4R106/22b – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und den Senatspräsidenten Dr. Gosch als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei M***** G *****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. D***** C *****, 2. Z***** V *****, beide vertreten durch Dr. Sabine Prantner, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen EUR 12.669,10 s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert: EUR 17.669,10), über den Rekurs der beklagten Parteien (Rekursinteresse: EUR 1.477,56) gegen die im Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10.5.2022, 12 Cg 66/21t 68, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird t e i l w e i s e Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abgeändert , dass diese (Pkt 4. des Ersturteils) insgesamt wie folgt lautet:
„Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen der Beklagtenvertreterin binnen 14 Tagen die mit EUR 8.598,55 bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.“
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 92,43 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls u n z u - l ä s s i g .
Text
begründung:
Mit dem nurmehr im Kostenpunkt angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die von der Klägerin wider die beklagten Parteien erhobenen Begehren auf Zahlung von EUR 12.669,10 s.A. und auf Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle künftigen Folgen der Klägerin aus einer fehlerhaften Behandlung der Erstbeklagten im Zeitraum vom 7.8.2018 bis 25.9.2019 zur Gänze ab und verpflichtete die Klägerin weiters, den beklagten Parteien die mit EUR 8.143,55 bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen. Seine Kostenentscheidung stützte das Erstgericht auf § 41 Abs 1 ZPO, nahm jedoch einige Abstriche von den verzeichneten Kosten der Beklagten infolge der von der Klägerin erhobenen Einwendungen gegen deren Kostennote vor, und zwar insbesondere:
Soweit die Klägerin ausführt, die Äußerung der beklagten Parteien vom 2.11.2021 sei deshalb nicht zu honorieren, weil nahezu ausschließlich rechtliche Ausführungen darin enthalten und der Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen sei, übersehe sie, dass es sich um eine Replik auf ihre Ausführungen vom 27.10.2021 handle, welche sie offenbar für zweckentsprechend gehalten habe, da sie ansonsten nicht eingebracht worden wären. Unter diesem Gesichtspunkt sei den beklagten Parteien dieser Schriftsatz nach TP 2 RATG zu vergüten.
Zutreffend sei, dass der Gutachtenserörterungsantrag der beklagten Parteien vom 20.1.2022 nur nach TP 2 zu honorieren sei, zumal der Großteil der von den beklagten Parteien gestellten Fragen bereits im Rahmen des vorangegangenen Gutachtens beantwortet worden seien.
Für die elektronische Akteneinsicht sei eine gesonderte Vergütung nicht vorgesehen, sondern seien diese Leistungen durch den Einheitssatz abgedeckt.
Der Schriftsatz vom 20.4.2022 sei nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen, da die Urkunden, darunter auch das darin enthaltene Vorbringen in der nachfolgenden Streitverhandlung vorgelegt bzw erstattet hätte werden können, sodass dieser Schriftsatz nicht zu vergüten sei.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der fristgerechte (Kosten-)Rekurs der beklagten Parteien, der im Antrag mündet, in Stattgebung des Rekurses den angefochtenen Kostenspruch dahingehend abzuändern, dass den beklagten Parteien weitere Kosten von EUR 1.477,56, insgesamt sohin EUR 9.621,11 zugesprochen werden.
Die Klägerin beantragt in ihrer (Kosten-)Rekursbeantwortung, dem Rekurs der beklagten Parteien keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
1. Die beklagten Parteien machen geltend, nach ständiger Rechtsprechung gebühre für Gutachtenserörterungsanträge TP 3A, sodass der Antrag vom 20.1.2022 nach dieser Tarifpost zu entlohnen sei. Für die Äußerung vom 2.11.2021 stehe ebenfalls TP 3 zu, da hiebei auf erneutes Vorbringen der Klägerin repliziert worden sei. Zu honorieren sei auch die elektronische Akteneinsicht, zumal der Akt elektronisch geführt werde und Nachfragen in telefonischer Form, welche vom Einheitssatz gedeckt seien, nicht mehr zulässig seien und ausdrücklich auf diesen Umstand in der Ladung hingewiesen werde; wenn die Arbeit nunmehr an den Rechtsvertreter verlagert werde, so sei dies auch zu honorieren. Das Vorbringen und die Urkundenvorlage vom 20.4.2022 seien nach TP 2 zu honorieren, weil ein früheres Vorbringen nicht möglich gewesen sei und die Urkundenvorlage aufgrund des Umstands, dass ein elektronischer Akt geführt werde, nicht in der Tagsatzung erfolgen könne. Weiters verbleibe es der Prozesstaktik einer Streitpartei überlassen, ob und wann sie welche Urkunden lege.
Rechtliche Beurteilung
2. Hiezu hat das Rekursgericht erwogen:
2.1. Wenn das Gericht den Parteien bei Übermittlung des Gutachtens eines Sachverständigen aufträgt, für den Fall, dass eine mündliche Erörterung dieses Gutachtens beantragt werde, gleichzeitig die vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen zur Vorbereitung der Verhandlung bekannt zu geben, dann handelt es sich bei einem Schriftsatz, mit dem die Gutachtenserörterung beantragt und Fragen (bzw Themen) formuliert werden, um einen aufgetragenen Schriftsatz nach TP 3A RATG (4 R 27/18d; 4 R 123/17w; 4 R 97/17v je OLG Innsbruck uva). Das Rekursgericht judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass der schlichte Antrag einer Partei, den Sachverständigen zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zwecks Erörterung seines Gutachtens zu laden, ohne dass irgendwelche Themen oder Fragen, deren Erörterung konkret begehrt wird, angeführt werden, ein Ansuchen darstellt, das eine Tagsatzung betrifft, und daher unter TP 1 I. lit c RATG zu subsumieren ist. Wenn in einem Antrag auf Erörterung eines Sachverständigengutachtens auch angegeben wird, welche Aufklärungen bzw Erläuterungen des schriftlichen Sachverständigengutachtens gewünscht werden, sind derartige Schriftsätze, soweit das Gericht nicht den Auftrag erteilt hat, im Falle der Gutachtenserörterung auch die zu stellenden Fragen bzw zu erörternden Themen bekannt zu geben, nach TP 2 RATG zu entlohnen (4 R 17/17g OLG Innsbruck = RIS Justiz RI0100043). Im Falle eines Auftrags des Gerichts zur Bekanntgabe der an den Sachverständigen zu richtenden Fragen kommt dementsprechend nur eine Entlohnung nach TP 3A in Frage, weil es sich um einen aufgetragenen Schriftsatz im Sinne von TP 3A I. 1. lit d RATG handelt.
Das Erstgericht hat den Parteien das Gutachten des zahnmedizinischen Sachverständigen vom 7.1.2022 mit dem Auftrag zugestellt, eine allfällige mündliche Gutachtenserörterung binnen 14 Tagen zu beantragen, wobei im Falle der Stellung eines Erörterungsantrags die an den Sachverständigen zu richtenden Fragen bekanntgegeben werden wollen. Die beklagten Parteien haben - ebenso wie die Klägerin - die Erörterung des Sachverständigengutachtens innerhalb der gesetzten Frist beantragt und mehrere an den Sachverständigen zu richtende Fragen formuliert. Damit kommt, wie von beiden Parteien verzeichnet, grundsätzlich nur eine Entlohnung dieser Erörterungsschriftsätze nach TP 3A RATG in Frage, soweit nicht nur irrelevante oder im Gutachten bereits restlos und umfassend beantwortete Fragen gestellt werden. Dem Schriftsatz der beklagten Parteien vom 20.1.2022 lässt sich nicht entnehmen, dass die von den beklagten Parteien als erörterungswürdig angeführten Fragen im Gutachten bereits restlos beantwortet wären und bleibt das Erstgericht, ebenso wie die Klägerin in ihren Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis, schuldig, anzuführen, welche Fragen bereits im Gutachten restlos beantwortet worden wären. Läge dieser Fall vor, käme auch keine Entlohnung nach TP 2 RATG in Frage, weil dann dieser Schriftsatz als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zu qualifizieren wäre.
Den beklagten Parteien ist daher beizupflichten, dass der Erörterungsantrag vom 20.1.2022 nach TP 3A zu honorieren ist, sodass ihr diesbezüglich weitere EUR 455,-- an Kosten zuzuerkennen sind.
2.2. Der Schriftsatz der beklagten Parteien vom 2.11.2021 enthält einerseits eine Äußerung zum Befunderörterungsantrag der Klägerin vom 27.10.2021, in der sich die beklagten Parteien dagegen wenden, dass einzelne von der Klägerin formulierte Fragen nicht den im Beweissicherungsverfahren zu erhebenden Befund betreffen, sondern schon eine gutachterliche Beurteilung, was unzulässig sei. Darüber hinaus erstatteten die beklagten Parteien ein weiteres Vorbringen, welches allerdings kein Tatsachensubstrat enthält, sondern lediglich Rechtsausführungen.
Gemäß § 78 Abs 3 ZPO sind Schriftsätze, die nur Rechtsausführungen enthalten, unzulässig, sodass dieser Schriftsatz insoweit auch nicht nach § 257 Abs 3 ZPO zulässig war und eine Entlohnung insoweit nicht in Frage kommt. Soweit sich die beklagten Parteien zum Befunderörterungsantrag der Klägerin äußerten, war dies durchaus zulässig und die Einwände gegen einzelne Fragen dahingehend, dass diese nicht die Befunderhebung betreffen, auch zutreffend, allerdings stellt eine Äußerung zu einem Erörterungsantrag in einem Beweissicherungsverfahren keinen vorbereitenden Schriftsatz im Sinne des § 257 Abs 3 ZPO dar und werden derartige Schriftsätze auch sonst nicht unter TP 3A angeführt. Damit kommt hiefür nur der Aufwandtatbestand nach TP 2 I. 1. lit e RATG in Frage: Es handelt sich dabei um einen sonstigen Schriftsatz, der nicht in TP 1 oder 3 genannt wird, sodass sich die vom Erstgericht zuerkannte Entlohnung nach TP 2 als zutreffend erweist.
2.3. Dem Erstgericht ist vollumfänglich beizupflichten, dass für eine „elektronische Akteneinsicht“ ein eigener Honoraranspruch im RATG nicht vorgesehen ist, insbesondere auch nicht in der von den beklagten Parteien herangezogenen TP 1. Warum eine elektronische Akteneinsicht durch den Einheitssatz etwa für die nachfolgende Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung, derentwegen nach den Behauptungen der beklagten Parteien die elektronische Akteneinsicht erfolgte, nicht gedeckt sein soll, während telefonische Anfragen bei Gericht sehr wohl durch den Einheitssatz gedeckt sind (waren), ist nicht nachvollziehbar, zumal die elektronische Akteneinsicht sich unabhängig von den Dienstzeiten der Gerichte durchführen lässt und im Regelfall auch wesentlich schneller erfolgen wird, wenn man bedenkt, dass sich bei telefonischen Anfragen Zeitverzögerungen dadurch ergeben können, dass die Telefonleitungen überlastet sind, der/die zuständige Mitarbeiter/in gerade nicht erreichbar ist bzw dann auch erst in das elektronische System einsteigen muss, um die gewünschte Auskunft zu erteilen. Von einer Verlagerung der Arbeit an den Rechtsvertreter kann keine Rede sein, weil ja auch der Rechtsvertreter bzw dessen Mitarbeiter die telefonischen Auskunftsersuchen an das Gericht durchführen müssten. Eine gesonderte Entlohnung für die elektronische Akteneinsicht steht daher jedenfalls nicht zu.
2.4. Im Schriftsatz vom 20.4.2022 teilten die beklagten Parteien mit, sie hätten erfahren, dass der Zeuge RA Dr. P***** sich für sein urlaubsbedingtes Nichterscheinen bei der nächsten Tagsatzung bei Gericht entschuldigt habe, sie jedoch auf diesen Zeugen vorerst nicht verzichten, allerdings seine Leistungsaufstellung samt der bezughabenden Korrespondenz vorlegen. Dabei handelt es sich keinesfalls um ein Vorbringen zum Prozessgegenstand, sondern lediglich um eine Mitteilung und Urkundenvorlage, wobei die Mitteilung, dass auf einen verhinderten Zeugen nicht verzichtet werde, vollkommen überflüssig war und daher jedenfalls nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente. Bei der Vorlage der Leistungsaufstellung samt Korrespondenz des vorherigen Rechtsvertreters der Erstbeklagten bzw beider Beklagter handelt es sich nicht um eine Urkundenvorlage im eigentlichen Sinn, sondern lediglich um Bescheinigungsmittel für zu verzeichnende vorprozessuale Kosten, welche mit dem Kostenverzeichnis bei Schluss der mündlichen Verhandlung vorzulegen wären; eines eigenen Schriftsatzes zwecks Urkundenvorlage bedarf es hiezu nicht, sodass auch insoweit dieser Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.
Somit hat das Erstgericht zutreffend eine Honorierung dieses Schriftsatzes verweigert.
3. Dem Rekurs der beklagten Parteien ist daher nur im Umfang eines weiteres Zuspruchs von EUR 455,-- stattzugeben, darüber hinaus erweist sich der Rekurs als unbegründet, sodass ihm insoweit ein Erfolg versagt bleiben muss.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf §§ 50 Abs 1, 43 Abs 1 ZPO. Die beklagten Parteien sind mit ihrem Rekursbegehren zu knapp 1/3 durchgedrungen, sodass sie der Klägerin 1/3 der Kosten deren Rekursbeantwortung, die tarifmäßig verzeichnet wurden, zu ersetzen haben.