3R150/22s – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das
Oberlandesgericht Innsbruck
hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und den Richter des Oberlandesgerichts Dr. Engers sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* , geboren am **, ohne Beschäftigungsbezeichnung, NL-**, **, vertreten durch Wijnkamp Advocatuur/Advokatur GmbH in 6493 Mils bei Imst, gegen C* , geboren am **, ohne Beschäftigungsbezeichnung **, **, vertreten durch Mag. Jasmin Oberlohr, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, wegen EUR 21.859,85 und Feststellung (Streitinteresse gemäß § 56 Abs 2 JN: EUR 10.000,-- samt Nebengebühren) über die Berufung der klagenden Partei (ON 90) gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.10.2022, 81 Cg 31/22d-87, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Beklagtenvertreterin die mit EUR 2.723,52 (darin enthalten: EUR 453,92 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht erkannte, ü b e r s t e i g t EUR 30.000,--.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Entscheidungsgründe:
Text
Am 5.3.2019 gegen 11.30 Uhr ereignete sich im Schi-(und Orts-)gebiet von ** auf der roten Piste Nr. ** ein Schiunfall, an dem die Streitteile jeweils als Schiläufer beteiligt waren. In diesem Bereich ist die Piste rund 40 m breit und 8 bis 10 Grad steil. Sie verläuft in Annäherung an den Unfallbereich zunächst in einer großzügigen Rechtskurve und auf zumindest 100 m bis zum Unfallbereich relativ gerade talwärts. Die Piste ist leicht kupiert. Sie ist aufgrund des geringen Gefälles leicht zu befahren. Eine Neigung von 10 bis 15 Grad eignet sich besonders gut zum Carven, zum Fahren mit geschnittenen Schwüngen. Aufgrund der relativ geringen Pistenbreite ist die Abfahrt im Unfallbereich übersichtlich. Die leichte Kupierung beschränkt die Sicht nur geringfügig. In Annäherung an die Unfallstelle besteht auf eine Distanz von 40 bis 50 m uneingeschränkte Sicht.
Schifahrer haben bei Geradeausblick ein begrenztes Sichtfeld von etwa 90 Grad (45 Grad auf jede Seite), wenn sie nicht aktiv auf eine Seite blicken. Dieses eingeschränkte Sichtfeld, der sogenannte "Tunnelblick", ergibt sich aufgrund der notwendigen Konzentration auf die eigene Fahrt. Er verengt sich naturgemäß bei Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit.
Bei einer Abfahrt in Schwüngen werden meist nur die ersten 5 bis 10 m des vor dem Schifahrer liegenden Geländes genau beobachtet. Der Pistenbenützer will seine Fahrbewegungen dem direkt vor ihm liegenden Gelände und den Schneeverhältnissen dort anpassen. Der Geländebereich weiter vorn und neben dem Sportler wird nur zwischendurch mitbeobachtet. Der begrenzte Blickwinkel bei Geradeausfahrt erweitert sich vor allem bei einer Fahrt mit kurzen Schwüngen nur geringfügig zu den beiden Seiten hin. Bei längeren Schwüngen vergrößert sich das Blickfeld aufgrund der gesamten Drehung des Körpers und des Kopfes automatisch. Aus schitechnischer Sicht dürfen Pistenbenützer ihren Blick daher nicht nur starr nach vorne richten, sondern müssen auch aktiv einen gewissen Seitenbereich mitbeobachten.
Die Streitteile sind als recht gute Schifahrer einzustufen. Der Beklagte beherrscht den Carvingschwung. Ob das für den Kläger auch zutrifft, blieb im erstinstanzlichen Verfahren offen.
Der Beklagte näherte sich der späteren Kollisionsstelle in mittellangen bis langen gecarvten Radien. Er beanspruchte dabei etwa die Hälfte der Pistenbreite für sich. Seine Annäherungsgeschwindigkeit steht nicht fest. Die Piste war in seinem Bereich zu diesem Zeitpunkt wenig befahren. Auf den Kläger wurde der Beklagte erst durch die nachfolgende Kollision aufmerksam.
Ob sich der Kläger in kurzen Schwüngen oder in einer längeren Geradeausfahrt der späteren Kollisionsstelle annäherte, blieb im erstinstanzlichen Verfahren unaufklärbar. Ungeklärt blieb ebenso dessen Annäherungsgeschwindigkeit. Auch der Kläger wurde des Beklagten erst durch die Kollision gewahr.
Von diesem Sachverhalt muss das Berufungsgericht gemäß § 498 Abs 1 ZPO ausgehen.
Mit der am 15.1.2020 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger letztlich (genau aufgeschlüsselte) Schadenersatzbeträge von EUR 21.859,95 und die mit EUR 10.000,-- bewertete Feststellung der Haftung des Beklagten für die aus dem Schiunfall vom 5.3.2019 resultierenden Schäden. Dazu bringt er soweit im Berufungsverfahren relevant vor, der Beklagte habe den Kläger mit einem zu geringen Seitenabstand überholen wollen und das Alleinverschulden an der Kollision zu vertreten.
Der Beklagte bestreitet und hält dem zusammengefasst entgegen, der Kläger sei von hinten mit ihm kollidiert und trage daher das Alleinverschulden an der Kollision.
Mit dem bekämpften Urteil wies das Erstgericht das Leistungs- und das Feststellungsbegehren für den Kläger kostenpflichtig ab. Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht neben dem eingangs der Berufungsentscheidung wiedergegebenen auch noch den auf den Seiten 3 bis 6 der Urschrift bzw. der Ausfertigungen ON 87 enthaltenen Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen werden kann.
Unter anderem traf das Erstgericht folgende im Rechtsmittelverfahren umkämpfte Urteilsfeststellung:
"Dementsprechend kann auch nicht festgestellt werden, wer der nachkommende und wer der vorausfahrende Schifahrer war. Ob der Kläger oder der Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte [n] , kollisionsvermeidend zu reagieren, kann ebenfalls nicht festgestellt werden." (ON 87 S 5 vierter Absatz).
In rechtlicher Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, dem Kläger sei der Nachweis eines schuldhaften Verstoßes des Beklagten gegen objektive Sorgfaltsstandards wie Pistenregeln oder die POE (Pistenordnungsentwurf) oder sonst eines sorgfaltswidrigen Verhalten misslungen. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung traf das Erstgericht auf der Grundlage des § 41 ZPO in teilweiser Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers gegen das Kostenverzeichnis des Beklagten.
Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung des Klägers aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung implizit auch der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer vollständigen und kostenpflichtigen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt (ON 90 S 9f).
In seiner (fristgerechten) Berufungsbeantwortung beantragt der Beklagte , dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg zu versagen (ON 92 S 5).
Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Anfechtungsgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich (§ 480 Abs 1 ZPO). Über das Rechtsmittel war daher in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden. Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen als unbegründet:
Rechtliche Beurteilung
A) Vorbemerkungen :
1.: Das Rechtsmittel konzentriert sich auf verfahrensrechtliche Aspekte, nämlich die ausdrücklich ausgeführte Beweisrüge und eine implizit darin verwobene Mängelrüge. Das anzuwendende Verfahrensrecht bestimmt sich aber nach dem für den Sitz des angerufenen Gerichts maßgebenden nationalen (mitgliedsstaatlichen) Recht, hier also österreichischem Recht .
2.: Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Erstgericht und die Parteien die Rechtsfragen zutreffend auch materiell nach österreichischem Recht abgehandelt haben: Mangels Anhaltspunkten für eine wirksame abweichende Rechtswahl oder für die Anknüpfungsregeln für die speziellen Deliktstypen in den Art 5 bis Art 9 ROM II-VO (EG) Nr. 864/2007 ist aufgrund des Eintritts des Primärschadens (der Lage des Erfolgsorts) in Österreich das Recht dieses Staats gemäß Art 4 Abs 1 ROM II-VO anwendbar, zumal der Sachverhalt keine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist ( Neumayr Art 4 ROM II-VO in KBB 6 [2020] ROM II-VO Rz 3).
B) Zur impliziten Mängelrüge :
1.: Die Berufung macht unter anderem geltend, dass sich das Erstgericht mit den von der gerichtlich bestellten schitechnischen Sachverständigen insgesamt angesprochenen "mehreren" Unfallvarianten nicht "eingehend" genug auseinandergesetzt habe (ON 90 S 3 dritter und vorletzter Absatz). Da die Zuordnung einzelner Teile eines Rechtsmittels nicht von dessen Aufbau abhängt sondern von dessen Inhalt bestimmt wird, ist auf diese zwar in die Tatsachenrüge eingewobene Mängelrüge vorab unter dem Aspekt des Rechtsmittelgrundes der Mangelhaftigkeit des Verfahrens einzugehen (zB RIS-Justiz RS0043110 [T2]). Die sachlich gerügte mangelhafte Begründung der bekämpften Entscheidung liegt jedoch nicht vor:
2.: Die Berufung geht mit den dargestellten Ausführungen erkennbar (§ 84 Abs 2 letzter Satz und Abs 3 letzter Satz ZPO) von einer mangelhaften Beweiswürdigung des Erstgerichts aus. Diese Argumentation schlägt aber aus folgenden Überlegungen nicht durch:
3.: Es liegt bei der Entscheidung von Beweiswürdigungsfragen nach freier Überzeugung noch keine Mangelhaftigkeit vor, wenn bei der Begründung einer Entscheidung Umstände nicht erwähnt wurden, die noch hätten erwähnt werden können, oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die noch eingeflochten werden hätte können (RIS-Justiz RS0040165; OLG Innsbruck zB 3 R 220/11v Erwägungsgrund I.A.4.; 3 R 132/08y). Aus den Ausführungen der Beweiswürdigung in einer schriftlichen Entscheidungsausfertigung muss mindestens erkennbar sein, aus welchen Erwägungen das erkennende Gericht zum Ergebnis gelangte, die angenommenen Feststellungen (RIS-Justiz RS0040165 [T1]), allenfalls als Alternativfeststellungen (zB "entweder ... oder ..."; "ob ... oder ob ... [nicht]": 7 Ob 82/00k, VersE 1885 = ZVR 2001/17; 9 ObA 121/98d Arb 11.763 = EvBl 1999/31) zu treffen oder eben nicht treffen zu können (sog. Negativfeststellung: "Es steht nicht fest, dass ...": 2 Ob 525/89, EvBl 1990/7; allgemein auch etwa: 2 Ob 77/95; 4 Ob 7/75; RIS-Justiz RS0040165 [T1]). Nur eine Beweiswürdigung, die überhaupt nicht erkennen lässt, auf welchen Erwägungen bestimmte positive, alternative oder negative Urteilsannahmen beruhen, kann - je nach Breite der davon betroffenen Sachverhaltselemente - entweder den Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 9 erster Fall ZPO (8 Ob 146/81, 5 Ob 140/75, RZ 1976/45 = JBl 1977, 430; OLG Innsbruck 3 R 132/08y) oder aber einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellen (8 ObA 117/99k; RIS-Justiz RS0043027 [T3]; RS0102004; OLG Innsbruck 3 R 220/11v Erwägungsgrund I.A.4.). Diesen Anforderungen, nämlich der Würdigung der vom Erstgericht unmittelbar aufgenommenen Beweisergebnisse einschließlich der früheren Angaben der Unfallbeteiligten im Strafverfahren BAZ 389/19k StA Innsbruck/PI Kirchberg i.T. (verlesen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.5.2020 ON 9 S 4) wird die Beweiswürdigung des Erstgerichts in ON 87 S 6f vollkommen gerecht: Das Erstgericht hat in seiner Beweiswürdigung nicht - wie das in der Berufung anklingt - nur pauschal auf die Beweisergebnisse, insbesondere das schitechnische gerichtliche Gutachten verwiesen, sodann dieses und alle Zeugen- und Parteienaussagen zutreffend in seiner Überzeugungskraft gegeneinander abgewogen. Dabei kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass keinem der Beweismittel so überragende Bedeutung zukommt, dass auf seiner Grundlage positive Urteilsfeststellungen zum Unfallhergang getroffen werden könnten. Vor allem ist dem Erstgericht in dem von ihm gezogenen Schluss beizupflichten, dass die vom Erstgericht bestellte schitechnische Sachverständige Mag. D* ihr schriftliches Hauptgutachten ON 63 zunächst im Ergänzungsgutachten ON 79 und schließlich in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.9.2022 (ON 84) mit dem Gericht und den Parteien erläutert und ergänzt - diesen also umfassendes rechtliches Gehör zu diesem entscheidenden Beweisergebnis gewährt - hat und auch in dieser sachverständigen schitechnischen Rekonstruktion des Unfallablaufs aufgrund sämtlicher Beweisergebnisse, die von den Parteien in allen Phasen begleitet und unterstützt wurde, schließlich zu keiner überzeugenden Auflösung des Unfallhergangs gelangte. Somit sind die Feststellungen des Erstgerichts insbesondere die bekämpfte Negativfeststellung - wie unten im Detail zu Erwägungsgrund C.) noch näher auszuführen sein wird - durch eine den dargestellten Begründungserfordernissen bei weitem gerechtwerdende Beweiswürdigung gedeckt.
4.: Insoweit die Ausführungen der Berufung also als Mängelrüge zu verstehen sind, können sie nicht zum Erfolg führen.
C) Zur Beweisrüge :
1.: Der Berufungswerber bekämpft die oben kursiv wiedergegebene Negativfeststellung (ON 87 S 5 vierter Absatz) darüber, wer eigentlich der bergseits fahrende und kollisionsvermeidend reaktionsfähige Schifahrer gewesen sein könnte (ON 90 S 3 drittletzter Absatz). Er strebt die Ersatzfeststellung an, der Beklagte sei im Verhältnis zum Berufungswerber der nachkommende Schifahrer gewesen und hätte im Gegensatz zum Kläger noch eine kollisionsvermeidende Reaktion setzen können (ON 90 S 8 letzter Absatz). Die Argumentation der Berufung kann jedoch mit nachstehender Begründung nicht geteilt werden:
2.: In § 272 ZPO ist das Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung verankert. Diese besteht darin, aus den - wie so oft auch hier - unterschiedlichen Verfahrensergebnissen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die verfahrensrelevanten tatsächlichen Ereignisse zu ziehen. Der persönliche Eindruck des Gerichts, seine Kenntnisse der Lebensvorgänge, seine Erfahrungen in der menschlichen Gemeinschaft und seine Menschenkenntnis werden zur entscheidenden Grundlage für die Wahrheitsermittlung. Bei der Bildung seiner Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige (hohe) Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist der Richter im Grunde - und nur im gewissen Umfang durch Beweiserleichterungen wie etwa den Anscheinsbeweis, durch Zugeständnisse der Parteien wie prozessuale Geständnisse oder Einengungen der Tatsachengrundlagen zB in Säumnisfällen eingeschränkt - frei: Das Gericht ist nach der Zivilprozessordnung an keine festen Beweisregeln, d.h. an keine generell-abstrakten Regeln, wann ein bestimmter Beweis als erbracht anzusehen ist, gebunden, sondern nur an seine persönliche, unmittelbare und objektivierbare, also im Instanzenzug nachprüfbare Überzeugung von der Wahrheit und von der Richtigkeit der Beweiseregebnisse. Es hat daher anhand der dargestellten Instrumente zu überprüfen, ob mit den vorliegenden Beweisergebnissen jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht wird, der es rechtfertigt, die fraglichen Tatsachen nach dem anwendbaren Beweismaß für wahr zu halten. Bei dieser Überzeugungsbildung ist das Gericht nicht auf die aufgenommenen Beweise beschränkt, sondern kann auch das (vorprozessuale oder prozessuale) Verhalten der Prozessbeteiligten, sowie die Vorkommnisse in der gesamten Verhandlung berücksichtigen und miteinbeziehen (RIS-Justiz RS0040127; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 272 ZPO Rz 1; Klauser/Kodek JN-ZPO 18 [2018] § 272 ZPO E 24ff; OLG Innsbruck zB 3 R 88/22y ErwGr I.A.1.1.).
3.: Anlässlich der Behandlung einer Beweisrüge einer Berufung ist folglich nur mehr zu überprüfen, ob das Erstgericht die ihm vorliegenden Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat, jedoch nicht, ob seine Feststellungen mit der objektiven Wirklichkeit tatsächlich übereinstimmen (3 Ob 2004/96v; OLG Innsbruck 25 Rs 135/12g, SVSlg 62.419; 3 R 73/22t ErwGr A.1.1.; 13 Ra 6/22p ErwGr A.2.; A. Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 482 Rz 6 aE; Petschek/Stagel Der österreichische Zivilprozess [1963] 367). Gemäß § 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem erkennenden Gericht. Dieses hat wie dargelegt nach sorgfältiger Überzeugung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass in den Akten einzelne Beweisergebnisse existieren, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht im Allgemeinen noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung mit dem Ergebnis aufzuzeigen, dass die erstinstanzlichen Feststellungen abgeändert werden müssen (OLG Wien 133 R 80/18i ErwGr 2.1. [veröffentlicht unter RIS-Justiz RW0000815]; 34 R 47/16f ErwGr 3.5. [Veröffentlichung in RIS-Justiz RW0000784]; 34 R 125/15z ErwGr I.2. [Veröffentlichung unter RIS-Justiz RW0000847, RW0000846]; LG Eisenstadt 13 R 93/03d, RIS-Justiz RES0000012; OLG Innsbruck wie vor). Die Beweisrüge muss also überzeugend darlegen, dass die getroffenen Feststellungen entweder überhaupt zwingend unrichtig sind (OLG Wien 8 Rs 47/12b, SVSlg 62.416; 7 Ra 80/11b ZAS-Judikatur 2012/95; LG Feldkirch 3 R 11/17s; 2 R 99/13v) oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen (OLG Wien wie vor; LGZ Wien 38 R 161/14d, MietSlg 66.718, LG Feldkirch wie vor; vgl. auch LG Linz 15 R 201/09y, EFSlg 124.958, OLG Innsbruck 13 Ra 24/20g ErwGr A.2.). Auch das Berufungsgericht ist im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht dazu verpflichtet, sich mit jedem einzelnen Beweisergebnis und/oder mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0043162; OLG Innsbruck zB 2 R 72/18g ErwGr II.1.2.). Solche zumindest bedeutende überzeugendere Beweisergebnisse für die in der Berufung gewünschten Alternativfeststellungen vermag die Berufung aber aus nachstehenden Erwägungen nicht aufzuzeigen:
4.: Der Beweisrüge ist zunächst entgegenzuhalten, dass die gerichtliche Sachverständige nicht "mehrere", sondern nur (maximal) drei theoretisch denkbare Grundkonstellationen als Ausgangslage der späteren Kollision ermittelt und angenommen hat: Nämlich einerseits das Voranfahren eines der beiden Beteiligten (Varianten 1 und 2) und andererseits die (zufällige) Abfahrt beider Beteiligten etwa auf gleicher Höhe auf den letzten rund 30 m vor dem Kontakt (Variante 3). Diese Unklarheiten in der Unfallaufklärung sind nicht überraschend, weil sich einerseits die örtlichen Gegebenheiten auf Schipisten erfahrungsgemäß (§ 269 ZPO) - von ganz signifikanten Geländeformationen abgesehen - schon in einer Schisaison infolge Schneefalls, unter Umständen Beschneiung, Pistenpräparierung, kurzfristigen Warmlufteinbrüchen und dadurch bedingten starken Schmelzvorgängen soweit verändern können, dass bestimmte Unfalldetails überhaupt nicht mehr zu rekonstruieren sind. Umso mehr trifft dies dann zu, wenn die Rekonstruktion eine oder mehrere Saisonen nach dem Unfall erfolgte (wie hier in der Tagsatzung an Ort und Stelle vom 1.4.2002 ON 54). Noch viel häufiger müssen sich Divergenzen ergeben, wenn Erinnerungen an Vorgänge auf der Piste nicht an Ort und Stelle, sondern im Verhandlungssaal - wie teilweise in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.9.2022 (unmittelbare Vernehmung des Zeugen E* in ON 84 S 2f) - wiedergegeben werden. Für die Rekonstruktion eines Schiunfalls stehen daher noch wesentlich weniger und viel "weichere" Fakten und Tatsachengrundlagen zur Verfügung als zB bei jenen (ohnehin seltenen) Verkehrsunfällen, bei denen praktisch keine oder nur eine ungenügende Spurenabzeichnung und/oder Spurensicherung und/oder Bilddokumentation vorliegt. In all diesen Fällen muss bei der Unfallrekonstruktion relativ weitgehend auf Erfahrungstatsachen und auf Näherungs- sowie Bandbreitenwerte zurückgegriffen werden, wie die gerichtliche Sachverständige hier zu Recht nachvollziehbar und anhand vieler Beispiele (ON 84 S 3f) und Berechnungsalternativen (ON 79 S 2ff) - insoweit in der Berufung unbestritten - überzeugend begründet und getan hat (zu all dem ausführlich OLG Innsbruck 3 R 220/11v ErwGr I.B.4.). Haftet einem Gutachten weder ein Verstoß gegen die Denkgesetze noch gegen die Grundlagen des Fachgebiets, in dem der Sachverständige beeidet und zertifiziert ist, an und lässt der Sachverständige auch keinen erheblichen Verhandlungsstoff außer Acht, kann das erkennende Gericht den Darstellungen des ihm verlässlich erscheinenden Sachverständigen folgen ( Schumacher Das Fachwissen des Richters ÖJZ 1999, 132 [inb 135 bei FN 50]; 7 Ob 53/02y; 7 Ob 316/01y; RIS-Justiz RS0040588; RS0040592). Da das Gutachten der schitechnischen Sachverständigen insgesamt die wesentlichen gerichtlichen Verfahrensergebnisse, die Dokumentationen im Strafverfahren einschließlich der Skizzen-/Bilddokumentationen berücksichtigt, schlüssig, widerspruchsfrei und trotz der Einwendungen der Parteien in unterschiedliche Richtungen nachvollziehbar ist, konnte das Erstgericht diesen Ausführungen als unbedenklich folgen (OLG Innsbruck 3 R 220/11v ErwGr I.B.4. in 8 Cg 103/09p LG Feldkirch, 3 R 160/10v in 40 Cg 4/09p LG Innsbruck). Dass die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen notwendigerweise nicht mit allen Beweisergebnissen in allen Punkten übereinstimmen können, ändert an der Schlüssigkeit des Gutachtens und an der Befugnis des erkennenden Gerichts, diesem Gutachten zu folgen, nichts (OLG Innsbruck wie vor).
5.: Die letzte Unfallversion, die die Sachverständige erwähnte, (Abfahren nebeneinander auf den letzten 30 m) bezeichnete diese in Ergänzung ON 79 ohnehin als "äußerst unwahrscheinlich" und im Übrigen auch als die "unwahrscheinlichste" aller drei von ihr theoretisch ins Kalkül gezogenen Varianten (ON 79 S 4 erster und zweiter Absatz). Von diesem Ergebnis ist die Sachverständige bis zur letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 26.9.2022 nicht mehr abgewichen (ON 84 S 4ff). Ausgehend vom hier anwendbaren Regelbeweismaß für gerichtliche Feststellungen der (zumindest) hohen Wahrscheinlichkeit (RIS-Justiz RS0110701; Rechberger/Klicka Vor § 266 ZPO Rz 5ff) ergibt sich also bereits aus dem (Ergänzungs)Gutachten, dass die dritte von der Sachverständigen erörterte Unfallversion keinesfalls die für Feststellungen notwendige hohe Wahrscheinlichkeit erreichen kann. Insofern genügte daher in der Beweiswürdigung des Erstgerichts unter den hier gegebenen und dargelegten besonderen Umständen/Verfahrensergebnissen der Hinweis auf die gutachterlichen Äußerungen, um die Entscheidung hinreichend nachvollziehbar zu machen (ON 87 S 6).
6.: Auf die beiden anderen nach der Sachverständigen möglichen Unfallkonstellationen ging das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung ohnehin detailliert ein (aaO). Dazu ist noch zu ergänzen, dass die Angaben der Zeugen F* (im Strafverfahren auch: G*) B* und E* zum - bei den gegebenen Sichtverhältnissen eigentlich sehr einfach zu beurteilenden und zu memorierenden - Thema, ob F* B* über/nach oder vor/unter dem Kläger fuhr, widersprüchlich sind: Während F* B* ausführte, er habe 10 m hinter (über) dem Kläger gespurt (ON 54 S 7 erster Absatz) stellt der Zeuge E* dar, F* B* sei links unter dem Kläger gefahren (ON 84 S 2 viertletzter und drittletzter Absatz). Auf diesen unüberbrückbaren und nicht logisch aus den Beweisergebnissen aufzuklärenden Widerspruch hat auch die schitechnische Sachverständige bereits in der mündlichen Gutachtenserörterung vom 26.9.2022 (insoweit beiderseits unbestritten) hingewiesen (ON 84 S 4 Mitte). Damit muss eine der Angaben der beiden Zeugen objektiv unzutreffend sein. Dies trifft gleichermaßen auf die ebenso divergierenden Parteienvernehmungen der Streitteile zu. Diese Widersprüche mögen durchaus auf einem der bekannten und subjektiv nicht vorwerfbaren Mängel des Personalbeweises beruhen: Dafür kommen nicht bloß die zumindest gerichtsbekannten Fehlerquellen der menschlichen Erinnerungs- und Reproduktionsvorgänge in Betracht (für viele dazu etwa: Fucik in Fucik/Hartl/Schlosser Verkehrsunfall I [1989] Rz 73 und zweite Auflage [2009] Rz 73 S 58ff; G rassberger Psychologie des Strafverfahrens 2 [1968] 53, 56f, 70f, 77f; Sacher in Fucik/Hartl/Schlosser/Wielke Verkehrsunfall II [1998] Rz 201ff und zweite Auflage [2008] Rz 92, 95f, 104ff, 108f, 201ff, sowie S 185ff), sondern auch das sogenannte Falschinformationsparadigma, bei dem nachträglich - zB durch wiederholte Einvernahmen und/oder Erzählungen über das Erlebte - falsche Informationen zu einem ursprünglich nicht eingetretenen oder nicht erinnerlichen Ereignis die subjektive Erinnerung des Berichtenden völlig verzerren oder verfälschen und daher zu einer "Pseudoerinnerung" basierend auf später zB durch wiederholtes Durchspielen von Ereignissen oder durch Suggestivfragen "aufgepfropften" Erinnerungen führen können (ausführlich zB Hübner Praxistipps zur Vernehmung und Glaubhaftigkeitsbeurteilung von Aussagen RZ 2010, 7 [8M mzwH]; OLG Innsbruck zB 3 R 30/17m ErwGr C.3.3.). Dies ändert aber hier nichts an der objektiven Unvereinbarkeit und daher für gerichtliche Tatsachenfeststellung auf der Grundlage des bereits erörterten Regelbeweismaßes der zumindest hohen Wahrscheinlichkeit nicht ausreichenden Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft dieser oben erwähnten hier Personalbeweise. Soweit die Berufung also mit diesen nicht hinreichenden Zeugen- und Parteienaussagen die Änderung der erstinstanzlichen Negativfeststellung begründen will (ON 90 insbesondere S 4 bis 6) muss sie scheitern. Auch mit dem in der Berufung genannten Beweisergebnissen sind daher keine weiteren gesicherten Anhaltspunkte für die Auflösung des Unfallgeschehens zu gewinnen.
7.: Es verbleibt noch ein abschließender Hinweis zu den Aussagen der beiden Beteiligten. Zu diesen hat die gerichtliche Sachverständige bereits aus schitechnischer Hinsicht festgehalten, dass die Variante, wonach der Kläger der auf den letzten 20 bis 30 m vor der Kollision nachfolgende und hanghöher befindliche Schifahrer war - also entsprechend der Darstellung in den Aussagen des Beklagten - unter Beachtung der technischen Grundlagen des Schifahrens die wahrscheinlichste Unfallvariante darstellt (ON 79 S 4 dritter Absatz). Unter diesem schitechnischen Aspekt ist der Kläger durch die Negativfeststellung auf der Beweisebene ohnehin nicht beschwert (rechtlich führte auch eine der schitechnischen Sachverständigen folgende Positivfeststellung, die genau gegenteilig zu in der Berufung gewünschten Alternativfeststellung wäre, ebenfalls zur Klagsabweisung, weil dann das Alleinverschulden des Klägers feststünde). Damit können auch die Überlegungen der Berufung, die auf die gegenteiligen Ersatzfeststellungen abzielen, nämlich die Version des nachfolgenden und hanghöher fahrenden Beklagten nicht geteilt werden.
8.: Auch die Beweisrüge geht daher ins Leere.
D) Verfahrensrechtliches :
1.: Der Kläger blieb mit seinem Rechtsmittel erfolglos. Er muss dem Beklagten daher die Kosten seiner erfolgreichen Berufungsbeantwortung ersetzen (§§ 50, 41, 40 ZPO).
2.: Der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht erkannte, bestand nicht zur Gänze (Feststellungsbegehren) in Geld. Gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO war daher ein Bewertungsausspruch erforderlich. Dabei bestand kein Anlass dazu, von der beklagtenseits unbestrittenen Bewertung des klägerischen Feststellungsinteresses mit EUR 10.000,-- abzugehen. Insgesamt mit dem Leistungsbegehren wird daher der Schwellenwert von EUR 30.000,-- überschritten.
3.: Das Berufungsgericht konnte sich im Rahmen seiner nur in dritter Instanz nicht bekämpfbare Beweisfragen und im Wesentlichen nicht reversible Verfahrensfragen betreffenden Entscheidung auf eine einheitliche Rechtsprechung unter anderem des Höchstgerichts stützen. Eine erhebliche Rechtsfrage in der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Intensität war daher in diesem Verfahren nicht zu klären. Der weitere Rechtszug nach dieser Gesetzesstelle erweist sich daher als nicht zulässig. Darüber war gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Anspruch im Tenor der Rechtsmittelentscheidung gesondert abzusprechen.