JudikaturOLG Innsbruck

4R23/18s – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
12. März 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Huber und Dr. Gosch als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei Josef W***** , vertreten durch Pendl Mair Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei L***** T***** , vertreten durch Riedmüller Mungenast Rechtsanwälte OG in Innsbruck, wegen EUR 1.865,64 s.A., über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 1.280,99) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 8.1.2018, 67 Cg 28/17b-21, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird t e i l w e i s e Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahingehend a b g e ä n d e r t , dass es lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertretung binnen 14 Tagen EUR 1.146,-- samt 4 % Zinsen seit 2.3.2017 zu zahlen.

Das Mehrbegehren von EUR 719,64 s.A. wird a b g e w i e s e n .

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertretung binnen 14 Tagen die mit EUR 376,76 (darin enthalten EUR 52,42 USt und EUR 62,22 Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertretung binnen 14 Tagen die mit EUR 229,64 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und seine Ehegattin ***** sind seit dem Jahre 1984 Miteigentümer einer Wohnung im Erdgeschoß des Hauses *****. Bereits beim Ankauf dieser Wohnung war eine im Keller des Hauses installierte Ölfeuerungsanlage (speziell für diese Wohnung) vorhanden. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde ***** vom 12.9.2015 wurde dem Kläger und seiner Ehegattin der Betrieb der gegenständlichen Heizungsanlage, bestehend aus Heizkessel sowie Öllager und Ölleitungseinrichtungen, untersagt und die Beseitigung der Öllagerungseinrichtungen samt den Leitungen binnen längstens drei Wochen aufgetragen. Gegen diesen Bescheid erhoben der Kläger und seine Ehegattin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol, welches dieser mit Erkenntnis vom 28.12.2016 teilweise Folge gab, indem es aussprach, dass die Beseitigungsanordnung der Öllagereinrichtungen samt den Leitungen ersatzlos zu entfallen habe, während die Untersagung des Betriebs der Heizungsanlage aufrecht bleibe.

Aufgrund von (schriftlichen) Mitteilungen einer Nachbarsfamilie, wonach der Kläger und seine Gattin nach wie vor die Ölheizungsanlage in Betrieb nehmen würden, erstattete der Bürgermeister der Stadtgemeinde ***** als Baubehörde erster Instanz am 30.1.2017 Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft *****. Diese erließ am 8.2.2017, GZ 2.2-3431/17, eine Strafverfügung, wonach es der Kläger als Eigentümer der gegenständlichen Wohnung zu verantworten habe, dass er der mit Bescheid der Stadtgemeinde ***** vom 12.9.2015 untersagten Benützung der Heizungsanlage nicht nachgekommen sei, da er zumindest am 19.1.2017 um 23.00 Uhr die Heizungsanlage ungeachtet der Untersagung bzw Außerbetriebsetzung (§ 23 Abs 1, 2 und 4 Tiroler Gas-, Heizungs- und Klimaanlagengesetz 2013) weiterbetrieben bzw an diesem Tag wieder in Betrieb gesetzt habe, weshalb gemäß § 37 Abs 1 lit. m iVm § 23 des angeführten Gesetzes über den Kläger eine Geldstrafe von EUR 400,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen verhängt werde. Diese Strafverfügung fußte allein auf der angeführten Mitteilung der Nachbarsfamilie (A*****).

Gegen diese Strafverfügung erhob der Kläger durch seinen Rechtsvertreter am 24.2.2017 Einspruch (gemäß § 49 VStG), in welchem zusammengefasst ausgeführt wurde, dass

- die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe nicht aufgrund einer eigenen dienstlichen Wahrnehmung eines Gerichts, einer Verwaltungsbehörde, eines Organs der öffentlichen Aufsicht oder einer Militärwache ergangen sei, weshalb eine Strafverfügung gar nicht zulässig gewesen sei (§ 47 Abs 1 VStG);

- der Kläger die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen habe und die diesbezüglichen Behauptungen der Nachbarn A***** unrichtig seien, zumal die gegenständliche Wohnung aus „amtsbekannten Gründen“ seit Sommer 2015 vom Kläger gar nicht mehr genutzt, geschweige denn bewohnt würde, dieser sich zum angeblichen Tatzeitpunkt im Übrigen in Wien bei der Familie seines Sohns aufgehalten habe;

- der (Untersagungs-)Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde ***** vom 12.9.2015 im Übrigen keine Geschäftszahl aufweise, zum angeblichen Tatzeitpunkt daher weder rechtskräftig noch vollstreckbar gewesen sei.

Aus allen diesen Gründen werde die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 VStG beantragt.

Am 29.5.2017 erging seitens der Bezirkshauptmannschaft ***** ein der oben angeführten Strafverfügung inhaltlich analoges Straferkenntnis. Begründend wurde ausgeführt, aus den Angaben der vernommenen Zeugin A***** ergebe sich unmissverständlich, dass die Heizungsanlage am 19.1.2017 in Betrieb gewesen sei. Eine Anwesenheit (des Klägers und seiner Ehegattin) an der Adresse R***** sei zur Tatbegehung für die erkennende Behörde nicht notwendig, weil eine Heizungsanlage durchaus auch über einen längeren Zeitraum ohne Anwesenheit an Ort und Stelle betrieben werden könne. Für die Behörde sei die Übertretung, der Kläger und seine Gattin seien einer Vorladung zwecks ihrer Einvernahme nicht gefolgt, eindeutig nachgewiesen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Dagegen erhob der Kläger am 31.5.2017 Beschwerde (Art 130 Abs 1 Z 1 und Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG) an das Landesverwaltungsgericht Tirol. Mit dessen Urteil vom 30.10.2017, LVwG-2017/42/1539-3, wurde dieser gemäß § 50 VwGVG iVm § 24 VStG Folge gegeben und das Straferkenntnis der BH ***** behoben.

(Bereits) mit Schreiben vom 27.2.2017 forderte der Kläger die beklagte Partei auf, die Kosten des Einschreitens seines Vertreters in Höhe von EUR 1.865,64 bei sonstiger Erhebung einer Amtshaftungsklage zu bezahlen. Die vorgelegte Kostennote setzt sich wie folgt zusammen:

Von diesem grundsätzlichen Sachverhalt ist im Berufungsverfahren auszugehen.

Mit der am 30.5.2017 beim Erstgericht eingelangten Amtshaftungsklage begehrte der Kläger von der beklagten Partei die Zahlung von (inklusive USt) EUR 1.865,64 samt 4 % Zinsen seit 2.3.2017 mit der wesentlichen Begründung, die Strafverfügung vom 8.2.2017 hätte nicht ergehen dürfen, weil dieser keine eigene dienstliche Wahrnehmung eines Gerichts, einer Verwaltungsbehörde, eines Organs der öffentlichen Aufsicht oder einer Militärwache zugrundeliege (§ 47 Abs 1 VStG) und vor Erlassung der Strafverfügung jegliche Prüfung des Sachverhalts auf seine Richtigkeit unterlassen worden sei. Die aufgelaufenen Kosten seines rechtsanwaltlichen Vertreters stellten einen Schaden im Sinne des AHG dar.

Die beklagte Partei wendete - soweit im Rahmen des Berufungsverfahrens noch von Belang - ein, dem Kläger sei kein Schaden entstanden, weil sein Vorbringen im Einspruch (gegen die Strafverfügung) im sodann durchgeführten Ermittlungsverfahren als schriftliche Rechtfertigung mitberücksichtigt worden und somit verwertet worden sei. Schon in der Rechtsmittelbelehrung zur Strafverfügung (vom 8.2.2017) sei darauf verwiesen worden, dass der Einspruch als Rechtfertigung im Sinne von § 40 VStG gelte. Es liege sohin kein ersatzfähiger Schaden nach dem AHG vor. Darüber hinaus mangle es auch an den sonstigen Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs, nämlich der Kausalität, der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens. Nur unvertretbare Verfahrensschritte könnten zu einem Amtshaftungsanspruch führen. Das Urteil des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 30.10.2017 sei aber nur im Zweifel („in dubio pro reo“) ergangen. Schließlich könnten nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten einen Schaden darstellen. Ein dreimaliges Aktenstudium (15., 21. und 22.2.2017 samt Streitgenossenschaftszuschlag) sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen. Ein Streitgenossenschaftszuschlag stehe nicht zu, die Leistungen für ***** seien nicht klagsgegenständlich und würden in einem separaten Verfahren (14 Cg 116/17d des Landesgerichts Innsbruck) geltend gemacht. Für ein Telefonat mit dem Richter des Landesverwaltungsgerichts Mag. ***** vom 24.2.2017 habe keine Notwendigkeit bestanden, ebenso wenig für eine E-Mail an den Kläger (und seiner Gattin) vom 21.2.2017.

Der Kläger replizierte, er hätte zur Außerkraftsetzung der rechtswidrig erlassenen Strafverfügung notwendigerweise einen Einspruch erheben müssen. Dass ein substantiierter Einspruch als Rechtfertigung im Sinne des § 40 VStG gelte, sei gesetzlich angeordnet (§ 49 Abs 2 zweiter Satz VStG). Bei der Beurteilung des notwendigen Aufwands sei eine ex-ante-Betrachtung geboten. Weil mit der gegenständlichen Strafverfügung (Ersatzfreiheitsstrafe) ein Eingriff in die Freiheitsrechte des Klägers (Art 5, 6 EMRK, Art 1 f PersFrG) verbunden gewesen sei, stehe der beklagten Partei weder der Einwand eines vertretbaren Verhaltens noch eines rechtmäßigen Alternativverhaltens zu. Auch das (nachfolgende) Straferkenntnis sei rechtswidrig und schuldhaft erlassen worden, was angesichts des Streitgegenstands aber nicht relevant sei. Die verrechneten Kosten seien zweckmäßig und notwendig gewesen. In Erfüllung der Schadenminderungspflicht seien der Kläger und seine Ehegattin gemeinsam vertreten worden, was gemäß § 10 Abs 3 AHK einen Streitgenossenschaftszuschlag von 30 % rechtfertige, was aber letztlich zu einer (beinahen) Halbierung der Kosten geführt habe. Das Telefonat mit dem Sachbearbeiter der BH ***** sei erforderlich gewesen, um diesen von der Tunlichkeit einer elektronischen Aktenübersendung an die nicht ortsansässigen Rechtsvertreter des Klägers überzeugen zu können, wodurch eine Zureise nach ***** samt den damit einhergehenden Spesen vermieden hätte werden können. Das Aktenstudium vom 15.2.2017 habe der Durchsicht und Prüfung der Strafverfügung sowie der Vorakten gedient, jenes vom 21.2.2017 hingegen der Durchsicht des Verwaltungsstrafaktes, das Aktenstudium vom 22.2.2017 schließlich der vom Kläger seinen Vertretern zur Verfügung gestellten Unterlagen und Aufzeichnungen. Das Telefonat der Klagsvertreter vom 24.2.2017 mit dem Richter des Landesverwaltungsgerichts Tirol Mag. ***** habe ebenfalls der Informationsaufnahme und Vorbereitung einer sorgfältigen Verwaltungsstrafverteidigung gedient, insbesondere um abzuklären, ob der Bescheid der anzeigenden Behörde vom 12.7.2015 eine Geschäftszahl aufgewiesen habe.

Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht die beklagte Partei schuldig, dem Kläger EUR 1.280,99 samt 4 % Zinsen seit 2.3.2017 zu zahlen, während es das Mehrbegehren von EUR 584,65 s.A. abwies. Dabei ging das Erstgericht im Wesentlichen vom vorangestellten Sachverhalt aus.

In rechtlicher Hinsicht legte es - zusammengefasst - dar, ein schuldhaftes Verhalten der Behörde liege dann vor, wenn es auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände nicht mehr vertretbaren Rechtsauslegung oder -anwendung beruhe. § 47 VStG ermögliche es den Verwaltungsstrafbehörden unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen (eigene dienstliche Wahrnehmung, Geständnis, bildverarbeitende Verkehrsüberwachung) minderschwere Verwaltungsübertretungen ohne Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens zu erledigen, was zu einer Entlastung der Strafbehörden sowie einer Vereinfachung des Strafverfahrens dienen solle. Allerdings beinhalte § 47 VStG auch eine Schutzkomponente zugunsten des Beschuldigten. Dieser sei in seinem Wortlaut eindeutig, weshalb gegenständlich die erkennende Behörde keine Strafverfügung erlassen hätte dürfen, sondern das ordentliche Verfahren einleiten hätte müssen. Die Verfahrenskosten, die einer Partei durch unvertretbare Verfahrensschritte erwachsen seien, stellten einen ersatzfähigen Schaden im Sinne von § 1 Abs 1 AHG dar, selbst wenn die in Betracht kommende Verfahrensordnung keine Kostenersatzpflicht kenne. Ersatzfähig seien jedoch nur die zweckmäßigen und angemessenen Kosten. Ein dreimaliges Aktenstudium erscheine weder zweckmäßig noch angemessen, dies gelte auch für das verrechnete Telefonat mit dem Richter des Landesverwaltungsgerichts Tirol Mag. *****. Insgesamt seien folgende Kosten als zweckmäßig anzusehen:

Telefonat mit Kläger EUR 76,80

Vollmachtsbekanntgabe samt Antrag auf Akteneinsicht EUR 46,28

Telefonat mit Mag. ***** EUR 49,92

Aktenstudium EUR 219,60

E-Mail an ***** EUR 35,69

Einspruch EUR 639,20

zusammen EUR 1.067,49

20 % USt EUR 213,50

ergibt EUR 1.280,99

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern.

Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

In dieser wird (erneut) darauf verwiesen, dass dem - substantiierten - Einspruch des Klägers gegen die Strafverfügung die Bedeutung einer schriftlichen Rechtfertigung zugekommen sei, welche auch bei Einleitung eines ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens zur Rechtsverteidigung des Klägers notwendig gewesen wäre. Dem Kläger sei daher gegenüber dem rechtmäßigen Alternativverhalten der Behörde (sofortige Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) kein Schaden entstanden. Bei den Kosten des Einspruchs handle es sich daher um „Sowiesokosten“. Die Einleitung eines (ordentlichen) Ermittlungsverfahrens wäre aber jedenfalls vertretbar gewesen, weil die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens durch das Landesverwaltungsgericht nur unter Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ erfolgt sei. Jedenfalls seien die vom Erstgericht berücksichtigten Honoraransätze Telefonat mit Kläger (EUR 76,80), Telefonat mit Mag. ***** (EUR 49,92) und E-Mail an ***** (EUR 35,69) zur notwendigen und zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich gewesen und fehle es an jeglichen Feststellungen des Erstgerichts, die einen derartigen Zuspruch rechtfertigen könnten.

Dazu ist festzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften ua auch die Länder nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten schuldhaft zugefügt haben. Voraussetzung für den Amtshaftungsanspruch ist ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Behörde. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich auch im Bereich des Amtshaftungsrechts vor allem aus einem Verstoß gegen Ge- und Verbote der Rechtsordnung. Erfasst ist nicht nur der Bereich der Anwendung von materiell- und verfahrensrechtlichen Regelungen auf den Geschädigten, sondern die Verletzung aller öffentlich- und privatrechtlichen Vorschriften, die den Schutz von Rechtsgütern bezwecken (Mader in Schwimann³, Rz 48 zu § 1 AHG mwN).

Für das Verschulden gelten mangels näherer Bestimmung im AHG die Regeln des ABGB, wonach eine Haftung bei jedem Grad des Verschuldens besteht (Mader aaO Rz 65). Haftungsmaßstab ist in der Regel § 1299 ABGB (RS0049940 [T2]). Der Amtshaftungskläger hat dabei die schuldhafte Rechtsverletzung durch das Organ und darüber hinaus zu behaupten und zu beweisen, dass ihm der geltend gemachte Schaden ohne diese Rechtsverletzung nicht erwachsen wäre (RS0022469). Im Amtshaftungsverfahren kommt es allerdings - anders wie in einem Rechtsmittelverfahren - nicht darauf an, ob die in Betracht kommende Entscheidung oder das zu beurteilende Organverhalten richtig war, sondern ob dieses auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruhte (RS0049951 [T4]; RS0049955 [T6, T7]; RS0050216 [T2]; 1 Ob 125/17i).

Ein wesentlicher Grundsatz der gesetzlichen Verschuldenshaftungstatbestände - und damit auch des § 1 Abs 1 AHG - ist, dass (nur) für durch rechtswidriges Verhalten schuldhaft zugefügte Schäden zu haften ist (Reischauer in Rummel³ § 1295 ABGB Rz 1, 1a). Dann soll der Geschädigte so gestellt werden, wie er stünde, wenn das rechtswidrige Verhalten unterblieben wäre. Wäre der eingetretene Schaden auch bei gebotenem bzw rechtmäßigem Verhalten eingetreten, so steht dem Schädiger in der Regel konsequenterweise der sogenannte Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens zu, also der Hinweis darauf, dass dem Geschädigten nach dem erwähnten Haftungsregime Schadenersatz zu versagen ist, wenn bzw soweit der erlittene Nachteil jedenfalls eingetreten wäre, nämlich auch bei rechtmäßigem Vorgehen des (realen) Schädigers (Koziol, Haftpflichtrecht I.³ Rz 8/64; Karner in KBB 4 § 1295 ABGB Rz 14, jeweils mwN). Nach der Judikatur (RS002911) ist dem Beklagten der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens im Amtshaftungsprozess jedoch dann verwehrt, wenn die übertretene Verhaltensnorm von ihrem Schutzzweck her jedes andere Organverhalten ausschließen will und deshalb Eingriffe in fremdes Rechtsgut an eine bestimmte Form (ein bestimmtes Verhalten) binden will (vgl dazu auch Schragel, AHG³ § 1 Rz 155). Ob einer Schutznorm die Anordnung entnommen werden kann, dass pflichtgemäßes Alternativverhalten außer Betracht zu bleiben hat, ist im Einzelfall zu prüfen (RS0027498). Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist allerdings bei einer Verletzung „bloßer“ Verfahrensvorschriften grundsätzlich zulässig; es kann aber die Verletzung grundlegender Verfahrensvorschriften, die insbesondere das rechtliche Gehör betreffen, ein anderes Ergebnis rechtfertigen (RS0125828). Es ist demnach zu differenzieren, ob ein dem Schutz des Geschädigten dienendes besonderes Verfahren überhaupt nicht eingehalten oder nur Zuständigkeitsvorschriften oder Formfehler begangen wurden (1 Ob 12/10m).

Nach § 47 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren durch Strafverfügung eine Geldstrafe bis zu EUR 600,-- festsetzen, wenn von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde, einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder einer Militärwache aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung oder eines vor ihnen abgelegten Geständnisses eine Verwaltungsübertretung angezeigt (oder wenn das strafbare Verhalten aufgrund von Verkehrsüberwachung mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen festgestellt) wird. Diese Bestimmung ermöglicht es den Verwaltungsstrafbehörden unter den bezeichneten Voraussetzungen minderschwere Verwaltungsübertretungen ohne Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens zu erledigen und dient somit der Entlastung der Strafbehörden sowie der Vereinfachung des Strafverfahrens (Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG [2013], § 47 Rz 1). Abgekürzte Erledigungsformen nach Art der §§ 47 f VStG stehen aber in einem Spannungsverhältnis zu Art 6 Abs 2 EMRK iVm Art 48 Abs 1 GRC (dazu allgemein Grabenwarter/Pabel, EMRK § 24 Rz 126; N. Raschauer/Granner, FS Berka 197 [213]). Dies, weil in einem abgekürzten Verfahren, das zunächst mittels Strafverfügung abgeschlossen wird, die Schuld des Angeklagten angenommen („vermutet“) wird, ohne dass zuvor ein rechtsstaatlich gebotenes, kontradiktorisches Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde (vgl auch Sprinzel, ZVR 1999, 6: Bestrafung im Verdachtsbereich). Vom Erstgericht wurde daher zu Recht hervorgehoben, dass § 47 VStG auch eine Schutzkomponente zugunsten eines Beschuldigten beinhaltet. Nur unter den dort genannten ausdrücklichen Voraussetzungen soll von einem rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahren im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK iVm Art 47 GRC abgesehen werden können (vgl zu alledem auch Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz, § 47 Rz 5). Damit ist aber gerade jene von der Judikatur (siehe oben) angeführte Konstellation gegeben, nämlich dass der Schutzzweck des § 47 VStG jedes andere Organverhalten ausschließen will und deshalb Eingriffe in fremdes Rechtsgut an eine bestimmte Form (ein bestimmtes Verhalten) binden will. Die Erlassung einer Strafverfügung ohne dass dieser eine „eigene dienstliche Wahrnehmung“ (allein diese Alternative kommt hier in Betracht) zugrundeliegt, soll vom Schutzzweck des § 47 VStG jedenfalls ausgeschlossen sein. Damit ist der beklagten Partei aber gegenständlich der Einwand, dass der vom Kläger geltend gemachte Schaden diesem auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten (sofortige Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) entstanden wäre, verwehrt.

Für den nach § 1 Abs 1 AHG zu ersetzenden Schaden gelten die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts (Schragel AHG³, § 1 Rz 67). Nach § 1293 Abs 1 ABGB ist jeder Nachteil am Vermögen, Rechten oder an der Person positiver Schaden. Dazu zählt auch der Aufwand zur Gefahrenabwehr oder zur Verhinderung einer Schadensvergrößerung (8 Ob 6/09d). Der zweckmäßige Rettungsaufwand kann auch in Rechtsverfolgungskosten liegen (1 Ob 87/08p; 1 Ob 38/11m ua). Das gilt allgemein für Verfahrenskosten und damit zusammenhängende weitere Aufwendungen, die einer an einem behördlichen Verfahren beteiligten Person durch rechtlich nicht vertretbare Entscheidungen oder Verfahrensschritte erwachsen sind (Schragel aaO § 1 Rz 173 mwN; RS0023577). Der Amtshaftungskläger kann allerdings nur den Ersatz jenes Aufwands begehren, der zur Herstellung des rechtmäßigen Zustands tatsächlich erforderlich war (RS0023577). Die Behauptungs- und Beweislast für den Schaden, somit auch für den zweckmäßigen Verfahrenskostenaufwand trifft dabei den Amtshaftungskläger. Dieser hat aber kein Vorbringen dazu erstattet, was der Inhalt des Telefonats vom 15.2.2017 mit seinem Vertreter war. Ebenso wenig erfolgte eine Vorlage des E-Mails vom 21.2.2017. Von der beklagten Partei wird in ihrer Berufung daher zu Recht darauf verwiesen, dass die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Positionen nicht hinreichend behauptet bzw nachgewiesen ist.

Was hingegen das Telefonat vom 20.2.2017 mit Mag. ***** (BH *****) betrifft, wurde vom Kläger ein konkretes Vorbringen zu dessen Zweck erstattet, dem die beklagte Partei nicht substantiiert entgegen getreten ist (§ 267 ZPO).

Dem Kläger stehen daher die Positionen Aktenstudium (EUR 219,60), Vollmachtsbekanntgabe samt Antrag auf Akteneinsicht (EUR 46,28), Telefonat mit Mag. ***** (EUR 49,92) und Einspruch (EUR 639,20), zuzüglich 20 % USt (EUR 191,--) zu, insgesamt daher ein Betrag von EUR 1.146,--.

In diesem Sinne war das angefochtene Urteil in teilweiser Stattgebung der Berufung der beklagten Partei abzuändern. Dies bedingt auch eine reformatorische Kostenentscheidung. Der Kläger ist nunmehr mit 61 % seines Begehrens durchgedrungen, weshalb er Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühr in diesem Umfang (dies ergibt EUR 62,22) und seiner Vertretungskosten im Ausmaß von 22 % hat. Die Einwendungen der beklagten Partei gegen das Kostenverzeichnis des Klägers sind insoferne berechtigt, als die Äußerung vom 3.11.2017 nicht zu honorieren ist. Dem Kläger steht aber der doppelte Einheitssatz für die Verhandlungen vor dem Erstgericht zu, weil er nicht am Gerichtsort wohnhaft ist, daher auch einen Vertreter an seinem Wohnort (*****) wählen hätte können. Darauf, ob ein besonderes Vertrauensverhältnis des Klägers zu seinem Vertreter besteht, kommt es dabei gar nicht mehr an. Die Vertretungskosten im Verfahren erster Instanz errechnen sich für den Kläger daher mit netto EUR 1.191,46, 22 % hievon ergibt EUR 262,12. Zuzüglich der Mehrwertsteuer (EUR 52,42) und der anteiligen Pauschalgebühr ergibt sich daher ein Vertretungskostenanspruch des Klägers im Verfahren erster Instanz von EUR 376,76.

Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf §§ 50, 43 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei ist im Berufungsverfahren mit 11 % durchgedrungen, hat daher Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühr in diesem Umfang (EUR 15,84), während sie dem Kläger 78 % der Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen hat, also EUR 245,48 (kein dreifacher Einheitssatz: § 23 Abs 10 RATG). Per Saldo ergibt sich daher ein restlicher Kostenersatzanspruch des Klägers im Berufungsverfahren von EUR 229,64.

Die absolute Unzulässigkeit der Revision folgt aus § 502 Abs 2 ZPO.

Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 4

Innsbruck, am 12.3.2018

Dr. Georg Hoffmann, Senatspräsident

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