3R9/23g – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das
Oberlandesgericht Innsbruck
hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Engers und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* , geb. **, Pensionistin, C* D*, **, vertreten durch Mag. Johannes Häusle, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei E* F* , geb. **, Gemeindebediensteter, C* D*, A*-G*straße **, vertreten durch Lercher Hofmann Rechtsanwälte GmbH in Röthis, wegen ausgedehnt EUR 29.029,05 s.A. und Feststellung (EUR 5.000,--) über die Berufung der beklagten Partei in der Hauptsache (Berufungsinteresse EUR 33.989,05 s.A.) und im Kostenpunkt (Interesse EUR 1.393,56) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 18.11.2022, 57 Cg 88/21k-45, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung der beklagten Partei wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, dass sie unter Einschluss der in Teilrechtskraft erwachsenen Abweisung von EUR 40,-- samt 4 % Zinsen p.a. seit 31.7.2021 insgesamt lautet:
„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von EUR 29.029,05 samt 4 % Zinsen p.a. aus EUR 28.575,-- vom 31.7.2021 bis zum 25.10.2022 sowie aus EUR 29.029,05 seit 26.10.2022 zu zahlen, wird abgewiesen .
2. Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Sturz der klagenden Partei am 8.12.2020 auf dem vor der H* D*, I*straße J*, C* D*, befindlichen Gehsteig, haftet, wird abgewiesen .
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 20.312,24 bestimmten (darin enthalten EUR 2.882,04 Umsatzsteuer und EUR 3.020,-- Barauslagen) Prozesskosten zu ersetzen.“
4. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Beklagtenvertreters die mit EUR 2.941,92 (darin enthalten EUR 490,32 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes, über den das Berufungsgericht erkannte, übersteigt EUR 30.000,--.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Entscheidungsgründe:
Text
Am 8.12.2020 ging die Klägerin auf Höhe der I*straße J* in C* D*. Dort befinden sich die Grundstücke Nummer 1803/2 sowie Nummer 1723, beide KG K* D*. Der Beklagte verfügt über keinerlei Eigentum an den genannten Grundstücken. Das Grundstück Nummer 1723 umfasst sowohl die I*straße (L50), als auch einen links und rechts davon befindlichen Streifen, der den jeweiligen Gehsteig mitumfasst. Dieses Grundstück steht im Alleineigentum des Landes Vorarlberg (offenes Grundbuch).
Die Gemeinde Klaus hat die Verpflichtung nach § 93 Abs 5 StVO für den dem Grundstück Nummer 1803/2 vorgelagerten Gehsteigbereich übernommen. Der Beklagte war am Vorfallstag, dem 8.12.2020, für den Winterdienst der Gemeinde Klaus im Bereich ** und damit auch für die I*straße eingeteilt (§ 266 ZPO in ON 11, S 2 iVm ON 38, S 2).
Die Parteien stellten jene Umstände außer Streit, aus denen sich ergibt, dass dem Beklagten keine Haltereigenschaft iSd § 1319a ABGB zukommt (§ 266 ZPO aaO).
Die pauschalen Unkosten der Klägerin in Höhe von EUR 50,-- stehen der Höhe nach außer Streit (§ 266 ZPO aaO).
Von diesem – um die Eigentumsverhältnisse laut Grundbuch, das unbestrittene Übersichtsfoto in ON 45, S 7, und die zitierten Außerstreitstellungen angereicherten – Sachverhalt muss das Berufungsgericht gemäß § 498 Abs 1 ZPO ausgehen.
Mit der am 28.7.2021 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin Schadenersatzleistungen in Höhe von gesamt EUR 28.575,-- s.A. sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige, aus dem Vorfall resultierende, Spät- und Dauerfolgen, bewertet mit EUR 5.000,--. In der Tagsatzung vom 25.10.2022 wurde (nur) das Leistungsbegehren hinsichtlich der Pflegekosten um EUR 1.300,-- auf EUR 1.700,-- eingeschränkt sowie die unfallkausalen Spesen um EUR 10,-- auf EUR 60,--, die Haushaltshilfe um EUR 1.542,-- auf EUR 6.542,-- ausgedehnt und ein weiteres auf Ersatz des Selbstbehalts für unfallkausale Physiotherapien gerichtetes Begehren in Höhe von EUR 202,05 erhoben (ON 38, S 35 f). Das Leistungsbegehren betrug zuletzt EUR 29.029,05.
Soweit im Berufungsverfahren von Relevanz, bringt die Klägerin zusammengefasst vor, sie sei auf dem Grundstück Nummer 1723 in KG K* D* auf einer mit Schneematsch oder -resten bedeckten Eisplatte - obwohl sie festes Schuhwerk getragen habe - gestürzt und dabei schwer verletzt worden. Die Klägerin habe aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr die Wahrnehmbarkeit einer jüngeren Person und sei von der Eisplatte überrascht worden. Die Eisplatte sei sehr schwer erkennbar, sehr dünn und nicht erheblich von der übrigen Bodenbeschaffenheit zu unterscheiden gewesen. Die Eisplatte sei ca. 1,5 Meter groß gewesen. Ein Ausweichen sei nur durch Betreten der Straße möglich gewesen. Dies sei unzumutbar. Der Unfall habe sich auf dem Gehsteig ereignet, der stark frequentiert werde. Dieser Bereich sei mangelhaft geräumt und nicht gestreut gewesen. Die Gemeinde sei dazu nach § 93 Abs 5 StVO verpflichtet. Es sei daher entscheidend, welche Handlungspflichten des Beklagten sich aus dem ihm erteilten Auftrag ergeben und ob er diese sorgfältig erfüllt habe. Der Beklagte habe seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Räumung/Streuung grob verletzt. Er sei von der Gemeinde angewiesen worden, die Gemeindestraßen und Gehsteige von Schnee zu räumen und zu salzen, wenn die Witterungsverhältnisse dies erfordern würden. Trotzdem habe er nicht die ausreichende und aufgrund der Wettervorhersage erkennbar notwendige Salzmenge gestreut. Die gegenständliche Eisplatte sei bei ordentlicher Streuung auch für den Beklagten erkennbar gewesen, da es zu seinen Aufgaben zähle, den Untergrund genau zu untersuchen und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zu setzen, um Glättebildung zu verhindern. Weiters habe er einen Kontrollgang unterlassen. Dass sich dort aufgrund der Verhältnisse und der Witterung Eis gebildet habe, sei vorhersehbar gewesen. Die große Eisplatte, auf der die Klägerin gestürzt sei, impliziere, dass die Stelle entweder überhaupt nicht oder nur völlig unzureichend gesalzen worden sei.
Der Beklagte bestreitet dem Grunde und der Höhe nach, beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung wendet soweit im Berufungsverfahren noch relevant zusammengefasst ein, die Gemeindemitarbeiter würden den Winterdienst gewissenhaft anhand einer fixen Route verrichten. Die Bestreuung mit Salz erfolge mit einem neueren Traktor, wobei das Salzstreugerät jedenfalls 15 g Salz pro Quadratmeter ausgebe. Bekannte kritische Stellen im Gemeindegebiet würden im Lauf des Tages nachgesalzen und das Wetter von den Mitarbeitern laufend beobachtet. L* M* habe – mangels erkennbarer Grundstücksgrenze – auch die Unfallstelle ebenso mit Salz bestreut. Es seien durch die Gemeinde Klaus und den Beklagten alle erdenklichen Maßnahmen ergriffen worden, um eine Vereisung zu verhindern. Die Klägerin treffe überdies ein 50%iges Mitverschulden, da diese vor dem Sturz nicht vor ihre Füße geblickt habe, obwohl die Eisplatte schon von Weitem erkennbar gewesen sei. Aufgrund der Witterungsverhältnisse und der behaupteten Schnee- oder Eisglätte sei die Klägerin angehalten gewesen, besonders vorsichtig zu sein. Es sei ihr weiters zumutbar gewesen, die erkennbare Eisglätte zu umgehen.
Mit dem bekämpften Urteil verpflichtete das Erstgericht den Beklagten dazu, der Klägerin EUR 28.989,05 s.A. zu bezahlen, gab dem Feststellungsbegehren statt und bestimmte die der Klägerin zu ersetzenden Prozesskosten mit EUR 23.660,28 (Pkt 1., Pkt 2. und Pkt 4.). Das Mehrbegehren der Klägerin in Höhe von EUR 40,-- s.A. wies es ab (Pkt 3.).
Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht den eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalt zugrunde.
Darüber hinaus traf es folgende – soweit im Rechtsmittel bekämpft – hervorgehobene – Feststellungen:
„ Zum Sturzzeitpunkt war lokale Eisglätte aus meteorologischer Sicht aufgrund der vorhergehenden Wetterverhältnisse gut möglich. [...]
Für einen erfahrenen Winterdienst-Tätigen war aus meteorologischer Sicht aus dem prognostizierten Temperaturverlauf und aus der Kenntnis der Nässe der Verkehrswege die Möglichkeit einer Glättebildung in der Nacht vom 7. auf den 8.12.2020 ersichtlich. Aus winterdienstlicher technischer Sicht hätte ein im Winterdienst tätiger Mitarbeiter aufgrund der Wettervorhersage und der Witterungsverhältnisse jedenfalls einen Rückschluss auf bevorstehende Eisglätte am Morgen des 08.12.2020 nehmen können. [...]
Die gegenständliche Unfallstelle am Gehsteig befindet sich nordöstlich der Grundstücks Nr. 1803/2, auf dem die Filiale der H* mit der Adresse I*straße J* situiert ist.
Die monierte Verkehrsfläche ist asphaltiert. Dabei weist der Gehsteig eine Neigung von ca. 3 Grad in Richtung der Straße auf, was die Entwässerung des Gehsteigs begünstigt.
Den Winterdienst des Grundstücks „**“, auf welchem die H* situiert ist, führt die Fa. N* O* aus. Der Winterdienst am angrenzenden Gehsteig, welcher sich im Eigentum des Landes P* befindet, wird durch die Gemeinde Klaus durchgeführt. [...]
Die Schneeräumung durch die N* Q* GmbH wird manuell mit einer Schneeschaufel durchgeführt. Die Salzstreuung erfolgt auf diesen Flächen per Hand mit einem handelsüblichen Eimer.
[1] L* M* war am 8.12.2020 der zuständige Hausmeister und streute am Morgen des 8.12.2020 um ca. 07:15 die von ihm beauftragten Flächen (blaue Fläche), dabei verwendete er zirka 13 – 15kg Streusalz . Die zu betreuende Fläche von Herrn L* R* im Auftrag der H* ergibt zirka 200m². [2] Mit der von L* M* verwendeten Schneeschaufel ist eine gleichmäßige Verteilung der Streustoffmenge auf der Fläche aus winterdienstlich technischer Sicht nicht möglich .
Die Schneeräumung und Salzstreuung durch die Gemeinde Klaus wird mit einem Traktor der Marke **“ sowie einem zugebauten Salzstreuer durchgeführt. Dieses Räumgerät ist für die Durchführung der Schneeräumung und Streuung von derartigen Verkehrsflächen, insbesondere im kommunalen Betrieb geeignet. Der Fahrer kann über die Kamera das Streubild überwachen und die Salzmenge kann digital im Fahrerhaus eingestellt werden.
Der Gehsteigbereich wurde vom Beklagten mit seinem Einsatzgerät mit der Einstellung von 14g – 16g m² bestreut. Aufgrund der technischen Ausstattung des Räumgeräts ist davon auszugehen, dass die Streuung vollflächig erfolgte.
Bei der Gemeinde Klaus sind fünf Mitarbeiter angestellt, die für den Winterdienst zuständig sind. Jede Woche von Montag 07:00 Uhr bis Montag 07:00 Uhr der Folgewoche hat ein Mitarbeiter der Gemeinde Klaus Bereitschaftsdienst. Derjenige, der Bereitschaftsdienst hat, hat muss sich über die bestehende Außentemperatur sowie über Vereisungen vergewissern, und hat die Verantwortung zu entscheiden, ob bzw. gegebenenfalls wie und was und wie oft gestreut werden muss. Er muss darüber hinaus Kontrollfahrten durchführen. Er muss dann in weiterer Folge auch alle Mitarbeiter verständigen, die dann zum Räumen und Streuen eingeteilt sind (ZV S*, ZV T*, PV Beklagter). Diese Verantwortung hat der Beklagte seit er bei der Gemeinde Klaus angestellt ist, seit dem Jahr 2018 (PV Beklagter).
Von Seiten des Bauhofs oder der Gemeinde gibt es bis auf den vorgegebenen Streuplan, der die Routen der Fahrer einteilt (Beilage ./I) keine Vorgaben, wie das Streuen zu handhaben ist.
Es gibt Bereiche in der Gemeinde, die aufgrund ihrer Situierung und fehlender Sonneneinstrahlung jedenfalls gestreut werden müssen. Der Bereich der gegenständlichen Unfallstelle ist kein Bereich, der von den Mitarbeitern der Gemeinde Klaus jedenfalls gestreut wird, da an der Unfallstelle durchaus Sonnenstrahlung vorhanden ist (PV Beklagter; ZV S*).
Je nach Wetterlage, werden vom zuständigen Winterdienstmitarbeiter Kontrollgänge bei den gefährdeten Stellen, wo keine Sonneneinstrahlung stattfindet, durchgeführt. Die übrigen Stellen im Ort sieht der jeweilige Winterdienstmitarbeiter nur anlässlich des Vorbeifahrens bei der Kontrollfahrt, diese werden nicht speziell überprüft (ZV S*, PV Beklagter). [...]
In den letzten knapp 30 Jahren vor dem Unfallereignis war die Gemeinde Klaus mit keinen Stürzen aufgrund von Eisbildung oder ungenügender Streutätigkeit konfrontiert, die Mitarbeiter haben an der Unfallstelle noch nie eine Eisfläche wahrgenommen (ZV S*, ZV T*, PV). […]
Entschieden, ob gesalzen wird, wird von demjenigen, der Bereitschaftsdienst hat, auf Grund der Temperatur sowie durch Kontrollfahrten, bei denen man sich vergewissert, ob eine Vereisung besteht. […]
Entscheidend für den Beklagten bei der Kontrolle der Temperatur ist die Straßentemperatur. Die Bodentemperatur wird bei der Gemeinde Klaus ein bisschen oberhalb vom Boden gemessen, die Straßentemperatur direkt im Boden. Wenn diese Straßentemperatur annähernd null Grad erreicht, auch bei 0,5 Grad plus, wird gefahren. Es wird auch auf die Wettervorhersage für den kommenden Tag geschaut. Am konkreten Tag war das strittig. Wenn es strittig ist, dann wird gefahren. Der Beklagte verständigte daher seinen Kollegen T* (PV Beklagter).
Der Beklagte fuhr am Unfalltag anlässlich seines Kontrollgangs vorab nicht an der gegenständlichen Unfallstelle vorbei, um sich zu vergewissern, ob sich dort Vereisungen befinden.
Der Beklagte streute den Gehsteig am Morgen des 08.12.2020 um zirka 05:00, da der Gehsteig (rote Fläche im Lichtbild Seite 7 im Urteil) zu Beginn seiner Route ist.
Er streute den zu betreuenden Gehsteig auf Höhe der H* mit der Einstellung von zirka 14 – 16g m² und einer Streubreite von 2,5 – 3 Metern (PV Beklagter). […]
Ob der Beklagte am Vormittag des 8.12.2020 nach dieser Streutätigkeit am Vormittag vor dem Sturz der Klägerin einen weiteren Kontrollgang durchführte, kann nicht festgestellt werden.
Am Vormittag des 8.12.2020 ging die zum Unfallszeitpunkt 80-jährige Klägerin zu Fuß von Norden her von der I*straße kommend in Richtung der H* U* in D* mit der Adresse I*straße J*. Sie trug dabei Winterstiefel.
Sie ging auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Bank von Norden nach Süden. Gegen 09:30 Uhr verließ die Klägerin die H* über die drei Stufen der Bank auf den Vorplatz und ging Richtung Norden den Gehsteig entlang. Sie wollte zunächst die Straße wieder unmittelbar bei der Bank überqueren, nahm allerdings davon Abstand, nachdem zwei Fahrzeuge auf der Straße vorbei fuhren. Die Klägerin ging dann in weiterer Folge auf der Straßenseite der Bank in Richtung des Zebrastreifens. [3] Sie blickte dabei auf den Gehsteig, wobei ihr die Eisfläche nicht auffiel. Dabei kam Sie während des Gehens auf einer Eisplatte, die sich auf dem Gehsteig befand, zu Sturz (PV Klägerin, ZV V*, ZV E* W*).
Der Gehsteig war zum Unfallszeitpunkt geräumt. [4] Es handelte sich bei der Eisplatte um eine klare dünne Eisplatte, welche nicht gut erkennbar war und einen Durchmesser von ca einem bis eineinhalb Metern aufwies. Wenn man vor der Eisschicht stand, konnte man diese wahrnehmen (ZV E* W*). […]
Die Klägerin rutschte auf der Eisfläche weg und stürzte zunächst schräg auf ihr Knie und in weiterer Folge ganz auf den Boden. [...]
Die am 8.12.2020 gegen 09:30 Uhr vorhandenen Eisstellen sind aus winterdienstlicher technischer Sicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Eisglätte zurückzuführen. Die vom Beklagten verwendeten 14 – 16g sind bei einer vorbeugenden Streuung zur Vermeidung von Eisglätte aufzubringen. Zur Bekämpfung von Eisglätte sind jedenfalls mindestens 30g – 40g pro m² Auftausalz notwendig, das gleichmäßig auf der Fläche verteilt werden muss.
Aus winterdienstlicher technischer Sicht war in den Morgenstunden am 8.12.2020 vor 06.00 Uhr, eine Streuung mit auftauenden Streumitteln notwendig. Hierbei hätten mindestens 30g- 40g Auftausalz pro m² gleichmäßig verteilt gestreut werden müssen, um eine vorhandene Eisglätte zu bekämpfen und aufzutauen.
Wären die aus winterdienstlich technischer Sicht erforderlichen 30 Gramm – 40 Gramm m² an der Unfallstelle aufgebracht worden, dies mit einer ordentlichen Streustoff-Verteilung, wäre die Glatteisplatte nicht vorhanden gewesen.
Aus winterdienstlicher technischer Sicht liegt es in der Verantwortung des Winterdienstfahrers nach der ersten Streuung zu kontrollieren, ob diese erfolgreich war und gegebenenfalls ein weiteres Mal zu streuen.
Der damit verbundene Aufwand zur Aufbringung von mindestens 30g – 40g Auftausalz pro m² wäre aus winterdienstlicher technischer Sicht grundsätzlich der gleiche gewesen, wie die Aufbringung von 14 – 16g pro m², jedoch hätte die Streumenge an die Witterungsverhältnisse angepasst werden müssen.
Wenn ein Vereisungsrest verbleibt und die aufgebrachte Streumenge nicht ausreichend ist, liegt aus winterdienstlich technischer Sicht die Menge der Anbringung von Streusalz in der Verantwortung des Mitarbeiters und auch der Kontrolle, ob die Salzstreuung erfolgreich war.
[5] Wenn Vereisungsreste bestehen bleiben, hätte aus winterdienstlich technischer Sicht derjenige, der für die Streuung bzw. die Räumung verantwortlich ist, dies sehen müssen . Diese Vereisungsreste hätten dann entweder entfernt werden müssen, oder der Bereich abgesperrt werden müssen, da hier Gefahr in Verzug vorliegt.“
[vermeintlich dislozierte Feststellung, US 24] [6] „ Die Klägerin brauchte daher auf dem ansonsten geräumten Gehsteig mit dem Vorliegen einer Eisplatte [nicht zu] rechnen, zumal diese darüber hinaus klar und transparent, sohin schwer erkennbar war . Überdies trug die Klägerin zum Unfallszeitpunkt auch festes Schuhwerk. Demnach war auch ein Ausweichen der Eisfläche durch die Klägerin nicht möglich, da diese die Fläche [auf die] […] sie [...] trat, nicht wahrnahm und aufgrund der schlechten Erkennbarkeit auch nicht wahrnehmen konnte . “
Rechtliche Beurteilung
In rechtlicher Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Gemeinde habe die Verpflichtung nach § 93 Abs 5 StVO für den Gehsteigbereich, in welchem die Klägerin zu Sturz kam, übernommen. Bei der Vorschrift des § 93 StVO handle es sich um eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB, deren Zweck im Schutz der die dort genannten Verkehrsflächen bestimmungsgemäß benützenden Fußgänger liege. Der Geschädigte habe den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solche zu beweisen. Für Letzteres genüge der Nachweis der objektiven Übertretung der Schutznorm. Dem Schädiger obliege der Nachweis, dass ihm die objektive Übertretung des Schutzgesetzes nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten sei.
Da die Klägerin auf dem von der Gemeinde gemäß § 93 Abs 5 StVO zu bestreuenden Gehsteig auf einer dort bestehenden Eisfläche gestürzt sei, habe der Beklagte objektiv eine Verletzung des § 93 Abs 1 StVO zu vertreten. Zwar dürfe die Pflicht zur Schneeräumung und die Streupflicht nicht überspannt werden. Jedoch sei die Pflicht zur Schneeräumung im vorliegenden Fall nicht unzumutbar. Ausgehend von den Feststellungen habe der Beklagte als ein im Winterdienst tätiger Mitarbeiter am Unfallstag mit der Bildung von Eisglätte auf Gehwegen rechnen müssen. Um dies zu vermeiden hätte der Beklagte lediglich mehr Streumittel aufbringen müssen, als er gegenständlich getan habe. Aufgrund der Wettervorhersage am Vorabend habe der Beklagte wissen müssen, dass mit Eisglätte zu rechnen ist.
Dass in der Gemeinde Klaus seit 30 Jahren kein Unfall auf eine Eisfläche zurückzuführen sei, erscheine als glücklicher Umstand, entbinde die Gemeinde aber nicht von der Verpflichtung, bei entsprechenden Wetter- und Witterungsverhältnissen die vorgeschriebenen Streumengen präventiv zu verwenden.
Da die Klägerin festes Schuhwerk getragen habe und die Eisfläche, bevor sie darauf getreten sei, nicht wahrgenommen habe und aufgrund der schlechten Erkennbarkeit auch nicht wahrnehmen habe können, sei ein Ausweichen nicht möglich gewesen. Überdies sei die Sinneswahrnehmung und Reaktionsfähigkeit der zum Unfallzeitpunkt 80-jährigen Klägerin nicht mit einer jüngeren Person vergleichbar, sodass diese kein Mitverschulden treffe. Würde man ein solches annehmen, würde dieses angesichts des überwiegenden Verschuldens des Beklagten gänzlich in den Hintergrund treten.
Insgesamt errechne sich ein Schadenersatzbetrag der Klägerin in Höhe von EUR 28.989,05, der sich aus EUR 20.000,-- Schmerzengeld, EUR 6.542,-- Haushaltshilfekostenersatz, EUR 1.700,-- Pflegekostenersatz, EUR 202,05 Ersatz für Physiotherapiekosten, EUR 275,-- Fahrtkostenersatz, EUR 200,-- Ersatz für beschädigtes Hörgerät, EUR 20,-- Ersatz für Mobiltelefon und EUR 50,-- unfallkausale Spesen zusammensetze. [Die Differenz zum zuletzt ausgedehnten Leistungsbegehren von EUR 29.029,05 ergibt den klagsabweisenden Betrag von EUR 40,--.]
Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung des Beklagten in der Hauptsache aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt (ON 50, S 18 f).
In ihrer (fristgerechten) Berufungsbeantwortung beantragt die Klägerin , dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 52, S 7).
Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Anfechtungsgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§ 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen als berechtigt.
A) Zum tatsächlichen Anfechtungsumfang:
1.: Das Leistungsbegehren des Urteils erster Instanz betrug EUR 29.029,05, dem das Erstgericht im Ausmaß von EUR 28.989,05 s.A. stattgab. Die Entscheidung wird nur vom Beklagten (im Ausmaß von EUR 28.989,05) bekämpft. Daher trat im Umfang der (in erster Instanz abgewiesenen) Differenz von EUR 40,-- Teilrechtskraft ein. Ein untrennbarer Zusammenhang des unangefochten gebliebenen, zugesprochenen Teils mit dem angefochtenen (der einer selbständigen Rechtskraft entgegenstünde) liegt nicht vor, weil eine quantitative Abgrenzung des unangefochtenen und des angefochtenen Entscheidungsteiles möglich ist (RIS-Justiz RS0041347; ein untrennbarer Zusammenhang besteht hingegen etwa bei Einwendung einer Gegenforderung, vgl ebd [T1] = 8 Ob 39/80).
2.: Auf die in erster Instanz noch – auch der Höhe nach – strittigen und über den Fahrtkostenersatz hinausgehenden Schadenersatzbegehren kommt der Beklagte in seinem Rechtsmittel nicht mehr zurück. Auf diese übrigen, jeweils selbständigen rechtserzeugenden Tatsachen und Aspekte ist daher vom Berufungsgericht nicht mehr einzugehen (RIS-Justiz RS0043338, RIS-Justiz RS0043352 [T17, T23, T26, T31, T33, T34]; RS0041570 insbesondere [T6, T12]).
3.: Das Berufungsverfahren in der Hauptsache hat sich folglich zunächst auf den Anspruch dem Grunde nach und nur bejahendenfalls der Höhe nach auf den in der Berufung monierten Fahrtkostenersatz im Umfang von EUR 275,-- zu beschränken.
B) Zur Beweisrüge:
1.: Der Beklagte bekämpft mit seiner Beweisrüge die oben in der Wiedergabe der erstinstanzlichen Entscheidungsbegründung hervorgehobenen Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichts [1-5] sowie eine (vermeintlich) dislozierte Feststellung zu [6] und wünscht an deren Stelle folgende Ersatzfeststellungen:
[1] „ L* M* war am 08.12.2020 der zuständige Hausmeister und streute am Morgen des 08.12.2020 um ca. 7.15 Uhr sowohl die von ihm beauftragten Flächen (blaue Fläche) als auch die rot umrandete Fläche, sohin den Gehsteigbereich, jedenfalls auch die angekreuzte Unfallstelle laut Beilage ./F, dabei verwendete er ca 13 – 15 kg Streusalz .“
[2] „ Mit der von L* M* verwendeten Schneeschaufel ist zwar aus winterdienstlich technischer Sicht grundsätzlich nicht überall eine gleichmäßige Verteilung der Streustoffmenge auf der Fläche möglich. Allerdings ist es nicht möglich, dass der Zeuge M* zwar eine Streuung am Vorplatz auch an der Unfallörtlichkeit vorgenommen hat, aufgrund von Ungleichmäßigkeiten allerdings die exakte Unfallstelle nicht oder nicht ausreichend mit Salz bestreute, weil der Zeuge M* bei Vorliegen einer Eisplatte das Knistern hört. Die Unfallstelle selber wurde demzufolge vom Zeugen L* M* ausreichend bestreut. “
[3] „ Die Klägerin blickte unmittelbar bevor sie auf die große Eisfläche lief, nicht auf den Gehsteig, sondern vielmehr in Richtung Straße, ob ein Fahrzeug komme, weil sie kurz darauf die Straße überqueren wollte. Aus diesem Grund fiel ihr die Eisfläche nicht auf .“
[4] „ Es handelt sich bei der Eisplatte um eine Eisplatte, welche schon in einer Entfernung von mehr als 10 Metern gut erkennbar war und einen Durchmesser von ca 1 – 1,5 Metern aufwies. Auch wenn man vor der Eisschicht stand, konnte man diese wahrnehmen. Jedenfalls konnte die Klägerin die Eisplatte wahrnehmen .“
[5] „ Wenn Vereisungsreste bestehen bleiben – wie im vorliegenden Fall die an der Unfallstelle vorhandene Eisplatte –, so war dies im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Umstände aus winterdienstlich technischer Sicht für denjenigen, der für die Streuung bzw. die Räumung verantwortlich ist, nicht erkennbar .“
[6] „ Die Klägerin musste auf dem ansonsten geräumten Gehsteig mit dem Vorliegen der Eisplatte rechnen, weil sie schon von Weitem gut erkennbar war. Jedenfalls konnte die Klägerin die Eisplatte wahrnehmen .“
2.: Dieser Beweisrüge kommt jedoch aus nachstehenden Gründen keine Berechtigung zu:
2.1.: Die Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung erfordert die bestimmte Angabe 1. welche konkrete Feststellung bekämpft wird, 2. infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, 3. welche Feststellung stattdessen begehrt wird und 4. aufgrund welcher Beweisergebnisse die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (OLG Innsbruck 1 R 182/20d; 23 Rs 22/20a 3 R 71/20w; RIS Justiz RS0041835; Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO 5 [2019] § 471 ZPO Rz 15 mwN). Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (5 Ob 311/85). Dabei reicht der Verweis auf einzelne für den Berufungswerber günstige Beweisergebnisse nicht aus; erforderlich ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen. Dabei ist darzustellen, warum das Erstgericht bei richtiger Beweiswürdigung gerade die begehrte Feststellung (und nicht etwa aufgrund anderer vorliegender Beweismittel andere Feststellungen) hätte treffen müssen (10 Ob 5/22s; 6 Ob 177/21d). Werden diese Grundsätze nicht beachtet, ist eine Beweisrüge nicht judikaturkonform ausgeführt.
2.2.: Diesen von der Judikatur vorgegebenen Anforderungen genügt die Beweisrüge des Beklagten in mehrfacher Hinsicht nicht.
2.3.: zu [1] und [2]:
2.3.1.: Zunächst ist festzuhalten, dass die Beweisrüge nicht den oben dargestellten Grundsätzen entspricht, indem sie eine alternative Beweiswürdigung zu den begehrten Ersatzfeststellungen unterlässt. Damit ist die Beweisrüge nicht judikaturkonform ausgeführt. Nachdem die angestrebte Feststellung somit nicht erreicht wird, ist folglich auch nicht näher auf die Ausführungen zur rechtlichen Erheblichkeit einzugehen. Die Beweisrüge zu [1] und [2] ist darüber hinaus auch inhaltlich unberechtigt:
2.3.2.: Sie unterstellt dem Erstgericht zusammengefasst, dem Zeugen L* M* aufgrund des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens zu 82 BAZ 906/20d keinen Glauben geschenkt zu haben (ON 50, 2 f). Derartiges lässt sich der erstgerichtlichen Beweiswürdigung jedoch nicht entnehmen. Die Beweisrüge übergeht, dass sich die diesbezügliche Feststellung des Erstgerichts auf die Aussage des Zeugen L* M* und auf die Ausführungen des Sachverständigen stützt (ON 45, S 18). Die vom Sachverständigen getroffene Aussage, wonach mit der von L* M* verwendeten Schneeschaufel eine gleichmäßige Verteilung der Streustoffmenge auf der Fläche aus winterdienstlich technischer Sicht nicht möglich ist, erkennt sogar die Beweisrüge selbst als zutreffend an (ON 50, S 3). Für sachkundliche Tatfragen, die die gewöhnlich vorauszusetzende Fachkunde des Richters übersteigen, sind Sachverständige heranzuziehen (vgl Klauser/Kodek , JN – ZPO 18 § 351 ZPO [Stand 1.9.2018, rdb.at] E1/1, E4/1). Darüber hinaus ist eine Zeugenaussage per se nicht geeignet, ein Sachverständigengutachten zu widerlegen (RIS-Justiz RS0040598; Klauser/Kodek , JN – ZPO 18 § 362 ZPO [Stand 1.9.2018, rdb.at] E30 mzwN; auch nicht durch sachverständige Zeugen, zuletzt etwa 7 Ob 192/22v). Es kann somit dahinstehen, ob es sich bei dem Zeugen L* M* überhaupt um einen sachverständigen Zeugen handelt.
2.3.3.: Die unterstrichenen Passagen der begehrten Ersatzfeststellungen zu [1] und [2] stellen darüber hinaus eine beabsichtigte Erweiterung des Sachverhaltes dar. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Innsbruck hat die in einer Beweisrüge begehrte Ersatzfeststellung jedoch im Austauschverhältnis zu der bekämpften Feststellung zu stehen (OLG Innsbruck, 3 R 69/22d; 3 R 71/20w ErwGr 1.1.; 1 R 182/20d; 23 Rs 22/20a ErwGr 1). Ein solches liegt nur dann vor, wenn sich die bekämpfte und die gewünschte Feststellung in einem Alternativverhältnis darstellen. Das bedeutet, dass zwischen der bekämpften und der begehrten Feststellung ein derartiger inhaltlicher Widerspruch (Gegensatz) bestehen muss, dass sie nicht nebeneinander bestehen können. Die eine Feststellung muss die andere ausschließen (OLG Wien, 13 R 87/22t ErwGr I.1.1.; 13 R 115/22k/13 R 117/22d, ErwGr II.1. mwN; 12 R 1/22p, ErwGr 1. 1.1.; 12 R 101/21t; 12 R 86/20k, ErwGr 2.I.) Eine darüber hinausgehende, den Sachverhalt erweiternde (also ergänzungsbedürftige), verfahrensrelevante Feststellung, kann nur als sekundärer Feststellungsmangel und damit in der Rechtsrüge geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043603 [T7]; RS0043304 [T5, T6] ). Eine Rechtsrüge wegen sekundärer Feststellungsmängel scheidet jedoch aus, wenn das Erstgericht (positive oder negative) Feststellungen getroffen hat (RIS-Justiz RS0053317 [T1]; zuletzt etwa 10 Ob 12/22w; RS0043480 [T15]). Letzteres ist hier der Fall, indem das Erstgericht Feststellungen zu der Streutätigkeit des Zeugen L* M* sowie des Beklagten getroffen hat, mögen diese auch nicht im Interesse des Beklagten sein.
2.3.4.: Schließlich führt die Beweisrüge zu [1] und [2] aus, eine Zusammenschau der begehrten Ersatzfeststellungen ergebe, dass die insgesamt vom Sachverständigen geforderte Streumenge von 30 – 40 g/m² durch ein Zusammenwirken der Streutätigkeiten des Zeugen L* M* und des Beklagten erreicht worden sei und folglich keine objektive Rechtsverletzung vorliege. Dieser gezogene Schluss stellt eine rechtliche Beurteilung dar, die der Beweisrüge entzogen und richtigerweise mit Rechtsrüge geltend zu machen ist. Eine Behandlung dieser Ausführungen als Rechtsrüge scheitert jedoch daran, dass sie nicht vom erstgerichtlich festgestellten, sondern von einem Wunschsachverhalt ausgeht. Eine allenfalls vorliegende Rechtsrüge ist somit nicht rechtsprechungsgemäß ausgeführt. Dem Berufungsgericht ist es daher verwehrt, darauf näher einzugehen (RIS-Justiz RS0043312 [T14]; RS0041585 [T2]; RS0043603 [T2]; Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 [2019] § 503 ZPO Rz 134).
2.4.: zu [3]:
2.4.1.: Die Beweisrüge nennt die bekämpfte Feststellung samt erstgerichtlicher Beweiswürdigung sowie die begehrte Ersatzfeststellung unter Anführung einer Alternativbeweiswürdigung. Im Zuge der Alternativbeweiswürdigung wird der Aussage der Klägerin vom 29.1.2021 mehr Gewicht zugemessen, als jener vom 25.10.2022, da diese am 29.1.2021 unter Wahrheitspflicht gestanden sei. Überdies ergebe sich die begehrte Ersatzfeststellung ausgehend von der Aussage der Klägerin vom 29.1.2021 aus einer lebensnahen Einschätzung eines gewöhnlichen Straßenübergangs angesichts herannahender Fahrzeuge. Die Beweisrüge baut im Wesentlichen darauf auf, dass die Klägerin im Zuge ihrer Zeugenvernehmung vom 29.1.2021 vor der X* folgende Angaben machte (Beiakt 82 BAZ 906/20d, StA Feldkirch, S 42):
„ Ich ging über die Stiege vor dem Bankgebäude in die Bank und erledigte meine Bankgeschäfte. Daraufhin verließ ich das Bankgebäude wieder auf demselben Weg wie ich es betreten habe. Ich ging über den Vorplatz des Bankgebäudes und ging in Richtung des Kiosks, welcher sich neben dem Bankgebäude befinden. Als ich auf Höhe der Einfahrt war, welche sich auf der rechten Seite des Bankgebäudes befindet, habe ich geschaut [Anm der PI: Standpunkt vor dem Bankgebäude in Blickrichtung des Gebäudes] , ob ein Auto kommt, da ich kurz darauf die Straße überqueren wollte. In diesem Moment bin ich auf eine große Eisfläche gelaufen und stürzte zu Boden .“ (Hervorhebung durch den Beklagten)
2.4.2.: Daraus ergebe sich, dass die Klägerin gerade nicht vor ihre Füße geblickt und die Gehsteigfläche beobachtet habe. Vielmehr habe sie ihre Blickrichtung auf die Straße gerichtet, da sie diese überqueren wollte. Angesichts des erhobenen Einwands des Mitverschuldens durch den Beklagten sei die Aussage der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren als Schutzbehauptung zu werten.
2.4.3.: Mit diesen Ausführungen kann der Beweisrüge kein Erfolg beschieden sein. Aus der zitierten Zeugenaussage der Klägerin vom 29.1.2021 ergibt sich gerade nicht, dass diese nicht auf den Boden bzw. den Gehsteig blickte. Die Klägerin äußerte sich im Zuge ihrer Einvernahme nicht dazu, ob sie auf den Boden/den Gehsteig bzw. vor ihre Füße blickte. Dass die Klägerin nicht vor ihre Füße blickte schließt der Beklagte lediglich aus den Angaben der Klägerin, denen zufolge sie auf den fahrenden Verkehr achtete. Dieser Schluss des Beklagten vermag eine Beweiswürdigung nicht zu tragen, sodass die Beweisrüge bereits aus diesem Grund scheitert.
2.4.4.: Nachdem die angestrebte Feststellung nicht erreicht wird erübrigt sich ein Eingehen auf die Ausführungen zu deren rechtlicher Erheblichkeit.
2.5.: zu [4] und [6]:
2.5.1.: Einleitend ist festzuhalten, dass es sich bei den zu [6] bekämpften Ausführungen um keine dislozierten Feststellungen handelt. Diese stellen vielmehr einen Teil der rechtlichen Würdigung des Erstgerichts dar, den die Beweisrüge als Feststellung zu würdigen und damit einen Widerspruch zu konstruieren sucht (ON 50, S 7). Dem kann das Berufungsgericht nicht beitreten.
2.5.2.: Bei dislozierten Tatsachenfeststellungen (9 ObA 67/16t; RIS-Justiz RS0043110) - die teilweise auch als verborgene Sachverhaltsfeststellungen bezeichnet werden (8 Ob 98/13i; 10 Ob 46/11d Pkt 5.) - handelt es sich um Tatsachenfeststellungen, die nicht in dem vom Erstgericht als Tatsachenfeststellungen bezeichneten Urteilsabschnitt enthalten sind, sondern zB in der Beweiswürdigung (3 Ob 39/17g Pkt 2.; 3 Ob 26/17w Pkt 3.2. zweiter Absatz iVm der Wiedergabe dieser dislozierten Feststellungen in der Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Urteils) oder in der rechtlichen Beurteilung (9 ObA 67/16t; 1 Ob 85/15d Pkt 3.) eingefügt sind, die jedoch eindeutig dem Tatsachenbereich zugeordnet werden müssen. Für die Beurteilung, ob es sich bei außerhalb der Feststellungen befindlichen Urteilsausführungen um Tatsachenfeststellungen handelt (oder nicht), kommt es auf die Qualität der Aussage in diesen Entscheidungsgründen an (9 ObA 67/16t; 7 Ob 148/08b Pkt 6.4.; vgl 3 Ob 2016/96h). Es fehlt nun in der in der Berufung zitierten Passage der rechtlichen Beurteilung an einem Verweis auf Beweismittel/Beweisgrundlagen, aus denen erschlossen werden könnte, dass das Erstgericht mit dieser Formulierung eine Tatsachenfeststellung aufgrund bestimmter Beweisergebnisse treffen wollte. Eine dazugehörige Beweiswürdigung behauptet die Beweisrüge nicht. Unter diesem Aspekt erweist sich der gegen [6] gerichtete Teil der Beweisrüge daher als unbegründet, weil er sich gegen keine - auch nicht dislozierte - Urteilsfeststellung richtet.
2.5.3.: Stattdessen erkennt der Beklagte in den entsprechenden Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung eine Aktenwidrigkeit (ON 50, S 7), da es sich um eine reine spekulative Vermutung des Erstgerichts handle, für die kein Beweisergebnisse vorlägen. Eine Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn die Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde. Aktenwidrigkeit kann auf einem bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum beruhen, der aus den Prozessakten selbst erkenn- und behebbar ist (6 Ob 230/11h; RIS-Justiz RS0043203). Dies liegt gegenständlich nicht vor. Der Berufungsgrund der Aktenwidrigkeit ist auch verwirklicht, wenn für eine Tatsachenfeststellung - wie hier behauptet - überhaupt keine beweismäßige Grundlage besteht. In jedem Fall muss aber die als aktenwidrig gerügte Tatsache geeignet sein, die Entscheidungsgrundlage zu verändern (RIS-Justiz RS0043265; RS0043271). Dass die zu zu [6] genannten Ausführungen gerade keine Tatsachenfeststellungen darstellen, wurde bereits zu 2.5.2. ausgeführt. Es handelt sich bei den kritisierten Ausführungen um rechtliche Schlussfolgerungen und nicht um eine aktenwidrige Ergänzung des festgestellten Sachverhalts. Unter diesem Aspekt erweist sich daher auch die Aktenrüge als unbegründet, weil sie sich gegen keine - auch nicht dislozierte - Urteilsfeststellung richtet. In Wahrheit wird daher auch unter diesem Punkt des Rechtsmittels die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts bekämpft. Zur Rechtsrüge siehe unten (Punkt C)).
2.5.4.: Die Beweisrüge zu [4] ist rechtsprechungsgemäß ausgeführt, indem die bekämpfte Feststellung samt Beweiswürdigung sowie die Ersatzfeststellung unter Darstellung der sie stützenden Beweismittel genannt werden. Dennoch ist sie inhaltlich nicht berechtigt.
2.5.5.: Die Beweisrüge moniert die erstgerichtliche Beweiswürdigung, die sich auf die Aussagen der Klägerin und des Zeugen Y* W* gestützt habe, obwohl der Zeugin V* höhere Glaubwürdigkeit zuzumessen sei und die Aussage der Klägerin aus den zu [3] genannten Gründen unrichtig sei (ON 50, S 5 f). Aus der Aussage der Zeugin V*, die weiters zu präziseren Angaben als der Zeuge E* W* in der Lage gewesen sei, ergebe sich, dass die Eisplatte bereits von Weitem, nämlich aus ca 10-15 m Entfernung, erkennbar gewesen sei.
2.5.6.: Sofern die Beweisrüge sich neuerlich auf die unter [3] behandelten Aspekte beruft, treffen diese aus den dort genannten Erwägungen nicht zu. Darüber hinaus ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach auch im Zug der Behandlung einer Beweisrüge einer Berufung nur zu überprüfen ist, ob das Erstgericht die ihm vorgelegten Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat, nicht aber, ob seine Feststellungen mit der objektiven Wirklichkeit tatsächlich übereinstimmen (3 Ob 2004/96v; OLG Wien 10 Rs 160/11i, SVSlg 62.438; OLG Innsbruck 25 Rs 135/12g, SVSlg 62.419; 13 Ra 24/20p ErwGr A) 2.; A. Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 482 Rz 6 aE; Petschek/Stagel , Der österreichische Zivilprozess [1963] 367). Gemäß § 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem erkennenden Gericht. Dieses hat nach sorgfältiger Überzeugung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass in den Akten einzelne Beweisergebnisse existieren, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht im Allgemeinen noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung mit dem Ergebnis aufzuzeigen, dass die erstinstanzlichen Feststellungen abgeändert werden müssen (OLG Wien 133 R 80/18i ErwGr 2.1. [veröffentlicht unter RIS Justiz RW0000815]; 34 R 47/16f ErwGr 3.5. [veröffentlicht unter RIS Justiz RW0000784]; 34 R 125/15z ErwGr I.2. [veröffentlicht unter RIS Justiz RW0000847; RW0000846]; 7 Ra 58/13w; LG Eisenstadt 13 R 93/03d, RIS Justiz RES0000012; OLG Innsbruck wie vor). Die Beweisrüge muss also überzeugend darlegen, dass die getroffenen Feststellungen zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen.
2.5.7.: Das Erstgericht führte die bekämpfte Feststellung in seiner Beweiswürdigung auf die Aussagen des Zeugen E* W*, der Zeugin V* und der Klägerin zurück (ON 45, 17 f, 21). Dabei stellte es die Aussagen der V* und des E* W* gegenüber und berücksichtigte dabei, dass eine Eisplatte für eine Person einen höheren Erkennungswert habe, wenn diese das Sturzgeschehen beobachtet und von vornherein weiß, dass eine Eisplatte die Sturzursache war (ON 45, 17). Das Berufungsgericht kann darin eine unschlüssige Würdigung iSd oben dargestellten Grundsätze nicht erkennen.
2.5.8.: Im Ergebnis ist somit die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu [4] nicht zu beanstanden. Die Beweisrüge kann daher nicht zum Erfolg führen.
2.6.: zu [5]:
2.6.1.: Die Beweisrüge nennt die bekämpfte Feststellung und führt dazu aus, dass der Sachverständige in der Tagsatzung vom 25.10.2022 eine gleichlautende Aussage traf. Dies stehe jedoch im Widerspruch zu den übrigen erstgerichtlichen Feststellungen, wonach die Eisplatte nicht gut erkennbar war. Das Erstgericht würde hinsichtlich der Klägerin und dem Beklagten unterschiedliche Maßstäbe betreffend die Erkennbarkeit der Eisplatte angelegen. Aufgrund der – ebenso festgestellten – 30-jährigen Unfallfreiheit der Gemeinde sei für den Beklagten an der Unfallstelle nicht mit Eisbildung zu rechnen gewesen. Überdies sei es zur Streuzeit (05:00 Uhr früh) dunkel und allein deshalb eine schlechtere Erkennbarkeit gegeben.
2.6.2.: Die Beweisrüge setzt sich nicht mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts auseinander, die der angefochtenen Feststellung zugrunde liegt. Den monierten Widerspruch in den erstgerichtlichen Feststellungen kann das Berufungsgericht nicht erkennen. Die abstrakte Frage der winterdienstlich technischen Erkennbarkeit muss nicht mit der konkreten Erkennbarkeit für die Klägerin übereinstimmen. Zwischen den genannten Feststellungen besteht somit kein Widerspruch, weil beide Sachverhaltsannahmen nebeneinander bestehen können. Darüber hinaus stellt die Frage, ob der Beklagte die Eisplatte erkennen bzw. sehen musste eine Frage der rechtlichen Beurteilung dar (vgl RIS-Justiz RS0023487 [T12]), die mit Rechtsrüge geltend zu machen ist. Weiters nimmt die Beweisrüge auf (unbekämpfte) Feststellungen des Erstgerichts Bezug, aus denen sie im Ergebnis eine andere Feststellung abzuleiten versucht. Damit erfolgt kein (direkter) Rückgriff auf andere Beweismittel, die die begehrte Feststellung geradezu gebieten würden. Auch ein „indirekter“ Rückgriff auf jene Beweismittel, die der unbekämpft gebliebenen Feststellung zugrunde liegen, liegt hier nicht vor. Die Beweisrüge enthält somit keine Alternativbeweiswürdigung, die die begehrte Ersatzfeststellung zu tragen vermag. Sofern die Beweisrüge schließlich auf die Uhrzeit bzw. Dunkelheit zum Zeitpunkt der Streuung durch den Beklagten Bezug nimmt, entfernt sie sich von ihrem erstinstanzlichen Vorbringen und scheitert am Neuerungsverbot ( Pimmer in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 467 ZPO [Stand 1.9.2019, rdb.at] Rz 41). Aus alledem folgt eine nicht rechtsprechungsgemäß begründete Beweisrüge. Dem Berufungsgericht bleibt deren nähere Behandlung folglich verwehrt.
C) Zur Rechtsrüge:
1.: Der Beklagte wendet sich primär gegen die vom Erstgericht angenommene, ihn treffende Haftung dem Grunde nach. Weiters werden Ausführungen zum Mitverschulden der Klägerin und Berufung im Kostenpunkt erhoben. Er sei kein Wegehalter nach § 1319a ABGB, kein Anrainer iSd § 93 Abs 1 StVO, kein Vertragspartner der Klägerin und habe auch keine allgemeine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Weiters sei ihm die Verpflichtung gemäß § 93 Abs 1 StVO auch nicht rechtsgeschäftlich übertragen worden, sodass es insgesamt an einer Haftungsgrundlage fehle. Dies werde indirekt durch 8 Ob 49/85 bestätigt. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen existieren keine Vorgaben der Gemeinde Klaus, wie das Streuen zu handhaben ist. Demzufolge habe es seitens der Gemeinde auch keinerlei Vorgaben hinsichtlich der zu verwendenden Streumenge gegeben (ON 50, S 10). Dem Beklagten sei folglich keine Pflichtverletzung aus dem Dienstvertrag mit der Gemeinde Klaus oder dem in diesem Zusammenhang erteilten Auftrag vorzuwerfen. Darüber hinaus sei die Gemeinde Klaus für ein weitläufiges Straßen- und Gehsteignetz verantwortlich. Durch die Mitbetreuung des Gehsteigs durch die Gemeinde habe diese sich gewiss keinem schärferen Haftungsmaßstab unterwerfen wollen als dem, für den sie für ihre Wege einzustehen habe. Aufgrund der Unentgeltlichkeit könne auch § 915 ABGB herangezogen werden. Daraus ergebe sich – in Anlehnung an das Schrifttum – dass die Gemeinde Klaus nur für grobe Fahrlässigkeit hafte. Dasselbe gelte daher für den Beklagten als Dienstnehmer. Eine direkte Haftung des Beklagten bereits für leichte Fahrlässigkeit würde eine Umgehung dieser Rechtsvorschriften – insbesondere des § 1319a ABGB – darstellen. Die Haftung des Beklagten sei daher teleologisch auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu reduzieren. Grobe Fahrlässigkeit könne dem Beklagten aber nicht vorgeworfen werden, da dieser die richtige Entscheidung getroffen und eine Bestreuung mit Salz vorgenommen habe. Grobe Fahrlässigkeit würde demgegenüber vorliegen, wenn Bestreuungsmaßnahmen unterblieben wären (2 Ob 30/83). Der Beklagte habe zwar nicht die vom Sachverständigen vorgesehene Streumenge von 30 – 40 g pro m² verwendet. Die vom Beklagten gewählte Streumenge sei aber ortsüblich.
1.1.: Der Beklagte verweist in seinen Rechtsmittelausführungen auf die Feststellungen des Erstgerichts (ON 50, 10: „ Laut den getroffenen Urteilsfeststellungen [Seite 8 unten des erstinstanzlichen Urteils vom 18.11.2022] fiel die Entscheidung, ob am Unfalltag eine Bestreuung vorzunehmen ist, in den Verantwortungsbereich des Beklagten. Allerdings existieren nach den getroffenen Urteilsfeststellungen [erstinstanzliches Urteil vom 18.11.2022, Seite 8 zweitletzter Absatz] von der Gemeinde Klaus keine Vorgaben, wie das Streuen zu handhaben ist .“). Weiters führt er zahlreiche Gründe aus, weswegen bei richtiger rechtlicher Beurteilung nach seiner Ansicht das Klagebegehren abzuweisen gewesen wäre, sodass eine ausreichende inhaltliche Auseinandersetzung mit der erstgerichtlichen rechtlichen Würdigung vorliegt. Die Rechtsrüge im engeren Sinn ist entsprechend den von der Judikatur entwickelten Grundsätzen ausgeführt (RIS-Justiz RS0043312 [T12, T14]).
1.2.: Das Berufungsgericht hat daher die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen (RIS-Justiz RS0043352; RS0041585 [T3]). Es ist dabei jedoch an den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt gebunden und hat sich auf den sich aus dem Parteivorbringen ergebenden Streitgegenstand zu beschränken (RIS-Justiz RS0043338 [T7]).
2.: Grundsätzlich kann der Geschädigte, der auf einem unzureichend geräumten und gestreuten Gehsteig stürzt und sich verletzt zwischen den Anspruchsgrundlagen des § 1319a ABGB und des § 93 Abs 1 StVO wählen (RIS-Justiz RS0030083 [T1]). § 1319a ABGB geht als lex specialis darüber hinaus einer allfälligen (analogen) Haftung nach § 1319 ABGB vor (RIS-Justiz RS0107589 [T3]), wobei Letztere mangels Parteivorbringen in erster Instanz dahinstehen kann.
3.: Eigentümer des Grundstückes Nummer 1723, das auch zumindest einen Teil des Gehsteigs umfasst, ist das Land Vorarlberg. Das an den Gehsteig angrenzende Grundstück Nummer 1803/2 steht im Wohnungseigentum mehrerer Personen. An Letztere richtet sich die Vorschrift des § 93 Abs 1 StVO (RIS-Justiz RS0075596; RS0075574).
3.1.: Gemäß § 93 Abs 1 StVO haben die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten […], dafür zu sorgen, dass die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind.
3.2.: Gemäß § 93 StVO kommt es nicht darauf an, ob es sich um öffentlichen Grund handelt, sondern lediglich darauf, ob dem öffentlichen Verkehr dienende Gehsteige oder Gehwege vorliegen (RIS-Justiz RS0075590). Dies bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Erörterung. § 93 StVO stellt weiters eine Schutznorm dar, die vornehmlich dem Fußgängerverkehr dient (RIS-Justiz RS0075581 [T4, T5]). Derjenige, der die Schutznorm übertreten hat, muss beweisen, dass der Schaden auch ohne diese Übertretung eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0027561).
3.3.: Die Wohnungseigentümer des Grundstücks Nummer 1803/2 haben die Verpflichtung des § 93 Abs 1 gemäß Abs 5 leg cit unstrittig an die Gemeinde Klaus übertragen. Übernimmt die Gemeinde die Verpflichtung des Anrainers nach § 93 StVO, so haftet sie so, wie der Anrainer gehaftet hat (RIS-Justiz RS0023186). Dass die Gemeinde Klaus untüchtig sei behaupteten die Streitteile in erster Instanz nicht (vgl RIS-Justiz RS0023340). Die Gemeinde Klaus hat daher nach § 93 Abs 1 StVO auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen (vgl RIS-Justiz RS0030023) .
4.: Der Beklagte ist nicht Wegehalter iSd § 1319a ABGB, sondern wurde als Gemeindemitarbeiter in Erfüllung der diese nach § 93 Abs 5 iVm Abs 1 StVO treffenden Pflicht und folglich als (Besorgungs-)Gehilfe (2 Ob 179/71 [2 Ob 180/71] = SZ 44/187 unter Verweis auf Judikat 50 neu = SZ 18/150, S 428 [RIS-Justiz RS0028767]; Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1313a [Stand 1.1.2004, rdb.at] Rz 7; vgl zur allgemeinen Verkehrssicherungspflicht und der Gehilfenhaftung nach § 1315 ABGB: 2 Ob 198/22i Rz 16; OLG Innsbruck, 3 R 14/23t ErwGr 3.4.1.) der Gemeinde Klaus tätig. Allein aufgrund des Umstandes, dass mehrere Gemeindemitarbeiter wie der Beklagte im Einsatz waren, ist nicht davon auszugehen, dass in deren Aufträgen, den Gehsteig zu reinigen, eine selbständige rechtsgeschäftlichen Übertragung von der Gemeinde Klaus an die Gemeindemitarbeiter im Sinne des § 93 Abs 5 StVO liegt (vgl RIS-Justiz RS0075621). Davon abgesehen erstatteten die Parteien in erster Instanz auch kein dahinlautendes Vorbringen.
4.1.: Der Gehilfe selbst haftet dem Geschädigten, zu dem er in keinem Vertragsverhältnis steht, nur deliktisch (RIS-Justiz RS0023938 [T2]; Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1313a [Stand 1.1.2004, rdb.at] Rz 14 mwN). Nur der Vollständigkeit halber – die Streitteile erstatteten dazu nämlich kein Vorbringen – ist festzuhalten, dass der zwischen dem Gehilfen und der Gemeinde geschlossene Vertrag (das Anstellungsverhältnis) nach hA keine Schutzwirkung zugunsten des Geschädigten entfaltet (RIS-Justiz RS0017043 [T3] = 2 Ob 64/98w; 2 Ob 18/98f).
4.2.: Die Säuberungs- und Streupflicht nach § 93 StVO ist eine gegenüber der Allgemeinheit bestehende (gesetzliche) Obliegenheit zur Verkehrssicherung. Diese Verkehrssicherungspflicht trifft den gemäß § 93 Abs 5 StVO für die Gehsteigbetreuung verantwortlichen Reinigungsunternehmer, und nicht dessen unselbständige Hilfspersonen (RIS-Justiz RS0021318 [T1, T2]; 8 Ob 528/89; vgl weiters OLG Innsbruck, 2 R 22/22k ErwGr 5.1). Bei der Prüfung, ob die unselbständige Hilfsperson dem Geschädigten gegenüber aus einem eigenständigen Delikt haftet, ist vielmehr zu beachten, welche konkreten Aufgaben ihr übertragen wurden und dass auch der Sorgfaltsmaßstab unterschiedlich ist (RIS-Justiz RS0107260 [T2] = 2 Ob 64/98w = RS0021318 [T2] = RS0023938 [T2]; 2 Ob 156/05p; 8 Ob 528/89 [Haftung des Gehilfen bejaht, der gegen eine feuerpolizeiliche Schutzvorschrift verstieß und die naheliegendsten Vorsorgemaßnahmen außer Acht ließ, trotz seiner subjektiven Fähigkeiten und dem Leistungsstandard seiner Berufsgruppe: Maurer).
4.3.: Der Gehilfe haftet also nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses rechtswidrig (deliktisch) war (vgl zum Erfüllungsgehilfen: 8 Ob 75/97f; RIS-Justiz RS0022481, RS0022801; 9 Ob 69/17p; 6 Ob 155/04v [Briefträger stürzt, Schneeräumvertrag, keine Inanspruchnahme der Gehilfen, Kläger beruft sich nicht auf deliktisches Handeln des Gehilfen, deckungsgleicher vertraglicher Anspruch gegen Geschäftsherrn hindert Geltendmachung der Vertragshaftung gegen den Gehilfen]; vgl weiters RS0107260, wonach der Bedienstete eines Bauführers nur dann haftet, wenn er einem [konkreten] Auftrag seines Dienstgebers zur Absicherung oder Kennzeichnung der Baustelle schuldhaft nicht nachgekommen ist). Zum Delikt wird ein Verhalten , so auch das eines Gehilfen, dann, wenn - unabhängig von einer rechtsgeschäftlichen Sonderverbindung geltende - allgemeine oder in konkreten Schutzgesetzen enthaltene - Verhaltensnormen verletzt werden. Die Beeinträchtigung absoluter geschützter Rechtsgüter kann die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nur indizieren, aber nicht schon schlechthin begründen; diese Rechtswidrigkeit kann nur auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung gefunden werden (RIS-Justiz RS0022656; 3 Ob 228/21g mwN).
4.4.: Allgemein gilt, dass der, der eine Gefahrenquelle schafft oder in seiner Sphäre bestehen lässt, die notwendigen und ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen muss, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden (RS0022778; RS0023251; RS0023719; allgemein dazu und mwN: 2 Ob 8/20w Rz 46 ff). Davon sind die mit einem bestimmten örtlichen Bereich verbundenen Streu- und Räumungspflichten zu trennen (etwa im Zusammenhang mit der Ablagerung des Schnees als Gefahrenquelle für Dritte, 2 Ob 198/22i Rz 13, 14). Es steht fest, dass die Klägerin auf einer Eisfläche gestürzt ist, die durch die unzureichende Streuung des Beklagten als Gehilfen der Gemeinde Klaus verursacht wurde (US 10, 12), sodass darauf näher einzugehen ist.
4.5.: Zu prüfen ist, ob gegen eine Verhaltenspflicht verstoßen wurde. Eine derartige Handlungspflicht kann sich für den Gehilfen aus dem ihm erteilten Auftrag ergeben (2 Ob 51/97g; RIS-Justiz RS0017043 [T3] = 2 Ob 64/98w; 2 Ob 172/99d; 2 Ob 18/98f: schadenersatzpflichtiger Gehilfe führte die Schneeräumung überhaupt nicht aus und verletzte damit seine Handlungspflicht). Darauf beruft sich die Klägerin in erster Instanz gerade nicht. Daraus folgt, dass die Klägerin höchstens die Gemeinde Klaus, nicht aber deren Besorgungsgehilfen in Anspruch nehmen könnte (vgl 6 Ob 155/04v).
5.: Aber auch eine Prüfung der dem Beklagten auferlegten Verhaltenspflichten führt zu keinem anderen Ergebnis:
5.1.: Den Feststellungen zufolge muss sich derjenige Gemeindemitarbeiter, der Bereitschaftsdienst hat, 1. über die bestehende Außentemperatur sowie über Vereisungen vergewissern. Er hat 2. die Verantwortung zu entscheiden, „ob bzw. gegebenenfalls wie, was und wie oft“ gestreut werden muss. Darüber hinaus obliegt ihm 3. die Durchführung von Kontrollfahrten und 4. die Verständigung der diensteingeteilten Mitarbeiter. Von Seiten der Gemeinde gibt es bis auf den vorgegebenen Streuplan, der die Routen der Fahrer einteilt, keine Vorgaben, wie das Streuen zu handhaben ist (ON 45, S 8). Wetterabhängig werden weiters 5. Kontrollgänge an gefährdeten Stellen durchgeführt. Die übrigen Stellen im Ort sieht der Mitarbeiter nur anlässlich des Vorbeifahrens bei der Kontrollfahrt. Ausgehend von den Temperaturen und Kontrollfahrten entscheidet der im Bereitschaftsdienst eingesetzte Mitarbeiter, ob gesalzen wird (ON 45, S 9).
5.2.: Aus den Feststellungen erschließt sich, dass die Gemeinde eine unzureichende Organisation (da mangelhafte Instruktion der Gehilfen, vgl RIS-Justiz RS0009113 [T24] = 2 Ob 47/07m) zu vertreten hat. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann dies dem Beklagten als Besorgungsgehilfen jedoch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Aus der äußerst offenen Ausgestaltung der Räum- und Streuvorgaben seitens der Gemeinde folgt, dass sich das faktische Verhalten des Beklagten (der – wie festgestellt - eine Räumung und Streuung vorgenommen hat) innerhalb dieser Vorgaben hielt: wenn keine Vorgaben hinsichtlich des Streuintervalls und der Mengenangaben vorliegen, kann die durch den Beklagten erfolgte Räumung und Streuung auch keinen hinreichend klaren Verstoß gegen diese darstellen. Weiters unterließ die Gemeinde jegliche Kontrolle des Gehilfen (vgl RIS-Justiz RS0023841). Nur vergleichsweise ist festzuhalten, dass das Verhalten des Beklagten nicht einmal gegenüber seinem Dienstgeber (der Gemeinde) nach § 2 DHG Deliktswertigkeit erreichen würde, da dieser die mangelnde (Betriebs-)Organisation als Mitverschulden anzurechnen wäre (vgl Kerschner , DHG 3 § 2 [Stand 1.10.2019, rdb.at] Rz 20, 52; Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner , ZellKomm 3 § 2 DHG [Stand 1.1.2018, rdb.at] Rz 17). Umso weniger kann dasselbe Verhalten eine ins Gewicht fallende Sorglosigkeit gegenüber der Klägerin darstellen.
5.3.: Die Negativfeststellung betreffend eine nach erfolgter Streuung vorgenommene Kontrolle der Sturzstelle durch den Beklagten (ON 45, S 10) geht zwar zu seinen Lasten. Dies stellt aber einen Vertragsverstoß dar, der (noch) nicht einen außerhalb des Vertrages stehenden Deliktswert erreicht, der den Beklagten gegenüber der Klägerin haften ließe. Jahrelange Unfallfreiheit (ON 45, S 9) schließt eine Haftung im Einzelfall zwar nicht aus (vgl RIS-Justiz RS0019461). Sie ist aber ein Indiz für die potentielle (Un-)Gefährlichkeit einer zu räumenden und streuenden Stelle. Dass es sich bei der Sturzstelle der Klägerin um eine besonders gefährliche handle, die etwa spezielle Vorsichts- bzw. Räum- und Streumaßnahmen erfordere, haben die Parteien in erster Instanz nicht vorgebracht. Aus alledem folgt, dass die vorgenommene Räum- und Streutätigkeit des Beklagten nicht den Deliktswert erreicht, den die Rechtsprechung für die Bejahung einer deliktischen Haftung des Gehilfen fordert. Auch jene Sachverhalte, in deren Beurteilung der Oberste Gerichtshof eine deliktische Haftung eines Gehilfen gegenüber dem geschädigten Dritten annahm, sind dem vorliegenden nicht vergleichbar (etwa 8 Ob 528/89 und 2 Ob 18/98f).
6.: Zusammengefasst folgt daraus:
6.1.: Die Berufung des Beklagten ist erfolgreich. Das Klagebegehren ist nicht berechtigt und daher abzuweisen.
6.2.: Auf die weiteren in der Rechtsrüge aufgezeigten Aspekte (insbesondere Mitverschulden der Klägerin sowie vermeintlich überhöhte Position des Fahrtkostenersatzes) ist daher nicht mehr einzugehen.
D) Verfahrensrechtliches:
1.: Aus der geänderten Entscheidung in der Hauptsache folgt eine geänderte Kostenentscheidung erster Instanz, wobei die Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis des Beklagten zu berücksichtigen waren. Die vom Beklagten erhobene Berufung im Kostenpunkt kann folglich dahinstehen.
1.1.: Die Klägerin wendet sich in ihren (rechtzeitigen) Einwendungen zunächst gegen den vom Beklagten nach TP 2 verzeichneten Protokollberichtigungsantrag vom 22.11.2021, da dieser nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich gewesen sei und nur unnötige Kosten verursacht habe. Die damit monierten Übertragungsfehler seien für die Sachentscheidung irrelevant. Offenbare Unrichtigkeiten seien nach § 212 Abs 5 ZPO auch nachträglich jederzeit einer Berichtigung zugänglich. Jedenfalls hätte ein Hinweis in der Tagsatzung vom 25.10.2022 genügt. Auch sei die Urkundenvorlage vom 18.10.2022 nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen, da diese – entsprechend der Verbindungspflicht – bereits mit Schriftsatz vom 31.3.2022 vorgelegt werden hätte können.
1.2.: Einleitend ist festzuhalten, dass zum Zeitpunkt des Protokollberichtigungsantrags (22.11.2021, ON 16) die Rechtslage vor der Zivilverfahrens-Novelle 2022 (BGBl I 61/2022, gemäß § 619 Abs 2 Z 1 ZPO mit 1.5.2022 in Kraft getreten) galt. Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass es sich gegenständlich um Übertragungsfehler handelte (ON 17, S 1). Der Protokollberichtigungsantrag war somit zulässig. Er war auch notwendig, da er gemäß § 212 Abs 5 ZPO aF (idF StGBl 116/1920) innerhalb der Frist von drei Tagen ab Zustellung zu stellen war ( Iby in Fasching/Konecny 3 II/3 § 212 ZPO [Stand 1.10.2015, rdb.at] Rz 9/1, 9/2). Die Rechtsprechung entlohnte Protokollberichtigungsanträge bisher nach TP 2 ( Obermaier , Kostenhandbuch 3 [Stand 8.1.2018, rdb.at] Rz 3.73, Rn 23; 9 ObA 185/05d; 4 Ob 66/10z; OLG Wien 12 R 19/99y, RW0000296; zuletzt etwa OLG Innsbruck, 10 R 15/22i; aA: TP 1 2 Ob 201/99v; OLG Innsbruck 3 R 29/20v). Das Berufungsgericht schließt sich jedoch der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs an, derzufolge ein Protokollberichtigungsantrag nur noch nach TP 1 zu entlohnen ist (4 Ob 153/20h; 17 Ob 7/22m Rz 39), sodass die Kosten des Beklagten dementsprechend neu zu berechnen waren.
1.3.: Hinsichtlich der Urkundenvorlage gilt allgemein, dass Mehrkosten, die aus der Verletzung einer Verbindungspflicht von Prozesshandlungen entstehen, objektiv zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig sind. Für alle Arten von Schriftsätzen ordnet dies § 22 RATG ausdrücklich an. Überhaupt sind die Kosten prozessual zulässiger Schriftsätze dann nicht ersatzfähig, wenn sie nur einen Inhalt haben, der nicht prozessrelevant ist, der nur ein Vorbringen enthält, das pflichtgemäß bereits früher, etwa in der Klage oder im Einspruch zu erstatten gewesen wäre oder der kein neues Tatsachensubstrat (nur „Wiederholungen und Beteuerungen“) enthält. Ist das Vorbringen derart kurz und einfach, dass es auch in der nächsten Verhandlung, ohne dadurch zu Verzögerungen zu führen, erstattet werden könnte, so ist auch ein solcher, wenngleich nicht verbotener Schriftsatz nicht zu honorieren ( Obermaier , Kostenhandbuch 3 [Stand 8.1.2018, rdb.at] Rz 1.249).
1.4.: Aus der Urkundenvorlage des Beklagten vom 18.10.2022, die auch Vorbringen enthält, ergibt sich, dass die vorgelegten Urkunden ./10 - ./13 aus dem Zeitraum 5.-12.8.2022 stammen (ON 37, S 2). Eine Verbindung mit dem Schriftsatz vom 31.3.2022 scheidet damit faktisch aus. Der Beklagte hätte die Urkunden zwar auch in der Tagsatzung vom 25.10.2022 vorlegen können. Im Sinne der „anwaltlichen Vorsicht“ – um nicht eine Zurückweisung des Vorbringens nach § 179 ZPO zu riskieren – ist jedoch durchaus vertretbar, dass diese Urkundenvorlage zumindest eine Woche vor der Tagsatzung eingebracht wurde. Die dafür verzeichneten Kosten nach TP 1 sind überdies nicht zu beanstanden. Weitere Einwendungen hat die Klägerin nicht erstattet.
1.5.: Die Kosten des Beklagten in erster Instanz sind daher mit EUR 20.312,24 (darin enthalten EUR 2.882,04 Umsatzsteuer) zu bestimmen.
2.: Die im Berufungsverfahren unterlegenen Streitteile müssen die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel selbst bestreiten (§§ 50, 40 ZPO). Der Beklagte hat Anspruch auf Ersatz seiner erfolgreichen Berufung (§§ 50, 41 ZPO).
2.1.: Sofern der Beklagte in seiner Berufung kostenmäßig zwischen Berufung in der Hauptsache und im Kostenpunkt differenziert (ON 50, 19), ist ihm die herrschende Rechtsprechung entgegenzuhalten. Wird der Kostenrekurs mit der Berufung verbunden („Berufung im Kostenpunkt“) stehen für den Rekurs keine separaten Kosten zu (vgl RS0087844; RS0119892). Dies folgt aus § 54 Abs 2 JN iVm § 4 RATG, sodass die Kostenfrage auf die Bemessungsgrundlage für die Berufung (und die Berufungsbeantwortung) keinen Einfluss hat.
2.2.: Dem Beklagten gebühren somit lediglich die für die Berufung verzeichneten Kosten. Offenbare Unrichtigkeiten (RIS-Justiz RI0100096 = OLG Innsbruck, 3 R 95/22b) liegen vor, indem dem Beklagten ein Additionsfehler unterlief (EUR 2.453,60 plus EUR 490,72 ergibt EUR 2.944,32 und nicht - wie verzeichnet - EUR 4.163,32). Unter Zugrundelegung des ERV-Zuschlags in Höhe von EUR 2,10 (§ 23a RATG) statt EUR 4,10 und der richtigen Addition der Beträge, gebühren dem Beklagten somit EUR 2.941,92 (darin enthalten EUR 490,32 Umsatzsteuer).
2.: Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsverfahrens übersteigt EUR 30.000,-- (gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN [auch im Berufungsverfahren] zusammen zu rechnendes Leistungs- und Feststellungsbegehren, RIS-Justiz RS0042923; § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO).
3.: Das Berufungsgericht konnte sich – wie durch mehrere Zitate belegt – in allen revisiblen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts stützen, von der es nicht abgewichen ist. Eine erhebliche Rechtsfrage in der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität war daher in diesem Berufungsverfahren nicht zu klären. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.