JudikaturOLG Innsbruck

114Ds6/20m – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
26. April 2021

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Georg Hoffmann als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Ingrid Brandstätter sowie den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Gerhard Kohlegger als weitere Mitglieder des Senats in der Disziplinarsache gegen den Richter des Bezirksgerichts ***** in Ruhe Dr. ***** nach der in Anwesenheit der Schriftführerin RiAA Mag. Hannah Loacker, des Ersten Oberstaatsanwalts HR Mag. Richard Freyschlag und des Disziplinarbeschuldigten Dr. ***** durchgeführten öffentlichen Verhandlung am 26.4.2021 zu Recht erkannt:

Spruch

Dr. ***** ist

s c h u l d i g ,

er hat die ihm nach § 57 Abs 1 zweiter Satz RStDG auferlegten Pflichten, sein Amt gewissenhaft zu erfüllen, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen und die bei Gericht anhängigen Angelegenheiten so rasch wie möglich zu erledigen, dadurch schuldhaft verletzt, dass er im Zeitraum vom 15.10.2013 bis 30.9.2019 als für das Verfahren ***** zuständiger Richter des Bezirksgerichts ***** und nachfolgend noch bis 22.11.2019 durch Zurückhaltung des Akts ***** (vormals *****) in ihrem Recht auf Verhandlung und Entscheidung über ihre am 23.9.2013 eingebrachte Klage auf Aufhebung, in eventu Scheidung ihrer Ehe, in angemessener Frist nach Art 6 Abs 1 EMRK, sowie ***** in seinem Recht auf Verhandlung und Entscheidung der gegen ihn eingebrachten Klage in angemessener Zeit und darüber hinaus in seinem Recht auf Gehör je nach Art 6 Abs 1 EMRK verletzte, indem er entgegen seiner Verpflichtung als verfahrensführender Richter eine ehestmögliche Zustellung der Klageschrift an den Beklagten unter Einhaltung der einschlägigen Zustellvorschriften zu veranlassen und entgegen der Verpflichtung der ordnungsgemäßen Ladung der Parteien und deren Rechtsvertreter zu Tagsatzungen zur mündlichen Verhandlung nach den §§ 106, 257 Abs 1 iVm §§ 431 Abs 1, 437 f ZPO und den §§ 49 Abs 1, 110 Abs 2 Geo es vom 15.10.2013 (Einlangen der schriftlichen Übersetzung der Klage in die türkische Sprache) bis einschließlich 25.7.2019 gänzlich unterlassen hat, die Klage sowie Ladungen zu mehreren Tagsatzungen an den in der Türkei aufhältigen Beklagten zuzustellen sowie in den überwiegenden Fällen auch eine Ladung des Klagsvertreters und der Klägerin zu veranlassen und danach bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30.9.2019 nur eine Zustellung an den Beklagten „mit internationalem Rückschein“ oder „grün“ (also ohne Zustellnachweis), nicht aber auf dem vorgesehenen Rechtshilfeweg verfügt hat und den Akt erst am 22.11.2019 nach Versetzung in den Ruhestand an die Geschäftsabteilung übergeben hat.

Dr. ***** hat hiedurch ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen. Gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG wird über ihn eine

Geldstrafe in Höhe eines Monatsbezugs

verhängt.

Gemäß § 137 Abs 2 RStDG hat der Disziplinarbeschuldigte die mit EUR 300,-- bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dr. ***** wurde mit 1.11.1984 zum Richter ernannt und war vom 1.7.1990 bis zu seiner Pensionierung am 30.9.2019 beim Bezirksgericht ***** tätig. Er bearbeitete dort vorwiegend Straf- und Zivilsachen. Er war für die Jahre 1994 bis 1996 mit „gut“ beschrieben, seine Dienstbeschreibung vom 25.2.1998 lautete auf „sehr gut“. Einige Jahre später kam es dann immer häufiger zu Überschreitungen der Entscheidungsfristen. Mit Urteil vom 6.7.2015, *****, wurde er vom Oberlandesgericht ***** als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte wegen eines Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RStDG rechtskräftig zu einer Geldstrafe in Höhe eines Monatsbezugs verurteilt, weil er die ihm nach § 57 Abs 1 zweiter Satz RStDG auferlegten Pflichten, sein Amt gewissenhaft zu erfüllen, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen und die bei Gericht anhängigen Angelegenheiten so rasch wie möglich zu erledigen, dadurch schuldhaft verletzt hatte, dass er als der zur Verhandlung und Entscheidung zuständige Richter in insgesamt fünf Verfahren Entscheidungen weit außerhalb der von § 415 ZPO vorgesehenen Frist ausfertigte und zudem in einem Verfahren über den Zeitraum eines Jahres die ihm bekannten unrichtigen Statuseintragungen „uf“, „ug“ und „ua“, wonach das von ihm noch nicht verfasste Urteil als unterfertigt, an die Geschäftsabteilung übergeben und von dieser abgefertigt im Register aufschien, nicht richtigstellen ließ und nachfolgend im selben Verfahren und in einem Pflegschaftsverfahren Ablehnungsanträge nicht unverzüglich dem Gerichtsvorsteher vorlegte, sondern in einem der Verfahren auch noch entgegen § 25 JN ein (End-)Urteil fällte.

Am 25.2.2020 erstattete der Vizepräsident des Oberlandesgerichts ***** in Vertretung der Präsidentin des Oberlandesgerichts ***** gegen Dr. ***** Disziplinaranzeige wegen des Verdachts einer Dienstpflichtverletzung nach §§ 158 Z 1, 57 Abs 1 zweiter Satz RStDG, weil dieser im Ehescheidungsverfahren ***** des Bezirksgerichts ***** durch die nach Einbringung der Klage jahrelange Unterlassung einer Zustellung der Klage, eines Beschlusses zur Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten und deren Betreibung bzw durch Unterlassung einer Zustellung der Ladung an den Beklagten, somit der Unterlassung jeglicher zielgerichteter Verfahrensschritte die Klägerin im Recht auf Durchsetzung ihrer Ansprüche im Zivilverfahren geschädigt und durch die jahrelange Veranlassung von - nicht der Aktenlage entsprechenden - Schritten in der Verfahrensautomation Justiz die Prüflisten derart unterlaufen habe, dass nach dem 1.11.2015 der Akt nur noch einmal, nämlich am 1.12.2016, in einer monatlichen Prüfliste auffiel, womit die Scheintätigkeit in den in der Dienstaufsicht zur Verfügung stehenden Prüfungsinstrumentarien nicht auffallen habe können. Er sei auch im Zuge der Regelrevision des Bezirksgerichts ***** 2014 von den Prüforganen der Innenrevision auf die den Verfahrensgesetzen entsprechende und gegenüber den türkischen Behörden einzuhaltende Abwicklung von Zustellungen hingewiesen worden, die er allerdings nicht umgesetzt habe.

Im Einzelnen stellt sich die Un- bzw Scheintätigkeit des Disziplinarbeschuldigten im Verfahren ***** des Bezirksgerichts ***** wie folgt dar:

Am 23.9.2013 wurde die auf Aufhebung, in eventu Scheidung der Ehe von ***** gegen ihren Ehemann *****, wohnhaft in der Türkei, durch den für die Klägerin bestellten Verfahrenshelfer RA ***** beim Bezirksgericht ***** eingebracht, wobei der Disziplinarbeschuldigte aufgrund einer Befangenheit der an sich zuständigen Richterin für diesen Rechtsstreit zuständig wurde. In der Folge ließ er die Klage in die türkische Sprache übersetzen und fasste einen Beschluss, mit dem dem Beklagten aufgetragen wurde, einen in Österreich wohnhaften Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen, widrigenfalls bei nicht fristgerechter Erfüllung dieses Auftrags weitere Zustellungen ohne Zustellnachweise erfolgen werden. Diese Tätigkeiten erfolgten bis 15.10.2013. Eine Zustellung des genannten Beschlusses wie auch der Klage wurde nicht angeordnet. Am 30.6.2014 beraumte er eine Tagsatzung für den 22.12.2014 an und verfügte, die Ladung an den Beklagten auszudrucken und ihm zur Übermittlung an einen Dolmetscher zwecks Übersetzung wieder vorzulegen. Im Register wurde die Ladung an den Beklagten am selben Tag erfasst, jedoch nicht abgefertigt, aber auch nicht an den Dolmetscher zur Übersetzung übermittelt; ebenso wenig wurde eine Zustellung an den Klagsvertreter oder die Klägerin angeordnet. Der Termin fand nicht statt. Auch ein Ersuchen der Klägerin um Mitteilung, ob die Klage an den Beklagten zugestellt habe werden können, widrigenfalls ein Zustellkurator bestellt werden möge, und um Anberaumung eines Verhandlungstermins führte zu keiner Reaktion des Disziplinarbeschuldigten. Infolge eines Ersuchens der Klägerin um Anberaumung eines Verhandlungstermins am 20.7.2015 beraumte der Disziplinarbeschuldigte eine Tagsatzung für 23.9.2015 an, wobei er in der Folge gleich vorging wie am 30.6.2014. Infolge eines weiteren Antrags der Klägerin vom 6.11.2015 erfolgte die Anberaumung einer Tagsatzung für 23.2.2016, wobei wohl eine Zustellung an den Klagsvertreter und an die Klägerin erfolgte, nicht jedoch eine Übersetzung und Abfertigung der Ladung an den Beklagten. Die Tagsatzung vom 23.2.20216 fand statt, obwohl eine Zustellung der Ladung an den Beklagten nicht erfolgt war. In der Folge kam es immer wieder zur Anberaumung von Tagsatzungen, wobei diese jeweils wieder abberaumt wurden; in der Mehrzahl der Fälle erfolgte keine Ladung des Klagsvertreters bzw wurde eine solche nicht verfügt; verfügt wurde allerdings die Anberaumung und teils auch die Abberaumung im Register zu erfassen. Die Übersetzung der Ladung an den Beklagten sowie eine Abfertigung dieser Ladung erfolgte in keinem Fall, was sich bis ins Jahr 2019 fortsetzte. Am 28.6.2019 beantragte die Klägerin wiederum die Anberaumung eines Verhandlungstermins und allenfalls die Bestellung eines Zustellkurators. Mit Beschluss vom selben Tag beraumte der Disziplinarbeschuldigte für 6.9.2019 eine Tagsatzung an, wobei der Klagsvertreter und die Klägerin geladen wurden. Hinsichtlich des Beklagten verfügte er, eine Ladung auszudrucken. Am 25.7.2019 verfügte er, die Klage samt Übersetzung und die Ladung mit internationalem Rückschein an den Beklagten zuzustellen. Am 23.8.2019 verfügte er weiters, die Aktenstücke „grün“ an den Beklagten zuzustellen. Schließlich erfolgten am 6.9.2019 und 30.9.2019 zwei Verhandlungen, bei denen der Beklagte jeweils nicht erschien und auch keine Zustellnachweise vorlagen. In der Tagsatzung vom 30.9.2019 schloss der Disziplinarbeschuldigte die Verhandlung und teilte mit, dass das Urteil schriftlich ergehen werde. Noch am selben Tag verfasste er folgenden Aktenvermerk: „Aus Zeitgründen ist mir eine Urteilsausfertigung nicht mehr möglich, außerdem fehlt ein Zustellnachweis zur heutigen Tagsatzung, sodass das Verfahren wiederzueröffnen sein wird. Sollte in nächster Zeit kein Nachweis über die Zustellung per int. RS (der Ladung für den 6.9.) einlangen, wird wohl ein Zustellkurator zu bestellen sein.“ Weiters verfügte er die Zustellung des Protokolls vom 30.9.2019 und eine Kalendierung mit 15.11. Der Akt wurde vom Disziplinarbeschuldigten allerdings erst am 22.11.2019, also 53 Tage nach seiner Versetzung in den Ruhestand, an die Geschäftsabteilung übergeben. Eine Zustellung an den Beklagten im gemäß § 23 Abs 2 RHE Ziv vorgesehenen Rechtshilfeweg in Form einer Zustellung über das Bundesministerium für Justiz im Wege der Behörden des Empfangsstaats (Türkei) erfolgte zu keinem Zeitpunkt.

Die Staatsanwaltschaft ***** erhob wegen des Verdachts des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB Anklage gegen Dr. *****. Mit Urteil des Landesgerichts ***** vom 29.10.2020, *****, wurde Dr. ***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, wobei dieses Erkenntnis in Rechtskraft erwuchs. Nach dem Urteilsspruch hat Dr. ***** im Zeitraum vom 15.10.2013 bis 22.11.2019 in ***** als für das Verfahren ***** zuständiger Richter des Bezirksgerichts *****, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, ***** (vormals *****) in ihrem Recht auf Verhandlung und Entscheidung über ihre am 23.9.2013 eingebrachte Klage auf Aufhebung, in eventu Scheidung ihrer Ehe, in angemessener Frist nach Art 6 Abs 1 EMRK, sowie ***** in seinem Recht auf Verhandlung und Entscheidung der gegen ihn eingebrachten Klage in angemessener Zeit und darüber hinaus in seinem Recht auf Gehör je nach Art 6 Abs 1 EMRK zu verletzen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er entgegen seiner Verpflichtung als verfahrensführender Richter eine ehestmögliche Zustellung der Klageschrift an den Beklagten unter Einhaltung der einschlägigen Zustellvorschriften zu veranlassen und entgegen der Verpflichtung der ordnungsgemäßen Ladung der Parteien und der Rechtsvertreter zu Tagsatzungen zur mündlichen Verhandlung nach den §§ 106, 257 Abs 1 iVm 431 Abs 1, 437 f ZPO und den §§ 49 Abs 1, 110 Abs 2 Geo es vom 15.10.2013 (Einlangen der schriftlichen Übersetzung der Klage in die türkische Sprache) bis einschließlich 25.7.2019 gänzlich unterlassen hat, die Klage sowie Ladungen zu mehreren Tagsatzungen an den in der Türkei aufhältigen Beklagten zuzustellen sowie in den überwiegenden Fällen auch eine Ladung des Klagsvertreters und der Klägerin unterlassen und danach bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 30.9.2019 nur eine Zustellung an den Beklagten „mit internationalem Rückschein“ oder „grün“ (also ohne Zustellnachweis), nicht aber auf dem vorgesehenen Rechtshilfeweg verfügt und den Akt erst am 22.11.2019 nach Versetzung in den Ruhestand an die Geschäftsabteilung übergeben hat.

Seine Un- bzw Scheintätigkeit in besagtem Ehescheidungsverfahren über einen Zeitraum von knapp sechs Jahren gehen nicht auf eine Überbelastung des Disziplinarbeschuldigten zurück, sondern darauf, dass er die richterliche Tätigkeit in einem durch Befangenheit der Kollegin „geerbten“ Akt und in einer Materie, mit er er ansonsten in seiner richterlichen Tätigkeit nicht befasst war, ebenso scheute wie die Auseinandersetzung mit einer Rechtssache mit Auslandsbezug, wobei er - nach eigenen Angaben - auch einen Widerwillen gegen die Verfassung von Rechtshilfeersuchen hatte. Dazu kam in weiterer Folge, dass er nach bereits langer Untätigkeit keine Zustellung der Ladung auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg, nämlich über das Bundesministerium für Justiz, durchführen wollte, damit seine Untätigkeit nicht auffällt, weshalb er sich dann auch letztlich entschied, Ladungen an den Beklagten mit „internationalem Rückschein“ bzw „grün“ in gesetzwidriger Weise durchzuführen. Zwecks Verschleierung seiner Untätigkeit gegenüber den die Dienstaufsicht ausübenden Organen beraumte er laufend Tagsatzungen an, zu denen die Parteien nicht oder nur teilweise geladen wurden und die in der Folge bis September 2019 stets abberaumt wurden.

Nach seiner letzten disziplinarrechtlichen Verurteilung arbeitete der Disziplinarbeschuldigte ansonsten im Wesentlichen rückstandsfrei, wobei es allerdings der ständigen engmaschigen dienstaufsichtsbehördlichen Interventionen der Präsidentin des Landesgerichts ***** bedurfte, damit der Disziplinarbeschuldigte in den ihm übertragenen Zivilsachen die Ausfertigungsfristen im Wesentlichen einhielt.

Nachdem dem Disziplinarbeschuldigten im Jahr 2019 die Remuneration für das 40 jährige Dienstjubiläum im Ausmaß von 4 Monatsgehältern gewährt und ausbezahlt worden war, erließ die Präsidentin des Oberlandesgerichts ***** als Folge des Bekanntwerdens der Un- bzw Scheintätigkeit des Disziplinarbeschuldigten im Verfahren ***** des Bezirksgerichts ***** am 25.2.2020 einen Bescheid, mit dem dem Disziplinarbeschuldigten die Rückzahlung des ausbezahlten Dienstjubiläums von EUR 29.043,20 aufgetragen wurde, wobei dieser Bescheid in Rechtskraft erwuchs und der Disziplinarbeschuldigte mittlerweile die Remuneration in monatlichen Raten von EUR 500,-- über einen Zeitraum von knapp mehr als drei Jahren zurückbezahlt bzw zurückbezahlen muss.

Der Disziplinarbeschuldigte bezieht seit seiner Versetzung in den Ruhestand mit 30.9.2019 eine monatliche Pension in Höhe von rund EUR 4.600,-- brutto, wobei ihm vom Nettobetrag von rund EUR 3.100,-- monatlich die Rate für die Rückzahlung der Remuneration in Höhe von EUR 500,-- in Abzug gebracht wird.

Diese Feststellungen stützen sich auf die Disziplinaranzeige der Präsidentin des Oberlandesgerichts *****, den Akt ***** des Landesgerichts *****, die Kopien des Aktes ***** des Bezirksgerichts *****, die geständige Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten, die Mitteilung der Präsidentin des Oberlandesgerichts ***** vom 8.6.2020 in ON 6, die Zusammenstellung der monatlichen Prüflisten und den Bericht der Präsidentin des Landesgerichts ***** an die Präsidentin des Oberlandesgerichts ***** vom 15.1.2020 sowie die Auszüge aus dem Personalakt des Disziplinarbeschuldigten. Der Disziplinarbeschuldigte gesteht seine Un- bzw Scheintätigkeit im Verfahren ***** über rund sechs Jahre zu, wobei er selbst die Gründe angibt, warum er diesen Akt über Jahre „vor sich herschob“.

Rechtliche Beurteilung

In der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts ist dem Disziplinarbeschuldigten ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG vorzuwerfen. Er hat die ihm im § 57 Abs 1 zweiter Satz RStDG auferlegten Pflichten, sein Amt gewissenhaft zu erfüllen, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen und die bei Gericht anhängigen Angelegenheiten so rasch wie möglich zu erledigen, in eklatanter Weise im Verfahren ***** des Bezirksgerichts ***** verletzt, indem er durch nahezu sechs Jahre hindurch nur Scheintätigkeiten entwickelte und nicht einmal versuchte, dem Beklagten die Klage und eine Ladung zur Tagsatzung zuzustellen, insbesondere auch nicht in dem dafür gesetzlich vorgesehenen Rechtshilfeweg. Irgendeine sachliche Begründung für diese Untätigkeit gibt es nicht, vielmehr ist diese ausschließlich auf den Unwillen und die Unlust des Disziplinarbeschuldigten, diesen Akt zu bearbeiten, zurückzuführen, wobei in weiterer Folge noch die Furcht kam, dass seine Untätigkeit bei Durchführung einer gesetzmäßigen Ladung über das Bundesministerium für Justiz auffallen könnte. Im Übrigen ist auch für das Disziplinargericht die rechtskräftige Verurteilung des Disziplinarbeschuldigten wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauchs im Verfahren ***** des Landesgerichts ***** bindend.

Bei der Strafzumessung erschwerend waren die einschlägige disziplinarrechtliche Vorstrafe, die Begehung der Tat schon während dem laufenden Disziplinarverfahren zu ***** des Oberlandesgerichts ***** sowie die anschließende Fortsetzung über weitere vier Jahre, also der lange Tatbegehungszeitraum, sowie auch die registermäßige Verschleierung. Mildernd sind das Geständnis sowie die bereits erlittenen Nachteile für diese Tat durch die Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der Remuneration und die strafrechtliche Verurteilung.

Auch wenn der Disziplinarbeschuldigte wegen dieser Tat bereits strafrechtlich verurteilt wurde, besteht noch ein nicht unbedeutender disziplinarrechtlicher Überhang, weil es sich im Hinblick auf eine rund sechsjährige Untätigkeit in einem Verfahren doch um ein erhebliches Dienstvergehen handelt, das das Ansehen der Richterschaft in der Öffentlichkeit gravierend zu beeinträchtigen vermag. Bei der Strafzumessung war auch weiters zu berücksichtigen, dass zwar infolge der mittlerweiligen Versetzung des Disziplinarbeschuldigten in den Ruhestand keine spezialpräventiven Gründe für eine Verurteilung mehr vorliegen, allerdings sehr wohl generalpräventive Gründe; es bedarf einer Abschreckung, um andere Organe der Rechtspflege davor abzuschrecken, sich ihrer Dienstpflichten durch jahrelange Untätigkeit zu entziehen. Aus diesem Grund war trotz der bereits erfolgten strafrechtlichen Verurteilung und der nicht unerheblichen (finanziellen) Folgen infolge der Verpflichtung zur Rückzahlung des Dienstjubiläums eine weitere Geldstrafe über den Beschuldigten zu verhängen, die allerdings im Hinblick auf die genannten, mit dieser Tat zusammenhängenden Folgen, im unteren Strafrahmen anzusetzen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Disziplinarverfahrens ist im § 137 Abs 2 RStDG begründet.

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