4R16/19p – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und die Richterin Dr. Prantl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei PG***** , vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, wider die beklagte Partei M***** , vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 15.450,-- s.A., über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 9.11.2018, 5 Cg 23/17p-45, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird F o l g e gegeben und das angefochtene Urteil dahingehend a b g e ä n d e r t , dass es wie folgt lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen der Klagsvertretung binnen 14 Tagen EUR 15.450,-- samt 4 % Zinsen seit 26.10.2016 zu zahlen sowie die mit EUR 9.014,68 bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem Kläger zu Handen der Klagsvertretung binnen 14 Tagen die mit EUR 2.665,32 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist z u l ä s s i g .
Entscheidungsgründe:
Text
Am 21.11.2007 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss einer Partnerunfallversicherung, welche von der Beklagten mit Versicherungsbeginn 1.1.2008 zu Polizzen-Nr. ***** polizziert wurde. Im Rahmen der Antragstellung musste der Kläger gewisse Gesundheits- und Risikofragen beantworten, unter anderem wurde im Antragsformular folgende Frage gestellt: „Werden Sportarten vereinsmäßig bzw entgeltlich ausgeübt oder sind die zu versichernden Personen besonderen Gefahren ausgesetzt (im Sport z.B. Flug-, Kletter- oder Tauchrisiken usw.) Wenn ja, welche? “. Diese Frage beantwortete der Kläger mit „nein“ . Tatsächlich übte er zum damaligen Zeitpunkt den Klettersport nicht (mehr) aus und hatte auch nicht vor, zeitnah damit wieder zu beginnen. Hätte der Kläger diese Frage damals bejaht, wäre vom antragsprüfenden Sachbearbeiter der Beklagten rückgefragt worden, bis zu welchem Schwierigkeitsgrad er klettert. Bis einschließlich zum Schwierigkeitsgrad IV der UIAA-Skala, wäre der Versicherungsvertrag ohne Einschränkungen angenommen worden. Bei den Schwierigkeitsgraden V und VI wäre ein Versicherungsvertrag nur mit entsprechenden Prämien-Zuschlägen und nur hinsichtlich der Risiken Unfalltod und dauernde Invalidität abgeschlossen worden und betreffend das Risiko der Dauerinvalidität maximal mit einer Versicherungssumme von EUR 55.000,--. Bei Schwierigkeitsgraden über VI wäre der Versicherungsantrag abgelehnt worden.
Für dauernde Invalidität (Variante A) wurde eine Versicherungssumme von EUR 150.000,-- vereinbart; außerdem wurden dem Versicherungsverhältnis die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2006) zugrundegelegt, die auszugsweise wie folgt lauten:
„Abschnitt C:
Begrenzungen des Versicherungsschutzes
Artikel 20 - In welchen Fällen zahlt der Versicherer nicht?
Ausschlüsse
Ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle
….
10. die der Versicherte bei der Ausübung der Sportarten Downhill-Mountainbiking (Rennen), Klettern und Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad VI oder über 7.000 m, Freeclimbing, Tauchen über 60 m, Höhlentauchen und als Berufstaucher erleidet.
….
Abschnitt D:
Pflichten des Versicherungsnehmers
Artikel 23 - Was ist bei Änderung, Aufnahme bzw Beendigung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung sowie besonders gefährlicher Freizeitaktivitäten zu beachten?
Anzeige der Änderung, Aufnahme bzw Beendigung der Berufstätigkeit oder Beschäftigung sowie besonders gefährlicher Freizeitaktivitäten des Versicherten
Als Obliegenheit gemäß § 6, Abs 1(a) und 2 VersVG hat der Versicherungsnehmer Folgendes anzuzeigen:
1. Veränderungen der im Antrag anzugebenden Berufstätigkeit, Beschäftigung oder im Antrag anzugebender besonders gefährlicher Freizeitaktivitäten der versicherten Person sind unverzüglich anzuzeigen. …
- Die gelegentliche hobbymäßige Ausübung von besonders gefährlichen Freizeitaktivitäten (zum Beispiel im Urlaub) steht unter Versicherungsschutz, sofern es sich nicht um das Erlernen bzw die dauernde Aufnahme dieser Aktivität handelt. Versicherungsschutz besteht nur für die im Vertrag etwa versicherten Leistungsarten Tod und dauernde Invalidität, begrenzt mit einer Versicherungssumme von maximal EUR 145.000,-- im Todesfall und EUR 55.000,-- bei dauernder Invalidität. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, dem Versicherer die entsprechenden Nachweise für die gelegentliche Ausübung zu erbringen. Dieser Versicherungsschutz gilt nicht für die im Artikel 20 ausgeschlossenen Aktivitäten, außer der Versicherte ist lediglich begleitende Person (zum Beispiel bei einem Tandemsprung).
- Bietet der Versicherer für die neue Berufstätigkeit oder Beschäftigung oder die besonders gefährlichen Freizeitaktivitäten grundsätzlich keinen Versicherungsschutz an, finden die Bestimmungen der §§ 23 ff VersVG (Gefahrenerhöhung) Anwendung.
Artikel 24 - Was ist vor Eintritt, was ist nach Eintritt eines Versicherungsfalls zu beachten?
Obliegenheiten
1. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls:
Als Obliegenheiten, deren Verletzung die Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 6 Abs 1(a) und 2 VersVG bewirkt, werden bestimmt:
…
1.2. Die Anzeigepflicht gemäß Artikel 23.
2. Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles:
Als Obliegenheiten, deren Verletzung die Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 6 Abs 3 VersVG bewirkt, werden bestimmt:
2.1. Der Unfall ist dem Versicherer unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche, schriftlich anzuzeigen. …
2.4. … Darüber hinaus hat der Versicherte nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen.
2.5. Nach Erhalt des Formulars für Unfallanzeigen ist dieses ohne Verzug dem Versicherer ausgefüllt zuzusenden, außerdem sind dem Versicherer alle verlangten sachdienlichen Auskünfte zu erteilen.“
Der im Jahre ***** geborene Kläger begann in seinen Jugendjahren mit dem Klettern und bewältigte damals Kletterrouten bis zu einem Schwierigkeitsgrad von X der UIAA-Skala. Berufs- und familienbedingt sowie infolge Abhandenkommens des Kletterpartners hörte er mit ca 23 Jahren mit diesem Hobby auf. Ca im Jahr 2011 begann der Kläger wieder mit dem Klettersport. Am Anfang bewältigte er dabei Schwierigkeitsgrade bis IV und V. Erst nach längerer Übung und Kraftaufbau begann er damit, auch schwierigere Kletterrouten zu klettern. Ab etwa Sommer 2014 war er dann wieder in der Lage, Schwierigkeitsgrade über VI zu bewältigen. Den Umstand, dass er wieder mit dem Klettern begonnen hatte und insbesondere, dass er wieder Kletterrouten mit Schwierigkeitsgraden von VI und darüber kletterte, teilte er der Beklagten nicht mit. Aufgrund der Versicherungsbedingungen ging er davon aus, dass er bis zum Schwierigkeitsgrad VI versichert ist. Es war ihm in diesem Zusammenhang auch klar, dass die AUVB 2006 in Art 20 Punkt 10. dabei auf die UIAA-Skala Bezug nimmt. Weiters ging er davon aus, dass bei Schwierigkeitsgraden darüber ohnehin nichts passieren wird.
Hätte der Kläger der Beklagten den Umstand gemeldet, dass er nunmehr den Klettersport über dem Schwierigkeitsgrad VI ausübt, so wäre der Versicherungsvertrag gekündigt worden.
Am 29.8.2015 wollte der Kläger mit seinem Kletterfreund die Kletterroute „*****“ in der Südwand der ***** im L***** klettern. Das Klettergebiet ***** ist insgesamt ein schwieriges alpines Sportklettergebiet, das nur für erfahrene alpine Sportkletterer zu empfehlen ist. Die Route „*****“ mit insgesamt sieben Seillängen wird im Kletterführer ***** mit einem maximalen Schwierigkeitsgrad von VIII- nach der UIAA-Skala im oberen Bereich angegeben, die durchschnittliche Schwierigkeit der Seillängen liegt im Bereich VI - VII der UIAA-Skala. Der maximale Schwierigkeitsgrad VIII wird im oberen Bereich der Kletterroute erreicht.
Dem Kläger und seinem Kletterpartner, die in der Regel ca einmal pro Woche miteinander im freien Gelände und mitunter auch in Kletterhallen kletterten, war damals bewusst, welcher Schwierigkeitsgrad sie beim Durchklettern dieser Kletterroute erwartete und hatten sie auch die Absicht, die Kletterroute bis zum Ende zu durchklettern. Der Kläger stieg voraus in die Kletterroute ein und wurde von seinem Kletterpartner vom Wandfuß aus gesichert. Gleich nach dem Einstieg, als sich der Kläger in einer Höhe von ca 7 m über dem Wandfuß im Wandvorbau befand, stürzte er durch überraschendes Ausbrechen eines Griffs im ansonsten sehr guten Fels dieses Wandbereichs ab. Die Absturzstelle befindet sich auf der ersten Seillänge der Tour, deren Schwierigkeitsgrad insgesamt mit VI+ angegeben ist. Der Schwierigkeitsgrad im Bereich der Absturzstelle des Klägers ist bei maximal IV bis IV+ nach der UIAA-Skala einzustufen, erst mehrere Meter höher treten größere Schwierigkeitsgrade auf; bis zur Absturzstelle des Klägers wurde der Schwierigkeitsgrad IV nie überschritten. Der Unfall stand mit dem Grad der Schwierigkeit in keinem Zusammenhang, da ein Griffausbruch in jedem Schwierigkeitsgrad möglich ist. Der Kläger stürzte nach hinten, er schlug auf dem Felskopf oberhalb des Einstiegs auf und zog sich dabei schwere Verletzungen zu, wobei die Unfallfolgen durch das leichte und gestufte Gelände in diesem Bereich schwerer waren, als sie im schwierigen bis extrem schwierigen Teil der Route gewesen wären. Der Kläger zog sich einen Berstungsbruch des 12. Brustwirbelkörpers mit Keilwirbelbildung, einen offenen Bruch des 5. Kreuzbeinwirbels und der angrenzenden Steißbeinknochen sowie auch einen Bruch des 2. und 3. Mittelfußknochens links mit Gelenksbeteiligung und Hautabschürfungen am rechten Unterschenkel zu. Er wurde nach dem Absturz mit dem Hubschrauber in das Landeskrankenhaus F***** transportiert, wo er weiter behandelt wurde.
Am 31.8.2015 rief der Kläger vom Krankenhaus aus sein Versicherungsmaklerbüro an und bat, eine Schadensmeldung an die Beklagte zu erstatten. Er schilderte, wie es zum Unfall kam, wobei er auch angab, dass er beim Klettern abstürzte. Die Versicherungsmaklerin leitete antragsgemäß eine Schadensmeldung an die Beklagte weiter, in welchem sie als Schadensort „*****“ anführte. Unter der Rubrik „Wie ist der Unfall entstanden?“ schrieb sie „… [Kläger] ist bei der Wanderung abgestürzt und hat sich verletzt. VN wurde mit dem Hubschrauber ins LKH nach F***** geflogen.“ Weiters war in der Schadensmeldung festgehalten: „Ich ermächtige die … [Beklagte] bzw eine von dieser beauftragten Person, in alle diesen Vorfall betreffenden Akten bei der Behörde und bei Gericht Einsicht zu nehmen und eine Aktenanschrift anzufertigen.“ Der Kläger bekam diese Schadensmeldung nie zu sehen und unterfertigte sie auch nicht, die Versicherungsmaklerin hatte sie direkt der Beklagten übermittelt, ohne sie zuvor dem Kläger zu zeigen. Noch am selben Tag reagierte der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten auf die Schadensmeldung und übermittelte der Versicherungsmaklerin per E-Mail ein Schreiben, in welchem er unter anderem um Übermittlung der Ambulanzkarte bzw der genauen Diagnose vom behandelnden Arzt bat. Weiters ersuchte er um die genaue Bekanntgabe des Schadensorts bzw, sofern vorliegend, der Schwierigkeitsstufe. Sollten weitere Befunde wie CT oder MRT vorliegen, bat er ebenfalls um Übermittlung derselben.
Dieses Schreiben wurde erst einige Zeit später an den Kläger weitergeleitet, welcher daraufhin am 10.11.2015 per E-Mail dem Versicherungsmakler die gewünschten Behandlungsunterlagen übermittelte und ausführte: „Passiert ist es im leichten Gelände, die Schwierigkeit war im unteren 4. Grad“ . Darüber hinaus füllte er am 17.11.2015 das Formular „Unfallanzeige“ aus. Unter der Rubrik „Angaben zum Unfall – Wo ereignete sich der Unfall?“ gab er an „*****“ . Unter der Rubrik „Ursache und Hergang des Schadens – bitte in jedem Fall und ausführlich schildern (evtl. Skizze)! “ führte er aus: „In der leichten Vorbaulänge ist ein Griff ausgebrochen und dabei bin ich abgestürzt. Eine selbst gelegte Zwischensicherung fing den Sturz ein wenig ab. Die oberste selbst gelegte Sicherung wurde herausgerissen, deshalb fiel ich bis auf den Absatz, brach mir den Fuß mehrfach und erlitt einen offenen Steißbeinbruch und der 12. Brustwirbel wurde gebrochen. Vorbau ist ca im unteren 4. Schwierigkeitsgrad. “
Sowohl die ärztlichen Unterlagen wie auch die Informationen des Klägers wurden vom Versicherungsmakler an die Beklagte weitergeleitet.
Über Auftrag der Beklagten untersuchte der Sachverständige Dr. GS***** den Kläger am 22.9.2016. Dabei schilderte der Kläger dem Sachverständigen kurz den Unfallhergang, insbesondere dass er beim Klettern verunfallt sei. Dem Sachverständigen standen sämtliche Behandlungsunterlagen des Klägers zur Verfügung, wobei in der Krankengeschichte des LKH F***** zum Unfallhergang festgehalten wurde, dass der Kläger beim Klettern ca 10 m ins Seil gefallen sei. Dr. S***** kam insgesamt zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von 11,2 %. Basierend auf diesem Gutachten bot die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25.10.2016 einen Entschädigungsbetrag von EUR 16.800,-- an, der in der Folge auch zur Überweisung gebracht wurde. Zu diesem Zeitpunkt ging der Sachbearbeiter der Beklagten davon aus, dass der Kläger bei einem Kletterunfall im Bereich des Schwierigkeitsgrads IV verunfallt war.
Tatsächlich ist beim Kläger bedingt durch den Berstungsbruch des 12. Brustwirbelkörpers eine dauernde Invalidität von 10 % eingetreten. Bezüglich der Fraktur des 5. Kreuzbeinwirbels und des Steißbeins besteht eine deutliche Funktionsbeeinträchtigung bezogen auf das Sitzen und Liegen, außerdem bestehen bei sportlichen Betätigungen auch ausstrahlende Schmerzen in die Gesäß- und Beckenregion. Dies ist verursacht durch die am Steißbein und Kreuzbein ansetzenden Sehnen und Bänder, die ebenfalls im Rahmen der Trümmerfraktur mitlädiert wurden. Bezüglich des Steißbeinbruchs ist eine Invalidität im Ausmaß von im Mittelwert 7,5 % eingetreten. Aufgrund der Mittelfußknochenbrüche besteht ein chronischer Reizzustand im Sinne einer Präarthrose und eine durch die tastbare Subluxation bedingte Fehlbelastung in der Mittelfußregion, sodass diesbezüglich eine dauernde Invalidität von 4 % (5 % x 80 %) eingetreten ist. Insgesamt besteht somit als Folge des Unfalls vom 29.8.2015 entsprechend den AUVB 2006 eine dauernde Invalidität des Klägers von insgesamt 21,5 %.
Die im Formular „Unfallanzeige“ gestellte Frage „Wurde der Vorfall von einer Sicherheitsbehörde aufgenommen“ hat der Kläger verneint. Tatsächlich wurde der Kletterunfall des Klägers den Sicherheitsbehörden nach dem Unfall nicht gemeldet. Die Alarmierung des Rettungshubschraubers war mit dem Wortlaut „F*****, Kletterunfall *****“ erfolgt. Aufgrund dieser Fehlmeldung hinsichtlich des Unfallorts kam es einerseits zu einer Verzögerung des Rettungseinsatzes und andererseits wurde die örtlich zuständige Polizei nicht verständigt. Auch die am Unfall Beteiligten, also der Kläger und sein Kletterpartner, meldeten den Sachverhalt nicht bei der Polizei, wobei dem Kläger nicht bewusst war, dass dies erforderlich sei. Aufgrund seiner unfallbedingten Verletzungen und seines stationären Aufenthalts im LKH ***** dachte er auch nicht daran, den Unfall zeitnah behördlich zu melden. Das Bezirkspolizeikommando B***** erfuhr erst durch eine telefonische Anfrage der Beklagten am 24.5.2017 vom Vorfall, zu einer behördlichen Befragung des Klägers und seines Kletterpartners zum Unfallhergang kam es erst nach der Anfrage der Beklagten vom 24.5.2017.
Bis zum gegenständlichen Verfahren wurde seitens der Beklagten gegenüber dem Kläger nie reklamiert, dass ergänzende Unterlagen/Angaben benötigt werden und dass unrichtige Angaben gemacht wurden. Weiters wurde vorprozessual seitens der Beklagten nie moniert, die vom Kläger gewählte Kletterroute hätte einen zu hohen Schwierigkeitsgrad aufgewiesen.
Je nachdem, wie anspruchsvoll eine Kletterroute ist, wird sie in verschiedene Schwierigkeitsgrade eingeteilt, wobei in verschiedenen Ländern und Klettergebieten dabei unterschiedliche Schwierigkeitsskalen verwendet werden. In Deutschland hat sich weitgehend die UIAA-Skala durchgesetzt. Sie ist nach oben offen und wird in römischen Ziffern untergliedert. Eine ganz klare und objektive Einstufung einer Klettertour anhand einer solchen Skala ist nicht möglich, da dies immer ein Vergleichswert mit ähnlichen Routen bzw Kletterstellen darstellt und dabei die Bewertungen oft etwas abweichen. Diese Schwankungen liegen im Normalfall im Bereich von weniger als einem Grad +/- und sind meist erst im obersten Bereich der Skala ausgeprägt. Außerdem muss unterschieden werden zwischen der maximalen Schwierigkeit einer Tour (Limit), der durchschnittlichen Schwierigkeit einer Route und der Schwierigkeit der Einzelstellen. Es kann dabei sein, dass diese verschiedenen Schwierigkeiten sehr homogen sind oder sehr stark voneinander abweichen, zB kann eine Tour mit maximal VIII sehr konstant im Bereich VII – VIII verlaufen oder aber dazwischen immer wieder leichtere Passagen aufweisen, bis hin zu Stellen, die nur im I. Grad oder Wanderbereich einzustufen sind. Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass Kletterroutenbeschreibungen, was die Schwierigkeitsgrade anlangt, unter Berücksichtigung der erwähnten Schwankungen zutreffend sind. Die Gesamtkletterroute wird dabei nach dem maximalen Schwierigkeitsgrad eingestuft, der sich irgendwann in dieser Kletterroute befindet.
Grundsätzlich wird das Verletzungsrisiko beim Sportklettern mit Zunahme des Schwierigkeitsgrads geringer. Dies liegt daran, dass sehr schwierige Sportkletterrouten (höher als VI) meist im senkrechten bis überhängenden Fels und im allgemeinen gut mit Bohrhaken ausgerüstet sind. Dadurch ist kaum mit einem Aufschlagen auf dem Fels bei Abstürzen zu rechnen. Bei Kletterrouten im leichten bis mittleren Bereich (I - V) muss dagegen bei jedem Absturz mit mehr oder minder schweren Verletzungen gerechnet werden, da das Gelände in diesem Bereich meist gestuft ist und ein Sturz mit Aufschlägen auf dem Fels verbunden ist; zudem sind leichtere Touren meist nicht so gut mit Fixpunkten abgesichert.
Mit seiner am 9.5.2017 beim Erstgericht eingebrachten (Mahn-)Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung weiterer EUR 15.450,-- s.A. mit der Begründung, aufgrund des Kletterunfalls vom 29.8.2015 liege bei ihm eine dauernde Invalidität im Ausmaß von mindestens 21,5 % vor, sodass die ihm zustehende Versicherungsentschädigung insgesamt EUR 32.250,-- betrage. Der von der Beklagten behauptete Versicherungsausschluss nach Art 20 AUVB 2006 liege nicht vor. Die Unfallörtlichkeiten überstiegen nicht einmal ansatzweise den Schwierigkeitsgrad VI. Auch habe der Kläger keine Obliegenheitsverletzung begangen. Aus der Unfallmeldung ergebe sich eindeutig, dass der Kläger beim Klettern abgestürzt sei und sei dies auch gegenüber dem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen angegeben worden. Die Erstmeldung sei nicht von ihm unterfertigt worden, sodass eine allfällige Falschangabe unverschuldet oder nur leicht fahrlässig erfolgt wäre. Im Übrigen habe eine allfällige falsche Erstmeldung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Höhe der Entschädigung Einfluss gehabt. Der Kläger habe auch nachfolgend die Anfragen der Beklagten vollständig und wahrheitsgemäß insbesondere betreffend den Schwierigkeitsgrad und die Unfallörtlichkeit sowie den Umstand, dass der Unfall nicht behördlich aufgenommen worden sei, angegeben. Die Polizei habe erst nach Klagseinbringung aufgrund einer Anfrage der Beklagten Erhebungen durchgeführt.
Die bei Antragstellung gestellten Risikofragen habe der Kläger wahrheitsgemäß beantwortet, zumal er damals nicht geklettert sei. Er habe daher auch keine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt. Aufgrund des Art 20 Punkt 10. der AUVB 2006 stehe fest, dass unabhängig davon, ob vom Kläger die Risikofragen im Versicherungsantrag mit ja oder nein beantwortet wurden, jedenfalls Versicherungsschutz beim Klettern und Bergsteigen bis zum Schwierigkeitsgrad VI bestehe. Hätte der Kläger die Risikofrage – unrichtigerweise – mit „ja“ zum Zeitpunkt der Antragstellung beantwortet, so hätte die Beklagte den Versicherungsvertrag genau zu denselben Bedingungen abgeschlossen, zumal gemäß den Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz beim Klettern oder Bergsteigen bis Schwierigkeitsgrad VI ausdrücklich gegeben sei. Gemäß § 21 VersVG bleibe die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung gleichwohl bestehen, wenn der Umstand in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt wurde, keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder keinen Einfluss auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt habe. Selbst wenn der Kläger die Risikofrage unrichtig beantwortet hätte, was bestritten bleibe, hätte dieser Umstand weder auf den Eintritt des Versicherungsfalls noch den Umfang der Versicherungsleistung einen Einfluss gehabt, zumal in den vertraglich vereinbarten Versicherungsbedingungen eine Leistungspflicht beim Klettern oder Bergsteigen bis Schwierigkeitsgrad VI vorgesehen sei. Es sei diesbezüglich ausschließlich auf den Schwierigkeitsgrad im Bereich der konkreten Unfallstelle abzustellen, zumal in den Versicherungsbedingungen mit keinem Wort darauf Bezug genommen werde, dass der Schwierigkeitsgrad nach der Schlüsselstelle oder gar nach der Gesamteinschätzung des Schwierigkeitsgrads der Route oder der jeweiligen Seillänge zu beurteilen sei. Als Ausnahmetatbestände dürften Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordere. Aufgrund der Formulierung des Art 20 Punkt 10. AUVB 2006 sei nicht einmal klar, auf welche Schwierigkeitsskala sich die diesbezügliche Einschränkung beziehe, zumal es beim Klettern und Bergsteigen unterschiedliche Skalen und Bewertungssysteme gebe. Insofern sei die diesbezügliche Bedingungsstelle unklar, intransparent, sittenwidrig sowie gröblich benachteiligend, sodass sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den behaupteten Ausschluss berufen könne.
Auch wenn der Kläger 2011 gelegentlich hobbymäßig wieder zu klettern begonnen habe, sei es dadurch zu keiner erheblichen Gefahrenerhöhung gekommen. Nach den Ausführungen des klettertechnischen Sachverständige sei das Verletzungsrisiko im schwierigen Bereich geringer als im leichteren Bereich, da im überhängenden Bereich der Sturz vom Seil aufgefangen würde und kein Aufprall auf eine Felsstufe passieren könne. Vielmehr sei es so, dass je höher der Schwierigkeitsgrad werde, umso geringer das Verletzungsrisiko sei. Dem Kläger könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er bei Wiederbeginn des Kletterns die Beklagte nicht informiert habe. Selbst wenn er sich diesbezüglich eine allfällige Obliegenheitsverletzung zurechnen lassen müsste, sei diese unverschuldet oder nur leicht fahrlässig erfolgt, zumal im Versicherungsantrag mit keinem Wort darauf hingewiesen worden sei, dass er verpflichtet sei, eine Änderung seiner Freizeitaktivitäten bekanntzugeben. Darüber hinaus sei in den vertraglich vereinbarten Versicherungsbedingungen festgehalten, dass Versicherungsschutz bis zum Schwierigkeitsgrad VI bestehe, sodass er berechtigterweise davon ausgehen habe können, dass das Kletterrisiko bis zu diesem Schwierigkeitsgrad als mitversichert gelte und diesbezüglich keinerlei Meldepflicht bestehe. Bei mangelndem Verschulden oder nur leichter Fahrlässigkeit bleibe die Versicherungsleistung aufrecht. Selbst bei vertraglich vereinbarten Obliegenheiten müssten auch die Verletzungsfolgen vertraglich vereinbart sein. An die Klarheit dieser Vereinbarung seien strengste Anforderungen zu stellen. In den Versicherungsbedingungen werde nicht darauf hingewiesen, dass eine allfällige Änderung der Freizeitaktivitäten des Versicherungsnehmers zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten führe.
Der Schwierigkeitsgrad IV, in welchem sich der Kletterunfall des Klägers ereignet habe, gelte ohne entsprechende Zuschläge als versichert und stelle auch diesbezüglich keinen Ausschlussgrund dar. Selbst wenn der Kläger Risikofragen unrichtig beantwortet hätte, was bestritten bleibe, oder dazu verpflichtet gewesen wäre, eine Änderung seiner Freizeitaktivität bekanntzugeben, habe dieser Umstand weder auf den Eintritt des Versicherungsfalls noch auf den Umfang der Versicherungsleistungen einen Einfluss gehabt.
Nach § 163 VersVG könne der Versicherer wegen einer Verletzung der dem Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrags obliegenden Anzeigepflicht vom Vertrag nicht mehr zurücktreten, wenn seither drei Jahre verstrichen seien. Das Rücktrittsrecht bleibe lediglich bestehen, wenn die Anzeigepflicht arglistig verletzt worden sei. Die Anwendung der Dreijahresfrist sei auch analog auf die Unfallversicherung anzuwenden und nachdem die Änderung der Freizeitaktivität beim Kläger im Jahr 2011 begonnen habe, könne sich die Beklagte nicht mehr mit Erfolg auf ihr Rücktrittsrecht berufen, weil die dreijährige Frist längste abgelaufen sei.
Nachdem die Beklagte mit Abrechnungsschreiben vom 25.10.2016 eine Versicherungsentschädigungsleistung auf Grundlage von 11,2 % gegenüber dem Kläger abgerechnet habe, seien spätestens zu diesem Zeitpunkt ihre Erhebungen vollständig abgeschlossen gewesen, sodass die dem Kläger noch zustehenden Versicherungsentschädigungsansprüche spätestens am 26.10.2016 fällig gewesen seien.
Gegen den vom Erstgericht antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl erhob die Beklagte fristgerecht Einspruch, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dem Kläger stehe keine Versicherungsleistung zu, weil nach Art 20 Punkt 10. AUVB 2006 Unfälle von der Versicherung ausgeschlossen seien, die sich im Rahmen von Klettern und Bergsteigen über dem Schwierigkeitsgrad VI ereignen. Der Unfall habe sich auf einer Kletterroute mit dem Schwierigkeitsgrad VIII ereignet. Im Versicherungsantrag habe der Kläger die ausdrücklich gestellte Frage, ob er den Klettersport ausübe, bewusst unrichtig verneint. Nach § 16 Abs 1 VersVG habe der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich seien, dem Versicherer anzuzeigen, wobei ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich frage, im Zweifel stets immer als erheblich gelte. Die Beklagte sei daher leistungsfrei. Hätte sie gewusst, dass der Kläger den Klettersport sogar in extremer Variante ausübe, hätte sie den gegenständlichen Versicherungsvertrag gar nicht abgeschlossen oder Gesundheitsschäden durch Klettern vom versicherten Risiko ausgenommen. Gebe ein Antragsteller auf Abschluss eines Versicherungsvertrags wahrheitsgemäß an, dass er den Klettersport bis Schwierigkeitsgrad V ausübe, werde, wenn der Versicherungsvertrag angenommen wird, der Versicherungsvertrag nur mit Zuschlag zur Prämie abgeschlossen und seien nur die Risiken Tod und Dauerinvalidität mit eingeschränkten Summen versicherbar. Dieser Zuschlag erhöhe sich bei Ausübung des Klettersports beim Schwierigkeitsgrad bis VI, wobei auch diesbezüglich nur die Risiken Tod und Dauerinvalidität mit eingeschränkten Summen versicherbar seien. Das Risiko Klettersport über Schwierigkeitsgrad VI werde nicht versichert und würden Versicherungsverträge, bei welchen ein Antragsteller wahrheitsgemäß angebe, den Klettersport bis zu einem Schwierigkeitsgrad von über VI auszuüben, nicht angenommen. Diesem Gebot konsequent folgend finde sich auch der Versicherungsausschluss in Art 20 AUVB 2006.
Der Kläger wäre aber auch verpflichtet gewesen, eine Vergrößerung des Risikos der Beklagten zu melden. Die unterlassene Meldung der Risikovergrößerung stelle ebenfalls eine Obliegenheitsverletzung dar, welche für sich schon zum Versicherungsausschluss führe. Der Kläger hätte jedenfalls zu jenem Zeitpunkt die Versicherung informieren müssen, als er wieder begonnen hatte, Routen über dem Schwierigkeitsgrad VI zu klettern, was er pflichtwidrig unterlassen habe. Bei wahrheitsgemäßer Angabe des Klägers, dass er Schwierigkeitsgrade über VI erklettere bzw der Information, dass er nunmehr wieder mit dem Klettersport begonnen habe, hätte die Beklagte den Versicherungsvertrag storniert.
Der Kläger habe aber auch mehrfach den Sachverhalt verschleiert. In der Schadensmeldung vom 31.8.2015 habe er behauptet, er wäre bei einer Wanderung abgestürzt, von einem Klettern in einem Gebiet mit Routen bis zum Schwierigkeitsgrad VIII sei nicht gesprochen worden, sondern vom Kläger schamhaft verschwiegen worden. Er habe mit seinen Schadensmeldungen den Unfallhergang offensichtlich verschleiern wollen, um vermutlich dem Versicherungsausschluss zu entgehen. Bereits dies stelle „dolus coloratus“ dar, was zur Leistungsfreiheit der Beklagten führe. In der Schadensmeldung vom 17.11.2015 habe er zwar zumindest auf irgendeine Tätigkeit im ***** hingewiesen, bei welcher ein Griff von Nöten gewesen wäre, dezidiert habe er aber nicht vom Klettern gesprochen, sondern nur, dass das Gebiet sich als ein solches im vierten Schwierigkeitsgrad darstelle. Wesentlich sei aber noch der Umstand, dass der Kläger die Frage, ob eine behördliche Aufnahme erfolgt sei, dezidiert verneint habe. Tatsache sei aber, dass es sehr wohl zu einer behördlichen Einvernahme des Klägers gekommen sei. Der Kläger habe daher auch hier eine Verletzung der Aufklärungspflicht zu verantworten und führe auch diese Obliegenheitsverletzung zur Leistungsfreiheit der Beklagten, was natürlich auch zur Rückforderung der bereits geleisteten Zahlung führen werde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es legte seiner Entscheidung den eingangs – zusammengefasst – dargestellten Sachverhalt, der im Berufungsverfahren nicht mehr strittig ist, zugrunde.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Verletzung einer Obliegenheit durch den Kläger nach Eintritt des Versicherungsfalls liege nicht vor. Er habe seinen Unfall unverzüglich angezeigt, dabei nicht schuldhaft verschleiert, dass er sich die Verletzungen bei einem Kletterunfall zugezogen hat, und nach bestem Wissen und Gewissen zur Feststellung des Sachverhalts beigetragen. Die beklagte Partei sei auch in Kenntnis darüber gewesen, dass sich der Kläger bei einem Kletterunfall verletzt hatte und habe in Kenntnis dieser Tatsache eine Versicherungsleistung erbracht.
Gemäß § 16 Abs 1 VersVG habe der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich seien jene Gefahrenumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und in geschriebener Form gefragt hat, gelte im Zweifel als erheblich. Wenn dieser Vorschrift zuwider die Anzeige eines erheblichen Umstands unterblieben ist, so könne der Versicherer gemäß § 16 Abs 2 VersVG vom Vertrag zurücktreten. Die Erfüllung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit durch den Versicherungsnehmer sei für den Versicherer von großer Bedeutung, da er nur dadurch in die Lage versetzt werde, das übernommene Risikopotential verlässlich abzuschätzen. Dementsprechend sei der Rücktritt des Versicherers wegen Unterlassung der Anzeige eines erheblichen Umstands nur dann ausgeschlossen, wenn der Versicherer den angezeigten Umstand kannte oder wenn die Anzeige ohne jedes Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist. Diesem schade also bereits leichte Fahrlässigkeit. Nur die Nichtanzeige solcher Umstände, nach denen der Versicherer nicht ausdrücklich und hinreichend genau gefragt hat, solle dem Versicherungsnehmer hingegen nur dann schaden, wenn die Anzeige zumindest grob fahrlässig unterblieben ist (§ 16 Abs 3 VersVG). Aber auch hier treffe den Versicherungsnehmer die Beweislast für das mangelnde Verschulden an der Verletzung seiner vertraglichen Anzeigepflicht.
Eine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit habe der Kläger im konkreten Fall nicht verletzt. Denn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe er die im Antragsformular ausdrücklich gestellte Frage, ob er den Klettersport ausübt, wahrheitsgemäß verneint. Allerdings habe es der Kläger unterlassen, als er dann mit dem Klettersport wieder begann und diesen später sogar bei hohen Schwierigkeitsgraden ausübte, dies der Beklagten mitzuteilen. Es stehe fest, dass die Beklagte bei Mitteilung dieses Umstands den Versicherungsvertrag gekündigt hätte.
Die AUVB 2006 würden in Art 23 für einen solchen Fall auf die Bestimmungen der §§ 23 ff VersVG verweisen. Nach Art 24 AUVB 2006 stelle die diesbezügliche Verletzung der Anzeigepflicht eine Obliegenheit gemäß § 6 Abs 1a und 2 VersVG dar, deren Verletzung die Leistungsfreiheit bewirke. Gemäß § 23 Abs 1 VersVG dürfe der Versicherungsnehmer nach Abschluss des Vertrags ohne Einwilligung des Versicherers weder eine Erhöhung der Gefahr vornehmen noch ihre Vornahme durch einen Dritten gestatten. Erlange der Versicherungsnehmer davon Kenntnis, dass durch eine von ihm ohne Einwilligung des Versicherers vorgenommene oder gestattete Änderung die Gefahr erhöht sei, so habe er dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen (§ 23 Abs 2 VersVG). Gefahrenerhöhung im Sinne des § 23 VersVG sei jede objektive, nach Abschluss des Vertrags eintretende erhebliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls wahrscheinlicher macht bzw die mutmaßliche Schadenshöhe vergrößert. Sie bestehe dann, wenn eine neue und für die Versicherung vom Standpunkt der Übernahme des Risikos bzw der Prämienkalkulation eine ungünstigere Gefahrenlage geschaffen werde, die zumindest über einen absehbaren Zeitraum anhält. Die Umstandsänderung müsse also ihrer Natur nach geeignet sein, einen erhöhten Gefahrenstand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadensverlaufs bilden kann und damit geeignet ist, den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern. Erheblich sei die Gefahrenerhöhung dann, wenn sie geeignet sei, die Versicherung zur Aufhebung des Vertrags oder dazu zu bestimmen, ihn nur zu anderen als den vereinbarten Bedingungen aufrecht zu erhalten, sie also vernünftigerweise veranlasse, die Versicherung nur gegen erhöhte Prämien fortzusetzen. Ob ein bestimmter Sachverhalt als Erhöhung der Grundgefahr bzw Schadensauswirkungsgefahr zu qualifizieren ist, sei nicht danach zu entscheiden, ob dieser bezogen auf ein einzelnes ganz konkretes Risiko notwendigerweise eine Erhöhung der Risikosituation mit sich bringt; vielmehr komme es bloß auf eine statistische Wahrscheinlichkeit der Gefahrenerhöhung, also eine typisierende generelle Betrachtungsweise an. Die Erheblichkeit vom Standpunkt der Versicherung müsse jedoch dem Versicherungsnehmer erkennbar gemacht worden sein. Die Beweislast für die Gefahrenerhöhung treffe grundsätzlich die Versicherung, dies gelte auch für die Frage der Erheblichkeit der Gefahrenerhöhung.
Gemäß § 25 Abs 1 VersVG sei der Versicherer im Falle einer Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs 1 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall nach der Erhöhung der Gefahr eintritt. Die Verpflichtung des Versicherers bleibe bestehen, wenn die Verletzung nicht auf einem Verschulden des Versicherungsnehmers beruht (Abs 2 leg. cit.). Verschulden im Sinne des § 25 VersVG liege vor, wenn der Versicherungsnehmer unter Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen habe müssen, dass die von ihm veranlasste Änderung der gefahrenerheblichen Umstände den Schadenseintritt wahrscheinlicher macht. Auch für die Verletzung der Anzeige einer Gefahrenerhöhung gemäß § 23 VersVG schade bereits leichte Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers. Auch hier treffe die Beweislast für mangelndes Verschulden den Versicherungsnehmer.
Es könne nun kein Zweifel daran bestehen, dass die Aufnahme des Kletterhobbys grundsätzlich eine Gefahrenerhöhung darstellt, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses dieses Hobby überhaupt noch nicht ausgeübt wurde. Dies habe auch dem Kläger klar gewesen sein müssen, da im Antragsformular auch ausdrücklich danach gefragt worden sei, ob der Klettersport ausgeübt werde. Selbst wenn die Antragstellung und Ausfüllung des Antragsformulars bereits geraume Zeit zurück lag, müsse dem Kläger aber auch zum Zeitpunkt, als er das Kletterhobby wieder aufnahm, klar gewesen sein, dass dieser Umstand relevant für die Versicherung sei und eine Gefahrenerhöhung für die Unfallversicherung darstellt. Nachdem dem Kläger offenbar auch die Ausschlussklausel des Art 20 Punkt 10. der AUVB 2006 bekannt gewesen sei – er argumentiere ja damit, dass er davon ausgegangen sei, bis zum Schwierigkeitsgrad VI versichert zu sein -, müsse ihm bewusst gewesen sein, dass der Klettersport an sich eine Gefahrenerhöhung darstelle und daher dessen Aufnahme sehr wohl anzeigepflichtig ist. Es könne auch dahingestellt bleiben, dass an sich die Ausschlussklausel in Art 20 Punkt 10. sinnwidrig ist, weil die Verletzungsgefahr ab dem Schwierigkeitsgrad VI und darüber an sich abnehme anstatt zuzunehmen. Selbst wenn man unter diesem Aspekt davon ausginge, dass keine Gefahrerhöhung gegeben sei zwischen dem Ausüben des Klettersports bis zum Schwierigkeitsgrad IV und darüber, so sei aber jedenfalls von einer Gefahrenerhöhung dahingehend auszugehen, wenn der Versicherungsnehmer überhaupt mit dem Klettersport beginnt. Dass er dies der Beklagten mitzuteilen gehabt hätte, habe auch dem Kläger klar sein müssen. Er wäre daher verpflichtet gewesen, diese gefahrenerhöhenden Umstände anzuzeigen, unabhängig davon, ob dieser Umstand dann tatsächlich zu einer Prämienerhöhung führt oder nicht. Das Unterlassen dieser Anzeige sei dem Kläger daher als leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen. An der Kausalität dieser Gefahrenerhöhung für den Eintritt des Versicherungsfalls könne kein Zweifel bestehen, sodass die Beklagte daher nach §§ 23 Abs 1, 25 Abs 1 VersVG leistungsfrei sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerechte Berufung des Klägers, der als Berufungsgründe unrichtige Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung anzieht und beantragt, in Stattgebung der Berufung das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist berechtigt.
Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung bekämpft der Kläger Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung, bei denen es sich aber in Wahrheit um keine – dislozierten – Tatsachenfeststellungen, sondern vielmehr um rechtliche Schlussfolgerungen handelt. Dies betrifft sowohl die Frage, ob die Aufnahme des Kletterhobbys eine Gefahrenerhöhung darstelle und auch, ob ihm bei Aufnahme des Klettersports bewusst gewesen sein müsse, dass dieser Umstand für die Beklagte relevant und somit eine Gefahrenerhöhung darstelle. Auch die vom Kläger stattdessen begehrten „Ersatzfeststellungen“ stellen jeweils rechtliche Schlussfolgerungen im Hinblick darauf dar, ob und inwieweit dem Kläger ein Vorwurf gemacht werden könne, dass er die Aufnahme des Kletterhobbys der Beklagten nicht mitteilte.
Soweit erforderlich ist daher darauf im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge einzugehen.
In seiner Rechtsrüge macht der Kläger geltend, er habe erst im Jahr 2011 wieder mit dem Kletterhobby begonnen, womit mehr als drei Jahre zwischen der für diesen Versicherungsvertrag bedeutsamen ersten Ausübung der angeblich gefahrenerhöhenden Tätigkeit lägen, bis sich der Unfall im August 2015 ereignete.
Ausgehend davon, dass der Kläger aufgrund der Versicherungsbedingungen davon ausgegangen sei, dass er bis zum Schwierigkeitsgrad VI versichert sei, stehe fest, dass ihm weder bekannt gewesen noch bekannt sein habe müssen, dass eine Gefahrenerhöhung vorliege. Ebenso liege auch keine Wissentlichkeit einer allenfalls vorgenommenen Gefahrenerhöhung vor. Dem Kläger sei daher nicht einmal leichte Fahrlässigkeit hinsichtlich der unterlassenen Mitteilung der Aufnahme des Kletterhobbys zum Vorwurf zu machen. Unter diesen Umständen könne Klettern auch keine gefahrenerhöhende Tätigkeit mehr darstellen, welche einer Anzeige bedurft hätte. Wenn ein Versicherungsnehmer unverschuldet davon ausgehe, dass eine Tätigkeit versichert sei, könne er nicht gleichzeitig dazu angehalten werden, diese Tätigkeit gegenüber der Versicherung anzuzeigen. Es könne ihm auch aufgrund des großen zeitlichen Abstands zwischen Antragstellung und Wiedereinstieg in das Kletterhobby nicht vorgeworfen werden, die Verneinung des Klettersports im Antragsformular nicht mehr in Erinnerung gehabt zu haben. Schließlich sei es auch zu keiner Gefahrenerhöhung gekommen, da nach den Ausführungen des klettertechnischen Sachverständigen das Verletzungsrisiko ab dem Schwierigkeitsgrad VI abnehme. Mangels erheblicher Gefahrenerhöhung könne es daher auch rechtlich gesehen zu keiner Leistungsfreiheit der beklagten Partei aufgrund Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers kommen.
Aus Art 23 AUVB 2006 ergebe sich nicht explizit, dass bei Nichtbekanntgabe einer allfälligen Gefahrenerhöhung die Leistungsfreiheit der Versicherung eintrete. In den Versicherungsbedingungen werde lediglich pauschal auf die Bestimmungen des VersVG verwiesen. Bei vertraglich vereinbarten Obliegenheiten müssten auch die Verletzungsfolgen vertraglich vereinbart sein, wobei an die Klarheit dieser Vereinbarung stets strengste Anforderungen zu stellen seien. Auch deshalb könne sich die Beklagte nicht auf Leistungsfreiheit berufen.
Schließlich sei der Kläger nur im Schwierigkeitsgrad IV verunfallt und sei bis zu diesem Schwierigkeitsgrad ebenfalls Versicherungsschutz gegeben, sodass es auch an der notwendigen Kausalität fehle.
Hiezu hat das Berufungsgericht erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Soweit die Beklagte eine Obliegenheitsverletzung wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten durch den Kläger geltend macht, weil er bei Antragstellung unterlassen habe, anzugeben, dass er den Klettersport ausübe bzw die diesbezügliche Frage verneint habe, liegt jedenfalls schon deshalb keine Obliegenheitsverletzung vor, weil nach dem – auch seitens der beklagten Partei unbekämpft gebliebenen – Sachverhalt der Kläger tatsächlich bei Antragstellung bzw Abschluss des Unfallversicherungsvertrags den Klettersport überhaupt nicht ausübte. Diesbezüglich ist die Beklagte der sie treffenden Beweispflicht nicht nachgekommen, weil sie nicht einmal den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachgewiesen hat (RIS-Justiz RS0081313 [T10]). Erst wenn der Versicherer das Vorliegen eines objektiven Tatbestands einer Obliegenheitsverletzung unter Beweis gestellt hat, obliegt dem Versicherungsnehmer der Beweis mangelnden groben Verschuldens an der angelasteten Obliegenheitsverletzung (RIS-Justiz RS0081313 [T32]). Im Übrigen kann diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts gemäß § 500a ZPO verwiesen werden.
2. Soweit die beklagte Partei eine Obliegenheitsverletzung des Klägers nach Eintritt des Versicherungsfalls geltend macht, weil der Kläger eine falsche/unzureichende/ mangelhafte Unfallmeldung gemacht und an der Aufklärung des Sachverhalts nicht entsprechend mitgewirkt habe, ist ihr auch unter Hinweis auf die – auch von ihrer Seite unbekämpft gebliebenen – erstgerichtlichen Feststellungen zu entgegnen, dass objektiv nur die erste, von der Versicherungsmaklerin des Klägers gemachte Meldung an die beklagte Partei, unrichtig/unklar war, weil sich der Unfall des Klägers nicht beim Wandern ereignet hat, zumal gemeiniglich unter „Wandern“ das Gehen im Gelände ohne normiertem Schwierigkeitsgrad verstanden wird. Grundsätzlich muss sich der Kläger diese Meldung auch zurechnen lassen, allerdings war der beklagten Partei offenbar von Anfang an klar, dass sich der Unfall nicht beim Gehen im unschwierigen Gelände (= „Wandern“) ereignete, sondern offenbar beim Klettern, ansonsten nicht am selben Tag seitens des zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten ersucht worden wäre, den genauen Schadensort bekanntzugeben bzw auch die „Schwierigkeitsstufe“. Bei der ergänzenden Unfallmeldung mit E-Mail vom 10.11.2015 wurde der Beklagten mitgeteilt, dass sich der Unfall „im leichten Gelände bei Schwierigkeit im unteren vierten Grad“ ereignete und sich der Unfallort im „*****“ befindet, wobei der Kläger auch den Unfallhergang dahingehend schilderte, dass ein Griff ausbrach und er dabei abstürzte, wobei eine selbst gelegte Zwischensicherung den Sturz ein wenig abfing. Neuerlich führte er aus, dass sich der Vorbau, in dem sich der Unfall ereignete, den unteren vierten Schwierigkeitsgrad aufweist. Damit lag diesbezüglich jedenfalls eine wahrheitsgetreue Unfallschilderung vor, die offenbar auch für den Sachbearbeiter der Beklagten hinreichend war, weil keine weiteren Nachfragen erfolgten, sondern in der Folge zu einer Leistung seitens der Beklagten führte. Berücksichtigt man nun das Zustandekommen der ersten Meldung an die Beklagte zwei Tage nach dem Unfall, so kann dem Kläger diesbezüglich nur höchstens leicht fahrlässiges Verhalten angelastet werden, wenn seine Versicherungsmaklerin in der Erstmeldung schilderte, dass der Unfall „beim Wandern“ passiert sei. Es liegt diesbezüglich auf Seiten des Klägers weder grobes Verschulden vor, noch hatte diese Erstmeldung irgendeinen Einfluss auf die Unfallaufklärung oder auf die Ermittlung der von der Beklagten zu erbringenden Leistung. Hinsichtlich des Vorwurfs, der Kläger habe verschwiegen, dass die Polizei den Unfall aufgenommen hat bzw er von der Polizei dazu einvernommen wurde, liegt der von der Beklagten zu beweisende objektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung gar nicht vor, weil die Beklagte nicht unter Beweis stellen konnte, dass eine Unfallaufnahme durch die Polizei bis zur Schadensmeldung bzw zu ihrer diesbezüglichen Anfrage an den Kläger überhaupt erfolgte. Auszugehen ist davon, dass polizeiliche Erhebungen erst nach Einleitung des gegenständlichen Rechtsstreits über entsprechende Anfrage der Beklagten an die Polizei durchgeführt wurden.
Auf eine Leistungsfreiheit infolge Obliegenheitsverletzung seitens des Klägers nach Eintritt des Versicherungsfalls kann sich die beklagte Partei daher auch nicht erfolgreich berufen.
3. In Art 23 der in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag mitvereinbarten AUVB 2006 ist geregelt, dass den Versicherungsnehmer die Obliegenheit gemäß § 6 Abs 1 (a) und 2 VersVG trifft, dem Versicherer die Aufnahme „besonders gefährlicher Freizeitaktivitäten“ unverzüglich anzuzeigen, wobei als Sanktion für die unterlassene Anzeige gemäß Art 24 der Versicherungsbedingungen die Leistungsfreiheit des Versicherers normiert ist. Was nun der Versicherer unter „besonders gefährlichen Freizeitaktivitäten“ versteht, ist in den Versicherungsbedingungen nicht näher beschrieben und wurde offenbar auch bei Abschluss des Versicherungsvertrags nicht näher determiniert. Allgemeine Vertragsbedingungen sind so auszulegen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen. Ihre Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901). Grundsätzlich sind sie aus ihrem Zusammenhang heraus auszulegen (SZ 67/181; RIS-Justiz RS0008901 [T10]). Unklarheiten gehen grundsätzlich zu Lasten des Verwenders, im Regelfall sohin zu Lasten des Versicherers (VersR 1992, 1031; RIS-Justiz RS0008901 [T41]).
Ein verständiger durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die Ausübung des Klettersports zumindest dann als „besonders gefährliche Freizeitaktivität“ qualifizieren, wenn das Klettern im höheren (hohen) Schwierigkeitsgrad erfolgt, weil landläufig davon auszugehen ist, dass bei Zunahme des Schwierigkeitsgrads das Absturzrisiko und damit auch das Verletzungsrisiko sich erhöht, mag auch sein, dass im überhängenden Bereich der reine Sturz ins Seil dann zu keinem Aufschlag auf dem Fels oder Boden führt, wenn die Seilsicherungen und Haken halten, und im Gegensatz dazu bei niedereren Schwierigkeitsgraden und einem Sturz ins Seil zumeist auch ein Aufschlag auf dem Fels damit verbunden ist. Mit Sicherheit kann allerdings nicht gesagt werden, dass bei einem Sturz in einer überhängenden Wand kein Verletzungsrisiko gegeben ist, weil ein Sturz ins Seil wohl nur dann weniger verletzungsträchtig ist, wenn alle Sicherungsmaßnahmen funktionieren und der Kletterer auch dann wieder an den Fels kommt.
Im konkreten Fall ist in Art 20 Z 10 der AUVB 2006 ausdrücklich geregelt, dass von der Versicherung Unfälle beim Klettern und Bergsteigen über dem Schwierigkeitsgrad VI ausgeschlossen sind, also dafür kein Versicherungsschutz besteht. Das Vorliegen eines Risikosausschlusses als Ausnahmetatbestand hat grundsätzlich der Versicherer zu führen (RIS-Justiz RS0107031), wobei diese Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden dürfen als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (7 Ob 197/18y). Insoweit ist dieser Risikoausschluss seitens des Versicherers klar formuliert, nämlich dass für Unfälle beim Klettern und Bergsteigen über dem Schwierigkeitsgrad VI jedenfalls vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind, wobei zwischen den Vertragsteilen grundsätzlich Einigung darüber bestand, dass sich die Klassifizierung des Schwierigkeitsgrads in römischen Zahlen auf die UIAA-Skala bezieht, weil keine andere Skala für die Angabe des Schwierigkeitsgrads römische Zahlen verwendet.
Wenn nun der Kläger argumentiert, dass er das Klettern und Bergsteigen über dem Schwierigkeitsgrad VI der Beklagten nach seinem Verständnis nicht anzuzeigen brauchte, weil dafür ohnehin kein Versicherungsschutz bestand, wie im Vertrag ausdrücklich geregelt wurde, so kann diesem Einwand Berechtigung nicht abgesprochen werden. Diese der beklagten Partei zu meldenden „besonders gefährlichen Freizeitaktivitäten“ können sich denkunmöglich auf eine Freizeitaktivität beziehen, die nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags, insbesondere der Aufzählung in Art 20 ohnehin bereits vom Versicherungsschutz grundsätzlich ausgeschlossen ist. Diesbezüglich ist auch nicht nachvollziehbar, warum es einer neuen Beurteilung durch die Beklagte hinsichtlich der Übernahme des Risikos bedarf, weil ohnehin für einen Unfall beim Klettern über dem Schwierigkeitsgrad VI keine Leistung zu erbringen ist.
Es mag nun durchaus fraglich sein, ob auch Klettern bis einschließlich Schwierigkeitsgrad VI als „ besonders gefährliche Freizeitaktivität“ zu qualifizieren ist, wobei auch diesbezügliche Unklarheiten mangels entsprechender Determinierung zu Lasten der beklagten Partei gehen müssen, die Verfasserin ihrer Versicherungsbedingungen ist. Aber selbst wenn man auch das Klettern und Bergsteigen bis einschließlich des Schwierigkeitsgrads VI als „besonders gefährliche Freizeitaktivität“ klassifizieren will, sodass diese anzeigepflichtig wäre – die Beklagte hat allerdings ausdrücklich nur die Unterlassung der Mitteilung des Kletterns von Routen über dem Schwierigkeitsgrad VI inkriminiert (ON 42, S 10 = AS 225 verso) -, so wäre für die Beklagte nichts gewonnen:
Gemäß § 25 Abs 3 VersVG bleibt die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung auch dann bestehen, wenn die Erhöhung der Gefahr keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder soweit sie keinen Einfluss auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat. Der Beweis mangelnder Kausalität zwischen Gefahrenerhöhung und Schadensfall obliegt dem Versicherungsnehmer (7 Ob 34/10s), der im vorliegenden Fall als erbracht anzusehen ist. Es steht unbekämpft fest, dass für das Klettern und Bergsteigen bis zum Schwierigkeitsgrad IV weder eine Änderung bei der Prämie noch eine Änderung bei den zu erbringenden Leistungen des Versicherers eingetreten wäre, sodass die Anzeige des Umstandes, den Klettersport bis zum Schwierigkeitsgrad IV auszuüben, zu keiner Vertragsänderung geführt hätte. Abgesehen davon könnte das Klettern bis zum Schwierigkeitsgrad IV wohl auch nicht als „ besonders gefährliche Freizeitaktivität“ bezeichnet werden.
Die Anzeige der Ausübung des Klettersports auch im Schwierigkeitsgrad V und VI hätte zu einer Erhöhung der Prämie und zu einer Einschränkung der Leistung seitens der Beklagten geführt. Allerdings hat sich diese Gefahrenerhöhung hinsichtlich des gegenständlichen Unfalls nicht verwirklicht, weil der Kläger von Beginn der Klettertour bis zu jener Stelle, an der er abstürzte, nur im Fels mit Schwierigkeitsgrad von maximal IV kletterte, also die Unfallstelle und die gesamte Route bis dorthin den Schwierigkeitsgrad IV nicht überstieg. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann der Umstand, dass die gesamte Kletterroute, die der Kläger und sein Begleiter am Unfalltag durchsteigen wollten, den Schwierigkeitsgrad VIII aufweist, daran nichts ändern, weil sich die Stellen mit den höheren Schwierigkeitsgraden erst im weiteren Verlauf der Kletterroute befinden, wohin der Kläger am Unfalltag gar nicht gelangte. Es lässt sich der Bestimmung des Art 20 Z 10 nicht entnehmen, auf was sich der Passus „ ausgeschlossen von der Versicherung sind Unfälle, die der Versicherte bei der Ausübung der Sportarten …. Klettern und Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad VI …. “ bezieht, ob damit der Schwierigkeitsgrad der gesamten Kletterroute oder nur der Unfallstelle gemeint ist. Nachdem aber derartige Ausschlusstatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken und ausschließen, nicht weiter ausgelegt werden dürfen, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert, kann sich der Ausschlusstatbestand hinsichtlich des Schwierigkeitsgrads nur auf die konkrete Unfallstelle beziehen; bei extensiverer Auslegung allenfalls auch auf den unmittelbar vor der Unfallstelle durchkletterten Bereich, nicht jedoch auf Abschnitte der Kletterroute, die der Kletterer bis zum Unfall noch gar nicht erreichte und die damit für den Unfall nicht einmal ansatzweise kausal sind. Auch bei dem der Entscheidung 7 Ob 197/18y zugrundeliegenden Fall wurde auf die konkrete Unfallstelle und nicht auf bereits absolvierte Passagen eines Klettersteigs abgestellt, sodass der Unfall im geringeren Schwierigkeitsgrad eines Klettersteigs vom dort vereinbarten Ausschlusstatbestand nicht umfasst war.
Somit erweist sich die von der beklagten Partei geltend gemachte Einrede der Leistungsfreiheit wegen unterlassener Mitteilung der Gefahrenerhöhung als nicht stichhältig, sondern hat sie dem Kläger für den von ihm im Schwierigkeitsgrad IV erlittenen Kletterunfall die vereinbarte Invaliditätsentschädigung zu leisten, sodass in Stattgebung der Berufung das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern war. Die Höhe der noch restlich dem Kläger zustehende Invaliditätsentschädigung ist im Hinblick auf den festgestellten Grad der beim Kläger aufgrund des Kletterunfalls verbliebenen dauernden Invalidität (im Zusammenhang mit der im Versicherungsvertrag vereinbarten Berechnung) ebenso wenig strittig wie der vom Kläger behauptete Fälligkeitszeitpunkt, der jedenfalls mit der Ablehnung einer weiteren Leistung eingetreten ist.
Die Abänderung der Entscheidung in der Hauptsache bedingt auch die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Diese stützt sich auf § 41 ZPO. Die Beklagte hat zum Kostenverzeichnis des Klägers zahlreiche Einwendungen erhoben, die sich jedenfalls teilweise als berechtigt erweisen:
Zutreffend ist, dass eine Honorierung des vorbereitenden Schriftsatzes vom 6.7.2017 nicht in Frage kommt, da dieser Schriftsatz lediglich Wiederholungen betreffend die Schadensmeldung beinhaltet, wozu bereits im vorbereitenden Schriftsatz vom 5.7.2017 umfangreich Vorbringen erstattet wurde. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war daher ein neuerlicher, dieses Vorbringen wiederholender Schriftsatz nicht erforderlich.
Ein Schriftsatz vom 17.8.2017 „Vollmachtsbekanntgabe, Antrag“ scheint im Akt nicht auf, sodass auch diesbezüglich eine Honorierung nicht zu erfolgen hat.
Was den vorbereitenden Schriftsatz vom 29.8.2017 betrifft, so nimmt dieser Bezug auf das Vorbringen der Beklagten in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 6.7.2017, mit dem eine Obliegenheitsverletzung seitens des Klägers geltend gemacht wird, weil dieser wahrheitswidrig verneint habe, dass eine behördliche Aufnahme des Unfalls erfolgt sei und er von der Behörde einvernommen worden sei. Diese - was den Zeitpunkt der behördlichen Aufnahme und die Einvernahme des Klägers betrifft – unrichtige Behauptung wurde vom Kläger im Schriftsatz vom 29.8.2017 richtiggestellt. Insoweit diente dieser Schriftsatz sehr wohl zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, ist allerdings, weil es sich weder um einen nach § 257 Abs 3 ZPO zulässigen noch um einen vom Gericht aufgetragenen Schriftsatz handelt, nur nach TP 2 RATG zu entlohnen (RIS-Justiz RS0121828).
Der Gutachtenserörterungsantrag vom 10.4.2018 ist sehr wohl zu entlohnen, weil sich dieser auf das am 28.3.2018 beim Erstgericht eingelangte unfallchirurgische Gutachten des Sachverständigen Dr. H***** bezieht und nicht auf das sporttechnische Gutachten des Sachverständigen D*****, dessen Erörterung vom Kläger mit seinem Schriftsatz vom 20.11.2017 beantragt wurde. Zutreffend ist allerdings, dass der Erörterungsantrag vom 10.4.2018 trotz seiner umfangreichen Fragestellungen nur nach TP 2 RATG zu entlohnen ist, weil das Erstgericht dem Kläger nicht auftrug, die Fragen oder das Thema der Erörterung bereits mittels Schriftsatzes bekanntzugeben, mag dies auch zur Vorbereitung der Tagsatzung nicht unzweckmäßig gewesen sein.
Der Schriftsatz des Klägers vom 8.5.2018 war insofern zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, als die beklagte Partei mit ihrem Schriftsatz vom 11.4.2018 eine weitere Obliegenheitsverletzung, auf die sie die behauptete Leistungsfreiheit stützte, geltend machte und der Kläger in seinem Schriftsatz zweckmäßigerweise vor der nächsten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung darauf replizierte. Allerdings ist auch dieser Schriftsatz nur nach TP 2 RATG zu entlohnen, da er weder gemäß § 257 Abs 3 ZPO zulässig noch vom Erstgericht aufgetragen war.
Beizupflichten ist der beklagten Partei, dass der Vertagungsantrag des Klägers vom 1.12.2017 nicht zu entlohnen ist, weil er einerseits erfolglos war und andererseits rein auf Umstände zurückzuführen ist, die sich ausschließlich in der Sphäre des Klägers ereigneten (§ 48 ZPO).
Die Kosten des vom Kläger eingeholten Privatgutachtens Dris. O***** von EUR 800,-- sind dem Kläger als vorprozessuale Kosten zu ersetzen ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18 , § 41 E. 23 und E. 31). Die Einholung dieses Gutachtens war zur Vorbereitung des gegenständlichen Rechtsstreits nützlich und notwendig, insbesondere bedurfte es seitens des Klägers einer Überprüfung des von der Beklagten vorprozessual eingeholten Gutachtens, welches insoweit unrichtig war, als es einen wesentlichen zu geringen unfallkausalen Invaliditätsgrad auswies, sodass dem Kläger der Verlust berechtigter Entschädigungsansprüche aus der gegenständlichen Unfallversicherung drohte. Immerhin wurde der unfallkausale Invaliditätsgrad in dem vom Kläger vorprozessual eingeholten Gutachten durch das gerichtliche Gutachten dann bestätigt, sodass sich auch daraus die Notwendigkeit dessen Einholung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zeigt. Die beklagte Partei kann auch nicht ernsthaft behaupten, die vom Sachverständigen für dieses vorprozessuale Gutachten begehrten Kosten seien überhöht, zumal der gerichtlich bestellte Sachverständige nahezu dieselben Kosten geltend machte, ohne dass seitens der beklagten Partei irgendwelche Einwände erhoben wurden, insbesondere unter Hinweis auf das im Verhältnis zum Einkommen der Ärzte in ihrem Beruf beschämend niedrige Honorar nach § 43 GebAG. Im Übrigen ist kein Sachverständiger verpflichtet, Privatgutachten auf Basis der Tarife des Gebührenanspruchsgesetzes zu erstellen, sondern unterliegen die diesbezüglichen Honorare der freien Vereinbarung, wobei die Angemessenheit des Honorars sich am Verdienst der Ärzte bei Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit zu orientieren hat. Offenbar unrichtig ist die Behauptung der beklagten Partei, der Privatsachverständige Dr. O***** sei nicht einmal Gutachter, weil Dr. O***** sehr wohl in die Sachverständigenliste eingetragen ist, wie auch die beklagte Partei und ihr Rechtsvertreter unschwer durch eine entsprechende Einsichtnahme in die Sachverständigenliste feststellen hätte können. Im Übrigen sind die Kosten des Privatsachverständigen vollumfänglich bescheinigt (Beilage F sowie die mit der Klage vorgelegte Beilage).
Insgesamt sind dem Kläger EUR 9.014,68, darin enthalten EUR 1.079,68 an USt und EUR 2.536,60 an Barauslagen, an Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 50 Abs 1, 41 ZPO. Die Kosten wurden tarifmäßig verzeichnet.
Die Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO liegen im Hinblick auf die Frage der Auslegung der Bestimmung des Art 20 Z 10 AUVB 2006, nämlich ob sich der angegebene Schwierigkeitsgrad auf die gesamte Kletterroute oder nur auf die Unfallstelle selbst bezieht, vor, nachdem die zitierte Entscheidung zu 7 Ob 197/18y nicht ganz vergleichbar ist, weil dort von zwei verschiedenen Klettersteigen ausgegangen wurde, die der Verunfallte hintereinander benützte und ausdrücklich angeführt wurde, dass der Verunfallte zum zweiten leichteren Klettersteig, wo sich der Unfall ereignete, auch ohne Benützung des ersten schwierigeren, vom Ausschlusstatbestand umfassten, Klettersteigs kommen hätte können.
Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 4
Innsbruck, am 18. Feber 2019
Dr. Georg Hoffmann, Senatspräsident