4R79/17z – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und die Richterin Dr. Prantl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei B***** , vertreten durch Mag. Johannes Häusle, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, wider die beklagte Partei H***** M***** , wegen Duldung (Streitwert: EUR 118.234,21 s.A.), über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 20.4.2017, 57 Cg 17/14h-43, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird t e i l w e i s e Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend a b g e ä n d e r t , dass er unter Einschluss seines – teilweise mit einer Maßgabe – bestätigten Teils insgesamt wie folgt lautet:
„1. Der Beklagte ist zur gänzlichen Nachzahlung der Beträge verpflichtet, von deren Berichtigung er im Rahmen der ihm bewilligten Verfahrenshilfe nach § 64 Abs 1 Z 1 lit. b – f ZPO einstweilen befreit war, das sind die mit Beschluss des Erstgerichts vom 8.7.2015 mit EUR 2.203,-- bestimmten Gebühren der Sachverständigen A***** R***** (ON 35) sowie die mit Beschluss des Erstgerichts vom 17.12.2015 mit EUR 41,58 bestimmten Barauslagen des für den Beklagten bestellten Verfahrenshelfers Dr. R***** P*****, Rechtsanwalt in G***** (ON 40).
2. Der Beklagte ist weiters schuldig, dem ihm im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. R***** P*****, die mit EUR 12.486,88 bestimmten Vertretungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO jedenfalls u n z u - l ä s s i g .
Text
begründung:
Dem Beklagten wurde im Verfahren 57 Cg 17/14h des Erstgerichts, im welchem er der von der Klägerin im Rahmen einer Anfechtungsklage auf Duldung der Exekutionsführung in eine im Eigentum seiner Ehegattin gestandene Liegenschaft, ob der zu seinen Gunsten ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt war, zur Hereinbringung von EUR 118.234,21 s.A. geklagt wurde, die Verfahrenshilfe im vollen Umfang bewilligt (ON 6) und RA Dr. R***** P***** zum Verfahrenshelfer bestellt (ON 7).
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Erstgerichts vom 30.10.2015 (ON 38) wurde dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben.
Mit Schreiben vom 16.3.2017, welches vom Beklagten am 23.3.2017 eigenhändig übernommen wurde, wurde der Beklagte aufgefordert, das beiliegende Vermögensbekenntnis vollständig auszufüllen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass zu prüfen sei, ob er zur Nachzahlung der Beträge, von deren Entrichtung er aufgrund der Bewilligung einer Verfahrenshilfe einstweilig befreit worden war, zu verpflichten sei. Weiters heißt es in diesem Schreiben: „Für den Fall, dass das Formular nicht binnen drei Wochen vollständig ausgefüllt und mit den erforderlichen Belegen versehen zurückgesendet wird, ist davon auszugehen, dass Sie in der Lage sind, die Nachzahlung zu leisten.“
Nachdem auf dieses Schreiben keinerlei Reaktion seitens des Beklagten erfolgte, verpflichtete das Erstgericht den Beklagten mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss, die mit EUR 2.203,-- bestimmten Gebühren der Sachverständigen A***** R***** sowie die mit EUR 41,58 bestimmten Barauslagen des Verfahrenshelfers Dr. R***** P***** binnen 14 Tagen dem Bund zu ersetzen (Punkt 1.) sowie weiters, Dr. R***** P***** an Kosten der Vertretung im Verfahren EUR 12.528,46 ebenfalls binnen 14 Tagen zu ersetzen. Das Erstgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die die Verfahrenshilfe genießende Partei gemäß § 71 ZPO zur gänzlichen oder teilweisen Nachzahlung der Beträge, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit gewesen ist, ebenso wie zur tarifmäßigen Entlohnung des ihr beigegebenen Rechtsanwalts, soweit sie ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts dazu imstande ist, zu verpflichten sei. Dabei sei zunächst der Ersatz der im § 64 Abs 1 Z 1 lit. b – f und Z 5 ZPO genannten Beträge aufzuerlegen, dann die Leistung der Entlohnung des Rechtsanwalts unter gleichzeitiger Bestimmung ihrer Höhe und endlich die Entrichtung der im § 64 Abs 1 Z 1 lit. a ZPO genannten Beträge. Gemäß § 381 ZPO könne davon ausgegangen werden, dass bei Parteien, die dem Auftrag zur Vorlage eines aktuellen Vermögensbekenntnisses nicht nachkommen, eine Verbesserung der Vermögensverhältnisse eingetreten ist.
Da sich der Beklagte zur Aufforderung, ein aktuelles Vermögensbekenntnis vorzulegen, nicht innerhalb der gesetzten Frist geäußert habe, sei er zur Nachzahlung zu verpflichten. Die Sachverständigengebühr sei ebenso wie die Barauslagen des Verfahrenshelfers bereits im Verfahren mit Beschluss bestimmt worden, die dem Verfahrenshelfer zu ersetzenden Kosten ergäben sich aus dem am Schluss der mündlichen Verhandlung von ihm gelegten Kostennote, wobei er seine Kosten tarifmäßig verzeichnet habe. Gebühren nach § 64 Abs 1 Z 1 lit. a ZPO seien dem Beklagten im Verfahren nicht angefallen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der vom Beklagten am 9.5.2017 beim Bezirksgericht Feldkirch zu Protokoll gegebene und am 15.5.2017 bei Erstgericht eingelangte Rekurs des Beklagten, der im Antrag mündet, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben, hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Eine Rekursbeantwortung wurde weder vom Revisor noch vom seinerzeitigen Verfahrenshelfer noch von der Klägerin erstattet.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Frage der Rechtzeitigkeit des Rekurses:
Seit dem mit 1.1.2011 in Kraft getretenen BBG 2011 (BGBl I Nr. 111/2010) können Rekurse von Parteien, welche nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, nicht mehr bei Bezirksgerichten mündlich zu Protokoll angebracht werden. Eine Ausnahme besteht nur insoweit, dass sowohl beim Bezirksgericht als auch beim Gerichtshof Protokollarrekurse zulässig sind gegen Beschlüsse über die Verfahrenshilfe (§ 72 Abs 3 ZPO), von Zeugen und Sachverständigen (§§ 348, 367 ZPO) und gegen die Bemessung von Sachverständigengebühren (§ 41 Abs 3 GebAG), wobei dies wohl nur mehr beim zuständigen Gericht bzw Gerichtshof erfolgen kann. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 3 Ob 380/93 ausgesprochen, dass dann, wenn ein unzuständiges Gericht – im dortigen Fall ein Gerichtshof – einen Protokollarrekurs (dort: gegen eine Exekutionsbewilligung) aufnimmt, dieser Rekurs trotzdem wirksam ist, weil es sich um einen Gerichtsfehler handelt (siehe RIS-Justiz RS0036510). Die Aufnahme des Rekurses durch das an und für sich unzuständige Bezirksgericht Feldkirch schadet daher dem Rekurswerber nicht.
Weiters stellte sich die Frage, ob der Rekurs als rechtzeitig zu behandeln ist, nachdem er zwar innerhalb der 14-tägigen Rekursfrist zu Protokoll gegeben wurde, jedoch erst nach Ablauf der Rekursfrist beim Erstgericht einlangte. Allerdings würde es sich auch dabei um einen Gerichts- und nicht um einen Parteifehler handeln, sodass auch eine allfällige verspätete Übermittlung des Rekurses an das Erstgericht dem Beklagten nicht schadet (in diesem Sinne auch 5 Ob 516/92 sowie 13 R 17/05f Landesgericht Eisenstadt = RS0000069).
Der Rekurs des Beklagten ist daher zulässig und rechtzeitig.
2. Zur Berechtigung des Rekurses:
Dieser ist nur teilweise berechtigt.
Der Beklagte macht in seinem Rechtsmittel geltend, das Erstgericht sei irrtümlich davon ausgegangen, dass er nunmehr in der Lage sei, die Gebühren und Kosten ohne Gefährdung seines Lebensunterhalts zu ersetzen. Er habe vor einem Jahr einen Schlaganfall erlitten. Seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse hätten sich nicht geändert, er beziehe an Pension, Ausgleichszulage und Pflegegeld insgesamt EUR 1.000,-- pro Monat, darüber hinaus sei er einkommens- und vermögenslos. Er sei nicht in der Lage, festzustellen, ob ihm das entsprechende Vermögensbekenntnis, wie es vom Landesgericht zum Ausfüllen übersandt worden sei, tatsächlich zugestellt worden sei und es sei ihm zu keiner Zeit mitgeteilt worden, in welcher Höhe Rechtsanwaltskosten zu bezahlen seien.
Hiezu hat das Rekursgericht erwogen:
Gemäß § 71 Abs 1 ZPO ist die die Verfahrenshilfe genießende Partei mit Beschluss zur gänzlichen oder teilweisen Nachzahlung der Beträge zu verpflichten, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit gewesen ist oder die ihr zur Bestreitung ihrer Reisekosten einstweilen aus Amtsgeldern ersetzt worden sind, und die noch nicht berichtigt sind, wie ebenso zur tarifmäßigen Entlohnung des ihr beigegebenen Rechtsanwalts, soweit und sobald sie ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts dazu imstande ist. Nach Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Verfahrens kann die Verpflichtung zur Nachzahlung nicht mehr auferlegt werden. Nach Abs 2 leg. cit. ist der Ersatz der im § 64 Abs 1 Z 1 lit. b – f und Z 5 ZPO genannten Beträge aufzuerlegen, dann die Leistung der Entlohnung des Rechtsanwalts unter gleichzeitiger Bestimmung ihrer Höhe und endlich die Entrichtung der im § 64 Abs 1 Z 1 lit. a ZPO genannten Beträge.
Nach Abs 3 leg. cit. kann das Gericht die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist zur Beibringung eines neuen Vermögensbekenntnisses und, soweit zumutbar, von Belegen auffordern. Die Bestimmung des § 381 ZPO ist dabei sinngemäß anzuwenden.
§ 381 ZPO lautet:
Welchen Einfluss es auf die Herstellung des Beweises habe, wenn die Partei ohne genügende Gründe die Aussage oder die Beantwortung einzelner Fragen ablehnt, wenn die zum Zwecke der unbeeideten oder beeideten Vernehmung geladene Partei nicht erscheint, oder wenn die eidliche Aussage einer Partei von den bei ihrer vorausgegangenen unbeeideten Vernehmung abgegebenen Erklärung in erheblichen Punkten abweicht, hat das Gericht unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu beurteilen.
Das Erstgericht hat dem Beklagten mit Schreiben vom 16.3.2017 mitgeteilt, dass es seine Zahlungsfähigkeit zu prüfen hat und hat ihm aus diesem Grund auch ein Vermögensbekenntnisformular mitübersandt. Es hat den Beklagten aufgefordert, dieses vollständig auszufüllen, wobei es ihm eine durchaus angemessene Frist von drei Wochen hiefür setzte. Weiters wies es den Beklagten darauf hin, dass es davon ausgeht, dass er in der Lage ist, die Nachzahlung zu leisten, wenn das Formular nicht fristgerecht vollständig ausgefüllt und mit den erforderlichen Belegen versehen zurückgesendet wird.
Dieses Schreiben samt dem Vermögensbekenntnisformular wurde dem Beklagten eigenhändig zugestellt. Dem Auftrag, dieses Vermögensbekenntnis binnen drei Wochen vollständig ausgefüllt und mit entsprechenden Belegen versehen an das Erstgericht zurückzusenden, kam der Beklagte nicht nach, er ersuchte auch nicht allenfalls um eine Fristverlängerung oder dergleichen an. Damit konnte das Erstgericht im Hinblick auf die mitgeteilte Rechtsfolge im Falle der Nichtäußerung davon ausgehen, dass der Beklagte in der Lage ist, jene Beträge, von deren Entrichtung er einstweilen befreit war, nachzuzahlen.
Wenn nunmehr der Beklagte in seinem Rekurs vorbringt, dass er ohne Gefährdung seines notwendigen Unterhalts keinerlei Nachzahlungen von Gebühren und Vertretungskosten leisten könne, so kann darauf nicht eingegangen werden, weil es sich dabei um Neuerungen handelt und auch im Rekursverfahren weder neue Tatsachen noch neue Beweismittel vorgebracht werden dürfen (RIS-Justiz RS0042091; RS0108589; Kodek in Rechberger 4 , ZPO § 526 Rz 3 mwN). Der Rekurswerber hatte im erstinstanzlichen Verfahren die Möglichkeit, die erstmals im Rekurs behaupteten Umstände geltend zu machen, hat allerdings von dieser Möglichkeit während der ihm gewährten angemessenen Frist von drei Wochen nicht Gebrauch gemacht.
Soweit sich der Beklagte darauf beruft, ihm seien die Kosten seines seinerzeitigen, vorerst unentgeltlich beigegebenen Rechtsanwalts nicht bekannt gegeben worden, hindert dieser Umstand eine Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz der ziffernmäßig bestimmten Vertretungskosten nicht. Denn einerseits ist eine Stellungnahme, etwa entsprechend § 54 Abs 1a ZPO, zur Kostennote des eigenen Vertreters gesetzlich nicht vorgesehen, andererseits hätte der Beklagte als Verfahrenspartei jederzeit in den Akt, somit in das beim seinerzeitigen Schluss der mündlichen Streitverhandlung gelegte Kostenverzeichnis Einsicht nehmen können, oder sich auch dahingehend während der ihm vom Erstgericht gesetzten 3-wöchigen Frist zur Vorlage eines aktuellen Vermögensbekenntnisses entsprechend äußern können. Einer eigenen Bekanntgabe oder Übermittlung einer Kopie des Kostenverzeichnisses – ohne einen entsprechenden Antrag – bedurfte es zur Bestimmung der zu ersetzenden Verfahrenskosten nicht.
Im Übrigen wurden die Kosten vom Verfahrenshelfer tarifmäßig verzeichnet, sodass sie grundsätzlich antragsgemäß bestimmt werden konnten. Zu berücksichtigen war allerdings der dem Verfahrenshelfer bereits seinerzeit gewährte Barauslagenersatz (§ 64 Abs 1 Z 1 lit. f ZPO) in Höhe von EUR 41,58, weil es sich dabei um die Zureisekosten des Verfahrenshelfers vom Kanzleisitz zum Prozessgericht handelt, diese Kosten aber durch die Geltendmachung des doppelten Einheitssatzes für die Verrichtung dieser Tagsatzungen abgegolten wird, sodass sie bei den dem Verfahrenshelfer zu ersetzenden Kosten wiederum in Abzug zu bringen sind.
Weiters war der im Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses erfolgte Leistungsbefehl insoweit im Rahmen einer Maßgabebestätigung zu eliminieren und stattdessen nur auszusprechen, dass der Beklagte zum Ersatz der Gebühren und Barauslagen, von deren Entrichtung er vorerst befreit war, dem Grunde nach verpflichtet ist, weil die diesbezügliche Einhebung nach den Bestimmungen des GEG zu erfolgen hat und hiefür der Verwaltungsweg und nicht das zivilgerichtliche Verfahren vorgesehen ist (siehe dazu 4 R 166/13p = RIS-Justiz RI0100018 und M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/1, § 71 ZPO Rz 5 mwN).
Dem Rekurs war daher nur insoweit stattzugeben, als von den dem Verfahrenshelfer vom Beklagten zu leistenden Kostenersatz die ihm bereits ausbezahlten Barauslagen für die Fahrten zu den vor dem Erstgericht zu errichtenden Tagsatzungen in Abzug zu bringen waren. Darüber hinaus musste dem Rekurs allerdings ein Erfolg versagt bleiben, wobei hinsichtlich der Barauslagen und Gebühren, die nach dem GEG einzuheben sind, im Rahmen einer Maßgabebestätigung der Leistungsbefehl ersatzlos zu entfernen und auszusprechen war, dass der Beklagte hiefür dem Grunde nach ersatzpflichtig ist.
Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 4
Innsbruck, am 5. Juli 2017
Dr. Georg Hoffmann, Senatspräsident