ObS 107/22s Rn 8 mzwH), was hier von der Klägerin weder in erster Instanz noch in der Berufung ansatzweise behauptet wird. Denn der Klägerin ist feststellungsgemäß eine 6 Stunden-Teilzeitbeschäftigung zumutbar (ON 24 S 4 unteres Drittel).
3.2.3.: Schließlich liegen nach den Urteilsfeststellungen auch ohne Wohnsitzwechsel die Voraussetzungen ausreichender Verweisungsarbeitsplätze auf dem regionalen Arbeitsmarkt vor (ON 24 S 5 dritter Absatz iVm S 8 vierter Absatz). Da sich wie oben zu 2. dargestellt die Beweisrüge als unberechtigt erweist und somit die referierten Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts über den zumutbaren Wohnsitzwechsel und das zumutbare Tagespendeln der Klägerin zwingend für die rechtliche Beurteilung heranzuziehen sind, müssen auch die weiteren Urteilsannahmen über die zureichenden (freien oder besetzten) Arbeitsplätze auf dem regionalen Arbeitsmarkt (erschließbar durch Tagespendeln) berücksichtigt werden (ON 24 S 8 vorletzter Absatz).
3.3.: Damit erweisen sich auch die Einwendungen der Klägerin gegen ihre (zutreffende) Verweisung als unberechtigt.
4.: Da die Klägerin auch im Verfahren zweiter Instanz vollkommen unterlegen ist, kommt ihr kein Anspruch auf Ersatz der verzeichneten Kosten zu (§§ 50, 40 ZPO). Auch ein Kostenzuspruch nach Billigkeit im Sinn von § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG scheitert schon daran, dass die Klägerin die Gründe für einen solchen Kostenzuspruch (rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten und wirtschaftliche Voraussetzungen) nicht dargelegt hat (RIS Justiz RS0085829). Aktenkundig sind solche weder (wie das Erstgericht schon zutreffend darlegte) im erstinstanzlichen noch im Berufungsverfahren.
5.: Das Berufungsgericht konnte sich auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts stützen, von der es nicht abgewichen ist. Eine erhebliche Rechtsfrage in der von den §§ 2 Abs 1 ASGG, 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war daher in diesem Berufungsverfahren nicht zu klären. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.