4R27/18d – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Huber und Dr. Gosch als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei E***** M***** , vertreten durch Dr. Peter Föger, Mag. Hanno Pall, Rechtsanwälte in Wörgl, wider die beklagte Partei M***** , vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 23.200,-- s.A., über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse: EUR 1.992,24) gegen die im Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 15.1.2018, 8 Cg 106/15m-43, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird t e i l w e i s e Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass die Kostenersatzverpflichtung der beklagten Partei auf EUR 20.428,96 herabgesetzt wird.
Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls u n z u - l ä s s i g .
Text
Begründung:
Mit dem nur noch hinsichtlich der Kostenentscheidung angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Begehren der Klägerin auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung von EUR 23.200,-- s.A. mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt und verpflichtete gleichzeitig die beklagte Partei unter Berufung auf § 41 ZPO zum Ersatz der mit insgesamt EUR 21.423,76 bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Dabei sprach das Erstgericht der Klägerin für ihren vorbereitenden Schriftsatz vom 10.6.2016 Kosten nach TP 2 sowie für die Schriftsätze vom 28.11.2016 und 20.11.2017 Kosten nach TP 3 A zu.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der fristgerechte Rekurs der beklagten Partei, der im Antrag mündet, die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass der Klägerin lediglich EUR 19.431,52 an Kostenersatz zuerkannt werde.
Die Klägerin beantragt in ihrer fristgerechten Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
Die beklagte Partei macht geltend, der vorbereitende Schriftsatz der Klägerin vom 10.6.2016 sei nicht zu entlohnen, da der Klägerin in der Tagsatzung vom 14.3.2016 nur aufgetragen worden sei, mittels eines Schriftsatzes ihr Vorbringen in einem Punkt zu verbreiten, was sie auch mit Schriftsatz vom 24.3.2016 getan habe. Weitere Schriftsätze seien ihr allerdings nicht aufgetragen worden und daher auch nicht zu entlohnen. Das Gleiche gelte hinsichtlich des Schriftsatzes der Klägerin vom 20.11.2017, der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung jedenfalls nicht von Nöten gewesen sei. Der Schriftsatz vom 28.11.2016 sei als Gutachtenserörterungsantrag nur nach TP 2 zu entlohnen, nicht jedoch nach TP 3 A.
Hiezu hat das Rekursgericht erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 41 Abs 1 ZPO hat die in einem Rechtsstreit vollständig unterliegende Partei ihrem Gegner alle durch die Prozessführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu ersetzen. Welche Kosten als notwendig anzusehen sind, hat das Gericht bei Feststellung des Kostenbetrags ohne Zulassung eines Beweisverfahrens nach seinem von sorgfältiger Würdigung aller Umstände geleiteten Ermessen zu bestimmen. Die Frage der Zweckmäßigkeit und der Erfolgsaussichten einer Prozesshandlung ist immer ex ante und nicht ex post zu betrachten (RZ 1994/26). Als notwendig ist jede Aktion zu verstehen, deren Zweck mit geringerem Aufwand nicht erbracht werden kann (2 R 278/98v und 4 R 276/05b je OLG Innsbruck; in diesem Sinne auch Bydlinski in Fasching/Konecny ³ II/1 § 41 ZPO Rz 20). Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung/-verteidigung notwendige Kosten sind etwa jene für vorbereitende Schriftsätze nach § 257 Abs 3 ZPO (4 R 113/04f OLG Innsbruck) oder solche, die vom Gericht aufgetragen wurden, wie etwa fristgerechte Äußerungen zu Gutachten mit „Erinnerungen“ und/oder Fragen an den Sachverständigen (4 R 133/96g OLG Innsbruck) sowie sonstige vorbereitende Schriftsätze, soweit sie zur Vorbereitung der nächsten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung notwendig waren und rechtzeitig erstattet wurden; dabei ist zu fragen, ob das im Schriftsatz enthaltene Vorbringen und Beweisanbot bereits in der vorangegangenen Tagsatzung oder in einem früheren Schriftsatz oder aber in der nächsten Tagsatzung erstattet hätte werden können (JBl 1987, 392; 4 R 160/01p und 1 R 254/05w je OLG Innsbruck; uva). Die Zulassung (= Nichtzurückweisung) eines Schriftsatzes bedeutet nicht automatisch, dass bei Obsiegen tatsächlich Kostenersatz zusteht; vielmehr steht Kostenersatz immer nur zu, wenn - ex ante betrachtet - Zweckmäßigkeit zu bejahen ist (4 R 129/01d, 5 R 17/01s, 4 R 72/06d je OLG Innsbruck; uva).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der beklagten Partei beizupflichten, dass der Klägerin Kostenersatz für ihren vorbereitenden Schriftsatz vom 10.6.2016 nicht zusteht, da dieser Schriftsatz weitgehend aus Wiederholungen besteht und auch von dem vom Erstgericht der Klägerin in der Tagsatzung vom 14.3.2016 erteilten Auftrag, ein Vorbringen zur behaupteten teils fehlerhaften Unfallanzeige des U***** und dessen Tätigkeit für die beklagte Partei sowie zum Umstand, dass die Verletzungsanzeige offenbar erst drei Monate nach dem Vorfall erfolgt ist, zu erstatten, nicht mehr umfasst war, weil diesen aufgetragenen Schriftsatz die Klägerin bereits am 24.3.2016 erstattet hatte. Im Übrigen hätte die Klägerin das im Schriftsatz vom 10.6.2016 enthaltene Vorbringen unschwer auch in der für 20.6.2016 anberaumten Tagsatzung erstatten und die mit dem Schriftsatz vorgelegten Urkunden ebenfalls in der wenige Tage später stattfindenden Tagsatzung vorlegen können.
Was den vorbereitenden Schriftsatz der Klägerin vom 20.11.2017 betrifft, so war dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sehr wohl notwendig, weil nach dem vorangegangenen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts vom 29.6.2017 verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der von der Klägerin erst rund drei Monate nach dem Unfall erstatteten Unfallmeldung an die beklagte Partei zu klären waren. In diesem Sinne hat die Klägerin mit ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 20.11.2017 detailliertes Vorbringen dazu erstattet, warum sie den Unfall der beklagten Partei erst im Oktober 2014 meldete. Nachdem der Schriftsatz auch neun Tage vor der für 29.11.2017 anberaumten Tagsatzung, die vom Erstgericht schon als abschließende Tagsatzung geplant war, eingebracht wurde, war er jedenfalls auch noch rechtzeitig für eine entsprechende Vorbereitung für diese Tagsatzung. Damit ist dieser Schriftsatz grundsätzlich zu entlohnen, allerdings nicht nach TP 3 A, weil er weder gemäß § 257 Abs 3 ZPO zulässig noch vom Erstgericht aufgetragen war, sondern nur nach TP 2 (I. 1. lit. e) RATG (ständige Rechtsprechung des OLG Innsbruck seit JBl 1987, 392; RIS-Justiz RS0121828).
Dass der Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2016 zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, wird von der beklagten Partei nicht in Zweifel gezogen. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei handelt es sich dabei sehr wohl um einen aufgetragenen Schriftsatz, weil das Erstgericht den Parteien bei Übermittlung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S***** (ON 17) auftrug, für den Fall, dass eine mündliche Erörterung dieses Gutachtens beantragt werde, gleichzeitig die vom Sachverständigen zu beantwortenden Fragen zur Vorbereitung der Verhandlung bekanntzugeben. Die Klägerin erstattete innerhalb der vom Erstgericht gesetzten Frist von drei Wochen diesen Schriftsatz, in welchem es mehrere vom Sachverständigen ergänzend zu beantwortende Fragen formulierte. Damit fällt dieser Schriftsatz unter TP 3 A (I. 1. lit. d zweiter Fall) RATG (4 R 97/17v und 4 R 123/17w je OLG Innsbruck).
Somit ist der Kostenzuspruch an die Klägerin um die für den Schriftsatz vom 10.6.2016 vom Erstgericht zuerkannten Kosten von EUR 420,45 (netto) sowie um die Differenz zwischen TP 3 A und TP 2 hinsichtlich des Schriftsatzes vom 20.11.2017 von EUR 408,55 (netto), sohin insgesamt um EUR 829,-- zuzüglich 20 % USt, somit insgesamt um EUR 994,80 herabzusetzen, darüber hinaus kommt dem Kostenrekurs allerdings keine Berechtigung zu.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf §§ 50 Abs 1, 43 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei ist in etwa mit der Hälfte ihres Rekursinteresses durchgedrungen, zur Hälfte jedoch unterlegen, sodass die Kosten des Rekursverfahrens gegeneinander aufzuheben sind.
Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 4
Innsbruck, am 13. März 2018
Dr. Georg Hoffmann, Senatspräsident