4R44/23m – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Berchtold als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl und den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren **, **straße **, **, Schweiz, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn Partner Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, wider die beklagte Partei B* , geboren **, **, **, wegen Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers (Streitwert EUR 35.000,--), über den Rekurs des für die beklagte Partei bestellten Verfahrenshelfers, Rechtsanwalt Dr. C*, **straße **, **, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 9.2.2023, 64 Cg 124/22g-39, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird k e i n e Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Antrag vom 8.11.2022, verbessert mit Eingabe vom 17.11.2022, beantragte der bislang durch einen frei gewählten Rechtsanwalt vertretene Beklagte ihm Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a, lit c und Z 3 ZPO zu gewähren. Mit Beschluss vom 22.11.2022 (ON 26) bewilligte das Erstgericht die Verfahrenshilfe antragsgemäß mit der Begründung, dass der Beklagte nicht in der Lage sei, die Kosten des Verfahrens ohne Beeinträchtigung seines notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Mit Bescheid der zuständigen Rechtsanwaltskammer vom 12.12.2022 wurde Rechtsanwalt Dr. C* für den Beklagten zum Verfahrenshelfer bestellt. Gegen den Bewilligungsbeschluss vom 22.11.2022 (ON 26) erhob der Verfahrenshelfer rechtzeitig Rekurs mit der wesentlichen Begründung, dass die finanziellen Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vorlägen und das Vermögensbekenntnis veraltet sei (ON 36).
Dieser Rekurs wurde mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom Erstgericht von Amts wegen als unzulässig zurückgewiesen, da dem Verfahrenshelfer nach der überwiegenden Rechtsprechung kein Rekursrecht zukomme (ON 39).
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Verfahrenshelfers aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der in den Antrag mündet, die angefochtene Entscheidung ersatzlos zu beheben. Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck zu 3 R 4/20t sei er als Verfahrenshelfer sehr wohl rekurslegitimiert. Mit der Bestellung zum Verfahrenshelfer werde in die Grundrechte, nämlich in die persönliche Freiheit des Rechtsanwalts, eingegriffen, da dieser seine Zeit in den Akt zu investieren und das Haftungsrisiko zu übernehmen habe. Dieser Aufwand sei nur gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe vorlägen. Auch ein Verfahrenshelfer habe Anspruch auf ein faires Verfahren. Werde die Rekurslegitimation verneint, bliebe dem Verfahrenshelfer nur die Möglichkeit, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Wenn das Erstgericht die Zurückweisung auch damit begründe, dass der Verfahrenshelfer im Bewilligungsverfahren noch gar nicht Partei gewesen sei, übersehe es, dass dieser mittlerweile mit der Bestellung durch die Rechtsanwaltskammer Partei des Verfahrens geworden sei.
Der Kläger, der bisherige Beklagtenvertreter, der Beklagte selbst und die Revisorin haben sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Vorauszuschicken ist, dass derjenige, der mit seinem Antrag zurückgewiesen wurde, jedenfalls das Recht hat, die Zurückweisung mit Rekurs zu bekämpfen. Auch der Dritte, dem die Parteistellung und Rechtsmittellegitimation abgesprochen wurde, kann die Überprüfung dieser Rechtsansicht verlangen (RS0006793). Nach § 514 Abs 1 ZPO ist gegen Beschlüsse, sofern - wie hier - die Anfechtung derselben nicht ausgeschlossen ist, der Rekurs zulässig.
2. Rekurse gegen Beschlüsse, gegen welche nach den Vorschriften der ZPO ein Rekurs überhaupt nicht stattfindet oder doch ein abgesondertes Rechtsmittel versagt ist, sowie verspätete Rekurse, sind vom Gericht, bei dem sie überreicht werden, nach § 523 ZPO von Amts wegen zurückzuweisen. Die Zurückweisungskompetenz gemäß § 523 ZPO betrifft nur absolut unzulässige (Revisions-)Rekurse. Absolut unzulässig ist der Rekurs gegen einen jedenfalls unanfechtbaren oder einen abgesondert angefochtenen, jedoch nur mit vorbehaltenem Rekurs bekämpfbaren Beschluss. In die Kategorie absoluter Unzulässigkeit fallen auch alle anderen Rekurse, die einen sonstigen Tatbestand erfüllen, nach dem die Anrufung der höheren Instanz jedenfalls ausscheidet (zB bei wirksam erklärtem Rechtsmittelverzicht). Dazu gehören auch jene Fälle, in denen die Bekämpfung eines Beschlusses mangels einer Beschwer des Rechtsmittelwerbers nicht in Betracht kommt, geht es doch dabei um die Lösung einer Zulässigkeitsfrage, ohne dass dem Gesetz - im Gegensatz zur Entscheidung über die Berufung nach § 468 Abs 1 ZPO - insoweit ein der angerufenen Instanz zukommendes Beurteilungsmonopol entnommen werden kann ( Sloboda in Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze³, § 523 ZPO, Rz 1 bis 3 mwN).
Ob das Erstgericht den Rekurs des Verfahrenshelfers nach § 523 ZPO zurückweisen durfte, hängt sohin davon ab, ob der Rekurs des Verfahrenshelfers (absolut) unzulässig war oder nicht.
3. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck zu 3 R 4/20t vom 20.5.2020 (= RI0100069), auf die der Verfahrenshelfer seine Rekurslegitimation stützt, wird nicht beigetreten. Der Rekurssenat schließt sich vielmehr den jüngeren Entscheidungen des Landesgerichts Feldkirch (2 R 283/20p = RFE0100042) und des Oberlandesgerichts Innsbruck (25 Rs 11/21k = RI0100079) an. Diese legen überzeugend dar, dass aus § 72 Abs 2 ZPO kein Rekursrecht des Verfahrenshilfeanwalts abgeleitet werden kann (Wortinterpretation) und keine Gesetzeslücke vorliegt, sondern der Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet war, dem Verfahrenshilfeanwalt keinen Rekurs zu ermöglichen (historische Interpretation). Auch wird dort zutreffend darauf hingewiesen, dass der Verfahrenshilfeanwalt erst mit der Bestellung durch die Rechtsanwaltskammer Partei des Verfahrens wird und der Rechtsanwalt nach § 45 Abs 4 RAO seine Rechte wahren kann.
4. Dieser Rechtsansicht haben sich auch die Oberlandesgerichte Graz (5 R 33/21v = RG0000194) und Wien (12 R 105/21f) angeschlossen.
5. Auch die weiteren Argumente des Rekurswerbers, die auf eine verfassungskonforme Interpretation abzielen, erachtet der Rekurssenat für nicht stichhältig. Auf das Grundrecht der persönlichen Freiheit kann sich der Verfahrenshelfer nicht erfolgreich berufen, da dieses nur die physische Bewegungsfreiheit schützt ( Grabenwarter/Frank , B-VG, Stand 20.6.2020 rdb, Art 1 PersFrBVG, Rz 1).
Auch der Verweis auf ein faires Verfahren trägt nicht. Nach § 45 Abs 1 RAO hat die Partei Anspruch auf die Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer, wenn das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen hat. Nach § 46 Abs 1 RAO haben die Ausschüsse der Rechtsanwaltskammern bei der Bestellung nach festen Regeln vorzugehen; diese haben eine möglichst gleichmäßige Heranziehung und Belastung der betreffenden Rechtsanwälte zu gewährleisten. Ob ein Rechtsanwalt mit der einen oder anderen Verfahrenshilfesache betraut wird, stellt daher nur eine faktische, jedoch keine rechtliche Gegebenheit dar. Ein Verfahrenshilfevertreter hat kein subjektives Recht in einer bestimmten Verfahrenshilfesache herangezogen zu werden oder nicht.
6. Allfällige Amtshaftungsansprüche sind im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen. Allerdings setzt ein Anspruch nach § 1 Abs 1 AHG voraus, dass einem Anspruchswerber überhaupt ein Schaden entstanden ist. Es ist nicht erkennbar, worin der Schaden besteht, wenn ein Verfahrenshelfer nicht mit dem einen, sondern mit einem anderen Verfahrenshilfefall betraut wird. Auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang ist nicht erkennbar. Dies unabhängig davon, dass die als Verfahrenshelfer herangezogenen Rechtsanwälte gemäß § 16 Abs 3 RAO an der Pauschalvergütung nach § 47 RAO partizipieren und Verfahrenshelfer für besonders aufwändige Verfahren nach § 16 Abs 4 RAO gegenüber der zuständigen Rechtsanwaltskammer einen Anspruch auf angemessene Vergütung haben.
7. Daran ändert nichts, dass der Rechtsanwalt mit der Bestellung durch die Rechtsanwaltskammer zu einem Beteiligten des Verfahrens wird. In dieser Eigenschaft billigen ihm § 68 Abs 1 und Abs 2 ZPO ausdrücklich Anträge auf Erlöschen oder Entziehen der Verfahrenshilfe zu. Insgesamt erweist sich der Rekurs als unbegründet, die angefochtene Entscheidung war zu bestätigen.
8. Kosten wurden zutreffend nicht verzeichnet (§ 72 Abs 3 letzter Satz ZPO).
9. Die absolute Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.