Das Oberlandesgericht Innsbruck als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Brandstätter und den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Purtscheller als weitere Mitglieder des Senats in der Disziplinarsache gegen ***** , Richter des *****, vertreten durch Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Das gegen den Richter des ***** ***** mit Beschluss vom 25.10.2017 zu 114 Ds 3/17s (ON 12) eingeleitete Disziplinarverfahren wird gemäß § 130 Abs 1 RStDG ohne Ausspruch eines Verweises
e i n g e s t e l l t .
Die Kosten des Verfahrens trägt der Bund.
begründung:
***** ist Leiter der Gerichtsabteilung ***** des *****. In dieser war das Sachwalterschaftsverfahren ***** P ***** (in der Folge ***** P *****), jetzt ***** P ***** BG *****, anhängig. Betroffene ist *****, geb am *****. Für diese ist derzeit Dr. TW***** zum Sachwalter bestellt.
***** hatte am 2.12.2012 und sohin vor Einleitung des Sachwalterschaftsverfahrens in Form eines Notariatsakts die in ihrem Alleineigentum stehende Liegenschaft *****, *****, im Gesamtausmaß von 720.947 m² an ***** übergeben. Diese Liegenschaft wies keine wesentlichen Belastungen auf. Die von ***** dafür erbrachten Gegenleistungen wurden im Notariatsakt mit EUR 275.156,33 bewertet. Im Zuge des Verbücherungsverfahrens beanstandete die zuständige Revisorin die Vorschreibung der Eintragungsgebühr. Unter Bedachtnahme auf gemeindebehördliche Auskünfte und nach Rücksprache mit dem öffentlichen Notar ***** als Vertreter von ***** wurde als Bemessungsgrundlage für die vorzuschreibende Eintragungsgebühr einvernehmlich ein Verkehrswert von EUR 8,3 Mio in Ansatz gebracht.
Am 14.10.2013 beantragte der Sachwalter unter Vorlage eines Entwurfs einer Ergänzungsvereinbarung vom 10.10.2013 zum Notariatsakt vom 2.12.2012 die pflegschaftsbehördliche Genehmigung des gesamten Vertragswerks. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass sich durch die nachträglich geschlossene Vereinbarung die vom Übernehmer erbrachten Gegenleistungen erhöht und sich insbesondere die Wohnungssituation der Betroffenen wesentlich verbessert hätten. Mit Beschluss vom 12.11.2013 genehmigte ***** als zur Führung und Entscheidung zuständiger Richter des Sachwalterschaftsverfahrens das gesamte Vertragswerk.
Die Disziplinaranwältin beantragte am 23.8.2017 unter Hinweis auf die Einsichtnahme in die verfahrenseinleitende Sachverhaltsmitteilung der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz die Einleitung der Disziplinaruntersuchung gegen ***** gemäß § 123 Abs 1 RStDG im Zusammenhang mit den Vorgängen um die erwähnte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.
Mit Beschluss des Disziplinargerichts vom 25.10.2017 wurde gegen ***** gemäß § 123 Abs 1 RStDG die Disziplinaruntersuchung wegen des Verdachts eingeleitet, er habe die ihm durch § 57 Abs 1 RStDG auferlegten Pflichten, unter anderem die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten sowie sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen und die Pflichten seines Amtes gewissenhaft zu erfüllen, schuldhaft dadurch verletzt,
dass er als zuständiger Richter die genannte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erteilt hat, obwohl
und dass *****
sodass er dadurch ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen habe.
Im Zuge der Disziplinaruntersuchung wurden unter anderem *****, der Sachwalter *****, die öffentlichen Notare ***** und ***** sowie der Disziplinarbeschuldigte ***** einvernommen. Die gesamten Ergebnisse der Disziplinaruntersuchung wurden der Disziplinaranwältin durch Übermittlung des Disziplinaraktes am 31.1.2018 zur Kenntnis gebracht. Diese hat nach Einsicht in die Ergebnisse der Disziplinaruntersuchung den Akt am 24.7.2018 ohne weiteres Bemerken und ohne Anträge an das Disziplinargericht zurückgestellt.
Die Ergebnisse der Disziplinaruntersuchung geben Anlass, das Disziplinarverfahren aus folgenden Erwägungen ohne Ausspruch eines Verweises gemäß §§ 104 Abs 1 lit a, 110 Abs 2 und 3 RStDG durch Beschluss im Sinn des § 130 Abs 1 RStDG einzustellen, weil kein Grund zur Fortsetzung des Disziplinarverfahrens vorliegt:
Einleitend ist dazu auf die rechtliche Würdigung des Disziplinargerichts in seinem Einleitungsbeschluss vom 25.10.2017 (ON 12 S 9 f) im Zusammenhang mit dem ***** angelasteten Disziplinarvergehen zu verweisen. Auch nach Vorliegen der Ergebnisse der Disziplinaruntersuchung steht fest, dass vor der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung vom 12.11.2013 nicht hinreichend abgeklärt wurde, ob der Abschluss des genehmigten Vertragswerks zum offenbaren Vorteil der Betroffenen gereichte, welche Alternativen sich dazu geboten hätten, ob die Betroffene im fraglichen Zeitraum tatsächlich geschäftsunfähig war und deren Wünsche und Vorstellungen bei der Entscheidung hinreichend berücksichtigt wurden. An dieser ex ante vorzunehmenden Einschätzung ändert auch nichts, dass nach den nunmehr vorliegenden Verfahrensergebnissen verstärkt Anhaltspunkte in die Richtung hervorgekommen sind, dass der Übergabsvertrag samt Ergänzung dem Wohl der Betroffenen diente, deren Wünschen und Vorstellungen entsprach und keine hinreichenden Alternativen erkennbar sind, die eine anderweitige Vorgangsweise zum Wohle der Betroffenen nahegelegt hätten. Gerade diese Umstände hätten auch im Zuge des durchgeführten Sachwalterschaftsverfahrens abgeklärt werden sollen.
Nach § 57 Abs 1 RStDG sind Richter der Republik Österreich zur Treue verpflichtet und haben die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten. Sie haben sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen, sich fortzubilden, die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen und die ihnen übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen. Wie das Disziplinargericht bereits im Einleitungsbeschluss vom 25.10.2017 festgehalten hat, ist dabei zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass Vorgangsweisen im Rahmen der Rechtsprechung nicht schon an sich einer Überprüfung als Verstoß gegen Amtspflichten entzogen sind. Es ist jedoch nicht jede Verletzung des materiellen Rechts oder der Verfahrensbestimmungen Gegenstand des Dienststrafrechts, sondern nur eine solche, die mit Rücksicht auf Art und Schwere der Verfehlung aus general- und spezialpräventiven Gründen einer dienststrafrechtlichen Ahndung bedarf. Eine Gesetzesverletzung, die nur auf entschuldbarer Fahrlässigkeit oder einer bloß fallweisen Unkenntnis einer Rechtsvorschrift beruht, macht somit nicht disziplinär verantwortlich, wohl aber gegebenenfalls eine bewusste oder wiederholt grob fahrlässige Rechtsverletzung. Allerdings sind Fehler bei der Rechtsanwendung auch dann disziplinär zu ahnden, wenn sie so schwer wiegen, dass das Vertrauen in die Gesetzestreue der Justiz in Frage steht, und dem Richter zugleich ein gravierender Schuldvorwurf zu machen ist. Unter diesen Gesichtspunkten kann etwa die missbräuchliche Ausübung richterlichen Ermessens, das bewusste Abweichen von bewährten Rechtsgrundsätzen oder eine wiederholt grob fahrlässige Missachtung gesetzlicher Bestimmungen eine Amtspflichtverletzung im Sinn der §§ 57 Abs 1, 101 Abs 1 RStDG begründen. In jenen Fällen, in denen das Gesetz dem Richter aber eine Ermessensentscheidung aufträgt, kann eine disziplinär strafbare Amtspflichtverletzung im Allgemeinen nur bei missbräuchlicher Ausübung richterlichen Ermessens in Frage kommen (vgl RIS-Justiz RS0072522).
Die Ergebnisse der Disziplinaruntersuchung haben nun zu Tage gebracht, dass die von ***** eingeschlagene Verfahrensführung ex ante betrachtet in erster Linie davon geprägt war, für die Betroffene eine Verbesserung ihrer Lebenssituation zu schaffen, insbesondere der Wohnverhältnisse bei gleichzeitiger Möglichkeit, nicht in ein Altenheim übersiedeln zu müssen. Schließlich war ***** bemüht, eine Anfechtung des Übergabsvertrags vom 2.12.2012 zu vermeiden. Wenngleich für die Prozessführung im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse der Betroffenen, das eindeutige Gutachten des Sachverständigen ***** vom 9.9.2013 (ON 46 des Anlassaktes) und den zu erwartenden Verfahrensaufwand das Prozesskostenrisiko relativ gering einzuschätzen war, war diese Vorgangsweise im Ergebnis berechtigt, weil dadurch einerseits die mit einer Prozessführung unausweichlich verbundenen physischen und psychischen Belastungen von der Betroffenen ferngehalten werden konnten und andererseits, wie auch deren spätere Testamentserrichtung nachträglich zeigte, die Übergabe der Liegenschaft an ***** deren Intentionen entsprach. Davon ausgehend ist die Annahme einer missbräuchlichen Ausübung richterlichen Ermessens bzw die Anwendung von Rechtsvorschriften in einer Weise, dass das Vertrauen in die Gesetzestreue der Justiz in Frage gestellt wird, nach den Ergebnissen der Disziplinaruntersuchung nicht gerechtfertigt. Das Disziplinarverfahren war daher gemäß § 130 Abs 1 RStDG mit Beschluss einzustellen, ohne dass die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Verweises gemäß den Vorschriften der §§ 104 Abs 1 lit a, 110 Abs 2 und 3 RStDG gegeben waren.
Die Kostenentscheidung ist in sinngemäßer Anwendung des § 137 Abs 2 erster Satz RStDG begründet.
Oberlandesgericht Innsbruck
als Disziplinargericht für Richter
Innsbruck, am 27. August 2018
Dr. Georg Hoffmann, Senatspräsident
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