JudikaturOLG Innsbruck

13Ra35/22b – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
25. April 2023

Kopf

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler sowie die fachkundigen Laienrichterinnen AD in RR in Irene Rapp (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AD in RR in Sabine Weber (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geb **, ohne Beschäftigungsbezeichnung, **, **, **, Kroatien, vertreten durch Rainer-Rück-Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei B * GmbH , FN C*, **platz **, ** D*, vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck wegen EUR 8.138,83 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.10.2022, 42 Cga 14/22p - 16, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert , dass sie lautet:

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten zuletzt vom 23.12.2021 bis zum 20.01.2022 als Zimmermädchen auf Vollzeitbasis bei vereinbarter 6-Tage-Woche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Kollektivvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe Anwendung. Die Streitteilen vereinbarten einen Bruttomonatslohn von EUR 2.238,44. Der kollektivvertragliche Monats- und Grundlohn belief sich auf brutto EUR 1.575,--. Laut Dienstvertrag vom 23.12.2021 war das Dienstverhältnisses bis zum 30.04.2022 (Saisonende) befristet. Der Dienstvertrag enthielt zudem auf Seite 1 folgende Regelung:

„Kündigung: Probezeit lt. KV 14 Tage

Das Arbeitsverhältnis wird befristet abgeschlossen, sofern das Beschäftigungsverhältnis nicht bis einem [sic] Monat vor Zeitablauf von einem der Vertragspartner unter Einhaltung der Kündigungsfrist aufgelöst wird.“

Die Kündigungsfrist It. KV beträgt 14 Tage.“

Die Beklagte, die ua das – nur in der Wintersaison geöffnete – Hotel ** in D* betreibt, ist der Branche des Hotel- und Gastgewerbes zuzuordnen. Nicht festgestellt werden kann, ob in der Branche des Hotel- und Gastgewerbes Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, überwiegen.

Am 11.01.2022 erfuhr die Klägerin von ihrem positiven COVID-19-Testergebnis. Nicht festgestellt werden kann, ob E* B* die Klägerin aufforderte, trotz positiven COVID-19-Testergebnisses weiter zu arbeiten.

Nach Ablauf der von der Klägerin einzuhaltenden Quarantäne legte ihr E* B* am 20.01.2022 einen „Auflösungsvertrag“ vor, mit dem das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen am selben Tag durch einvernehmliche Lösung enden sollte. Nachdem die Klägerin die Unterfertigung des „Auflösungsvertrags“ verweigerte, beendete E* B* das Dienstverhältnis durch Arbeitgeberkündigung per 20.01.2022. Das ausgehändigte Kündigungsschreiben wurde von der Klägerin gegengezeichnet. Die Beklagte meldete die Klägerin am 21.01.2022 mit dem Abmeldegrund „Kündigung durch den Dienstgeber“ von der Sozialversicherung ab. Für den Zeitraum 21.1. bis 3.2.2022 bezahlte die Beklagte der Klägerin (nachträglich) eine Kündigungsentschädigung von EUR 694,07.

Am 21.01.2022 wandte sich die Klägerin per E-Mail an die F* und behauptete zusammengefasst, E* B* hätte ihr nach Vorliegen des positiven Testergebnisses auf Covid-19 mitgeteilt, sie müsse trotzdem arbeiten. Als sie dies abgelehnt habe, habe er gesagt, er würde sie rausschmeißen. Die Klägerin hätte dann weiterarbeiten müssen. Daraufhin wurde die G* D* ua mit Ermittlungen gegen E* B* wegen des Verdachts der Vergehen nach §§ 12 2. Fall, 178 StGB und § 105 Abs 1 StGB beauftragt und E* B* zwei Mal von der Polizei vernommen. Das Ermittlungsverfahren gegen E* B* wurde am 08.06.2022 aus Beweisgründen gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt.

Von diesem im Rechtsmittelverfahren unstrittigen Sachverhalt muss das Berufungsgericht ausgehen (§§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO).

Die Klägerin begehrt brutto EUR 8.138,83 samt 8,58 % Zinsen gemäß § 49a ASGG (EUR 6.416,86 Kündigungsentschädigung und EUR 608,68 Urlaubsersatzleistung je für die Zeit von 4.2. bis 30.4.2022 [86 KT] sowie EUR 1.113,29 anteilige Sonderzahlungen [auch aus dem Titel der Kündigungsentschädigung] für die Zeit von 23.12.2021 bis 30.4.2022 [129 KT]). Anspruchsbegründend bringt sie zusammengefasst vor, das Arbeitsverhältnis habe weder durch unberechtigten Austritt der Klägerin, Dienstnehmerkündigung oder (berechtigte) Entlassung durch die Arbeitgeberin, noch durch einvernehmliche Beendigung, sondern durch fristwidrige Arbeitgeberkündigung geendet. Aufgrund der vereinbarten Befristung des Dienstverhältnisses sei die im Dienstvertrag enthaltene Kündigungsklausel unwirksam. Die Befristung würde die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit ausschließen. Die dienstvertragliche Kündigungsregelung widerspreche dem mit 1.10.2021 in Kraft getretenen § 1159 Abs 2 ABGB, der – angelehnt an die Regelungen im AngG – eine Kündigung jeweils nur zum Ablauf eines Kalendervierteljahrs erlaube und eine Kündigungsfrist von sechs Wochen vorsehe. Die dortige Bestimmung, wonach durch Kollektivvertrag für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden könnten, sei hier schon deshalb nicht ausschlaggebend, weil der anwendbare Kollektivvertrag für das Hotel- und Gastgewerbe keine Regelung dahin enthalten, dass die Kollektivvertragsparteien der Ansicht seien, es handle sich um eine Saisonbranche. Zudem könnten nur erst nach dem Inkrafttreten von § 1159 Abs 2 ABGB idgF getroffene kollektivvertragliche Regelungen unter diese Bestimmung subsumiert werden, was hier jedoch nicht der Fall sei. Auch der Oberste Gerichtshof sei jüngst zu 9 ObA 116/21f davon ausgegangen, dass in der Branche des Hotel- und des Gastgewerbes kein Überwiegen von Saisonbetrieben im Sinn der zitierten Bestimmung gegeben sei, sodass die in § 1159 ABGB geregelten Kündigungsfristen und -termine zur Anwendung gelangten. Insgesamt sei die Kündigungsvereinbarung daher unwirksam nach § 879 ABGB. Die – veraltete – kollektivvertragliche Kündigungsregelung sei in diesem Zusammenhang irrelevant. Für ein – tatsächlich nicht vorliegendes – Überwiegen eines Saisoncharakters der gesamten Branche (nicht des Betriebs!) sei die Beklagte behauptungs- und beweispflichtig.

Zudem sei die Kündigungsklausel im Dienstvertrag, bei dem es sich um einen von der WKO zur Verfügung gestellten Mustervertrag und damit eine bloße Vertragsschablone handle, an völlig anderer Stelle wie die Befristungsabrede und versteckt enthalten gewesen. Damit habe die Beklagte gegen das Transparenzgebot der §§ 864a ABGB, 6 Abs 3 KSchG verstoßen. Im Zuge der Vertragsunterfertigung sei auch nicht über die Kündigungsmöglichkeit gesprochen worden.

Eine (Vergleichs)vereinbarung, dass mit der von der Beklagten aus eigenem vorgenommenen Zahlung der Kündigungsentschädigung für einen Zeitraum von 14 Tagen alle Ansprüche der Klägerin abgegolten seien, gäbe es nicht. Vielmehr habe die Beklagte durch diese Zahlung die rechtswidrige Beendigung des Dienstverhältnisses anerkannt.

Die Gegenforderung werde bestritten; diese sei unschlüssig und zu unbestimmt. Es fehle auch an einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten der Klägerin. Zudem sei sie verfristet im Sinn des DHG.

Die Beklagte bestreitet und beantragt Klagsabweisung. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 20.1.2022 sei berechtigt erfolgt. Die Befristung des Dienstverhältnisses schließe die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit nach der Rsp nicht aus. Im Zuge dessen Unterfertigung sei der gesamte schriftliche Dienstvertrag und auch die Kündigungsklausel mit der Klägerin besprochen worden, sie habe diese auch verstanden. Die Klausel sei im Vertrag nicht an versteckter Stelle enthalten gewesen und entspreche den Regeln des Kollektivvertrags. Die seit 1.10.2021 geltenden (neuen) Kündigungsregeln des § 1159 ABGB seien hier nicht anwendbar, weil die Beklagte in einer Branchen, in der Saisonbetriebe überwiegen würden, tätig sei. Es seien daher die Voraussetzungen für die Ausnahme des § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB erfüllt, weshalb die abweichenden kollektivvertraglichen Kündigungsregeln nach wie vor Gültigkeit hätten. Dass die kollektivvertragliche Kündigungsregel bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Kündigungsregeln des § 1159 ABGB idgF bestanden hätten, schade nach der Rsp des Obersten Gerichtshofs nicht. Die arbeitsvertraglich vereinbarte – für beide Seiten gleichermaßen geltende – Kündigungsklausel sei daher uneingeschränkt wirksam, zumal sie auch den kollektivvertraglichen Beendigungsregeln, insbesondere der dortigen Kündigungsfrist, entspreche und die einzuhaltende Kündigungsrist im Verhältnis zur befristeten Dauer nicht außer Verhältnis stehe. Selbst wenn die kollektivvertraglichen Kündigungsregeln nicht anwendbar wären, wäre die Kündigungsvereinbarung geltungserhaltend dahin zu verstehen, dass eine Arbeitgeberkündigung unter Einhaltung einer 6-wöchigen Frist zum Kalendervierteljahr, im vorliegenden Fall daher zum 31.3.2022, erfolgen habe können. Allfällige Ansprüche der Klägerin seien daher jedenfalls mit diesem Zeitpunkt begrenzt.

Die Klägerin habe bei Einstellung über keinen gültigen 2G-Nachweis verfügt und darüber falsche Angaben gemacht. Zudem habe sie nach der bei ihr am 11.1.2022 festgestellten COVID-Erkrankung gegen die Quarantäneregeln verstoßen. Die Entlassung der Klägerin sei daher berechtigt. Außerdem habe die Klägerin nach Erhalt des positiven PCR-Testergebnisses von sich aus erklärt, sie halte es in Österreich nicht mehr aus, es gehe ihr gesundheitlich schlecht, sie wolle schnellstmöglich in ihre Heimat und werde unmittelbar nach der Quarantäne abreisen. Damit habe die Klägerin das Arbeitsverhältnis selbst einseitig aufgelöst. Zumindest sei es dadurch über ihre Initiative zu einer einvernehmlichen Beendigung gekommen, weil E* B* mit der vorzeitigen Auflösung einverstanden gewesen sei. Nach dem Quarantäne-Ende habe sie allerdings von ihrer Kündigung nichts mehr wissen wollen. Schließlich habe die Beklagte das Dienstverhältnis am 20.1.2022 ihrerseits einseitig aufgelöst, was allerdings nichts an der zuvor von der Klägerin erklärten Arbeitnehmerkündigung bzw der einvernehmlichen Auflösung ändere. Die Beklagte habe weder eine rechtswidrige Beendigung noch den Anspruch der Kläger auf Kündigungsentschädigung anerkannt. Die Klägerin habe ihrerseits die von der Beklagten nachträglich geleistete Kündigungsentschädigung für die Dauer von 14 Tagen kommentarlos entgegengenommen. Die Beklagte habe daher nach der Vertrauenstheorie davon ausgehen dürfen, dass die Angelegenheit damit erledigt sei. Die Klägerin könne auch aus diesem Grund keine weiteren Zahlungen mehr fordern.

Das Zinsenbegehren werde bestritten. Die Beklagte stütze sich auf eine vertretbare Rechtsansicht; der Klägerin gebührten daher gemäß § 1000 ABGB höchstens 4 % Zinsen.

Die Klägerin habe ihren Vorgesetzten E* B* nach erfolgter Kündigung wissentlich zu Unrecht der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB sowie der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten in Form der Bestimmungstäterschaft nach §§ 12 2. Fall, 178 StGB bezichtigt. Da E* B* in diesem Zusammenhang während seiner Arbeitszeit der Polizei für zumindest sechs Stunden zur Verfügung stehen habe müssen, sei der Beklagten ein Schaden im Ausmaß der Entgeltfortzahlung für diese Zeit entstanden. Hiefür werde einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung gegenüber ein Betrag von EUR 66,-- compensando eingewendet.

Mit dem bekämpften Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren vollumfänglich ab und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz an die Beklagte. Diesem Erkenntnis legte es den eingangs als unstrittig wiedergegebenen Sachverhalt zu Grunde. Weiters traf es folgende Feststellungen, wobei die von der Beklagten in der Berufungsbeantwortung bemängelten Sachverhaltsannahmen in Kursivschrift hervorgehoben sind:

[1] Nicht festgestellt werden kann, was [Anmerkung: der in Personalangelegenheiten für die Beklagte vertretungsbefugte] E* B* und die Klägerin im Zuge der Unterfertigung des Dienstvertrages konkret besprochen haben. Der Klägerin war aber jedenfalls bekannt, dass das Dienstverhältnis bis zum Saisonende am 30.04.2022 dauern sollte und dass die Kündigungsfrist für Arbeiter 14 Tage beträgt. […]

[2] Ebenso wenig kann festgestellt werden, ob die Klägerin gegenüber E* B* im Zeitraum 11.01. bis 20.01.2022 gesagt hat, sie werde nach Ablauf der Quarantäne aus Österreich abreisen.

In rechtlicher Beurteilung der Sache ging es zunächst auf die jüngsten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB und zur Frage, ob es sich bei der Branche des Hotel- und Gastgewerbes, um eine solche mit überwiegenden Saisonbetrieben im Sinn des § 53 Abs 6 ArbVG handelt, ein. Die hier getroffene Negativfeststellung zu dieser Frage gehe zu Lasten der Klägerin, die die Nichtigkeit der kollektivvertraglichen Norm unter Beweis zu stellen gehabt hätte. Die kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und -termine hätten daher nach wie vor Gültigkeit. Die Kündigungsklausel des Dienstvertrags sei dort weder versteckt noch ungewöhnlich. Sie verstoße daher auch nicht gegen das Transparenzgebot der §§ 864a ABGB, 6 Abs 3 KSchG. Nach der Rsp schließe die Befristung eines Dienstverhältnisses insbesondere bei Saisonarbeitsverhältnissen die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit nicht aus, wenn die Befristungsdauer und die Möglichkeit zur Kündigung zueinander in einem angemessenen Verhältnis stünden. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung 8 ObA 2206/96m, in welcher der Oberste Gerichtshof bei einem auf vier Monate befristeten Saisonarbeitsverhältnis eine Kündigungsmöglichkeit für zulässig erachtet habe, beurteilte es die vorliegende Kündigungsvereinbarung als wirksam. Die Klägerin habe daher über die bereits geleistete Kündigungsentschädigung hinaus keine weiteren Ansprüche gegen die Beklagte mehr.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die (rechtzeitige) Berufung der Klägerin aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag das Urteil im Sinn einer vollumfänglichen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer (ebenfalls rechtzeitigen) Berufungsbeantwortung dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen; hilfsweise bemängelt sie in der Anschlussrüge die oben hervorgehobenen Feststellungen.

Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Rechtsmittelgründe war über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden (§§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO). Diese erweist sich aus nachstehenden Gründe als teilweise berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Anschlussrüge der Beklagten:

1. Aus systematischen Gründen ist zunächst auf die Anschlussrüge der Beklagten einzugehen. Diese strebt den Ersatz der oben hervorgehobenen Negativfeststellungen durch folgende Sachverhaltsannahmen an:

[1] Der Klägerin wurde seitens E* B* der Arbeitsvertrag vor dessen Unterfertigung zur Durchsicht vorgelegt, der gesamte Inhalt des Arbeitsvertrags und insbesondere die Kündigungsvereinbarung wurden vor der Unterfertigung mit der Klägerin besprochen.

[2] Die Klägerin teilte E* B* im Zeitraum 11.01. bis 20.01.2022 (in eventu: während der Quarantäne) wiederholt mit, sie werde nach Ablauf der Quarantäne aus Österreich abreisen .

Nach Meinung der Beklagten ergäben sich beide Ersatzfeststellungen aus den glaubwürdigen und widerspruchsfreien Angaben des Zeugen E* B*, denen das Erstgericht bei richtiger Würdigung der Beweisergebnisse uneingeschränkt folgen hätte müssen. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Zeuge wahrheitswidrig Angaben machen hätte sollen. Die Schilderungen der Klägerin seien demgegenüber nicht glaubwürdig. Sie habe sich in wiederholt in Widersprüche verstrickt. Außerdem habe sie, wie sich aus der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ergäbe, den Zeugen B* falsch verdächtigt, worin sich zeige, dass sie die Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses nicht wahrheitsgemäß geschildert habe.

2.1. In § 272 ZPO ist das Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung verankert. Diese ist darin gelegen, aus den – oft unterschiedlichen – Verfahrensergebnissen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die verfahrensrelevanten tatsächlichen Vorgänge zu ziehen. Bei der Bildung der Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige (hohe) Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist der Richter frei, dh, an keine gesetzlichen Beweisregeln gebunden. Er hat daher anhand der dargestellten Instrumente zu prüfen, ob mit den vorliegenden Beweisergebnissen jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht wird, der es rechtfertigt, die fraglichen Tatsachen für wahr zu halten, wobei er bei dieser Überzeugungsbildung nicht auf die aufgenommenen Beweise beschränkt ist, sondern auch das (vorprozessuale oder prozessuale) Verhalten der Prozessbeteiligten, die Vorkommnisse in der Verhandlung und ähnliches zu berücksichtigen und miteinzubeziehen hat (RIS-Justiz RS0040127; Rechberger in Rechberger/Klicka ZPO 5 § 272 Rz 1; Klauser/Kodek JN-ZPO 18 § 272 ZPO E 24ff).

Das Regelbeweismaß der ZPO ist dabei nicht das der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, sondern jenes der hohen Wahrscheinlichkeit . Dies bedeutet, dass bei der Beurteilung bestimmter Lebenssachverhalte Zweifel bezüglich getroffener Feststellungen nicht überhaupt fehlen müssen (2 Ob 97/11w; 4 Ob 146/10i; RIS-Justiz RS0110701; Rechberger aaO Vor § 266 ZPO Rz 5ff).

2.2. Das Berufungsgericht hat keine eigene Würdigung der Beweisergebnisse vorzunehmen, sondern nur zu überprüfen, ob das Erstgericht die ihm vorgelegenen Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat , nicht jedoch, ob seine Urteilsannahmen mit der objektiven Wirklichkeit übereinstimmen (3 Ob 2004/96v; OLG Innsbruck 5 R 20/15b; 15 Ra 12/19f; 2 R 13/19g). Fehler der Beweiswürdigung liegen vor, wenn diese auf einer unrichtigen Anwendung von Erfahrungssätzen beruht, den Gesetzen der Logik widerspricht oder wenn die getroffenen Feststellungen auf unschlüssigen Überlegungen und Schlussfolgerungen beruhen ( Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack ZPO-TaKomm § 272 Rz 5 mwN). Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den anderen Prozessstandpunkt sprechen, reicht in aller Regel nicht aus, eine Bedenklichkeit oder Unrichtigkeit der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz aufzuzeigen (OLG Innsbruck 13 Ra 24/20b; 1 R 16/19s, 2 R 13/19g, 3 R 23/19k; RSE0000012; Pochmarski/ Tanczos/Kober , Berufung in der ZPO 4 176 mwN). Eine Beweisrüge kann daher nur erfolgreich sein, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts rechtfertigen. Zu diesem Zweck ist darzulegen, dass die getroffenen Feststellungen zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen (OLG Innsbruck 13 R 24/20p; 2 R 72/18g; Klauser/Kodek aaO § 467 ZPO E 39/1ff).

3. Die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu den bekämpften Negativfeststellungen ist zwar kurz gehalten, aus ihr geht aber klar hervor, dass das Erstgericht in Bezug auf die zwischen der Klägerin und E* B* geführten Gespräche weder von den Angaben des Zeugen, noch jenen der Klägerin mit der für eine positive Feststellung in die eine oder andere Richtung erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit überzeugt war. Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Anschlussrüge sind nicht geeignet, diese Überlegungen zu erschüttern. Allein der Verweis auf die Glaubwürdigkeit ihres Mitarbeiters E* B*, der bei der Beklagten offenbar alle Personalagenden maßgeblich zu erledigen hatte und in dieser Sache auch nicht als unbeteiligt angesehen werden kann, vermag den Standpunkt der Beklagten nicht ausreichend zu stützen. Wenn die Beklagte in Bezug auf die Angaben der Klägerin darauf verweist, diese hätte sich wiederholt in Widersprüche verwickelt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie es jedoch verabsäumt, konkret anzuführen, worin diese Widersprüche gelegen sein sollen. Allein der Umstand, dass die Angaben der Klägerin von jenen des Zeugen abweichen, reicht noch nicht, diese per se als weniger glaubwürdig zu qualifizieren. Auch aus der Tatsache, dass das von der Klägerin initiierte strafrechtliche Ermittlungsverfahren letztlich eingestellt wurde und der Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft kann nicht automatisch auf die Unrichtigkeit der Angaben der Klägerin zu den zwischen ihr und dem Zeugen geführten Gespräche zum Dienstvertrag und zu einem von ihr nach den Behauptungen der Beklagten geäußerten Wunsch, nach Hause zu ihrer Familie zu fahren, geschlossen werden. Was die Beendigung des Dienstverhältnisses betrifft, lässt die Beklagte bei ihren Überlegungen gänzlich außer Acht, dass sie bzw ihr Mitarbeiter E* B* offenbar bis zum 20.1.2022 selbst nicht von einer bereits zuvor von der Klägerin erklärten Beendigung ausging, andernfalls wäre eine Dienstgeberkündigung zu diesem Zeitpunkt (siehe das Kündigungsschreiben Beilage ./2) nicht erforderlich bzw sinnwidrig gewesen. Wenn das Erstgericht vor dem Hintergrund der insgesamt gewonnen Beweisergebnisse und vor allem der widerstreitenden Angaben der Klägerin und jener des Zeugen die angefochtenen Negativfeststellungen getroffen hat, ist das in Anbetracht der dargestellten Regeln der freien richterlichen Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Der Beweisrüge der Beklagten ist daher schon aus diesem Grund kein Erfolg beschieden.

4.1. Im Übrigen sind beide angefochtenen Feststellungen für die rechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend, zumal der vom Erstgericht festgestellte und der gewünschte Sachverhalt zum selben Ergebnis führen würden. Auch aus diesem Grund ist den Beweisrügen der Beklagten der Erfolg zu versagen (RIS-Justiz RS0042386; RS0043190). Wie im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge der Klägerin aufzuzeigen sein wird, kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Kündigungsklausel im Zuge des Abschlusses des Arbeitsvertrags gesondert besprochen wurde oder nicht.

4.2. Auch die zweite Wunschfeststellung zu den von der Beklagten behaupteten Äußerungen der Klägerin während der Quarantäne könnte nicht zu einem für die Beklagte günstigeren Prozessergebnis führen, steht doch unbekämpft fest, dass das Dienstverhältnis durch die von E* B* ausgesprochene Arbeitgeberkündigung per 20.1.2022 beendet wurde (siehe unbekämpfte Feststellung in US 11 Mitte und gleichlautende Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung in US 12 Mitte). Die von der Klägerin begehrte Wunschfeststellung und das von ihr daraus abgeleitete rechtliche Ergebnis einer von der Klägerin selbst – zu einem früheren (vor dem 20.1.2022) Zeitpunkt – erklärten Beendigung des Dienstverhältnisses sind mit dieser Feststellung nicht in Einklang zu bringen. In Bezug auf die von der Beklagten behaupteten arbeitnehmerseitige Beendigung des Dienstverhältnisses durch Arbeitnehmerkündigung oder Austritt wird im Übrigen auf nachfolgende Ausführungen im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge der Klägerin verwiesen.

5. Insgesamt ist daher den Beweisrügen der Beklagten aus all diesen Gründen kein Erfolg beschieden. Es bleibt bei den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen.

II. Zur Rechtsrüge der Klägerin:

1. Die Klägerin wendet sich in der Berufung unter Aufrechterhaltung ihrer in erster Instanz vorgetragenen rechtlichen Argumente gegen die vollumfängliche Abweisung des Klagebegehrens. Die im Dienstvertrag enthaltene Kündigungsklausel sei unwirksam. Die Ansicht des Erstgericht, die Beweislast für die Ausnahmeregelung des § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB, sohin dass die Beklagte in einer Branche tätig sei, in der Saisonbetriebe im Sinn des § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, treffe die Klägerin, sei unrichtig. Vielmehr habe die Beklagte die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands zu beweisen, was ihre jedoch aufgrund der dazu getroffenen Negativfeststellung nicht gelungen sei. Die Unwirksamkeit der Klausel ergäbe sich auch aus einem Verstoß gegen die §§ 864a ABGB, 6 Abs 3 KSchG.

2. Vor dem inhaltlichen Eingehen auf diese rechtlichen Berufungsargumente der Klägerin ist zur Klarstellung Folgendes festzuhalten:

2.1. Da die Klägerin auf diesen rechtlich selbständigen Aspekt in ihrer Rechtsrüge nicht mehr zurückkommt, ist vom Berufungsgericht die Frage des von ihr in erster Instanz relevierten Anerkenntnisses der rechtswidrigen Beendigung des Dienstverhältnisses bzw ihrer Ansprüche durch die Beklagte nicht mehr zu behandeln (RIS-Justiz RS0043338 [T18]; RIS-Justiz RS0043352 [T17, T23, T26, T31, T33, T34]; RS0041570 insbes [T6, T12]). Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ein solches – notwendigerweise konstitutives – Anerkenntnis aus dem vorliegenden Sachverhalt auch nicht abgeleitet werden könnte.

2.2.1. Wie unter ErwGr I.4.2. bereits ausgeführt steht unbekämpft fest, dass das Dienstverhältnis durch am 20.1.2022 ausgesprochene Arbeitgeberkündigung geendet hat. Die entsprechende Sachverhaltsfeststellung des Erstgericht in US 11 beinhaltet – ebenso wie die korrespondierende Beweiswürdigung in US 12 – zwar auch Rechtsbegriffe, die jedoch nicht über die Alltagssprache hinausgehen. Insgesamt enthalten die erstgerichtlichen – unbekämpften – Feststellungen jedoch jedenfalls ein hinreichendes Tatsachensubstrat dahin, dass das Dienstverhältnis tatsächlich durch die von E* B* für die Beklagte ausgesprochene (ordentliche) Beendigung im Sinn einer Dienstgeberkündigung geendet hat. Dieser Umstand ergibt sich zudem aus dem Inhalt und Wortlaut des von der Beklagten selbst als Beweismittel vorgelegten – von der Klägerin unstrittig unterfertigten – Kündigungsschreibens Beilage ./2 (= Beilage ./C diese allerdings ohne Unterschrift der Klägerin), auf welche Urkunden das Erstgericht seine Feststellungen gründet und deren Inhalt von den Parteien nicht bestritten wurde (zur Verwertung dieser Urkunden im Rechtsmittelverfahren vgl RIS Justiz RS0121557; RS0040083 [T1]). Dieses Schreiben stammt aus der Sphäre der Beklagten und ist überschrieben mit „Kündigung durch den Arbeitgeber“ . Der weitere Text lautet: „Ich sehe mich/Wir sehen uns veranlasst, Sie unter Einhaltung der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Frist zu kündigen.“ Auch diese allseits unbestrittene Urkunden lässt in Zusammenschau mit den – unbekämpften – Feststellungen einzig den Schluss einer arbeitgeberseitig erklärten (ordentlichen, nicht vorzeitigen) Beendigung des Dienstverhältnisses zu, ist doch dort von einer Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen/kollektivvertraglichen Fristen die Rede. Dass auch die Beklagte immer von diesem Verständnis ihrer eigenen Beendigungserklärung ausging, wird auch durch die von ihr veranlasst Abmeldung zur Sozialversicherung deutlich, in der als Abmeldegrund ebenfalls eine Dienstgeberkündigung angeführt ist (Beilage ./E). Auch in der berichtigten Abmeldung Beilage ./F (RIS-Justiz RS0121557; RS0040083 [T1]) wurde dieser Grund beibehalten. Zur Abrundung sei noch darauf hingewiesen, dass auch aus dem Schreiben der steuerlichen Vertretung der Beklagten vom 18.2.2022 (= die ebenfalls von der Beklagten selbst vorgelegte Beilage ./4), das als Reaktion auf das Aufforderungsschreiben der H* vom 8.2.2022 (Beilage /.3) erging, nicht von einer anderen Beendigungsform als einer Dienstgeberkündigung die Rede ist, sondern dort der Klägerin vielmehr ausdrücklich eine Kündigungsentschädigung für 14 Tage zugestanden wird. Aufgrund der damit im Ergebnis fest stehenden Auflösung des Dienstverhältnisses durch die Beklagte mittels am 20.1.2022 ausgesprochener ordentlicher Beendigungserklärung erübrigt sich grundsätzlich ein Eingehen auf die von der Beklagten im Verfahren erster Instanz relevierten anderen Beendigungsarten. Nur der Vollständigkeit halber ist dazu Folgendes festzuhalten:

2.2.2. Eine Entlassung iSd vorzeitigen, sofortigen Beendigung eines Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund (§§ 82 GewO 1859, 25 AngG) ist – ebenso wie eine (ordentliche) Kündigung – eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung , die dem anderen Vertragsteil zugehen muss, um wirksam zu werden ( Tarmann-Prentner in Reissner AngG 4 § 25 Rz 6). Dass die Erklärungen und Vorgänge am 20.1.2022 tatsächlich keine Entlassung im Rechtssinn, sondern eine Arbeitgeberkündigung darstellen, wurde unter ErwGr II.2.2.1. gerade aufgezeigt. Eine darüber hinaus zu einem anderen Zeitpunkt von ihr – allenfalls durch ihren Mitarbeiter E* B* – abgegebene einseitige (vorzeitige) Beendigungserklärung, die als Entlassungserklärung verstanden werden könnte, hat die Beklagte nicht einmal behauptet. Für die Annahme einer Entlassung mangelt es daher schon an der dafür erforderlichen Erklärung.

2.2.3. Sofern die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren eine von der Klägerin selbst erklärte, einseitige Auflösung des Dienstverhältnisses – ob fristwahrend iSe Dienstnehmerkündigung oder fristwidrig iSe Austritts – ins Treffen führt, ist ihr zunächst die vom Erstgericht getroffene und vom Rechtsmittelgericht ausdrücklich gebilligte (siehe ErwGr I.3.) Negativfeststellung zu den von der Klägerin während ihrer Quarantäne getätigten Äußerungen, auf welche sich die Beklagte stützt, entgegen zu halten. Da sohin nicht einmal erwiesen ist, ob die Klägerin überhaupt die von der Beklagten behaupteten Äußerungen dahin, sie wolle zu ihrer Familie und werde nach der Quarantäne abreisen, machte, ist schon aus diesem Grund eine von der Klägerin ihrerseits erklärte einseitige Beendigung des Dienstverhältnisses nicht anzunehmen. Hiefür wäre aber nach den allgemeinen Beweislastregeln (dazu näher nachfolgend unter ErwGr II.7.2.) die Beklagte beweispflichtig.

Im Übrigen könnte selbst ausgehend von diesen Prozessbehauptungen der Beklagten solchen Äußerungen in der konkreten Situation nicht ohne Weiteres der Bedeutungsgehalt einer dienstnehmerseitig erklärten Auflösung des Arbeitsverhältnisses (ob durch fristwahrende Kündigung oder fristwidrigen Austritt) unterstellt werden. Gerade in der Situation einer behördlich verordneten Quarantäne samt COVID-19-Erkrankung ist der Wunsch einer Rückkehr zur Familie nachvollziehbar. Allein in einer solchen Äußerung ohne Hinzutreten weiterer konkreter Anhaltspunkte, in denen sich der Wille der Klägerin auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses manifestiert hätte, kann in der hier zu beurteilenden Konstellation keine – auch keine konkludent erklärte – Dienstnehmerbeendigung gelegen sein, zumal eine solche Beendigungserklärung den Arbeitgeber unmissverständlich und zweifelsfrei erkennen lassen muss, dass der Arbeitnehmer das bestehende Dienstverhältnis einseitig auflösen will. Entscheidend ist, dass der Erklärungsempfänger – diesfalls die Beklagte – unter Abwägung aller Umstände keinen vernünftigen Grund zum Zweifel am Willen des Erklärenden – hier der Klägerin – hat, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist jedenfalls größte Sorgfalt geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn sind. Deshalb bestimmt das Gesetz, dass eine konkludente Erklärung nur dann angenommen werden kann, wenn eine Handlung nach der Verkehrssitte, nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in eine bestimmte Richtung zu verstehen ist (9 ObA 181/01k). Die Beurteilung stellt immer eine Frage des Einzelfalls dar, wobei jeweils die konkreten Begleitumstände zu berücksichtigen sind. Die Annahme einer konkludenten (Beendigungs)erklärung in einer bestimmten Richtung scheidet dann aus, wenn das Verhalten verschiedene Deutungen zulässt, zum Beispiel auch ein unentschuldigtes Fernbleiben (RIS-Justiz RS0014490 [T4, T5]).

2.2.4. Die Beklagte relevierte zudem im erstinstanzlichen Verfahren zunächst eine einvernehmliche Beendigung. In der abschließenden Tagsatzung vom 23.8.2022 brachte sie dazu über Erörterung allerdings vor, die Klägerin hätte am 20.1.2022 die ihr von der Beklagten angebotene einvernehmliche Beendigung abgelehnt, woraufhin es zur Arbeitgeberkündigung gekommen sei (PA ON 14.1 S 5). Insofern decken sich die erstgerichtlichen – allseits unbekämpften – Feststellungen in US 11 mit dem eigenen Prozessvorbringen der Beklagten. Ausgehend davon ist hier aber auch eine einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses zu verneinen, zumal eine solche einer übereinstimmenden Willenserklärung der Streitteile bedürfte, die auf Basis dieser Feststellungen gerade nicht angenommen werden kann.

2.2.5. Was die Beendigung des Dienstverhältnisses betrifft ist also von einer Arbeitgeberkündigung auszugehen.

2.3. Auch das von der Beklagten in erster Instanz vorgetragen Argument, durch die kommentarlose Entgegennahme der von ihr nachträglich geleisteten Zahlung aus dem Titel der Kündigungsentschädigung im Betrag von EUR 694,07 für den Zeitraum 21.1. bis 3.2.2022 sei ein Vergleich zwischen den Streitteilen zustande gekommen, weshalb die Klägerin darüber hinaus nichts mehr fordern könne, verfängt allein aufgrund der Prozessbehauptungen der Beklagten und der von ihr vorgelegten Urkunden nicht. Wie sich aus dem von der Beklagten als Beilage ./3 selbst vorgelegten Schreiben der H* I* vom 8.2.2022, dessen Inhalt mit dem klägerischen Prozessvorbringen korrespondiert, ergibt (zur Verwertung der Urkunde: RIS-Justiz RS0121557; RS0040083 [T1]), forderte die Klägerin die Bezahlung aller Entgelte inkl. Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses (S 1) bzw bis zum 30.3.2022. Als Folge darauf korrigierte die Beklagte ihre Abrechnung und leistete die Kündigungsentschädigung für 14 Tage (Beilagen ./4, ./D bis ./G).

Bloßes Schweigen löst im allgemeinen keine Zustimmung aus. Das Schweigen auf ein Vertragsanbot ist grundsätzlich weder Annahme noch Ablehnung, sondern überhaupt keine Willenserklärung (3 Ob 248/04y; RIS-Justiz RS0047273; RS0014126). Nach der Rsp kann Stillschweigen nur unter besonderen Umständen die Bedeutung einer Zustimmung gewinnen. Entscheidend ist, dass der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners schlechterdings keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beilegen kann (RIS-Justiz RS0014126). Dass das bloße Schweigen der Klägerin auf Zahlung der Kündigungsentschädigung allgemein und vor allem in Anbetracht der unmittelbar zuvor geforderten Zahlungen keine Zustimmung zu einem Vergleich betreffend die klagsgegenständlichen Ansprüche darstellt, bedarf angesichts dieser Rechtslage keiner eingehenden Erörterung.

3.1. Erstmals in der Berufungsbeantwortung führt die Beklagte für ihren Standpunkt § 1159 Abs 5 ABGB ins Treffen. Nach dieser Bestimmung kann ein Dienstverhältnis, das nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs vereinbart ist, während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden. Wenn die Beklagte nunmehr unter Bezugnahme auf § 1159 Abs 5 ABGB in der Berufungsbeantwortung erstmals ein Dienstverhältnis für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs behauptet, verstößt sie damit gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO, zumal die von § 63 Abs 1 ASGG normierte Ausnahme hier nicht zur Anwendung kommt, weil die Beklagte im gesamten erstinstanzlichen Verfahren durch einen Rechtsanwalt und damit qualifiziert iSd § 40 Abs 1 ASGG vertreten war. Das Neuerungsverbot gilt daher für die Beklagte uneingeschränkt.

In einem vom Verhandlungsgrundsatz beherrschten Verfahren bestimmen die Parteien den Inhalt und die Auswirkungen ihrer Sachanträge und damit nicht nur, über welche Ansprüche sie ein Urteil des Gerichts begehren, sondern auch, aufgrund welcher Tatsachen die Entscheidung gefällt werden soll (RIS-Justiz RS0037331). Das Gericht darf die Tatsachen nicht völlig selbständig sammeln und daraus selbständige Schlüsse ziehen, sondern ist an das Tatsachenvorbringen der Parteien gebunden (RIS-Justiz RS0037002 [T1], RS0037375). Für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz maßgeblich (RIS-Justiz RS0036969). Der Entscheidung des Gerichts sind das Parteivorbringen, wie es sich aufgrund von (zulässigen) Änderungen und Ergänzungen zum Schluss der Verhandlung darstellt, zugrunde zu legen (RIS-Justiz RS0036947 [T1]).

§ 498 ZPO legt die Grundlagen der Berufungsentscheidung fest. Ihre Grenzen werden durch die Berufungsanträge und durch das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO gezogen. Diese Gesetzesstelle verfügt ein Verbot des Vorbringens neuer Tatsachen und Beweismittel zum Anspruch, also ein Neuerungsverbot in Ansehung des Stoffs für die Entscheidung der in erster Instanz gestellten Sachanträge (RIS-Justiz RS0041965). Eine Änderung der rechtlichen Argumentation einer Partei beziehungsweise die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunkts bei der rechtlichen Beurteilung ist auch im Rechtsmittelverfahren zulässig, sofern die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet wurden (RIS Justiz RS0016473 [T12]).

3.2. Auch wenn von Beginn des Verfahrens – ausgehend vom beidseits unterfertigten Dienstvertrag vom 23.12.2021 (Beilagen ./A und ./1) – zwischen den Streitteilen nicht strittig war, dass das Dienstverhältnis mit 30.4.2022 befristet abgeschlossen wurde, ergibt sich daraus nicht automatisch – wie es die Beklagte aber nunmehr in der Berufungsbeantwortung darzustellen versucht –, dass es sich dabei um ein „nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs“ iSd § 1159 Abs 5 ABGB abgeschlossenes Dienstverhältnis gehandelt hat, widrigenfalls jedes (für die Dauer einer Saison) befristete Dienstverhältnis ein solches wäre. Zur Annahme eines „nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs“ abgeschlossenen Dienstverhältnisses wären gesonderter Prozessbehauptungen der Beklagten im Verfahren erster Instanz erforderlich gewesen, die sie zu erheben jedoch verabsäumt hat. Indem sie sich nunmehr erstmals auf einen solchen Zweck des Dienstverhältnisses beruft, verstößt sie daher gegen das Neuerungsverbot.

3.3. Aber selbst ausgehend von den Behauptung der Beklagten in der Berufungsbeantwortung kann – unabhängig vom Verstoß gegen das Neuerungs-verbot – im vorliegenden Fall das Rechtsinstitut des Arbeitsverhältnisses für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs nicht zur Anwendung gelangen. Zweck eines solchen Arbeitsverhältnisses ist nämlich die Abdeckung einer zeitlich schwer eingrenzbaren Mehrarbeit . Für ein solches Dienstverhältnis bedarf es einer entsprechenden Vereinbarung . Ein solches Dienstverhältnis liegt nur vor, wenn das Ende des Bedarfs nicht vorhersehbar ist . Wird das Ende des Dienstverhältnisses an ein objektiv bestimmbares und von der Willkür des Dienstgebers unabhängiges Ereignis geknüpft, liegt ein befristetes Dienstverhältnis vor, das ohne Vereinbarung einer Probezeit auch im ersten Monat nicht jederzeit aufgelöst werden kann. Das Dienstverhältnis für vorübergehenden Bedarf ist also ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit mit der Besonderheit der jederzeitigen Auflösungsmöglichkeit im ersten Monat ( Pfeil in Schwimann/Kodek 4 § 1158 ABGB Rz 26f; im Ergebnis ebenso Spenling in KBB 6 § 1158 Rz 7; Felten in Rummel/Lukas/Geroldinger 4 § 1159 ABGB Rz 45). Allein aus einer vereinbarten objektiv bestimmbaren Befristung – hier dem 30.4.2022 – kann nicht auf die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses iSd §1158 Abs 5 ABGB geschlossen werden (zum gleichlautenden § 20 Abs 5 AngG: Reissner in ZellKomm³ AngG § 21 Rz 111). Im vorliegenden Fall ist die Befristung mit 30.4.2022 – und damit mit dem Ende der Wintersaison – unstrittig. Aufgrund dieser zeitlichen Fixierung des Endes des Dienstverhältnisses kann aber von vornherein gerade nicht von einem zeitlich schwer eingrenzbaren vorübergehenden Bedarf, dessen Ende nicht vorhersehbar ist, gesprochen werden.

4. Sofern die Klägerin für ihren Rechtsstandpunkt, die Kündigungsklausel sei unwirksam, auf § 6 Abs 3 KSchG reflektiert, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 1 Abs 4 KSchG nicht für Arbeitsverträge gilt. Auf diese Bestimmung ist daher im Folgenden nicht weiter einzugehen.

5.1. Für die Unwirksamkeit der Kündigungsklausel stützt sich die Klägerin weiter auf § 864a ABGB, wonach Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil werden, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. Verstößt eine Klausel gegen diese Bestimmung und erfolgte kein besonderer Hinweis, gilt der Vertrag ohne sie. Die Klausel wird nicht Vertragsinhalt (1 Ob 153/17g; 7 Ob 267/02v). Objektiv ungewöhnlich iSd § 864a sind Klauseln, mit denen der Partner nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte, die also von seinen berechtigten Erwartungen deutlich abweichen (7 Ob 132/15k). Neben dem Inhalt der Klausel ist ihre Stellung im Vertragsgefüge entscheidend (7 Ob 84/12x; 8 Ob 87/14y). Der Klausel muss ein „ Überrumpelungs-“ bzw „Überraschungs- und Übertölpelungseffekt“ innewohnen (RIS-Justiz RS 00146467; Ob 86/17y; 7 Ob 62/15s; 3 Ob 143/18b). Eine Klausel ist „versteckt“, wenn sie nicht dort eingeordnet ist, wo ein durchschnittlich sorgfältiger Leser nach den Umständen mit ihr rechnen muss, und er sie nicht dort findet, wo er sie vermuten könnte (3 Ob 237/16y; 8 Ob 132/15t; 4 Ob 56/03v).

5.2. Schon allein ausgehend vom Inhalt und Aufbau des Dienstvertrags kann die Kündigungsklausel hier nicht als versteckt iSd zitierten Bestimmung angesehen werden. Der Text des Dienstvertrags umfasst – anders als AGBs und Vertragsformblätter sehr häufig – insgesamt rund 1,5 Seite und beinhaltet ein überschaubares Ausmaß an Text. Auch wenn nicht unmittelbar unterhalb des Beginn- und Enddatums des Dienstverhältnisses so ist die Kündigungsklausel doch auf der gleichen – ersten Seite – des Vertrags abgebildet. Hinzu kommt, dass das Wort „Kündigung“ deutlich aus dem Vertragstext hervorgehoben ist. Angesichts dieses äußeren Erscheinungsbilds kann nicht von einer versteckten Klausel an einer unvermuteten Stelle des Vertrags gesprochen werden, vielmehr sticht das Wort „Kündigung“ bereits beim ersten Blick auf den Dienstvertrag hervor. Ein durchschnittlich sorgfältiger Leser kann sie deshalb dort finden, wo sie zu vermuten ist. Die Klausel hält daher der Geltungskontrolle des § 864a ABGB stand. Ein Eingehen auf die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung und ob diese im vorliegenden Fall erfüllt sind, erübrigt sich daher.

6.1. Der mit 1.10.2021 (§ 1503 Abs 19 ABGB idgF; BGBl I 2021/121) in Kraft getretene § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153, der auf alle nach dem 30.9.2021 ausgesprochene Beendigungen anzuwenden ist (§ 1503 Abs 19 idgF; BGBl I 2021/12), lautet wie folgt (Hervorhebung durch das Berufungsgericht):

(1) Ist das Dienstverhältnis ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden, so kann es durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden.

(2) Mangels einer für den Dienstnehmer günstigeren Vereinbarung kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr auf fünf Monate. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.

(3) Die Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung nicht unter die im Absatz 2 bestimmte Dauer herabgesetzt werden; jedoch kann vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder am Letzten des Kalendermonats endigt.

(4) Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Dienstnehmer das Dienstverhältnis mit dem letzten Tage eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden; doch darf die vom Dienstgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Dienstnehmer vereinbarte Kündigungsfrist. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.

(5) Ist das Dienstverhältnis nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbart, so kann es während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden.

Aufgrund der Beendigung des Dienstverhältnisses im Jänner 2022 gelangt im vorliegenden Fall unstrittig § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 (im Folgenden auch § 1159 ABGB neu) zur Anwendung. Strittig ist lediglich wie sich die Ausnahmeregelung des § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt auswirkt.

6.2. Wie vom Erstgericht und den Parteien richtig erkannt nahm der Oberste Gerichtshof erst jüngst in zwei gemäß § 54 Abs 2 ASGG – einerseits von den Fachverbände der Gastronomie und Hotellerie der Wirtschaftskammer Österreich (zu 9 ObA 116/21f) und andererseits vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (zu 9 ObA 137/21v) – eingeleiteten besonderen Feststellungsverfahren zu dieser Regelung Stellung. Aus diesen Entscheidungen ergeben sich folgende für den vorliegenden Sachverhalt maßgebliche Grundsätze, wobei nachfolgend primär auf die zeitlich frühere Entscheidung vom 24.3.20212, 9 ObA 116/21f, Bezug genommen wird, zumal auch der Oberste Gerichtshof aufgrund der inhaltlich identen Thematik in der am 27.4.2022 ergangenen Folgeentscheidung 9 ObA 137/21v soweit hier relevant auf seine Rechtsausführungen in der zeitlich früheren Entscheidung vom 24.3.20212, 9 ObA 116/21f verweist:

6.2.1. Allein die Tatsache, dass eine kollektivvertragliche Regelung bereits seit einem Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten des § 1159 ABGB neu unverändert besteht, schließt nicht aus, dass es sich dabei um eine solche im Sinn des § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB neu handelt (9 ObA 116/21f Rn 20ff). Mit anderen Worten: Durch die Neufassung des § 1159 ABGB ist der hier in Rede stehende, seit seinem Inkrafttreten am 1.5.2019 (zum Kündigungszeitpunkt) unverändert aufrechte § 21a des Kollektivvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (im Folgenden auch kurz nur Kollektivvertrag oder KV), der – abweichend von § 1159 Abs 2 ABGB neu – für unbefristete Dienstverhältnisse eine 14-tägige Kündigungsfrist vorsieht – nicht automatisch überholt, sondern kann – unter Erfüllung der übrigen Voraussetzungen – weiterhin Bestand haben (aaO Rn 20, 25). Mit dieser Klarstellung ist der gegenteiligen Argumentation der Klägerin der Boden entzogen.

6.2.2. Es ist daher zu prüfen, ob § 21a des Kollektivvertrags nach Maßgabe des § 1159 ABGB neu weiter von der den Kollektivvertragsparteien eingeräumten gesetzlichen Ermächtigung zur Schaffung einer abweichenden kollektivvertraglichen Regelung gedeckt ist ( aaO Rn 26).

6.2.3. Das Hotel- und Gastgewerbe ist als einheitliche Branche im Sinn des § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB neu zu betrachten (aaO Rn 27ff, insb Rn 33). Dieser Umstand wird von den Streitteilen hier auch nicht in Zweifel gezogen.

6.2.4. Die gesetzliche Regelungsermächtigung des § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB neu gilt – bereits nach deren Wortlaut – nur, wenn in einer Branche – hier also der gesamten einheitlichen Branche des Hotel- und Gastgewerbes – Saisonbetriebe überwiegen (aaO Rn 34).

6.2.5. Dieses Überwiegen von Saisonbetrieben in einer Branche kann durch die Kollektivvertragsparteien nur deklarativ , aber nicht normativ festgelegt werden. Überwiegen in einer Branchen die Saisonbetriebe nicht , besteht keine Befugnis der Kollektivvertragsparteien zur Schaffung von Kündigungsfristen, die vom gesetzlichen Regelungsmodell abweichen. Im Hinblick auf die Branche des Hotel- und Gastgewerbes wurde von den Kollektivvertragsparteien eine solche (deklarative) Festlegung ohnehin nicht vorgenommen (aaO Rn 35).

6.2.6. Für das Überwiegen im Sinn der zitierten Bestimmung kommt es auf die Anzahl der Saisonbetriebe im Verhältnis zur Gesamtzahl der Betriebe im Sinn eines quantitativen Überwiegens an (aaO Rn 36).

6.2.7. Letztlich konnte in beiden vor dem Obersten Gerichtshof geführten besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG aufgrund des dort jeweils vorgetragenen Antragsvorbringens nicht geklärt werden, ob in der Branche des Hotel- und Gastgewerbes von einem „Überwiegen der Saisonbetriebe“ auszugehen ist oder gerade das Gegenteil der Fall ist, also die Saisonbetriebe nicht überwiegen (9 ObA 116/21f Rn 47ff; 9 ObA 137/21v Rn 13).

7.1. In Bezug auf die beiden zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen ist festzuhalten, dass diese zwar ohnehin keine bindende Wirkung für die Parteien des gegenständlichen Verfahrens (RIS-Justiz RS0085728) entfalten könnten, aber die dortigen Ergebnisse – sofern die auch hier zu klärende Frage des Überwiegens von Saisonbetrieben in der Branche eindeutig beantwortet worden wäre – aufgrund der Aktualität auch im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen wären. Da aber eine Klärung dort nicht erfolgte, ist diese Frage hier eigenständig zu beurteilen, was auch das Erstgericht richtig erkannt und dementsprechend zu dieser Frage folgende Tatsachenfeststellung getroffen hat: „Nicht festgestellt werden kann, ob in der Branche des Hotel- und Gastgewerbes Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen.“

7.2. Strittig ist, ob diese Negativfeststellung zu Lasten der Klägerin oder der Beklagten geht. In dieser Frage teilt das Berufungsgericht die Ansicht des Erstgerichts nicht:

Die Regeln zur Verteilung der Beweislast kommen dann zur Anwendung, wenn – wie hier – ein Beweis für strittige, entscheidungswesentliche Tatsachen nicht erbracht werden kann, wenn also das Beweisverfahren ohne subsumtionsfähiges Sachverhaltsergebnis geblieben ist (3 Ob 15/19f Pkt 1.; 8 ObA 53/10t Pkt 3.1.; 9 ObA 46/04m; RIS-Justiz RS0039872; RS0039875). Nach der allgemeinen Regel der Beweislastverteilung muss derjenige, der ein Recht in Anspruch nimmt, die rechtsbegründenden und rechtsgestaltenden Tatsachen , derjenige aber, der sich auf den Nichteintritt oder auf die Beseitigung eines rechtserheblichen Tatbestands beruft, die rechtshindernden bzw rechtsvernichtenden Tatsachen beweisen, so nicht Spezialregeln über die Beweislast im materiellen Recht einer Partei diese Obliegenheit aufbürden (RIS-Justiz RS0109832). Es ist sohin Sache der Parteien, die jeweils für sie günstigen Tatsachen unter Beweis zu stellen (2 Ob 21/07p; 1 Ob 2297/96t; RIS-Justiz RS0039939; RS0037797 uva). Eine Negativfeststellung , wonach eine bestimmte Tatsache nicht erwiesen ist, fällt jener Partei zur Last , die die Beweislast für den Eintritt dieser Tatsache trifft (1 Ob 62/19b Pkt 5.2., 1 Ob 78/19f Pkt 3.; 4 Ob 83/19p Pkt 7.). Ferner ist in Lehre und Rechtsprechung die ergänzende Hilfsregel anerkannt, dass grundsätzlich nur das Bestehen von Tatsachen zu behaupten und zu beweisen ist, nicht aber das Nichtbestehen von Tatsachen, weil letzteres nur sehr schwer erweislich ist (1 Ob 290/02g; 6 Ob 57/99x). Zusammengefasst gilt also folgende Grundregel: Wenn eine tatbestandsrelevante Tatsache unklar bleibt, ist so zu entscheiden, als wäre festgestellt worden, dass diese Tatsache nicht eingetreten ist ( Klicka Beweislastverteilung 57f; Rechberger/Klicka aaO Vor § 266 ABGB Rz 11).

7.3. Im hier zu beurteilenden Fall stellt § 1159 Abs 2 Satz 1 und 2 ABGB, wonach der Dienstgeber das Dienstverhältnis zum Ablauf eines jeden Kalendervierteljahrs unter Einhaltung einer – hier – sechswöchigen Kündigungsfrist lösen kann, die gesetzlich normierte Grundregel dar. Von dieser kann zu Lasten des Dienstnehmers nur unter der Voraussetzung der in § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB neu eingeräumten Möglichkeit abgewichen werden. Diese Bestimmung bildet daher lediglich die Möglichkeit der Schaffung einer (kollektivvertraglichen) Ausnahmeregelung von der gesetzlichen Grundregel. Deren Voraussetzung ist das – ausnahmsweise – Vorliegen einer Saisonbranche. Die Beklagte stützt sich für die Begründung ihres Rechtsstandpunkts auf diese Ausnahmeregelung, weshalb sie nach den oben dargelegten Grundsätzen auch dafür beweispflichtig ist, dass deren Voraussetzungen erfüllt sind. Es trifft daher im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht die Klägerin die Beweislast für die negative Tatsache, dass es sich bei der Branche des Hotel- und Gastgewerbes nicht um eine solche handelt, in der Saisonbetriebe überwiegen, sondern gerade umgekehrt die Beklagte die Beweislast für den positiven Umstand, dass in dieser Branche die Saisonbetriebe überwiegen (so mit ausführlicher Begründung auch Nunner-Krautgasser in DRdA-infas 2023, 72; im Ergebnis ebenso Lindmayr in ARD 6801/6/2022; Grillberger in wbl 2022, 403 (406); aA vor allem unter Berufung auf die Richtigkeitsvermutung kollektivvertraglicher Regelungen Noga in ASok 2022, 281). Dieser Beweis ist der Beklagten hier jedoch nicht gelungen, sondern hat das Erstgericht hiezu die zitierte Negativfeststellung getroffen.

7.4. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Negativfeststellung des Erstgerichts zur Frage, ob es sich beim Hotel- und Gastgewerbe um eine Branche handelt, in der Saisonbetriebe im Sinn des § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, zu Lasten der Beklagten geht und damit – sowohl zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses, aber auch bereits zu jenem des Vertragsabschlusses am 23.12.2021 – für das Dienstverhältnis der Klägerin die gesetzlichen Kündigungsregeln des § 1159 ABGB zur Anwendung gelangten.

8.1. Im Weiteren ist zu klären, ob die im schriftlichen Dienstvertrag trotz vereinbarter Befristung des Dienstverhältnisses mit 30.4.2021 enthaltene Kündigungsklausel unter Berücksichtigung dieses Ergebnisses wirksam vereinbart wurde.

8.2. Allein nach dem Gesetz erfolgt bei befristet abgeschlossenen Arbeitsverträgen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur durch Ablauf der Befristung; mangels anderslautender Vereinbarung besteht keine Kündigungsmöglichkeit (8 ObA 23/19v; RIS-Justiz RS0028431; Brenn in Reissner , AngG 4 § 19 Rz 9, 30). Nach der Rsp können die Parteien aber auch für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis, die Möglichkeit einer Kündigung vereinbaren. Die Dauer des befristeten Dienstverhältnisses und die Möglichkeit der Kündigung müssen – bei sonstiger Unwirksamkeit im Sinne des § 879 ABGB – aber in einem angemessenen Verhältnis stehen (8 ObA 23/19v; RS0129581; RIS-Justiz RS0028428 [T1]; Brenn aaO Rz 34). Das Erfordernis eines angemessenen Verhältnisses zwischen der Dauer der Befristung und der Kündigungsmöglichkeit gilt auch für Saisonarbeitsverhältnisse (9 ObA 104/18m; RIS-Justiz RS0106029). Die Frage, ob ein solches Missverhältnis zwischen Befristung und Kündigungsmöglichkeit besteht, ist eine solche des Einzelfalls (9 ObA 104/18m; 8 ObA 56/07d; RIS-Justiz RS0028428 [T7]).

8.3. In der auch vom Erstgericht herangezogenen Entscheidung 8 ObA 2206/96m beurteilte der Oberste Gerichtshof die Vereinbarung einer beidseitigen Kündigungsmöglichkeit mit 14-tägiger Kündigungsfrist bei einem auf vier Monate und vier Tage unter Vereinbarung einer 14-tägigen Probezeit abgeschlossenen Dienstverhältnis für zulässig. Insoweit ist der hier zu beurteilende Sachverhalt mit dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden vergleichbar, weil auch hier die im Dienstvertrag enthaltene Kündigungsklausel – wenngleich sprachlich „verunglückt“, aber von ihrem Sinngehalt her von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen – für ein Dienstverhältnis in einem Saisonbetrieb und in der Dauer von etwas mehr als vier Monaten eine 14-tägige Kündigungsfrist und eine ebenso lange Probezeit vorsieht. Darüber hinaus führte der Oberste Gerichtshof dort – die auch hier enthaltene – Vereinbarung, dass im letzten Monat ein Kündigungsrecht nicht besteht, für die Rechtswirksamkeit der Kündigungsklausel ins Treffen. Auch insofern sind die beiden Sachverhalte vergleichbar.

8.4. In der Entscheidung 8 ObA 2206/96m begründete der Oberste Gerichtshof seine Ansicht, es liege dort kein Missverhältnis zwischen der Dauer des Dienstverhältnisses und der Kündigungsmöglichkeit vor, damit dass die 14-tägige Kündigungsfrist derjenigen des einschlägigen Kollektivvertrags bei Arbeitsverhältnissen auf unbestimmte Zeit entspreche. Diese Beurteilung entspricht der herrschenden Auffassung, dass eine im befristeten Dienstverhältnis getroffene Kündigungsvereinbarung den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften über die Kündigungsfristen entsprechen muss . Eine Kündigungsvereinbarung die zwingende Kündigungsfristen und -termine missachtet, ist unzulässig (8 ObA 3/14w ErwGr 2.2.; Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang ³ § 1158 Rz 15; Brenn in Reissner AngG 4 § 19 Rz 36; Reissner in ZellKomm³ AngG § 19 Rz 44; Neumayr in Kletečka/Schauer ABGB-ON 1.03 § 1158 ABGB Rz 13).

Nun deckt sich zwar auch im hier zu beurteilenden Fall die vereinbarte 14 tägige Kündigungsfrist mit der in § 21a des Kollektivvertrags festgelegten Frist. Wie oben dargelegt kommen hier aber aufgrund des der Beklagen obliegenden, von ihr aber nicht erbrachten Beweises für das Vorliegen einer Saisonbranche nicht die kollektivvertraglichen, sondern die gesetzliche Kündigungsregeln des § 1159 ABGB zur Anwendung. Danach war aber im vorliegenden Fall eine fristwahrende Dienstgeberkündigung nur zum Quartalsende und unter Einhaltung sechswöchigen Kündigungsfrist möglich. Diese gesetzliche Regelung stand zudem nicht erst zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses in Geltung, sondern bereits zum Zeitpunkt dessen Begründung im Dezember 2021. Damit entsprach die Kündigungsklausel bereits zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung nicht mehr den zwingenden gesetzlichen Vorgaben, wodurch sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von dem der Entscheidung 8 ObA 2206/96m zugrundeliegenden unterscheidet.

8.5. Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die im Dienstvertrag der Klägerin enthaltene Kündigungsklausel aufgrund eines Verstoßes gegen zwingende Kündigungsfristen und -termine in dieser Form unzulässig war.

9.1. Zu klären sind im Weiteren die Folgen dieser dem Gesetz widersprechenden Kündigungsklausel. Zu 8 ObA 3/14w hatte der Oberste Gerichtshof einen Sachverhalt zu beurteilen, in welchem die von den dortigen Parteien vereinbarte Kündigungsmöglichkeit zwar – wie auch im vorliegenden Fall – nicht in einem unangemessenen Verhältnis zur Dauer der vereinbarten Befristung von einem Jahr stand (aaO ErwGr 2.1.), aber zwingenden gesetzlichen Kündigungsfristen und terminen widersprach. Unter ausdrücklicher Ablehnung der in der Lehre zum Teil vertretenen gegenteiligen Ansicht, wonach eine Kündigungsvereinbarung, die zwingende Kündigungsfristen und -termine missachtet, gänzlich unwirksam sei, was zur Folge habe, dass dem Arbeitnehmer Kündigungsentschädigung bis zum Ablauf der Vertragszeit zustehe, vertrat der Oberster Gerichtshof in dieser Entscheidung die Auffassung (aaO ErwGr 2.5.), eine solche Konstellation – kein unangemessenes Verhältnis zwischen Kündigungsmöglichkeit und Vertragsdauer an sich, aber Verstoß gegen zwingende gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine – habe „lediglich zur Folge, dass bei der Berechnung der Kündigungsentschädigung jene Folgen eintreten, die auch im unbefristeten Dienstverhältnis eintreten, wenn die gesetzliche Kündigungsfrist bzw der Kündigungstermin nicht eingehalten wird: Der Arbeitnehmer ist so zu stellen, als wäre die Kündigung ordnungsgemäß zum nächstmöglichen gesetzlichen Kündigungstermin unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist erfolgt (§ 29 AngG; RIS-Justiz RS0028200; RS0028223)“. Eine fristwidrige Kündigung führt daher zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum zeitwidrigen Termin. Die Kündigungsentschädigung gebührt aber bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen frühesten hätte kündigen können ( Brenn aaO).

9.2. Angewendet auf den vorliegenden Fall ergibt sich aus dieser höchstgerichtlichen Rsp, dass auch hier die Klägerin (nur) Anspruch auf Abgeltung ihrer Ansprüche bis zum nächsten gesetzlich erlaubten Kündigungstermin hat, was im vorliegenden Fall in Anwendung des § 1159 Abs 2 ABGB neu der 31.3.2021 gewesen wäre. Die Ansprüche der Klägerin errechnen sich daher – ausgehend vom von der Beklagte der Höhe nach nicht gesondert bestrittenen Klagebegehren und den dortigen Berechnungsmodalitäten – folgendermaßen:

10. Die Klägerin begehrt gestützt auf § 49a ASGG Zinsen in der Höhe von 8,58 % pa; dieses Begehren wird von der Beklagten ausdrücklich bestritten (ON 14.1 S 3). Nach § 49a ASGG gebühren für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis 9,2 % Zinsen über dem am Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit geltenden Basiszinssatz. Dieser Zinssatz gelangt jedoch nicht zur Anwendung, wenn die Verzögerung der Zahlung auf einer – objektiv – vertretbaren Rechtsansicht des Schuldners beruht (S 2). In diesem Fall stehen nur die „normalen“ gesetzlichen Zinsen von 4% zu (§ 1000 Abs 1 ABGB). Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine vertretbaren Rechtsansicht im Sinn der zitierten Regelung vorliegt, sind unter Anlegung eines objektiven Maßstabs die vertretbaren durchschnittlichen arbeitsrechtlichen Kenntnisse eines durchschnittlichen Arbeitgebers bzw Arbeitnehmers über seine Zahlungspflicht, wobei die Möglichkeit einer zumutbaren Erlangung von Kenntnissen, etwa durch Erkundigungen bei Interessenvertretungen, einzubeziehen ist ( Neumayr aaO § 49a ASGG Rz 6). Ausschlaggebend ist vor allem die rechtliche Komplexität der Materie (8 ObA 10/09t). Eine objektiv vertretbare Rechtsansicht iSd § 49a Satz 2 ASGG liegt etwa dann vor, wenn Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen oder einer komplexen Materie fehlt (9 ObA 113/03p, RIS-Justiz RS0125438). Ob die Verzögerung der Zahlung auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht und deshalb Zinsen nach § 49a zweiter Satz ASGG zuzusprechen sind, stellt eine Einzelfallbeurteilung dar (RIS-Justiz RS0116030 [T1]).

In Anbetracht des Umstands, dass weder zur Frage, ob es sich beim Hotel- und Gastgewerbe um eine Saisonbranche handelt, noch zu jener der Beweislastverteilung bei der Anwendung des § 1159 Abs 2 letzter Absatz ABGB neu in Individualarbeitsprozessen bis zum bei beidseits qualifiziert vertretenen Parteien maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz höchstgerichtliche Rechtsprechung vorlag und sowohl von den jeweiligen Interessenvertretungen als auch in der Literatur zu diesen Frage unterschiedliche Ansichten vertreten werden, ist die Rechtsansicht der Beklagten im hier zu beurteilenden Fall nicht unvertretbar. Es kommt daher nicht der erhöhte Zinssatz nach § 49a ASGG, sondern der von § 1000 Abs 1 ABGB normierte 4%ige Zinssatz zur Anwendung.

11. Im Ergebnis besteht daher das Klagebegehren mit dem oben errechneten Betrag von brutto EUR 5.428,83 samt 4 % Zinsen zu Recht. Sowohl das auf Bezahlung der Entgeltansprüche bis zum Ende der Befristung mit 30.4.2022 gerichtete Mehrbegehren von EUR 2.710,-- sA als auch das Zinsenmehrbegehren von 4,58 % pa aus dem als zu Recht bestehend erkannten Betrag von brutto EUR 5.428,83 ist aber nicht berechtigt und daher abzuweisen.

III. Zur Gegenforderung:

1. Die Beklagte begründet ihre Gegenforderung mit einer wissentlich unrichtigen Anzeige der Klägerin gegen ihren Mitarbeiter J* B*, wonach dieser sie – die Klägerin – trotz positiven COVID-19-Testergebnisses zur Arbeit aufgefordert und ihr mit der Beendigung des Dienstverhältnisses gedroht habe. Das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Aufgrund dieses Verfahrens seien sechs frustrierte Arbeitsstunden des Mitarbeiters E* B* angefallen, weil er für die polizeilichen Ermittlungsmaßnamen zur Verfügung stehen habe müssen. Daraus sei der Beklagten ein – der Höhe nach unstrittiger – Schaden von EUR 66,-- entstanden.

2. Nach der Rsp geht der Ersatzanspruch gegen den Schädiger dann auf den Arbeitgeber über, wenn dieser nach den gesetzlichen Bestimmungen, insbes § 8 AngG, zur Entgeltfortzahlung während der Dauer der Verhinderung des Arbeitgebers verpflichtet war (RIS-Justiz RS0043287). Insofern ist auch hier eine Ersatzpflicht der Klägerin gegenüber der Beklagten für die letzterer aufgrund wissentlich unrichtiger Tatvorwürfe (§§ 1295 Abs 2, 1305 ABGB) gegen ihren Mitarbeiter durch Entgeltfortzahlung trotzt Arbeitsverhinderung entstandenen Kosten denkbar. Im vorliegenden Fall scheitert diese Ersatzpflicht jedoch schon daran, dass ein tatsachenwidriger Vorwurf der Klägerin nicht erwiesen ist, hat doch das Erstgericht zur Frage, ob E* B* die Klägerin aufforderte, trotz positiven COVID-19-Testergebnisses zu arbeiten, eine Negativfeststellung getroffen. Damit ist aber gerade nicht erwiesen , dass der Vorwurf der Klägerin falsch war, sondern blieb diese Frage ausdrücklich offen. Aufgrund dieser Negativfeststellung scheidet die Geltendmachung eines Schadens der Beklagten aus dem von ihr ausdrücklich behaupteten Rechtstitel aus, zumal die Beklagte dafür beweispflichtig ist, dass die Klägerin bewusst die Unwahrheit sagte oder ihre Behauptungen evident unhaltbar waren (RIS-Justiz RS0022840 [T9]; 5 Ob 261/02x). Es war daher auszusprechen, dass die Gegenforderung nicht zu Recht besteht.

IV. Verfahrensrechtliches:

1. Die Abänderung der Entscheidung in der Hauptsache erfordert eine neue Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz. Diese stützt sich auf §§ 50, 40, 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin ist in der Hauptsache – die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens hat auf die Kostenentscheidung keinen Einfluss – mit 2/3 ihres Begehrens durchgedrungen, weshalb sie in Anwendung der Quotenkompensation ( Obermaier Kostenhandbuch³ Rz 1.134) Anspruch auf Ersatz von 1/3 der Vertretungskosten und gemäß § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO auf 2/3 der Pauschal- und Dolmetschgebühren hat. Die Reisekosten der Klägerin von EUR 420,-- unterliegen,  mangels Nennung in der taxativen Aufzählung des § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO ebenfalls der Quotenkompensation (9 Ob 50/10h; LGZ Wien 39 R 349/10b = MietSlg 63.633; Obermaier Kostenhandbuch³ 1.187). Die Beklagte hat keine Einwendungen gemäß § 54 Abs 1a ZPO gegen die von der Klägerin verzeichneten Kosten erhoben, weshalb diese mangels offenbarer Unrichtigkeiten ungekürzt der Kostenentscheidung zu Grunde zu legen waren. Unter Heranziehung obiger Obsiegensquote ergibt sich daher ein Kostenersatzanspruch der Klägerin von EUR 2.099,15 (darin EUR 200,20 USt, EUR 50,-- anteilige Reisekosten der Klägerin und und EUR 848,-- anteilige Pauschal- und Dolmetschgebühren). Die Beklagte ihrerseits hat keine Barauslagen, deren anteiliger Ersatz ihr gebühren würde, verzeichnet.

2. Auch im Rechtsmittelverfahren ist die Klägerin mit 2/3 ihres Berufungsinteresses durchgedrungen. Sie hat daher Anspruch auf 1/3 der – richtig verzeichneten – Kosten für die Berufung und 2/3 der Pauschalgebühr.

3. Das Berufungsgericht konnte sich - wie durch die Zitate belegt - in allen erheblichen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs berufen, von der es nicht abgewichen ist. Eine erhebliche Rechtsfrage in der von den §§ 2 Abs 1 ASGG, 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war daher in diesem Berufungsverfahren nicht zu lösen. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.

Oberlandesgericht Innsbruck

in Arbeits- und Sozialrechtssachen, Abteilung 3

Innsbruck, 25.4.2023

Dr. Gerhard Kohlegger, Senatspräsident

Elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG

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