23Rs41/22h – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und den Richter des Oberlandesgerichts Dr. Engers und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Stefan Wanner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. a Dr. in Silvia Zangerle-Leberer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Mitglieder des Senats in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geb am B*, ohne Beschäftigungsbezeichnung, **, **, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer, LL.M., Mag. Eva Suitner-Logar BSc, MMMag. Nadja Auer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, gegen die beklagte Partei C* , D*, **, **-Straße **, vertreten durch ihren Mitarbeiter Mag. Arnold Machacek, wegen (vorzeitiger) Alterspension, aus Anlass der und über die Berufung der klagenden Partei (ON 10) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 20.9.2022, 65 Cgs 110/22w 8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Das unterbrochene Berufungsverfahren wird f o r t g e s e t z t .
Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet im Berufungsverfahren nicht statt.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Entscheidungsgründe:
Text
Der am B* geborene Kläger hat bis zum Stichtag 1.12.2021 545 Versicherungsmonate erworben: 537 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit sowie 8 Monate Ersatzzeit für die Ableistung des Präsenzdiensts im Zeitraum 3.7.1978 bis 28.2.1979.
Mit dem bekämpften Bescheid der Beklagten vom 8.3.2022 gewährte die Beklagte dem Kläger eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1.12.2021 und stellte seinen monatlichen Pensionsanspruch aufgrund eines Abschlags von 9,45 % mit EUR 3.649,82 monatlich fest. Die Begründung des Bescheids verweist darauf, aufgrund des monatlichen Pensionskontos ergebe sich (1/14 der Gesamtgutschrift von EUR 56.430,01) EUR 4.030,72. Aufgrund der frühen Inanspruchnahme sei einschließlich der 8 Monate Präsenzdienst ein Abschlag von 9,45 % vorzunehmen.
Von diesem - teilweise bereits in erster Instanz außer Streit gestellten - Sachverhalt muss das Berufungsgericht gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO ausgehen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheids wurde dargelegt, der Berechnung der Pensionshöhe liege die unter Berücksichtigung der Kontoerstgutschrift ermittelte Gesamtgutschrift zugrunde, weil Versicherungsmonate auch vor dem 1.5.2005 zu berücksichtigen seien. Aufgrund der früheren Inanspruchnahme sei ein Abschlag von 9,45 % vorzunehmen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich nunmehr die (fristgerechte) vorliegende Bescheidklage. Damit begehrt der Kläger primär die Feststellung, es stehe ihm ab 1.12.2021 eine monatliche Pension von EUR 4.030,72 - und auch in Hinkunft mindestens in dieser Höhe - zu und eventualiter die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ab 1.12.2021 die ihm gesetzlich gebührende vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ohne Abschläge zu bezahlen. Begründend bringt er im Wesentlichen vor, der Abzug (Abschlag) wegen der 8 Monate Präsenzdienstzeit sei im Hinblick auf die von § 236 Abs 4b ASVG vorgesehene Berücksichtigung von bis zu 60 Versicherungsmonaten für Zeiten der Kindererziehung gleichheitswidrig und unsachlich. Eine Frau müsse keinen Präsenzdienst absolvieren und könne sogleich in die Arbeitswelt eintreten. Auch zB aus gesundheitlichen Gründen wehruntaugliche Männer könnten ohne Ableistung des Präsenzdiensts sofort einer Erwerbstätigkeit nachgehen und Versicherungsmonate erwerben. Beim vom Kläger ausgeübten Präsenzdienst handle es sich wie beim Zivildienst um eine Staatspflicht, der zum Wohle der Gesellschaft - auch bei Strafe - zu entsprechen sei. Die Nichtberücksichtigung dieser Zeiten bei der Pensionsberechnung sei unsachlich, zumal während des Präsenzdiensts zumindest teilweise Tätigkeiten erbracht würden, die auch Erwerbstätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt darstellten, etwa Einsätze im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen oder im Katastrophenschutz. Zum Zeitpunkt des Stichtags 1.12.2021 sei § 236 Abs 4b ASVG idF BGBl I 8/2019 in Geltung gestanden und mit 31.12.2021 wieder außer Kraft getreten. Daher liege auch eine plötzliche und intensiv in vom Kläger erworbene Rechtspositionen eingreifende Änderung der Rechtslage vor, die nicht durch Übergangsbestimmungen abgemildert werde. Dadurch werde der Vertrauensschutz verletzt. Auch andere den intensiven Eingriff vergleichbare mildernde Alternativen lägen nicht vor. Leistungskürzungen fielen umso stärker ins Gewicht, je näher der Betroffene dem Pensionsalter komme, wie das beim Kläger zutreffe, dem lediglich vier Versicherungsmonate für eine abschlagsfreie Alterspension fehlten. Mangels Übergangsbestimmungen oder Nachkaufsregelungen liege eine unsachliche Differenzierung vor. Eine Gesetzesprüfung beim VfGH werde angeregt.
Die Beklagte bestreitet, beantragt Klagsabweisung und wendet über den im Anstaltsverfahren vertretenen Rechtsstandpunkt hinaus ein, eine Verfassungswidrigkeit des § 236 Abs 4b ASVG sei von den Höchstgerichten bereits verneint worden. Das vom Kläger angeregte Gesetzesprüfungsverfahren sei daher entbehrlich.
Mit dem bekämpften Urteil wies das Erstgericht Haupt- und Eventualbegehren ab (Spruchpunkte A.I. bis III.) und wiederholte in Spruchpunkt B. den Bescheid, wonach der Kläger ab 1.12.2021 Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer habe und die Pension ab diesem Zeitpunkt monatlich EUR 3.649,82 betrage. Schließlich wies das Erstgericht den Kostenersatzantrag des Klägers ab (Spruchpunkt A.IV.).
Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht den eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde.
In rechtlicher Beurteilung zitierte das Erstgericht zunächst § 236 Abs 4b ASVG (idF PAS 2020, BGBl I 98/2019): Danach sei eine Verminderung der Leistung aus der Pensionsversicherung unzulässig, wenn die versicherte Person mindestens 540 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben habe. Dabei gelten auch bis zu 60 Versicherungsmonate für Zeiten der Kindererziehung als Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit. Der Oberste Gerichtshof habe bereits zur inhaltsgleichen Regelung des vom [1.1.2020 bis 31.12.2021 geltenden] zweiten Abs 7 in § 120 GSVG (10 ObS 175/21i [Rn 14 ff]) und später zur hier relevanten Norm des § 236 Abs 4b ASVG (10 ObS 24/22k [Rn 5 ff] und 10 ObS 28/22y [Rn 6 ff]) ausgesprochen, dass Ersatzzeiten für den Präsenzdienst nach § 227 Abs 1 Z 7 und Z 8 ASVG aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts für Geburtsjahrgänge ab 1958 keine Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit darstellten. Sie verhinderten daher keinen Abschlag für den vorzeitigen Pensionsantritt. Dabei habe sich der Oberste Gerichtshof mit dem auch vom Kläger hier gebrauchten Argument einer unsachlichen Differenzierung im Vergleich zu Zeiten der Kindererziehung ausführlich auseinandergesetzt und sei zu dem Schluss gekommen, dass Ersatzzeiten für den Präsenzdienst nicht als Beitragsmonate anzusehen seien.
Da der Kläger nicht zumindest 540 Beitragsmonate im dargestellten Sinn erworben habe, weil Präsenzdienstzeiten nicht als Beitragsmonate Berücksichtigung finden könnten, sei im bekämpften Bescheid der Abschlag für einen vorzeitigen Pensionsantritt zu Recht vorgenommen worden. Die Feststellungsbegehren müssten daher abgewiesen werden. Bei dieser klaren Rechtslage sei kein Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH einzuleiten. Somit sei der durch die Klage außer Kraft getretene Bescheid im Sinn einer Bescheidwiederholung wiederherzustellen. Die Voraussetzungen für einen Kostenersatz nach Billigkeit (§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG) lägen nicht vor.
Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung des Klägers aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinn des Haupt- oder in eventu im Sinn des Eventualbegehrens abzuändern; überdies wird Kostenersatz nach Billigkeit im Berufungsverfahren verlangt (ON 10 S 6 f).
Die Beklagte hat auf die Einbringung einer Berufungsbeantwortung verzichtet, jedoch beantragt, dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 12).
Innerhalb der Berufungsfrist erhob der Kläger beim Verfassungsgerichtshof einen auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG gestützten Antrag, die Wortfolgen „der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit“ und „aufgrund einer Erwerbstätigkeit“ im § 236 Abs 4b ASVG als verfassungswidrig aufzuheben. Davon machte der Verfassungsgerichtshof dem Erstgericht und dem Berufungsgericht (am 4.11.2022, eingelangt beim Berufungsgericht am 7.11.2022) Mitteilung (ON 14).
Über diesen Antrag hat das davon verständigte Berufungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 12.12.2022, 23 Rs 41/22h, bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die bei diesem zu G 277/2022 geführte Gesetzesbeschwerde unterbrochen (§§ 62a Abs 6 VfGG, 90a Abs 2 GOG).
Mittlerweile hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieses Antrags mit Beschluss vom 29.11.2020, G 277/2022 6, - durch Verweis auf seine einschlägige Judikatur zum von ihm in ständiger Rechtsprechung akzeptierten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und bei der Ausgestaltung der an diese Bedarfslagen anknüpfenden sozialen Maßnahmen - abgelehnt, weil selbst der Antragsinhalt die behaupteten Verfassungswidrigkeiten als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, dass ihm keine hinreichende Aussicht auf Erfolg zukomme.
Daher ist das unterbrochene Berufungsverfahren fortzusetzen und über die Berufung zu entscheiden (§§ 62a Abs 6 VfGG, 90a Abs 1 GOG):
Nach Art und Inhalt des geltend gemachten Rechtsmittelgrunds war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen als unbegründet:
Rechtliche Beurteilung
1.: § 236 Abs 4b ASVG geht - ebenso wie die Parallelregelung des § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG: 10 ObS 175/21i Rn 12) auf einen Abänderungsantrag zum Bericht und Antrag des Budgetausschusses über den Entwurf des Pensionsanpassungsgesetzes 2020, PAG 2020, zurück (vgl 688 BlgNR XXVI. GP und 10.235 BlgBR XXVI. GP; 10 ObS 138/21y Rn 28). Die Regelung wurde mit Ablauf des 31.12.2021 durch das SVÄG 2020, BGBl I 2021/28, wieder außer Kraft gesetzt (§ 745 Abs 2 und Abs 4 ASVG; 10 ObS 53/22z Rn 5). Auf Personen, die die Anspruchsvoraussetzung nach § 236 Abs 4b ASVG spätestens mit 31.12.2021 erfüllen, bleibt diese Bestimmung aber weiter anwendbar (§ 745 Abs 4 ASVG; 10 ObS 138/21y Rn 27).
2.: Der damit beschlossene Gesetzestext (BGBl 98/2019) hat - soweit hier relevant - folgenden Wortlaut:
„[§ 236] (4b) Hat die versicherte Person mindestens 540 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben, so ist eine Verminderung der Leistung nach diesem Bundesgesetz sowie nach dem APG unzulässig; § 261 Abs 4 dieses Bundesgesetzes sowie die §§ 5 Abs 2 und 6 APG sind nicht anzuwenden. Als Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit gelten auch bis zu 60 Versicherungsmonate für Zeiten der Kindererziehung […], wenn sie sich mit Zeiten der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit decken.“
3.: Zu diesem Antrag wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt (AA-130 XXVI. GP 2):
„Wer mindestens 45 Jahre lang erwerbstätig war, soll in Zukunft keine Pensionsabschläge mehr haben, auch wenn der Pensionsantritt vor dem 65. Lebensjahr erfolgt. Dabei werden auch bis zu 60 Versicherungsmonate der Kindererziehung als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit berücksichtigt.“
4.: Mit dieser Regelung des PAG 2020 wurde (wieder) die Abschlagsfreiheit bei allen Pensionsarten eingeführt, wenn 540 Beitragsmonate (davon können 60 Beitragsmonate solche der Kindererziehung sein) vorliegen (10 ObS 160/21h Rn 21; 10 ObS 101/21g und 10 ObS 138/21y Rn 29). Diese Regelung gilt also nicht nur für vorzeitige Alterspensionen, sondern auch für die Schwerarbeitspension, das Sonderruhegeld nach dem NSchG und die Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit (Invaliditätspension, Berufsunfähigkeitspension, Erwerbsunfähigkeitspension: 10 ObS 138/21y Rn 29).
5.: Ausgehend vom Stichtagsprinzip in der Pensionsversicherung, wonach die Leistung nicht nur an den Eintritt des Versicherungsfalls (hier: des Alters), sondern auch eine entsprechende formelle Antragstellung gebunden ist, ergibt sich, dass § 236 Abs 4b ASVG nur auf Berechnung von (ua) Alterspensionen anwendbar ist, deren Stichtag nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmung, also am 1.1.2020 oder danach (bis zum Aufheben der Bestimmung) liegt (10 ObS 160/21h Rn 23; 10 ObS 138/21y Rn 32 34). Dies trifft auf den Kläger unbestrittenermaßen zu, weil bei ihm der Stichtag der 1.12.2021 ist.
6.: § 236 ASVG regelt die Erfüllung der Wartezeit , einer sekundären Voraussetzung für den Erwerb eines Pensionsanspruchs (10 ObS 160/21h Rn 22; 10 ObS 138/21y Rn 31; RIS Justiz RS0106536). Diese Bestimmung ergänzt die für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer vorhandenen Wartezeitregelungen in § 607 Abs 10 und 12 ASVG. Sie stellt überdies eine Vorschrift für die Berechnung einer solchen Pension dar (10 ObS 160/21h Rn 22; 10 ObS 138/21y Rn 31 je mwH). Diese Bestimmung regelt also die Abschlagsfreiheit für Langzeitversicherte ( Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil Der SV Komm § 236 ASVG [Stand 1.10.2021, rdb.at] Rz 69). Ein - wie der Kläger argumentiert - abschlagsfreier Pensionsantritt ist jedoch nur für Personen vorgesehen, die ab dem Stichtag 1.1.2020, also für Geburtsjahrgänge ab 1958 wie den Kläger 540 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben haben (10 ObS 138/21y Rn 32 34). Eine Ausnahmeregelung gilt nur für (maximal 60) Versicherungsmonate der Kindererziehung, nicht jedoch für Zeiten des Präsenzdiensts oder des Zivildiensts (10 ObS 28/22y Rn 6; 10 ObS 24/22k Rn 7; 10 ObS 53/22z Rn 6 je zum ASVG; 10 ObS 175/21i Rn 15 f zu § 120 Abs 7 GSVG; 10 ObS 160/21h Rn 21 zu § 236 Abs 4b ASVG; Panhölzl § 236 Rz 72 74). Die beiden gegen diese Regelungen anhängigen Gesetzesbeschwerden hat der Verfassungsgerichtshof ebenso abgelehnt (vgl VfGH 30.11.2021 G 369/2020 9) wie seinerzeit die Beschwerde zu G 92/00 gegen die Einstufung von Präsenz- und Zivildienstzeiten lediglich als Ersatz- anstatt von Beitragszeiten im § 227 Abs 1 Z 7 und Z 8 ASVG (VfGH 4.10.2020, G 92/00, VfSlg 15.962/2000).
7.: Der in Art 7 B VG normierte Gleichheitsgrundsatz verbietet zwar unsachliche Differenzierungen (10 ObS 138/21y Rn 38; RIS Justiz RS0053981). Dem Gesetzgeber steht aber ein Gestaltungsspielraum insofern zu, als er in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist, sofern keine unsachliche Differenzierung vorliegt (10 ObS 138/21y Rn 38; RIS Justiz RS0117654 [T5]; RS0053889). Der Ansicht des Berufungswerbers, die Anwendbarkeit des § 236 Abs 4b ASVG lediglich auf Pensionsanträge ab dem Stichtag 1.1.2020 sei gleichheitswidrig, ist daher entgegenzuhalten, dass nach ständiger Judikatur eine zeitliche Differenzierung bei den Anspruchsvoraussetzungen durch eine Stichtagsregelung grundsätzlich nicht gleichheitswidrig ist (10 ObS 138/21y Rn 38; 10 ObS 30/12b; RIS Justiz RS0053393).
8.: Der Oberste Gerichtshof hat auch wiederholt ausgesprochen, dass die Einschränkung der Ausnahme auf Kindererziehungszeiten nicht gleichheitswidrig ist: Ermöglicht der Gesetzgeber einer Gruppe (jüngerer) Versicherter, die ein besonders langes Erwerbsleben hinter sich gebracht und entsprechend viel an Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt haben, unter bestimmten Voraussetzungen die Inanspruchnahme einer abschlagsfreien vorzeitigen Alterspension, so hält er sich im Rahmen der ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit, wenn er lediglich Kindererziehungszeiten als Ersatzzeiten den Beitragsmonaten in diesem Zusammenhang gleichstellt. Kindererziehungszeiten werden in der Regel (noch immer) von weiblichen Versicherten erworben, die aber schon wegen des erst ab 2024 steigenden Pensionsalters regelmäßig erst ab diesem Zeitpunkt die begünstigenden Regelung zB des § 236 Abs 4b ASVG oder § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG (45 Jahre einer Erwerbstätigkeit) in Anspruch nehmen könnten, wäre sie noch in Kraft. Die §§ 236 Abs 4b ASVG, 120 [zweiter] Abs 7 GSVG kommen daher vor allem Männern zu Gute ( Pinggera/Körner Neues in der Pensionsversicherung 2019 - Ein Überblick, Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 2020, 135 [141 f]). Dass wiederum Männer, die keinen Präsenz- oder Zivildienst leisten mussten, allenfalls früher als ein Versicherter in der Situation des Klägers in den Genuss einer abschlagsfreien vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gelangen können, ist lediglich dadurch bedingt, dass sie zu einem entsprechend früheren Zeitpunkt 540 Beitragsmonate erworben haben. Nicht jede subjektiv als ungerechtfertigt empfundene einfachgesetzliche Regelung verletzt den Gleichheitsgrundsatz (10 ObS 175/21i Rn 22 zu § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG; 10 ObS 28/22y Rn 6 aE und 10 ObS 24/22h Rn 7 aE je zu § 236 Abs 4b ASVG). Bei der Beurteilung, ob ein Versicherter die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer - wie hier - zum Stichtag 1.12.2021 in Anspruch nehmen kann, sind Ersatzdienstzeiten für Präsenzdienstleistungen im Jahr 1978/79 nicht den Beitragszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt (vgl 10 ObS 175/21i Rn 23 zu § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG und Präsenzdienstleistungen).
9.: Die Kosten entscheidung beruht auch im Berufungsverfahren auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung setzt ein Kostenersatz nach Billigkeit voraus, dass sowohl tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens vorliegen als auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten einen Kostenersatz nahelegen. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen ( Neumayr in ZellKomm³ II [2018] § 77 Rz 13; Sonntag in Köck/Sonntag ASGG [2021] § 77 Rz 21 unter Hinweis auf 10 ObS 116/06s). Die umfangreichen Ausführungen zum begehrten Kostenzuspruch nach Billigkeit in ON 10 S 6 beschäftigen sich aber nur mit der Frage der rechtlichen Schwierigkeiten im Verfahren, nicht jedoch mit dem kumulativ erforderlichen Kriterium der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten, die einen Kostenersatz nahelegen müssten. Schon deshalb kommt ein Kostenzuspruch nach dieser Bestimmung nicht in Betracht. Die im Rechtsmittel ausgeführten rechtlichen Aspekte (Notwendigkeit der Ausführung der Berufung durch einen Rechtsvertreter, Auseinandersetzung mit bereits vorliegenden höchstgerichtlichen Entscheidungen und behauptete Verfassungswidrigkeit) legen im Hinblick darauf, dass im sozialgerichtlichen Verfahren in zweiter Instanz ohnehin qualifizierte Vertreterpflicht herrscht und es sich beim vorliegenden Verfahren nicht um ein solches handelt, das sich deutlich aus der Masse der üblichen Sozialrechtsverfahren hervorhebt (OLG Graz 6 Rs 69/19t, RIS Justiz RG0000180; 6 Rs 9/18t, RG0000149 je mwH), zumal gerade in sozialgerichtlichen Verfahren häufig Gesetzesbeschwerden wie die vorliegende erhoben werden (siehe auch die oben zu ErwGr 6. zitierten Verfahren G 369/2020 9 und G 92/00, die bereits Grundlagen für die Einschätzung des Inhalts einer solchen Beschwerde bieten) - ebenso wie übrigens das Verfahren erster Instanz auch ohne anwaltlichen Beistand mit Hilfe der besonders weitgehenden Manuduktionspflicht des Sozialgerichts nach § 39 Abs 2 Z 1 ASGG bestritten werden konnte ( Neumayr § 39 Rz 4 mwH) - besondere rechtliche Schwierigkeiten nicht ausreichend dar.
10.: Das Berufungsgericht konnte sich bei seiner Entscheidung in allen erheblichen Punkten auf eine eindeutige Rechtslage und mehrere in vergleichbaren Fällen ergangene Präzedenzentscheidungen des Höchstgerichts stützen, von denen es nicht abgewichen ist. Eine erhebliche Rechtsfrage in der von den §§ 2 Abs 1 ASGG, 502 Abs 1 und Abs 5 Z 4 ZPO geforderten Qualität war daher in diesem Berufungsverfahren nicht zu klären. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.