4R91/17i – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und die Richterin Dr. Prantl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei *****N *****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, wider die beklagte Partei G *****, vertreten durch Advokaturbüro Pitschmann Santner Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, wegen (restlich) Nebengebühren, über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 7.6.2017, 4 Cg 98/16h 20, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 210,84 (darin enthalten EUR 35,14 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist bei der Beklagten unfallversichert. Bei ihm liegt auf Grund eines am 1.8.2015 erlittenen Unfalls eine dauernde Invalidität im Ausmaß von 100 % vor. Die vertragliche Invaliditätsleistung hiefür beträgt EUR 449.070,80. Dieser Betrag wurde von der Beklagten an den Kläger in mehreren Teilzahlungen geleistet, und zwar
am 15.2.2016 EUR 9.000,00 am 10.3.2016 EUR 4.000,00 am 8.7.2016 EUR 112.000,00 am 10.10.2016 EUR 95.044,70 am 29.11.2016 EUR 229.026,10.
Auch über die dem Kläger vertraglich zustehende Rentenzahlung erzielten die Parteien Einigung, was mit Schriftsatz vom 31.1.2017 mitgeteilt wurde.
Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Unfallvorsorge (AUVB 2006) lauten - auszugsweise - wie folgt:
„I. Was ist bei den jeweiligen Leistungsarten zu beachten?
...
2. Fälligkeit der Leistung
Wir sind verpflichtet, bei allen Ansprüchen aus der Unfallversicherung innerhalb eines Monats zu erklären, ob und in welcher Höhe wir eine Leistungspflicht anerkennen. Die Frist beginnt mit dem Eingang der Unterlagen, die der Anspruchsberechtigte zur Feststellung des Unfallhergangs, der Unfallfolgen und über den Abschluss des Heilverfahrens uns vorzulegen hat.
Steht die Leistungspflicht dem Grunde und der Höhe nach fest, ist die Leistung fällig. Die Fälligkeit der Leistung tritt jedoch unabhängig davon ein, wenn der Anspruchsberechtigte nach Ablauf zweier Monate seit dem Begehren nach einer Geldleistung eine Erklärung von uns verlangt, aus welchen Gründen die Erhebungen noch nicht beendet werden konnten, und wir diesem Verlangen nicht binnen eines Monats entsprechen.
Steht die Leistungspflicht nur dem Grunde nach fest, dann kann der Anspruchsberechtigte von uns Vorschüsse bis zu der Höhe des Betrages verlangen, den er nach Lage der Sache mindestens zu zahlen haben werden. (§ 11 VersVG)
...
3. Grundlagen der Leistungserledigung
Grundlage der Leistungserledigung sind alle vorliegenden Dokumente, medizinische Befunde und Gutachten von Sachverständigen. ...
R. Was gilt bei Meinungsverschiedenheiten?
1. Im Fall von Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Unfallfolgen oder darüber in welchem Umfang die eingetretene Beeinträchtigung auf den Versicherungsfall zurückzuführen ist, ferner über die Beeinflussung der Unfallfolgen durch Krankheit oder Gebrechen sowie im Falle des Abschnitt G, Punkt 7 [Grad der dauernden Invalidität steht nicht eindeutig fest] entscheidet die Ärztekommission . ...
2. In den nach Pkt. 1. der Ärztekommission zur Entscheidung vorbehaltenen Meinungsverschiedenheiten ist der Anspruchsberechtigte berechtigt, innerhalb von 6 Monaten nach Zugang der Ergebnisse bzw. der Entscheidung (siehe Abschnitt I, Punkt 2), Widerspruch zu erheben und mit Vorlage eines medizinischen Gutachtens unter Bekanntgabe seiner Forderung gemäß Abschnitt I, Punkt 2 die Entscheidung der Ärztekommission zu beantragen.
Das Recht, die Entscheidung der Ärztekommission zu beantragen, steht auch uns zu. ...“
Der den Kläger in Versicherungsangelegenheiten selbständig betreuende P***** S***** nahm nach dem Unfall am 1.8.2015 umgehend die Schadensmeldung für den Kläger bei der Beklagten vor, wobei er das Schadensmeldungsformular der Beklagten verwendete. Spätestens 4 Wochen nach dem Unfall übermittelte er weiters das von der Beklagten geforderte und vom Kläger unterschriebene Ermächtigungsformular zur Einholung sämtlicher weiterer Krankenunterlagen des Klägers an die Beklagte.
Mit dem der Beklagten zugegangenen Schreiben der Klagsvertreterin vom 7.6.2016 teilte diese mit, dass sie den Kläger wegen seiner Ansprüche aus dem Vorfall vom 1.8.2015 vertritt. Weiters wurde mitgeteilt, dass beim Kläger auf Grund des Unfalls eine bereits jetzt gesicherte 100 %ige Invalidität zurückbleibe, sodass das bislang geleistete Akonto von EUR 10.000,-- völlig unzureichend sei. Laut dem Änderungsdokument vom 16.2.2016 stünden ihm für Invalidität EUR 453.000,-- zuzüglich diverser Heil-, Betreuungs- und Pflegekosten zu. Weiters wird die Beklagte um Übermittlung verschiedener den Versicherungsvertrag betreffender Unterlagen ersucht und heißt es im Schreiben in der Folge:
„Sollten wir bis zum 21. Juni 2016 ohne Zugang der Unterlagen sein, bzw. nicht im Besitz einer angemessener Akontoleistung, wir gehen von EUR 200.000,-- aus, bringen wir die Klage ein ...
PPS: Gemäß § 11 Abs. a VersVG verlangen wir die Erklärung, warum die Erhebungen nicht abgeschlossen werden konnten.“
Mit der Klagsvertreterin zugegangenem Schreiben der Beklagten vom 13.6.2016 wurde mitgeteilt, dass die rechtsfreundliche Vertretung des Klägers zur Kenntnis genommen werde und wunschgemäß diverse, in diesem Schreiben im Einzelnen aufgelistete Unterlagen, übermittelt werden und weiters heißt es in diesem Schreiben:
„Wir haben Ihre mitgesandten Befunde und das SV GA vom 4.2.2016 mit unseren bisher vorliegenden Befunden verglichen und festgestellt, dass wir vorläufig keine weiteren med. Unterlagen wie die von Ihnen zur Verfügung gestellten, besitzen. Im Gegenteil, war uns das SV GA, sowie der Befund des Z***** vom 23.4.2016 noch nicht bekannt. ... und nach Information über einen stabilen Ausheilungszustand sind gutachterliche Untersuchungen vorgesehen, welche den bleibenden Invaliditätsgrad bemessen sollen.
Wenn diese Gutachten vorliegen, informieren wir Sie gerne über das Ergebnis und die daraus resultierenden weiteren Leistungen. ...
Bevor wir entsprechende Gutachten in Auftrag geben, ersuchen wir um Information, in welchem KH und von wann bis wann Ende April 2016 die Materialentfernung stattfand. Des Weiteren ist im Befund Dr. L***** festgehalten, dass ein weiterer Reha-Aufenthalt im B***** ausdrücklich befürwortet wird. Wenn dieser zeitnah erfolgt, sollte dieser noch abgewartet werden. Auch diesbezüglich ersuchen wir um Information. ...“
Von der Klagsvertreterin bzw. dem Kläger wurden in der Folge die im Schreiben vom 13.6.2016 geforderten Informationen betreffend Materialentfernung und weiterem Reha-Aufenthalt nicht übermittelt.
Mit Schreiben vom 4.7.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie den Facharzt für Neurologie Dr. S***** mit einer fachärztlichen Untersuchung beauftragt habe, wobei der Kläger die diesbezügliche Einladung direkt vom Arzt erhalten werde. Dabei soll geklärt werden, in welchem Ausmaß eine dauernde Invalidität infolge des Unfalls eingetreten ist. Am selben Tag beauftragte die Beklagte Dr. S***** mit der Begutachtung des Klägers, allerdings teilte Dr. S***** der Beklagten mit Schreiben vom 8.7.2016 mit, dass er neurologische Gutachten nur das Gehirn betreffend erstattet, nicht jedoch für die beim Kläger vorliegende Querschnitts-Symptomatik. Daraufhin beauftragte die Beklagte mit Schreiben vom 11.7.2016 den Facharzt für Neurologie Dr. R***** mit der Begutachtung des Klägers, wobei die Beklagte im Gutachtensauftrag auch ersuchte, gesondert mitzuteilen, wenn eine Begutachtung aus einem anderen Fachgebiet notwendig sein sollte. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde auch der Kläger über die nunmehr erfolgte Beauftragung des Dr. R***** mit der Begutachtung informiert.
Der Kläger wurde von Dr. R***** zur Gutachtensuntersuchung am 31.8.2016 eingeladen, was Dr. R***** auch der Beklagten mit Schreiben vom 15.7.2016 mitteilte.
Mit Schreiben der Klagsvertreterin vom 24.8.2016 wurde der Beklagten ein mittlerweile im Auftrag des Klägers eingeholtes Gutachten des Facharztes für Neurochirurgie Univ.-Prof. Dr. E***** übermittelt, wonach beim Kläger - selbst unter Berücksichtigung einer Vorinvalidität - eine Invalidität von mehr als 100 % vorliege. Die Beklagte wurde gebeten, den Betrag von EUR 456.174.03 unter Berücksichtigung ihrer Akontozahlungen bis 7.9.2016 zu leisten, welcher Aufforderung die Beklagte nicht nachkam. Am 8.9.2016 wurde vom Kläger die nunmehrige Klage auf Zahlung von EUR 320.000,-- s.A. erhoben, welche der Beklagten am 12.9.2016 zugestellt wurde.
Nach Urgenz durch die Beklagte mit E Mail vom 21.9.2016 übermittelte Dr. R***** am 28.9.2016 sein neurologisch-psychiatrisches Gutachten an die Beklagte. Dr. R***** führte in der Zusammenfassung seines Gutachtens aus, dass die Invalidität auf Grund der vom Kläger beim Unfall erlittenen Verletzungen 80 % beträgt. Mit E Mail vom 4.10.2016 rügte die Beklagte bei Dr. R***** die Unvollständigkeit und mangelnde Nachvollziehbarkeit seines Gutachtens und ersuchte um entsprechende Gutachtensergänzung.
In der im gegenständlichen Verfahren am 10.10.2016 erstatteten Klagebeantwortung anerkannte die Beklagte einen Betrag von EUR 95.044,70 und bestritt das darüber hinausgehende Begehren mit der Begründung, die Heilbehandlung des Klägers sei noch nicht abgeschlossen und die Leistungspflicht stehe der Höhe noch nicht fest, weshalb nur ein Vorschuss bis zur Höhe des Betrags, den die Beklagte der Sache nach mindestens zu zahlen haben werde, zustehe. Sie gehe für diese Vorschussleistung von einem Invaliditätsgrad von 70 % aus, wofür nach dem zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherungsvertrag eine Entschädigung von EUR 220.044,70 zustehe. Die Beklagte brachte dazu weiters vor, dass eine Meinungsverschiedenheit im Sinne des Abschnitts R der AUVB 2006 vorliege und beantragte daher die Entscheidung der Ärztekommission hierüber; sie benannte als Mitglied der Ärztekommission Dr. R***** und forderte den Kläger auf, binnen 14 Tagen ebenfalls einen Facharzt zu benennen.
Mit E Mail vom 13.10.2016 teilte die Beklagte der Klagsvertretung ua. mit, man habe aus dem Titel Unfall-Kapital eine Akontoleistung von EUR 220.044,70 nach dem vorläufigen Informationsstand auf Basis einer maßgeblichen Dauerinvalidität von 70 % überwiesen.
Die Klagsvertreterin antwortete darauf mit Schreiben vom selben Tag und forderte die Beklagte unter anderem auf, schriftlich zu erklären, dass sie für die gesamten Kosten der Ärztekommission aufkomme. Erst nach Eingang dieser Zusage werde der Kläger entsprechend tätig.
Am 20.10.2016 erstattete Dr. R***** die angeforderte Gutachtensergänzung, in dem er empfahl, zur Einschätzung der Blasenfunktionsstörung ein urologisches und hinsichtlich der Mastdarmfunktionsstörung ein chirurgisches Gutachten einzuholen.
Am 21.10.2016 beauftragte die Beklagte einen Facharzt für Urologie mit der Beurteilung der Höhe einer allfällig unfallbedingten dauernden Invalidität beim Kläger unter Berücksichtigung des vorliegenden Gutachtens Dris. R*****.
Mit Schreiben vom 24.10.2016 übermittelten die Beklagtenvertreter der Klagsvertreterin das Gutachten Dris. R***** samt Ergänzungsgutachten und teilten weiters mit, dass nunmehr auch noch ein urologisches Gutachten in Auftrag gegeben worden sei. Weiters erklärten die Beklagtenvertreter in diesem Schreiben, dass die Beklagte für die Kosten der Ärztekommission aufkomme, worauf die Klagsvertreterin ihr Mitglied der Ärztekommission, „unpräjudiziell zur Frage, ob die Beklagte überhaupt zur Einleitung des Ärztekommissionsverfahrens berechtigt ist“ , benannte.
Am 22.11.2016 langte bei der Beklagten das von ihr in Auftrag gegebene urologische Gutachten ein, aus dem sich nunmehr insgesamt eine unfallkausale dauernde Invalidität beim Kläger im Ausmaß von 100 % ergab.
Mit Schriftsatz vom 23.11.2016 anerkannte die Beklagte hierauf einen weiteren Betrag von EUR 229.026,10 unter gleichzeitigem ausdrücklichen Verzicht auf die weitere Durchführung des von ihr beantragten Verfahrens vor der Ärztekommission, worauf der Kläger sein Klagebegehren mit Schriftsatz vom 31.1.2017 auf Nebengebühren einschränkte.
Nach der Klagseinschränkung begehrt der Kläger von der Beklagten nunmehr noch die Zahlung von 4 % Zinsen aus EUR 449.070,80 vom 1. 2. 2015 bis 14.2.2016, aus EUR 440.070,80 vom 15.2.2016 bis 9.3.2016, aus EUR 436.070,80 vom 10.3.2016 bis 7.7.2016, aus EUR 324.070,80 vom 8.7.2016 bis 9.10.2016 sowie aus EUR 229.026,10 vom 10.10.2016 bis 28.11.2016. Zur Fälligkeit brachte er in der Klage vor, dass spätestens 4 Monate nach dem Unfall festgestanden habe, dass er zu 100 % invalid sei. Ab diesem Zeitpunkt sei sohin auch die Versicherungsentschädigungsleistung nach dem zwingenden § 11 VersVG festgestanden, sodass es angemessen sei, dass die Fälligkeit für den Zinsenlauf mit 1.12.2015 angenommen werde. Zumindest sei am 1.12.2015 eine Akontoleistung in Höhe von 100 % der Entschädigungssumme fällig gewesen.
Die Ärztekommission sei nicht zuständig, weil Art und Umfang der Unfallfolgen und die Beeinträchtigungen längst feststünden und ärztlich attestiert seien. Hinsichtlich der Frage, welche Invalidität jedenfalls zu leisten sei, sei kein Verfahren nach der Ärztekommission vereinbart worden. Im Übrigen sei die Beantragung des Schiedsgutachterverfahrens verspätet erfolgt. Bereits im Forderungsschreiben vom 7.6.2016 habe der Kläger aus dem Titel der Invalidität und der Bezugnahme auf die Querschnittslähmung einen Betrag von EUR 453.000,-- geltend gemacht. Ab Zugang dieses Schreibens hätte die Beklagte, wäre sie mit dieser Invaliditätseinschätzung nicht einverstanden gewesen, unverzüglich das Schiesgutachterverfahren einleiten müssen, was sie allerdings nicht getan habe.
Aus dem von der Beklagten eingeholten urologischen Gutachten ergebe sich eindeutig, dass es ihr möglich gewesen wäre, innerhalb von nur einem Monat nach Beauftragung eines Gutachters eine entsprechende medizinische Expertise zum Ausmaß der Invalidität zu erhalten, womit wiederum klar sei, dass bei gesetzlich gebotener zügiger Erhebungsarbeit der Beklagten jedenfalls spätestens im Fälligkeitszeitpunkt (1.12.2015) die Erhebungen abgeschlossen und für die Beklagte erkennbar gewesen wäre, dass sämtliche Versicherungsansprüche zu allen Leistungstiteln in vollem Umfang zu Recht bestehen.
Die Beklagte, welche das eingeschränkte Klagebegehren bestritt, wendete im Wesentlichen ein, dass die Vorschüsse innerhalb des ersten Jahres wegen fehlendem Abschluss des Heilverfahrens summenmäßig begrenzt seien. Einen weiteren Vorschuss habe die Beklagte schon kurz vor Ablauf der Jahresfrist am 4.7.2016 zu den bereits zuvor geleisteten EUR 13.000,-- in Höhe von EUR 112.000,-- bezahlt und gleichzeitig einen Neurologen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Die Leistungspflicht habe damals zwar dem Grunde nach bestanden, die Höhe der zu erbringenden Leistung sei allerdings noch nicht festgestanden und habe auch noch nicht endgültig bemessen werden können. Damit habe auch noch kein fälliger Anspruch auf Unfallkapital, sondern nur auf Vorschüsse bestanden, die die Beklagte ohnehin geleistet habe. Wegen der auch vorerst bestandenen Meinungsverschiedenheit über den Umfang der Unfallfolgen und daraus resultierend zum Grad der dauernden Invalidität sei auch vorerst von der Beklagten die Entscheidung der Ärztekommission beantragt worden. Die Beklagte habe darüber hinaus zur Klagsführung keine Veranlassung gegeben, weshalb sie auch Prozesskostenzuspruch beantrage.
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das gesamte restliche Klagebegehren ab und verpflichtete den Kläger, der Beklagten die mit EUR 6.203,77 bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen. Es legte seiner Entscheidung im Wesentlichen den eingangs zusammengefasst dargestellten Sachverhalt zugrunde und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die in den Versicherungsbedingungen zu Gunsten beider Parteien zum Zweck der Herbeiführung einer raschen und kostengünstigen Entscheidung über die Höhe des Invaliditätsgrads vorgesehene Einrichtung einer Ärztekommission stelle einen Schiedsgutachtervertrag im Sinne des § 184 Abs 1 VersVG dar. Der Beantragung der Ärztekommission komme keine prozesshindernde Wirkung zu, allerdings werde der Anspruch des Versicherungsnehmers in materiell-rechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht fällig, solange das Ärztekommissionsverfahren nicht durchgeführt wurde. Stehe ein vereinbartes Sachverständigenverfahren noch aus, sei die Leistung der Versicherungsunternehmung nicht fällig. Diese zwischen den Parteien getroffene und herangezogene Bestimmung sei nicht ungewöhnlich im Sinne des § 864a ABGB, sie sei auch nicht sittenwidrig oder grob benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB. Die Versicherungsunternehmung könne auf die Einrede des Sachverständigenverfahrens verzichten, indem sie dieses Verfahren nicht mehr verlange, die könne auch schlüssig erfolgen, hiebei sei jedoch ein strenger Maßstab anzulegen. Die Beklagte habe auf dieses Verfahren bis zuletzt nicht verzichtet.
Gemäß § 11 Abs 1 VersVG trete die Fälligkeit der Versicherungsleistung erst nach Abschluss sämtlicher zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen ein. Geldleistungen des Versicherers seien mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig. Die Fälligkeit trete jedoch unabhängig davon ein, wenn der Versicherungsnehmer nach Ablauf zweier Monate seit dem Begehren nach einer Geldleistung eine Erklärung des Versicherers verlangt, aus welchen Gründen die Erhebungen noch nicht beendet werden konnten, und der Versicherer diesem Verlangen nicht binnen eines Monats entspricht. Solange Erhebungen bis zum Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalls noch nicht beendet sind, so könne der Versicherungsnehmer in Anrechnung auf die Gesamtforderung Abschlagszahlungen in der Höhe des Betrags verlangen, den der Versicherer nach Lage der Sache zumindest zu zahlen habe (§ 11 Abs 2 VersVG). Der Lauf der Frist des Abs 2 sei gehemmt, solange die Beendigung der Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers gehindert ist (§ 11 Abs 3 VersVG). Komme die Versicherungsunternehmung ihrer Obliegenheit zur Information des Versicherungsnehmers nicht binnen eines Monats ab dessen entsprechenden Verlangen nach, so trete Fälligkeit ihrer Geldleistungen unabhängig vom Stand der Erhebungen ein. Die Versicherungsunternehmung sei in diesem Fall daher jedenfalls zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet und habe allenfalls Schadenersatzansprüche wegen verspäteter Zahlung zu gewähren.
Die Beklagte habe auf das Schreiben der Klagsvertreterin vom 7.6.2016 mit dem Verlangen im Sinne des § 11 Abs 1 VersVG, nämlich einer Erklärung, warum die Erhebungen noch nicht abgeschlossen werden konnten, umgehend mit Schreiben vom 13.6.2016 geantwortet und auf die ausstehenden Gutachten hingewiesen, sodass sie ihrer Auskunftsobliegenheit nachgekommen sei. Stelle der Versicherer keine oder nicht sachdienliche Erhebungen an oder ziehe er die Erhebungen ohne Grund in die Länge, so sei für die Fälligkeit der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Erhebungen unter korrektem Vorgehen beendet gewesen wären. Eine dem Sachverständigen oder der Versicherungsunternehmung anzulastende Verzögerung könne die Fälligkeit der Versicherungsleistung bewirken, und zwar dann, wenn der für das Verfahren normalerweise erforderliche Zeitraum deutlich überschritten werde und eine Abmahnung erfolgte. Hiebei dürfe der Versicherungsnehmer allerdings allfällige Mitwirkungspflichten nicht verletzt haben.
Jeder der ein Recht für sich in Anspruch nehme, müsse die rechtsbegründenden Tatsachen beweisen, sodass der Versicherungsnehmer eine Verzögerung im Sinne des § 184 Abs 1 VersVG beweisen müsse.
Die Beklagte habe gegenständlich sachdienliche Erhebungen angestellt, wobei sie ihre Erhebungen nicht ohne Grund in die Länge gezogen und auch nicht verzögert habe. Die endgültige Objektivierung der dauernden Invalidität beim Kläger sei der Beklagten zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Bis zuletzt sei das vereinbarte Ärztekommissionsverfahren nicht beendet worden, weshalb mangelnde Fälligkeit vorgelegen habe.
Seine Kostenentscheidung stützte das Erstgericht auf §§ 41 und 45 ZPO. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten zur Klagsführung keine Veranlassung gegeben und den in der Klage erhobenen Anspruch sofort bei erster Gelegenheit anerkannt, sodass dem Kläger die Prozesskosten zur Last fielen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerechte Berufung des Klägers, der eine Rechts- und Kostenrüge ausführt und beantragt, in Stattgebung der Berufung dem gesamten eingeschränkten Klagebegehren stattzugeben und ihm Prozesskostenersatz im Umfang von EUR 18.991,76 zuzuerkennen.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, in der sie auch sekundäre Feststellungsmängel geltend macht, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Der Kläger argumentiert in seiner kombinierten Rechts- und Kostenrüge, dass mit Schreiben vom 7.6.2016 die Erklärung nach § 11 Abs 1 zweiter Satz VersVG (Fälligkeit mangels Bekanntgabe) gefordert worden sei. Per 7.9.2016 sei der Klagsanspruch mangels Bekanntgabe, warum die Erhebungen noch nicht abgeschlossen werden konnten, fällig geworden. § 11 VersVG, welcher zwingendes Recht sei, derogiere sämtliche Bestimmungen über die mangelnde Fälligkeit wie zB die Nichteinleitung des Ärztekommissionsverfahrens. Im Übrigen sei das Ärztekommissionsverfahren erstmals in der Klagebeantwortung vom 10.10.2016 von der Beklagten beantragt worden, was verspätet sei. Spätestens mit Vorliegen des Gutachtens E***** vom 29.7.2016 wäre die unverzügliche Einleitung des Ärztekommissionsverfahrens zur Hintanhaltung einer vermeintlichen Fälligkeit indiziert gewesen. Gegenständlich habe der Antrag auf Einleitung des Ärztekommissionsverfahrens nicht den Zweck gehabt, Meinungsverschiedenheiten rasch beizulegen, sondern die berechtigte Forderung des Klägers hinauszuzögern. Es sei ja dann auch schon vor Durchführung des Ärztekommissionsverfahrens auf dieses seitens der Beklagten wiederum verzichtet worden.
Hiezu hat das Berufungsgericht erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Soweit die Klägerin Zinsen bereits seit 1. 2. 2015 begehrt, stehen diese schon deshalb nicht zu, weil der Versicherungsfall erst 6 Monaten später eintrat. Allerdings dürfte es sich diesbezüglich um einen Schreibfehler handeln, weil sich aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin ergibt, dass sie den Standpunkt vertrat, dass Fälligkeit 4 Monate nach dem Unfall eintrat und daher Zinsen seit 1. 12. 2015 zustünden.
2. In seiner Berufung vertritt der Kläger ausdrücklich und ausschließlich den Standpunkt, Zinsen stünden ab 8.9.2016 zu, weil der Klagsanspruch per 7.9.2016, somit 3 Monate nach seinem Schreiben vom 7.6.2016, fällig geworden sei. Hinsichtlich des Zeitraums bis 7.9.2016 ist die Berufung vollkommen inhaltsleer, sodass nicht nachvollziehbar ist, warum die Abweisung des Zinsenbegehrens bis einschließlich 7.9.2016 formal überhaupt bekämpft wurde. In einer zulässigen Rechtsrüge muss allerdings dargelegt werden, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig sein soll, weil sonst keine Überprüfung der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht stattfinden kann (RIS-Justiz RS0043654 [T15]). Eine solche „inhaltsleere“ Rechtsrüge ist einer nicht erhobenen gleichzuhalten und kann daher keine Überprüfung der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht bewirken (RIS-Justiz RS0043654 [T14]).
Hinsichtlich der bis einschließlich 7.9.2016 hat es daher schon aus dem in den Punkten 1. und 2. dargelegten Gründen bei der Abweisung zu bleiben.
3. Gegen die Abweisung des Zinsenbegehrens ab 8.9.2016 argumentiert der Kläger ausschließlich damit, dass Fälligkeit der gesamten Versicherungsleistung mangels Bekanntgabe, warum die Erhebungen noch nicht abgeschlossen werden konnten, eingetreten sei.
Dieser Argumentation ist nicht beizupflichten.
Die Fälligkeit von Geldleistungen des Versicherers wird in § 11 VersVG normiert, wobei diese Bestimmung gemäß § 15a Abs 1 VersVG zur Gänze zu Gunsten des Versicherungsnehmers zwingend ist. Der Versicherer kann sich also nicht auf eine Vereinbarung, die von dieser Vorschrift zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweicht, berufen ( Gruber in Fenyves/Schauer , VersVG § 11 Rz 44 und § 15a Rz 2). Im konkreten Fall weichen allerdings die Regelungen in den AUVB 2006 betreffend die Fälligkeit der Leistung (Pkt I.2.) nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorschriften ab, sondern entsprechen der Regelung in § 11 VersVG.
Grundsätzlich werden Geldleistungen des Versicherers nach § 11 Abs 1 Satz 1 VersVG mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers nötigen Erhebungen fällig. Nach Abs 2 leg cit tritt allerdings die Fälligkeit unabhängig von der Beendigung der nötigen Erhebungen ein, wenn der Versicherungsnehmer nach Ablauf zweier Monate seit dem Begehren nach einer Geldleistung eine Erklärung des Versicherers verlangt, aus welchen Gründen die Erhebungen noch nicht beendet werden konnten, und der Versicherer diesem Verlangen nicht binnen eines Monats entspricht. Nach § 11 Abs 2 VersVG kann der Versicherungsnehmer nach Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalls Abschlagszahlungen in Anrechnung auf die Gesamtforderung verlangen.
Abs 3 leg cit enthält einen Hemmungstatbestand für die Einmonatsfrist des Abs 2, solange die Beendigung der Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers gehindert ist ( Gruber aaO § 11 Rz 1).
Erbringt der Versicherer die Geldleistungen trotz Fälligkeit nicht, so tritt nach allgemeinen Regeln Verzug ein, d.h., den Versicherer trifft die Verpflichtung, Verzugszinsen zu zahlen; eine gegenteilige - hier allerdings nicht vorliegende - Vereinbarung wäre gemäß § 11 Abs 4 VersVG unwirksam.
Nicht nur nach den Feststellungen des Erstgerichts, sondern auch nach dem nunmehr in der Berufung vertretenen Standpunkt des Klägers begehrte er erstmals mit dem Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 7.6.2016 von der Beklagten die Leistung einer Invaliditätsentschädigung, wobei mit der bloßen Schadensanzeige die Fristen des § 11 VersVG nicht ausgelöst werden (siehe Gruber , aaO, Rz 25, 26). Auf Grund dieses Schreibens entstand auf Seiten der Beklagten die Verpflichtung, entsprechende Erhebungen durchzuführen bzw. sich zum geltend gemachten Anspruch zu erklären. Die Beklagte antwortete auch bereits mit Schreiben vom 13.6.2016, mit welchem sie dem Kläger nicht nur von ihm gewünschte Vertragsunterlagen übermittelte und ihre bisher erbrachten Leistungen auflistete, sondern ihm auch mitteilte, dass sie nunmehr Gutachten einholen werde und ihn dann über das Ergebnis und die daraus resultierenden weiteren Leistungen informieren werde. Allerdings ersuchte sie ihn auch um Informationen betreffend die Materialentfernung und ob noch ein weiterer Reha-Aufenthalt vorgesehen ist, was seitens des Klägers - trotz entsprechender Aufklärungsobliegenheit - unbeantwortet blieb.
Der Umstand, dass die Beklagte erst knapp ein Monat nach Zugang des Forderungsschreibens vom 7.6.2016 einen Sachverständigen beauftragte, kann daher nicht als schuldhafte, ihr zuzurechnende Verzögerung der Erhebungen qualifiziert werden, weil sie den Kläger in ihrem Schreiben vom 13.6.2016 ausdrücklich darauf hinwies, dass sie vor der Einholung der Gutachten noch die angeführten Informationen vom Kläger benötigt. Dass diese unnotwendig gewesen wären, wurde vom Kläger weder behauptet noch ist dies erkennbar, zumal es einerseits um die Frage ging, ob die Heilbehandlung bereits abgeschlossen ist und andererseits in welchem Krankenhaus die Materialentfernung beim Kläger durchgeführt wurde, weil dort die entsprechenden Krankenunterlagen angefordert werden könnten. Es trat also insofern eine Hemmung des Abs 2 im Sinn des § 11 Abs 3 VersVG ein bis zum Zeitpunkt, als die Beklagte schlüssig auf diese Informationen verzichtete, also bis zur Erteilung des ersten Gutachtensauftrags vom 4.7.2016.
Die getätigten Erhebungen, insbesondere auch zur Feststellung des Invaliditätsgrads, von dem die zu erbringende Leistung unmittelbar abhängt, waren vor Zugang des urologischen Fachgutachtens am 22.11.2016 jedenfalls nicht abgeschlossen. Denn sowohl die Einholung eines neurologischen Gutachtens als auch die Einholung eines urologischen Gutachtens waren nötige Erhebungen, die ein durchschnittlicher Versicherer dieses Versicherungszweigs braucht, um den Versicherungsfall abschließend feststellen zu können und zu prüfen, insbesondere auch im Hinblick auf den Umfang der Leistungspflicht ( Gruber aaO Rz 13). Die Beweislast für die fehlende Notwendigkeit der Erhebungen trifft nach der ständigen Rechtsprechung den Versicherungsnehmer, der sich auf die Fälligkeit der Geldleistung des Versicherers beruft ( Gruber aaO Rz 14 mwN; RIS-Justiz RS0080315).
Wenn nunmehr der Kläger argumentiert, es sei ohnehin längst festgestanden, dass die bei ihm verbleibende dauernde Invalidität 100 % betrage, sodass es gar keiner weiteren Erhebungen bedurft habe, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich dies allein aus dem Verletzungsbild nicht ableiten lässt. Insbesondere ist auch darauf hinzuweisen, dass keine der einzelnen beim Kläger verbliebenen Dauerfolgen zu einer 100 %igen Invalidität führte, sondern erst die Summe der Dauerfolgen. Auch das vom Kläger selbst eingeholte medizinische Gutachten kann nicht dazu führen, dass die Versicherung im Hinblick darauf keine weiteren eigenen Erhebungen durchführen dürfte, zumal es ihr unbenommen sein muss, die Richtigkeit eines vom Anspruchswerber in Auftrag gegebenen Gutachtens, der ja an der Feststellung einer möglichst hohen dauernden Invalidität interessiert ist, fachlich überprüfen zu lassen.
Der Kläger stützt sich aber in der Berufung letztlich ausschließlich darauf, dass Fälligkeit 3 Monate nach Zugang seines Anspruchsschreibens vom 7.6.2016 deshalb eingetreten sei, weil die Beklagte ihrer Auskunftsobliegenheit 2 Monaten nach Zugang des Schreibens nicht nachgekommen sei, sodass mit Ablauf eines weiteren Monats ungeachtet der Frage der Beendigung der Erhebungen jedenfalls Fälligkeit eingetreten sei. Diese Voraussetzung liegt allerdings hier nicht vor:
Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 11 Abs 1 VersVG muss der Versicherungsnehmer nach Ablauf zweier Monate seit dem Begehren nach einer Geldleistung eine Erklärung des Versicherers verlangen, aus welchen Gründen die Erhebungen noch nicht beendet werden konnten. Es behauptet weder der Kläger noch ergibt sich aus dem Akt, dass er tatsächlich am 7.8.2016 (oder danach) eine derartige Erklärung des Versicherers verlangt hätte, wobei die Beweislast für ein derartiges Verlangen den Versicherungsnehmer trifft (siehe dazu Fenyves in Fenyves/ Kromsteiner/Schauer § 11 Rz 3; Wieser , VR 1994, 302 f). Nach den Gesetzesmaterialien löst ein verfrühter Informationswunsch des Versicherungsnehmers die Rechtsfolgen des Satzes 2 (des § 11 Abs 1 VersVG) nicht aus (so auch Fenyves aaO), wobei eine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu, soweit überblickbar, nicht vorliegt. Gruber (in Fenyves/Schauer , VersVG § 11 Rz 28 f) vertritt zwar die Ansicht, eine derartige Auslegung widerspreche dem Zweck dieser Bestimmung, sodass auch ein verfrühtes Informationsbegehren des Versicherungsnehmers die Rechtsfolgen des § 11 Abs 1 Satz 2 VersVG auslösen, dies widerspricht aber dem klaren Wortlaut des Gesetzes und auch den Gesetzesmaterialien, sodass der Rechtsansicht Grubers nicht zu folgen ist. Dazu kommt allerdings noch weiters, dass es im vorliegenden Fall auch an einem diesbezüglichen klaren Begehren auf Auskunftserteilung nach 2 Monaten, sollten bis dort die Erhebungen nicht abgeschlossen sein, mangelt. Denn die Formulierung „gemäß § 11 Abs a VersVG verlangen wir die Erklärung, warum die Erhebungen nicht abgeschlossen werden konnten“ lässt keinesfalls eindeutig erkennen, wann und für welchen Fall der Kläger eine Erklärung von der Beklagten begehrt. Zum einen ist die gesetzliche Bestimmung, trotz Verfassung des Schreibens durch eine Anwaltskanzlei, unvollständig bzw. falsch zitiert, andererseits wird kein Zeitpunkt, wann eine Erklärung begehrt wird, angeführt. Es wird auch gar nicht auf den Fall abgestellt, dass die Erhebungen zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen werden konnten. Dazu kommt weiters, dass dem Kläger (und auch der Klagsvertreterin) von dem von der Versicherung beauftragten (zweiten) Sachverständigen Dr. R***** eine Einladung zu einer Gutachtensuntersuchung für 31.8.2016 zuging, sodass ihm ja bekannt war, dass vor Durchführung dieser Gutachtensuntersuchung und (zeitnaher) Verfassung und Übermittlung des Gutachtens an die Beklagte die Erhebungen gar nicht abgeschlossen sein können. Welche Erklärungen zu welchem Zeitpunkt die Beklagte gegenüber dem Kläger abgeben hätte sollen, lässt sich jedenfalls der zitierten Formulierung im Schreiben der Klagsvertreterin vom 7.6.2016 nicht entnehmen, darüber hinaus war der Kläger zum Zeitpunkt 2 Monaten nach Stellung seines Anspruchsschreibens in Kenntnis, warum die Erhebungen noch nicht abgeschlossen waren und insoweit auch nicht im Ungewissen gelassen. Nachdem sowohl das Verlangen des Versicherungsnehmers auf Auskunft wie auch die begehrte Erklärung des Versicherers formfrei möglich sind, etwa auch durch die unmittelbare Beantwortung einer telefonischen Anfrage des Versicherungsnehmers, muss auch genügen, dass der Versicherungsnehmer durch die Einladung des von der Versicherung beauftragten Sachverständigen zu einer Untersuchung weiß, dass diese Untersuchung samt dem darauf aufbauenden Gutachten jedenfalls für den Abschluss der Erhebungen ausständig sind. Denn damit ist es dem Versicherungsnehmer möglich, sich ein Bild vom Stand der Erhebungen und von der Notwendigkeit weiterer Erhebungsschritte zu machen ( Gruber aaO § 11 Rz 27 und 30 mwN).
Somit trat jedenfalls nicht nach Ablauf von 3 Monaten seit Zugang des Schreibens vom 7.6.2016 an die Beklagte Fälligkeit der Geldleistung unabhängig von der Beendigung der nötigen Erhebungen ein, weil kein entsprechendes Auskunftsersuchen des Versicherungsnehmers nach Ablauf von 2 Monaten gestellt wurde, sodass einerseits der Versicherer keine Auskunftsverpflichtung innerhalb eines weiteren Monats hatte, zudem der Versicherungsnehmer ohnehin Kenntnis hatte, warum zu diesem Zeitpunkt die Erhebungen noch nicht abgeschlossen waren. Abgesehen davon waren die Fristen auch noch wegen der vom Kläger nicht erteilten Informationen vom 13.6. bis 4.7.2016 gehemmt.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 11 Abs 1 zweiter Satz VersVG richtet sich die Fälligkeit der dem Kläger gebührenden Invaliditätsentschädigung nach § 11 Abs 1 erster Satz VersVG. Diese wurde, unter Anrechnung der bereits vorher geleisteten Akontozahlungen, zeitnah und fristgerecht - das urologische Gutachten lag der Beklagten am 22.11.2016 vor, die Zahlung war am 29.11.2016 bereits am Konto des Klägers (Klagsvertreterin) eingelangt - geleistet, sodass weder zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch im weiteren Verlauf bis zur Restzahlung jemals Verzug eintrat.
4. Ein Verzug mit einer begehrten Abschlagszahlung im Sinne des § 11 Abs 2 VersVG wird in der Berufung nicht mehr geltend gemacht. Bis zum Zeitpunkt, zu dem nunmehr Fälligkeit behauptet wird, hatte die Beklagte bereits insgesamt EUR 125.000,-- an Abschlagszahlungen geleistet gehabt. Nach Vorliegen des neurologischen Gutachtens Dris. R***** Ende September 2016 erbrachte sie zeitnah und fristgerecht eine weitere Abschlagszahlung von EUR 95.044,70, womit die im Schreiben vom 7.6.2016 begehrte Abschlags-(akonto-)zahlung von insgesamt EUR 200.000,-- jedenfalls geleistet war. Vor dem Vorliegen dieses ersten neurologischen Gutachtens lag aber keine ausreichende Grundlage dafür vor, was der Versicherer nach Lage der Sache mindestens zu zahlen haben wird, sodass die Voraussetzungen für die Fälligkeit eines Vorschusses zuvor nicht vorlagen (siehe in diesem Zusammenhang die Ausführungen in 7 Ob 139/13m = VR 2016, 44/992 = ecolex 2014/49 S. 136). Denn dem Versicherer muss zugestanden werden, dass er für die Erbringung eines Vorschusses auf eine begehrte Invaliditätsleistung zumindest ein ärztliches Gutachten vorliegen hat, aus dem sich ein gesicherter Mindestgrad der verbleibenden dauernden Invalidität ergibt.
5. Nach den insbesondere zu Punkt 3. dargelegten Umständen ist es unerheblich, ob und inwieweit das Begehren der Beklagten auf Einholung der Entscheidung der Ärztekommission Einfluss auf die Fälligkeit hatte. Aktenwidrig sind allerdings in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Erstgerichtes im Rahmen seiner Feststellungen und seiner rechtlichen Beurteilung, wonach die Beklagte nie auf die Durchführung des Ärztekommissionsverfahrens verzichtet habe. Denn die Beklagte hat in ihrem beim Erstgericht am 23.11.2016 eingebrachten Schriftsatz ausdrücklich auf die weitere Durchführung des von ihr beantragten Verfahrens vor der Ärztekommission verzichtet. Dies spielt allerdings keine Rolle mehr, weil ohnehin zeitgleich oder unmittelbar nach Erklärung dieses Verzichts die Zahlung der noch restlich offenen Invaliditätsentschädigung zur Gänze erfolgte.
Die Ansicht des Klägers, die Beklagte hätte bereits zeitnah zu seinem Anspruchsschreiben vom 7.6.2016 die Durchführung des Ärztekommissionsverfahrens beantragen müssen, ist verfehlt, weil zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Meinungsverschiedenheiten über die von der Ärztekommission zu beurteilenden Fragen vorlagen. Vielmehr waren vorher entsprechende Erhebungen seitens des Versicherers erforderlich, die dann zu einer Stellungnahme zum Anspruchsschreiben des Versicherungsnehmers führen (können), deren Inhalt dem Standpunkt des Versicherungsnehmers widerspricht. Erst dann kann von „Meinungsverschiedenheiten“ gesprochen werden, die dann sowohl dem Versicherungsnehmer wie auch dem Versicherer zur Beantragung des Ärztekommissionsverfahrens berechtigen. Nachdem die dem Versicherungsnehmer hiefür eingeräumte Frist 6 Monate beträgt, kann die dem Versicherer hiefür zustehende Frist aus Gleichheitsgründen nicht geringer bemessen werden, wobei der Versicherungsnehmer seinerseits Verzögerungen des Versicherers insoweit vorbeugen kann, dass er unmittelbar nach Auftreten von Meinungsverschiedenheiten selbst die Durchführung des Ärztekommissionsverfahrens beantragt, worauf der Versicherer auch sofort durch Namhaftmachung seines Mitglieds der Ärztekommission darauf reagieren muss. Meinungsverschiedenheiten, die zur Durchführung des Ärztekommissionsverfahrens führen, konnten im gegenständlichen Fall vor Vorliegen des ersten von der Beklagten eingeholten neurologischen Gutachtens gar nicht vorliegen, allerdings waren diesbezüglich die Erhebungen der Beklagten auch noch nicht abgeschlossen, sodass sie noch gar keine endgültige Erklärung zu den vom Kläger erhobenen Anspruch abgeben konnte. Dass sie in der Klagebeantwortung die Durchführung des Ärztekommissionsverfahrens beantragte, stellt auf keinen Fall eine verspätete, viel eher eine verfrühte diesbezügliche Antragstellung dar.
Wird vereinbarungsgemäß ein Sachverständigenverfahren von einer Partei verlangt, so sind damit die Erhebungen im Sinne des § 11 Abs 1 Satz 1 VersVG jedenfalls noch nicht abgeschlossen und es tritt nach ständiger Rechtsprechung noch keine Fälligkeit ein (7 Ob 214/09k; 7 Ob 45/99i u.a.; Gruber aaO § 11 Rz 10).
6. Zusammenfassend lag eine Fälligkeit der dem Kläger zustehenden Invaliditätsentschädigung erst nach Vorliegen des von der Beklagten eingeholten urologischen Gutachtens Ende November 2016 vor, sodass sich die Beklagte zu keinem Zeitpunkt mit irgendwelchen Zahlungen im Verzug befand. Das Erstgericht hat somit - im Ergebnis - zu Recht das gesamte Zinsenbegehren abgewiesen hat. Der dagegen erhobenen Berufung kann somit ein Erfolg nicht beschieden sein.
7. Gleiches gilt hinsichtlich der Kostenrüge: Auch das Hauptsachenbegehren war zum Zeitpunkt der Klagseinbringung nicht fällig, sodass die Beklagte keine Veranlassung zur Klagsführung gab. Nach Eintritt der Fälligkeit wurde es von der Beklagten sofort anerkannt und auch Zahlung geleistet, sodass auch nachträglich keine Berechtigung der Klagsführung eintrat. Das Erstgericht hat daher ebenfalls zu Recht gemäß § 45 ZPO der Beklagten vollen Kostenersatz zuerkannt.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützt sich auf §§ 50 Abs 1, 41 ZPO. Die Kosten wurden tarifmäßig verzeichnet.
Oberlandesgericht Innsbruck
Abteilung 4, am 11. August 2017
Dr. Georg Hoffmann, Senatspräsident