JudikaturOLG Innsbruck

25Rs12/16z – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
12. Februar 2016

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten Dr. Lux als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Told und den Senatspräsidenten Dr. Menardi sowie die fachkundigen Laienrichter HR Dr. Erwin Trawöger aus dem Kreis der Arbeitgeber und HR Mag. Gerold Trimmel aus dem Kreis der Arbeitnehmer als weitere Mitglieder des Senats in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E***** K *****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer / Dr. Andreas Ruetz, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, wider die beklagte Partei I***** S***** GmbH , ***** vertreten durch deren Angestellte Mag. Harald Bruner / Mag. Johanna Fiedler, wegen EUR 1.559,-- s.A. über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 2.10.2015, 48 Cgs *****-11 (Berufungsinteresse EUR 1.559,--), in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird v e r w o r f e n .

Im Übrigen wird der Berufung k e i n e Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagsvertreter die mit EUR 548,86 (darin enthalten EUR 91,48 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die (ordentliche) Revision gemäß § 502 Abs 1 iVm Abs 5 Z 4 ZPO ist n i c h t zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Der Kläger war seit dem 5.5.2011 bei der S***** GmbH als Arbeiter beschäftigt. Auf dieses Dienstverhältnis gelangt der Rahmenkollektivvertrag für das Glasergewerbe zur Anwendung. Die S***** GmbH hätte für den Fall einer Kündigung des Klägers am 2.5.2014 zuvor die regionale Geschäftsstelle des AMS gemäß § 45a AMFG verständigen müssen. Eine solche Verständigung ist nicht erfolgt.

Mit Bescheid vom 22.1.2015, Zl 7/5261/14, lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Insolvenz-Entgelt-Zahlung betreffend Urlaubsersatzleistung und Kündigungsentschädigung in der Höhe von insgesamt EUR 1.559,-- resultierend aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S***** GmbH mit der Begründung ab, dass Insolvenz-Entgelt nur auf Basis gesetzlicher und kollektivvertraglicher Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf den Kündigungstermin gebühre, nicht aber bei einer einvernehmlichen Lösung, weshalb dem Kläger nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für das Glasergewerbe lediglich eine Kündigungsentschädigung im Ausmaß von 3 Tagen ab der einvernehmlichen Lösung am 3.3.2014 zustehe.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die fristgerecht am 9.2.2015 beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachte Klage, mit welcher der Kläger von der beklagten Partei die Zahlung einer Kündigungsentschädigung und einer Urlaubsersatzleistung in der Höhe von insgesamt EUR 1.559,-- begehrt. Zur Begründung seines Anspruchs brachte er im Wesentlichen vor, er sei bei der S***** GmbH regelmäßig beschäftigt gewesen. Im März 2014 habe er mit 13 anderen Arbeitnehmern eine „Aussetzungsvereinbarung“ mit der S***** GmbH abgeschlossen. In dieser Vereinbarung sei ihm die Wiedereinstellung bis spätestens 1.5.2014 zugesagt worden. Zudem hätten die Parteien festgelegt, dass die Sonderzahlungen, der offene Urlaub und der offene Zeitausgleichssaldo stehen gelassen würden. Nach dieser Vereinbarung ergebe sich eine Karenzierung und keine Unterbrechung, weil aus den Umständen des Einzelfalls durch Auslegung zu ermitteln sei, ob die Parteien der „Aussetzungsvereinbarung“ eine Unterbrechung oder eine Karenzierung des Arbeitsverhältnisses vereinbart hätten. Der Kläger habe am 2.5.2014 die Mitteilung erhalten, dass es zu keiner Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kommen werde. Über das Vermögen der S***** GmbH sei am 6.5.2014 vom Landesgericht Innsbruck zu 7 S ***** das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Die S***** GmbH hätte bei Berücksichtigung des vorliegenden Sachverhalts vor der Auflösung von 13 (14) Arbeitsverhältnissen ihrer Mitteilungspflicht gemäß § 45a AMFG nachkommen müssen. Erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist nach schriftlicher Verständigung des AMS hätte eine ordnungsgemäße Kündigung unter Einhaltung der Frist des Kollektivvertrags für das Glasergewerbe erfolgen dürfen. Das gegenständliche Begehren werde eventualiter insbesondere auf Schadenersatz gestützt.

Die beklagte Partei stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, bestritt im Übrigen das Klagsvorbringen, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und hielt den bereits im Anstaltsverfahren eingenommenen Standpunkt aufrecht. Sie brachte weiters vor, dass das Dienstverhältnis zwischen dem Kläger und der S***** GmbH am 3.3.2014 einvernehmlich aufgelöst worden sei, sodass es sich dabei um eine „echte Unterbrechung“ handle, zumal der Kläger ab dem 4.3.2014 Arbeitslosengeld bezogen habe.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt, wobei es von folgendem Sachverhalt ausging:

Ab Anfang 2014 – der genaue Zeitpunkt kann nicht festgestellt werden – war die Auftragslage bei der S***** GmbH dergestalt, dass sie zu wenig Arbeit für ihre Mitarbeiter hatte. Die Verantwortlichen der S***** GmbH gingen zu diesem Zeitpunkt aber davon aus, dass sich die Auftragslage – der Erhalt eines größeren Auftrags stand im Raum – wieder verbessern und schon bald wieder genügend Arbeit für ihre Mitarbeiter vorhanden sein werde.

Vor diesem Hintergrund besprach die Geschäftsleitung der S***** GmbH mit deren Abteilungsleitern, dass zwischenzeitlich aufgrund der gegebenen Auftragslage einige Mitarbeiter – die genaue Anzahl kann nicht festgestellt werden – freigesetzt werden müssten, wobei die Freisetzung aber so erfolgen sollte, dass diese Mitarbeiter, bei denen es sich um Fachkräfte handelte, bei Bedarf wieder zurückgeholt werden können. Die von der Freisetzung betroffenen Mitarbeiter sollten deshalb nicht gekündigt werden. Eine Kündigung sollte aber auch deshalb nicht erfolgen, weil in diesem Fall die Arbeitsverhältnisse hätten abgerechnet werden müssen und der S***** GmbH zu diesem Zeitpunkt hiezu bereits eine entsprechende Liquidität mangelte.

Aufgrund dieser Rahmenbedingungen verfasste MMag. L***** E*****, die in den letzten zwei bis drei Jahren vor der Insolvenz der S***** GmbH dort als Juristin tätig war, für die freizusetzenden Mitarbeiter ein Schriftstück, das im Bezug auf den Kläger, wie folgt, lautete:

„Aussetzungsvereinbarung

abgeschlossen zwischen dem Arbeitnehmer, Herrn K***** E*****, geboren am *****, ***** und dem Arbeitgeber, der Firma S***** GmbH, *****.

1. Zusicherung der Wiedereinstellung:

Das Arbeitsverhältnis wird einvernehmlich mit 3.3.2014 aufgelöst. Der letzte Tag des Arbeitsverhältnisses ist somit der 3.3.2014.

Dem Arbeitnehmer wird die Wiedereinstellung bis längstens 1. Mai 2014 zugesagt, wobei für das neue Dienstverhältnis die bisherigen Bedingungen gelten.

2. Zusammenrechnung von Vordienstzeiten:

a) Vordienstzeiten bei der Firma S***** GmbH, die vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses liegen, werden für Ansprüche, die von der ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängen, zusammengerechnet.

b) Die Zeiten der Unterbrechung selbst werden bei der Berechnung der Ansprüche nicht als Dienstzeiten gerechnet.

3. Auszahlung beendigungsabhängiger Ansprüche:

Die Sonderzahlungen sowie der noch offene Urlaub und der bestehende Zeitausgleichssaldo zum 3.3.2014 werden bis zur Wiedereinstellung stehengelassen.

*****, am 3.3.2014“

Die von MMag. L***** E***** verfassten Aussetzungsvereinbarungen wurden über die Abteilungsleiter der S***** GmbH abgewickelt, die von MMag. L***** E***** dahingehend instruiert worden waren, sie sollten den betroffenen Mitarbeitern kommunizieren, dass für sie derzeit keine Arbeit bei der S***** GmbH vorhanden sei, sobald es wieder Arbeit für sie gebe, könnten sie aber kontaktiert und wieder zurückgeholt werden. Dies war bei einigen Mitarbeitern in der Folge auch der Fall.

Die schlechte Auftragslage der S***** GmbH ab Anfang 2014 wurde auch von den Mitarbeitern wahrgenommen.

Die S***** GmbH legte diese Aussetzungsvereinbarung auch dem Kläger vor, der diese unterfertigte. Der Kläger ging dabei davon aus, dass das Arbeitsverhältnis mit der S***** GmbH mit 3.3.2014 einvernehmlich aufgelöst werde, er aber spätestens mit 1.5.2014 wieder seine Arbeit aufnehmen werde können. Dem Kläger wurde seitens der S***** GmbH erklärt, dass er sich in der Zwischenzeit an das Arbeitsmarktservice wenden und Arbeitslosengeld beziehen solle. Sollte er in der Zeit bis zu seiner Zurückholung eine andere Arbeit finden, solle er diese Arbeit annehmen.

Der Kläger bezog in der Folge vom 4.3.2014 bis Ende Mai 2014 Arbeitslosengeld.

Vor dem 1.5.2014 – der genaue Zeitpunkt kann nicht festgestellt werden – gab es bei der S***** GmbH, die den erwarteten größeren Auftrag letztlich nicht erhalten hatte, eine Sitzung mit den Mitarbeitern, an der auch der Kläger teilnahm. Dabei wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass es für ihn keine Arbeit mehr bei der S***** GmbH gebe, sondern diese den Konkurs beantragen werde.

Der Kläger war nach dem 3.3.2014 nicht mehr für die S***** GmbH tätig und erhielt von dieser auch keine Zahlungen mehr. Die S***** GmbH leistete dem Kläger keine Zahlungen betreffend die in der „Aussetzungsvereinbarung“ unter Punkt 3. genannten Positionen. Der Kläger machte gegenüber der beklagten Partei die verfahrensgegenständlichen Positionen an Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung, wie folgt, geltend:

Mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 6.5.2014, 7 S *****, wurde über das Vermögen der S***** GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt führte das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung nach Darstellung der Unterschiede zwischen einer Karenzierung und einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses aus, dass für die Beurteilung, ob eine Karenzierung oder eine Unterbrechung vorliege, das von den Parteien Gewollte maßgeblich sei, weshalb es nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung ankomme. Das von den Parteien Gewollte könne nur aufgrund aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Indizien für den Parteiwillen seien insbesondere die Behandlung von Ansprüchen bei der Beendigung sowie der Anlass der Aussetzung.

Gegenständlich sei der Kläger von der S***** GmbH darauf hingewiesen worden, dass er sich an das Arbeitsmarktservice wenden und in der Zwischenzeit Arbeitslosengeld beziehen solle, was er auch getan habe. Dieser Umstand sowie die Textierung des Punkts 1 der Aussetzungsvereinbarung sprächen im vorliegenden Fall für eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses. Der Anlass der Aussetzung und die Behandlung der Ansprüche des Klägers betreffend Sonderzahlungen, offenen Urlaub und Zeitausgleichssaldo indizierten hingegen eine Karenzierung. Bei Gesamtbetrachtung überwögen die Aspekte für eine Karenzierung, sodass dem Kläger die der Höhe nach nicht strittigen Ansprüche zustünden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Berufung der beklagten Partei aus den Berufungsgründen der Aktenwidrigkeit, der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In seiner rechtzeitigen Berufungsbeantwortung beantragt der Kläger, dem Rechtsmittel der Gegenseite einen Erfolg zu versagen.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 480 Abs 1 ZPO idF BGBl I Nr 52/2009 war über die Berufung der beklagten Partei in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Berufungsgrund der Aktenwidrigkeit:

Die beklagte Partei führt zu Beginn und am Ende der Darstellung dieses Berufungsgrunds zusammengefasst aus, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt vom Erstgericht so mangelhaft festgestellt worden sei, dass eine Überprüfung der Entscheidung für die beklagte Partei nicht möglich sei, weshalb ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege. Hätte das Erstgericht den wesentlichen Sachverhalt umfassend und richtig festgestellt, wäre es zur Einschätzung gelangt, dass aus wirtschaftlichen Gründen die Beendigung des Dienstverhältnisses beabsichtigt gewesen sei (BS 2, 4).

Voranzustellen ist, dass der Berufungsgrund der Aktenwidrigkeit nur dann zu bejahen ist, wenn die Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden, also ein Widerspruch zwischen einer Tatsachenfeststellung und dem zu ihrer Begründung angeführten Beweismittel besteht oder wenn für eine Feststellung überhaupt keine aktenmäßige Grundlage vorhanden ist ( Kodek in Rechberger 4 , § 471 Rz 7; Pimmer in Fasching IV/1², § 467 ZPO Rz 28; Zechner in Fasching IV/1², § 503 ZPO Rz 159; RIS-Justiz RS0043203, RS0043284, RS0043289, RS0043347, RS0043421). Durch die Nichtbeachtung oder Nichterwähnung einer Parteienbehauptung oder eines Beweismittels wird der Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit nicht verwirklicht. In der Unterlassung einer Feststellung kann schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen, das Unterbleiben einer nach den Beweisergebnissen möglichen Feststellung kann aber einen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wahrzunehmenden Feststellungsmangel bilden (RIS-Justiz RS0007292, RS0043283, RS0043402).

Da die Berufungswerberin unter den Berufungspunkten 1.1. bis 1.5. ausschließlich Feststellungen vermisst, aber keinen eine Aktenwidrigkeit begründenden Widerspruch zwischen den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und dem Akteninhalt aufzeigt, liegt der Berufungsgrund der Aktenwidrigkeit nicht vor.

Da gemäß § 84 Abs 2 ZPO die unrichtige Benennung eines Rechtsmittelgrunds unerheblich ist, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist, war nach dem zuvor wiedergegebenen Berufungsvorbringen zu prüfen, ob die Fassung des Urteils im Sinn des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 erster bzw dritter Fall ZPO wird nur dann bejaht, wenn der Entscheidung eine Begründung gänzlich mangelt (dritter Fall) oder die Entscheidung so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (erster Fall). Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall, wie die weiteren Berufungsausführungen der beklagten Partei und die nachstehende Behandlung dieser Berufungsausführungen belegen, nicht vor.

Eine allfällige, mit dem angeführten Berufungsvorbringen intendierte Berufung wegen Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO war daher zu verwerfen.

Zu prüfen blieb, ob mit dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen zutreffend ein „sekundärer“ Feststellungsmangel durch das Unterbleiben von nach den Beweisergebnissen möglichen Feststellungen geltend gemacht wird.

Ein „sekundärer“ Feststellungsmangel liegt vor, wenn das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung notwendige Beweise nicht aufnimmt oder erforderliche Feststellungen nicht trifft ( Kodek in Rechberger 4 , § 496 ZPO Rz 4; 1 Ob 208/07f; 10 Ob 50/11t; 10 ObS 47/15g; 9 ObA 80/15b; RIS-Justiz RS0043304 [T1], RS0043603 [T7]). Der Vorwurf eines rechtlichen Feststellungsmangels kann aber nicht erhoben werden, wenn vom Erstgericht zu einem bestimmten Thema ohnehin Feststellungen getroffen wurden, diese aber den Vorstellungen der Rechtsmittelwerberin zuwiderlaufen (10 ObS 20/02t; 9 ObA 8/11h; 8 Ob 28/11t; 1 Ob 221/11y; RIS-Justiz RS0043320 [T18], RS0043480 [T15, 19], RS0053317 [T1]).

Ad 1.1.:

Die beklagte Partei vermisst „entscheidungsrelevante Feststellungen“ aufgrund der Aussage des Klägers, der zu Protokoll gegeben habe, dass es seines Wissens (nach) finanzielle Probleme bei der Firma S***** gegeben habe, diese wirtschaftlich schwach sei und dies auch alle anderen Mitarbeiter gewusst hätten, dass die Firma eine Sitzung mit den Mitarbeitern einberufen und ihnen erklärt habe, dass es für sie keine Arbeit mehr gebe und daher Konkurs beantragt werde sowie dass der Kläger selbst davon ausgegangen sei, dass er gekündigt werde, und er auch tatsächlich nach der Kündigung ab dem 4.3.2014 Arbeitslosengeld bezogen habe.

Die beklagte Partei ist mit diesem Berufungsvorbringen auf nachstehende Feststellungen des Erstgerichts zu verweisen:

Die schlechte Auftragslage ab Anfang 2014 wurde auch von den Mitarbeitern wahrgenommen (US 5).

Vor dem 1.5.2014 – der genaue Zeitpunkt kann nicht festgestellt werden – gab es bei der S***** GmbH eine Sitzung mit Mitarbeitern, an der auch der Kläger teilnahm. Dabei wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass es für ihn keine Arbeit mehr bei der S***** GmbH gebe, sondern diese den Konkurs beantragen werde (US 6).

Der Kläger ging dabei davon aus, dass das Arbeitsverhältnis mit der S***** GmbH mit 3.3.2014 einvernehmlich gelöst werde, er aber spätestens mit 1.5.2014 wieder seine Arbeit aufnehmen werde können (US 5).

Der Kläger bezog in der Folge vom 4.3.2014 bis Ende Mai 2014 Arbeitslosengeld (US 6).

Das Erstgericht hat daher die vermissten Feststellungen ohnehin weitgehend - zumindest sinngemäß - getroffen, sodass insoweit ein „sekundärer“ Feststellungsmangel nicht vorliegt. Zur Frage, wie der Kläger die „Aussetzungsvereinbarung“ auffasste, traf das Erstgericht eine von der vermissten Feststellung abweichende Feststellung, sodass auch diesbezüglich ein „sekundärer“ Feststellungsmangel zu verneinen ist. Zu ergänzen bleibt, dass der Kläger zwar bei seiner Einvernahme in der Tagsatzung vom 2.10.2015 vorerst (PV ON 9, S 3) von einer einvernehmlichen Auflösung und sodann (PV ON 9, S 4) von einer Kündigung spricht, das Erstgericht hat aber unbekämpft festgestellt, dass die von der Freisetzung betroffenen Mitarbeiter von der S***** GmbH nicht gekündigt werden sollten, weil geplant gewesen sei, die freigesetzten Fachkräfte bei Bedarf wieder zurückzuholen, und eine Abrechnung des Arbeitsverhältnisses ausgehend von einer Arbeitgeberkündigung mangels entsprechender Liquidität nicht erfolgen sollte (US 9). Die beklagte Partei ist zudem auf die Außerstreitstellung zu verweisen, dass die S***** GmbH für den Fall einer Kündigung des Klägers am 2.5.2014 zuvor die regionale Geschäftsstelle des AMS gemäß § 45a AMFG hätte verständigen müssen, eine solche Verständigung aber nicht erfolgt sei (TS ON 5, S 3). Schließlich ist von einer Kündigung weder in der Aussetzungsvereinbarung vom 3.3.2014 (Verwaltungsakt S 13) noch im Verdienstnachweis für Mai 2014 (Verwaltungsakt S 18) die Rede.

Ad 1.2.:

Die beklagte Partei vermisst unter Berufung auf die klare Aussage der Zeugin MMag. L***** E***** die Feststellung, dass den Dienstnehmern erklärt worden sei, ihre Arbeitsverhältnisse würden beendet . Das Erstgericht habe auch nicht festgestellt, dass die Beendigung der Dienstverhältnisse von der Firmenleitung auch in genau diesem Sinn an die Lohnbuchhaltung weitergemeldet worden sei und diese in der Folge jeweils eine „Abrechnung nach Austritt“ per 3.3.2014 erstellt habe .

Die beklagte Partei gibt die Aussage der Zeugin MMag. L***** E***** in der Tagsatzung vom 2.10.2015 nur unvollständig wieder. Die Zeugin führte nämlich in der Folge aus, dass eine Dienstgeberkündigung nicht gewollt gewesen sei, weil im Fall einer Dienstgeberkündigung komplett hätte abgerechnet werden müssen . Sie betonte, dass eigentlich eine Karenzierung, nicht eine Unterbrechung, von Seiten der S***** GmbH gewollt gewesen sei (ZV ON 9, S 6). Sie erläuterte weiter, für sie bedeute eine einvernehmliche Auflösung, dass das Arbeitsverhältnis aufgelöst sowie abgerechnet und abgegolten werde. In Kombination mit dem zweiten Teil des Punkts 1. der Aussetzungsvereinbarung sei für sie klar gewesen, dass eben gerade keine gänzliche Auflösung erfolgt sei (ZV ON 9, S 7).

Der Inhalt des Verdienstnachweises des Klägers für Mai 2014, in dem eine „Abrechnung nach Austritt“ erfolgte (Verwaltungsakt S 18), ist zwischen den Parteien nicht strittig, sodass er ungeachtet der fehlenden ausdrücklichen Feststellung durch das Erstgericht im Berufungsverfahren der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden könnte (8 ObA 115/04a).

Die von der Lohnbuchhaltung erstellte „Abrechnung nach Austritt“ bestätigt die weitere Aussage der Zeugin, dass schon von Seiten der S***** GmbH an die einzelnen Mitarbeiter weitergegeben worden sei, dass sie sich an das Arbeitsmarktservice wenden und in der Zwischenzeit Arbeitslosengeld beziehen sollten . Für einen Austritt der Arbeitnehmer bzw des Klägers erbrachte aber das Beweisverfahren keinen Anhaltspunkt, sodass sich die beklagte Partei durch das Unterbleiben der auf S 18 des Verwaltungsakts gestützten Feststellung auch nicht beschwert erachten kann, zumal es sich hiebei wie bei der Abmeldung bei der Sozialversicherung und bei der Arbeitsbescheinigung um eine bloße Wissenserklärung handelt (9 ObA 73/88; 9 ObA 2006/96g; RIS-Justiz RS0021815), die, wie dargestellt, nicht dem maßgeblichen Parteiwillen entsprach, sodass ihr, wie bei der Behandlung der Rechtsrüge auszuführen ist, keine rechtliche Bedeutung zukommt.

Ad 1.3.:

Die beklagte Partei vermisst eine Feststellung zur Frage, warum in der „Aussetzungsvereinbarung“ nicht schriftlich festgehalten worden sei, dass das Dienstverhältnis angeblich lediglich karenziert bzw nur ausgesetzt worden sei .

Die beklagte Partei hält eingangs dieses Berufungspunkts selbst fest, dass das Erstgericht sowohl den Text der Aussetzungsvereinbarung als auch die mündliche Erörterung gegenüber den Arbeitnehmern feststellte. Dass von der beklagten Partei keine Beendigung des Dienstverhältnisses geplant war, spiegelt sich im ausdrücklich als „ Aussetzungs vereinbarung“ bezeichneten Vertrag wieder, sodass es weiterer Feststellungen nicht bedurfte.

Ad 1.4.:

Die beklagte Partei vermisst weiters Feststellungen zur Frage, von wem der von der Zeugin MMag. L***** E***** behauptete Großauftrag hätte erteilt werden sollen und welchen Umfang dieser Auftrag hätte haben sollen bzw müssen, um die Liquidität der S***** GmbH wieder herzustellen.

Der Kläger weist in seiner Berufungsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass diesen Fragen keine Relevanz zukommt. Die Berufungswerberin übersieht nämlich in diesem Zusammenhang die unbekämpft gebliebene Feststellung des Erstgerichts, wonach die Verantwortlichen der S***** GmbH zu diesem Zeitpunkt (Anfang 2014) davon ausgingen, dass sich die Auftragslage im Hinblick auf einen zu erwartenden größeren Auftrag wieder verbessern und schon bald wieder genügend Arbeit für ihre Mitarbeiter vorhanden sein werde (US 3 f). Diese festgestellte Erwartung bildete den Hintergrund für die Überlegungen der Geschäftsleitung, einige Mitarbeiter zwischenzeitlich freizusetzen, worauf die „Aussetzungsvereinbarungen“ von der Zeugin MMag. L***** E***** verfasst wurden.

Ad 1.5.:

Die beklagte Partei vermisst weiters „klare“ Feststellungen zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit bzw zur wahren Absicht der S***** GmbH (mit der Aussetzungsvereinbarung) einen Zahlungsaufschub zu erwirken.

Da das Erstgericht ohnehin die mangelnde Liquidität der S***** GmbH Anfang 2014 sowie implizit die Intention der Verantwortlichen der S***** GmbH, sich für die Dauer der Aussetzungsvereinbarung die laufenden Lohnzahlungen der freigesetzten Mitarbeiter zu ersparen, feststellte (US 4), liegt auch dieser behauptete Feststellungsmangel nicht vor.

Anzumerken bleibt, dass die Unterstellung der beklagten Partei, dass dem Dienstgeber bewusst gewesen sei, dass er nach der Kündigung aller Dienstverträge niemanden mehr einstellen werde, weil der Antrag auf Insolvenzeröffnung unmittelbar bevorgestanden sei, nicht nur der unstrittigen Tatsache widerspricht, dass eine Auflösung der Dienstverhältnisse weder durch Kündigung seitens des Arbeitgebers noch durch Kündigung seitens der Arbeitnehmer erfolgte, sondern auch der unbekämpft gebliebenen Feststellung des Erstgerichts, dass einige freigesetzte Mitarbeiter in weiterer Folge wieder zurückgeholt wurden (US 5).

2. Zum Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung:

Die beklagte Partei bekämpft folgende „kurz zusammengefasste“ Feststellungen:

Nach dem erstgerichtlich festgestellten Sachverhalt befand sich die Firma S***** GmbH in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, litt an mangelnder Liquidität und an Auftragsmangel. Vor diesem Hintergrund sollten die Dienstverhältnisse der Facharbeiter karenziert werden, damit diese nicht abgerechnet werden müssen und damit diese gemäß „Aussetzungsvereinbarung“ nach Zuschlag eines nicht näher bezeichneten Großauftrags wieder eingesetzt werden können. In der Zwischenzeit sollten sich die Dienstnehmer zwecks Bezugs von Arbeitslosengeld ans Arbeitsmarktservice wenden oder auch Dienstverhältnisse zu anderen Arbeitgebern begründen. Der Kläger ging dabei davon aus, dass das Arbeitsverhältnis mit der Firma S***** GmbH mit 3.3.2014 aufgelöst ist, er erhielt nach März 2014 keine Zahlungen mehr und war nach diesem Datum nicht mehr für die Firma S***** GmbH tätig.

Die beklagte Partei wünscht statt dessen folgende Feststellungen:

2.1.

Der Kläger wusste zumindest seit März 2014 von den wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten seines Arbeitgebers, da mangels Auftrags keine Arbeit mehr da war, er die letzte Zahlung im März 2014 erhielt und deswegen vom Arbeitgeber eine Informationsveranstaltung einberufen wurde. Dort ist ihm mitgeteilt worden, dass er mangels Arbeit gekündigt werde und die Firma Konkurs beantragen werde. Der Kläger hat sodann eine „Aussetzungsvereinbarung“ unterschrieben, wonach sein Arbeitsverhältnis mit 3.3.2014 aufgelöst ist. Der Kläger hat die Beendigung seines Dienstverhältnisses sowie den Ratschlag seines Dienstgebers zur Suche einer anderen Arbeitsstelle zur Kenntnis genommen und sich an das Arbeitsmarktservice gewendet.

2.2.

Den Aussagen der Zeugen MMag. L***** E***** folgend wurden die Arbeitsverhältnisse mit den Dienstnehmern beendet und hat sie die Beendigung diesen auch erklärt. Mit den Abteilungsleitern wurde besprochen, dass die Facharbeiter bei Besserung der Auftragslage wieder aufgenommen werden würden. Sie hat den Dienstnehmern (die Dienstnehmer) dann eine „Aussetzungsvereinbarung“ unterschreiben lassen. An die Lohnbuchhaltung erging sodann die Anweisung der Firmenleitung, eine „Abrechnung nach Austritt“ per 3.3.2014 auszustellen.

2.3.

Nach der „Aussetzungsvereinbarung“ wird das Arbeitsverhältnis des Klägers per 3.3.2014 aufgelöst und sollte im Fall der Wiedereinstellung ein neues Dienstverhältnis unter Anrechnung der Vordienstzeiten begründet werden. Demnach wird das Dienstverhältnis bis zum möglichen Erhalt eines neuen Auftrags unterbrochen und die Zeiten der Unterbrechung nicht als Dienstzeiten angerechnet. In dieser Vereinbarung wurde nicht festgehalten, dass das Dienstverhältnis karenziert oder nur ausgesetzt werde. Entgegen anders lautender mündlicher Erklärung an den Kläger war es Absicht des Dienstgebers, das Dienstverhältnis zu beenden und allfällig bei besserer wirtschaftlicher Lage wieder neu zu begründen. Mangels Zahlungsfähigkeit konnte der Dienstgeber keine Beendigungsansprüche mehr auszahlen.

2.4.

Die Firma S***** GmbH litt bereits erheblich an (mangelnder) Liquidität, welche nur von einem erhofften „entsprechenden“ Großauftrag gemildert werden konnte und vielleicht zur Fortführung des Unternehmens allfällig geführt hätte. Welcher Auftraggeber wann und in welcher Größenordnung den Auftrag hätte erteilen sollen, hat die informierte Firmenjuristin E***** nicht angegeben, eine Feststellung dazu konnte daher nicht getroffen werden. Darüber hinaus entspricht es nicht der Lebenserfahrung, dass ein Großauftrag an ein zahlungsunfähiges Unternehmen erteilt werden würde und war daher der vermeintliche Auftrag eher als letzte Hoffnung zu betrachten. Am 6.5.2014 wurde letztendlich dann das Insolvenzverfahren eröffnet und daher die gekündigten Dienstnehmer zuvor nicht wieder eingestellt.

2.5.

Festgestellt wird, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Kläger über die existenzbedrohenden wirtschaftlichen Verhältnisse Bescheid wussten. Mangels Liquidität war es dem Dienstgeber nicht mehr möglich, die Ansprüche der Dienstnehmer zu zahlen, sie weiter zu beschäftigen und insbesondere deren Beendigungsansprüche zu begleichen. Es ist daher Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Durch eine sogenannte „Aussetzungsvereinbarung“ sollten die Dienstnehmer beruhigt und zumindest ein Zahlungsaufschub erreicht werden.

Die beklagte Partei verweist für die unter 2.1. bis 2.5. begehrten Feststellungen auf das durchgeführte Beweisverfahren und die protokollierten Aussagen des Klägers und der Zeugin. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ergebe sich daher die „Feststellung“, dass die Firma S***** GmbH mangels Aufträgen und Zahlungsfähigkeit beabsichtigt habe, die Dienstverhältnisse ihrer Arbeitnehmer zu beenden. Das Dienstverhältnis des Klägers sei daher mit 3.3.2014 einvernehmlich beendet worden.

Sieht man davon ab, dass die bekämpften Feststellungen des Erstgerichts zumindest teilweise den Standpunkt der beklagten Partei stützen und die begehrten Feststellungen zum Großteil vom Erstgericht ohnehin getroffen wurden, sodass sich die beklagte Partei nicht beschwert erachten kann, wurde die Beweisrüge nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt. Eine gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge muss nämlich nicht nur angeben oder zumindest deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft und welche Feststellung begehrt wird, sondern hat darüber hinaus darzulegen, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung die bekämpfte Feststellung getroffen wurde sowie aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre ( Kodek in Rechberger 4 , § 471 ZPO Rz 8; Pimmer in Fasching IV/1², § 467 ZPO Rz 40; 10 ObS 15/12x; 8 Ob 47/12p; 8 ObA 39/13p; RIS-Justiz RS0041835).

Diesen Vorgaben wird die Beweisrüge der beklagten Partei nicht gerecht. Den Ausführungen der Berufungswerberin können zwar die bekämpften und begehrten Feststellungen trotz deren Vermengung mit der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung noch entnommen werden, die beklagte Partei legt aber nicht dar, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung die bekämpften Feststellungen getroffen worden seien. Der undifferenzierte Verweis auf das Beweisverfahren und die protokollierten Aussagen des Klägers und der Zeugin (MMag. L***** E*****) reicht zudem zur Darlegung, aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrten Feststellungen zu treffen gewesen wären, nicht hin, zumal das Erstgericht die bekämpften Feststellungen zu Recht auf die Aussagen des Klägers und der Zeugin MMag. L***** E***** stützte, die es weitgehend übernahm.

Auf die Beweisrüge der beklagten Partei war daher nicht weiter einzugehen. Anzumerken bleibt, dass, wie bereits erwähnt, die Aussagen des Klägers und der Zeugin MMag. L***** E***** die Feststellungen des Erstgerichts tragen.

3. Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

In ihrer Rechtsrüge wendet sich die beklagte Partei gegen die Ansicht des Erstgerichts, wonach die „Aussetzungsvereinbarung“ vom 3.3.2014 als Vereinbarung einer Karenzierung und nicht einer Unterbrechung mit Beendigungswirkung zu werten sei. Das Erstgericht habe ausgehend von seiner Rechtsansicht die aufrecht gebliebenen Nebenpflichten nicht „festgestellt“, sodass ein weiterer „sekundärer“ Feststellungsmangel vorliege.

Das Erstgericht hat zutreffend ausgeführt, dass bei einer Karenzierung nur die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, also die Arbeits- und (laufende) Entgeltpflicht, zum Ruhen gebracht werden, während gewisse Nebenpflichten aufrecht bleiben. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und die Treuepflicht des Arbeitnehmers bestehen auch während der Dauer einer Karenzierungsvereinbarung ( Rebhahn/Kietaibl in ZellKomm², § 1153 ABGB, Rz 34; Höller/Trost , DRdA 2008, 449). Bezogen auf den gegenständlichen Fall stellte das Erstgericht im Rahmen der „Aussetzungsvereinbarung“ vom 3.3.2014 die Verpflichtung zur Wiedereinstellung bis längstens 1.5.2014 und die Zusammenrechnungsverpflichtung betreffend die Vordienstzeiten bei der S***** GmbH einerseits sowie den Verzicht auf die Geltendmachung der Sonderzahlungen, des offenen Urlaubsanspruchs und des bestehenden Zeitausgleichssaldos bis zur Wiedereinstellung fest. Da sich die aufrechte Fürsorge- bzw Treuepflicht dem Gesetz bzw der Natur des Arbeitsvertrags entnommen werden kann und das Erstgericht darüber hinaus konkrete Verpflichtungen der Arbeitgeberin bzw des Klägers feststellte, liegt der behauptete „sekundäre“ Feststellungsmangel schon begrifflich nicht vor.

Die beklagte Partei stellt ihren weiteren Ausführungen zur Rechtsrüge voran, dass die Beurteilung, ob die Parteien des Arbeitsverhältnisses dessen Unterbrechung mit Beendigungswirkung oder eine keine Beendigung darstellende Karenzierung (= Aussetzung) vereinbart haben, nach §§ 914 ff ABGB unter Erforschung der wahren Parteienabsicht zu erfolgen habe, wobei die Bezeichnung einer solchen Vereinbarung unbeachtlich sei. Die streitgegenständliche „Aussetzungsvereinbarung“ halte unter Punkt 1 ausdrücklich fest, dass das Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit 3.3.2014 aufgelöst werde. Folgerichtig beinhalte die Vereinbarung für die Zeit nach dem 3.3.2014 keine Nebenpflichten, sondern halte fest, dass bis 1.5.2014 ein neues Dienstverhältnis zu den bisherigen Bestimmungen begründet werde. Der Kläger sei von der S***** GmbH dahingehend beraten worden, dass er nach Auflösung des Dienstverhältnisses und Abmeldung bei der Gebietskrankenkassa Arbeitslosengeld beantragen bzw sich anderweitig um eine andere Stelle bewerben solle. Der Bezug von Arbeitslosenunterstützung lege nach ständiger Rechtsprechung eine Unterbrechung nahe, weil für den Erhalt dieser Unterstützung Arbeitslosigkeit bzw ein beendetes Arbeitsverhältnis Voraussetzung sei. Dieser Umstand sei dem Arbeitgeber bewusst gewesen, als er die Lohnbuchhaltung angewiesen habe, eine „Abrechnung nach Austritt“ per 3.3.2014 vorzunehmen. Hätte der Arbeitgeber tatsächlich einen entscheidenden Großauftrag in absehbarer Zeit in Aussicht gehabt, hätte er seinen Mitarbeitern die Situation wohl konkreter geschildert und ihnen sofort schriftlich eine Aufhebung der Karenzierung mit verbindlichem Datum angeboten. Auch die Nichtauszahlung der Ansprüche sowie die Nichtbehandlung des offenen Urlaubs und des Zeitsaldos sprächen bei richtiger rechtlicher Beurteilung dafür, dass der Arbeitgeber das Dienstverhältnis des Klägers mangels Liquidität und Aufträge habe beenden müssen. Die Erklärung gegenüber dem Kläger, ihn wieder aufnehmen zu wollen, habe lediglich zu dessen Beruhigung und zur Erwirkung eines Zahlungsaufschubs gedient.

Bei richtiger Auslegung der „Aussetzungsvereinbarung“ sei davon auszugehen, dass die Absicht der Parteien auf eine Beendigung (Unterbrechung) des Dienstverhältnisses gerichtet gewesen sei. Dem Kläger stünden daher nur die sich aufgrund der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist von drei Tagen ergebenden beendigungsabhängigen Ansprüche zu. Der Kläger habe nicht dargelegt, weshalb der Kollektivvertrag für das Glasergewerbe gegenständlich keine Anwendung finde.

Der beklagten Partei ist grundsätzlich beizupflichten, dass die Frage, ob die Parteien eine Unterbrechung oder eine – keine Beendigung oder Unterbrechung darstellende – Karenzierung (Aussetzung) des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, nach den Umständen des Einzelfalls durch Auslegung zu beantworten ist. Die „Aussetzung“ von Arbeitsverträgen wird als Mittel zur Überbrückung von Zeiten der Beschäftigungslosigkeit eingesetzt. Solche „Aussetzungen“ beruhen auf dem wirtschaftlichen Grundgedanken, dass die Arbeitnehmer Leistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten, ohne ihre Bindung an den Betrieb zu verlieren. Rechtlich kann der Zweck einer „Aussetzung“ auf verschiedene Weise herbeigeführt werden, entweder durch eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsvertrags verbunden mit der Abrede, zu einem in der Zukunft liegenden bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitpunkt einen neuen Dienstvertrag einzugehen oder durch eine Karenzierung des Dienstverhältnisses, bei welcher der Arbeitsvertrag rechtlich nicht beendet, sondern lediglich die Hauptpflichten, nämlich die Arbeits- und Entgeltpflicht, zum Ruhen gebracht werden. Wegen dieser verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten ist auch bei der Auslegung von Aussetzungsverträgen entsprechend den Regeln des § 914 ABGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Bei der Auslegung ist nicht auf die Wortwahl der Parteien, sondern auf die von ihnen bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen. Soll der Arbeitnehmer aufgrund einer Absprache nur vorübergehend mit der Arbeit aussetzen, sodass der Arbeitgeber auf diesen zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückgreifen und der Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt an derselben Arbeitsstelle wieder weiterarbeiten kann, so ist im Allgemeinen eine Aussetzung im eigentlichen Sinne, also eine Karenzierung, anzunehmen, weil die Parteien ihre vertragliche Bindung nicht abbrechen, sondern lediglich auf eine bestimmte Zeit sistieren wollen.

Wenn die Aussetzungsvereinbarung zwar ausdrücklich darauf gerichtet ist, dass der Arbeitsvertrag gelöst wird und zu einem späteren Zeitpunkt ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll, ist die Vereinbarung dennoch nicht als Auflösungs-, sondern als Karenzierungsvereinbarung zu qualifizieren, wenn die Parteien den einvernehmlich gelösten Arbeitsvertrag nicht oder nur zum Teil abwickeln und eine volle Anrechnung der Dienstzeiten und Anwartschaften aus diesem Arbeitsvertrag auf den gleichzeitig abgeschlossenen aufschiebend befristeten Arbeitsvertrag vereinbaren. An einer Abwicklung des dem Wortlaut nach aufgelösten Arbeitsverhältnisses fehlt es dann, wenn dem Arbeitnehmer die Endabrechnung nicht ausgehändigt wird und die fälligen Zahlungen, wie anteilige Sonderzahlungen, allfällige Urlaubsentschädigungen und die allfällige Abfertigung nicht geleistet werden (9 ObA 73/88; 9 ObA 147/98b; 8 ObS 106/01y; 8 ObA 47/05b; 9 ObA 62/11z; RIS-Justiz RS0017766, RS0017802, RS0021801).

Im gegenständlichen Fall spricht zwar, wie das Erstgericht zutreffend ausführte, die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 3.3.2014 gemäß Punkt 1. der „Aussetzungsvereinbarung“ für eine Unterbrechung bzw eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, schon die Überschrift dieses Punkts der „Aussetzungsvereinbarung“ „Zusicherung der Wiedereinstellung“ legt eine bloße Karenzierung bzw echte Aussetzung des Arbeitsverhältnisses nahe, die auch durch die Bezeichnung des Schriftstücks als „ Aussetzungs vereinbarung“ bestätigt wird. In diesem Sinn ist auch die Aussage der Zeugin MMag. L***** E***** zu verstehen, wonach für sie als Juristin und Vertragsverfasserin bei einer Zusammenschau des ersten und zweiten Teils des Punkts 1. der „Aussetzungsvereinbarung“ klar gewesen sei, dass eben gerade keine gänzliche Auflösung erfolgt sei (ZV ON 9, S 7). Auch die volle Anrechnung der Vordienstzeiten gemäß Punkt 2. der „Aussetzungsvereinbarung“ sowie die unterbliebene Abrechnung und Auszahlung der beendigungsabhängigen Ansprüche gemäß Punkt 3. der „Aussetzungsvereinbarung“ intendieren nicht die Absicht der Parteien, das Arbeitsverhältnis zur Gänze zu beenden. Gegen diese Absicht spricht auch der Umstand, dass sie der Art der Auflösung des Arbeitsverhältnisses offensichtlich keine Beachtung schenkten und die Arbeitgeberin in der „Aussetzungsvereinbarung“ vom 3.3.2014 eine einvernehmliche Auflösung festhielt, andererseits dem Kläger eine Abrechnung in der Form („Austritt des Arbeitnehmers“) übergab, die er für den Bezug der Arbeitslosenunterstützung benötigte (vgl 9 ObA 73/88), welche er feststellungsgemäß auch ab 4.3.2014 bezog. Diese Form der Abrechnung schließt die Annahme einer echten Aussetzungsvereinbarung (Karenzierung) nicht aus (9 ObA 193/90; 9 ObA 71/92; 9 ObA 27/95; RIS-Justiz RS0017802 [T4, 7, 8]).

Entscheidend ist, ob aufgrund einer Gesamtsicht die Merkmale, die für das Vorliegen einer Unterbrechungsvereinbarung sprechen, oder die Merkmale, die auf das Vorliegen einer bloßen Karenzierungsvereinbarung hindeuten, überwiegen (9 ObA 219/97y; 9 ObA 9/02t; 9 ObA 13/09s; RIS-Justiz RS0017802 [T12, 24]). Das Erstgericht hat zu Recht bei dieser Abwägung dem Umstand, dass die Streitteile in Punkt 3. der „Aussetzungsvereinbarung“ die Nichtabrechnung bzw das Stehenlassen der beendigungsabhängigen Ansprüche vereinbarten, selbst wenn diese Vereinbarung durch die mangelnde Liquidität der S***** GmbH zur Bezahlung der endigungsabhängigen Ansprüche motiviert war, besondere Bedeutung beigemessen. Eine die Abrechnung beendigungsabhängiger Ansprüche auslösende Auflösung des Arbeitsverhältnisses, zB durch eine Dienstgeberkündigung sollte nach den – im Übrigen unbekämpften – Feststellungen des Erstgerichts vermieden werden.

Wenn die beklagte Partei in diesem Zusammenhang ein schriftliches Angebot der Aufhebung der Karenzierung mit verbindlichem Datum vermisst, ist sie auf die in Punkt 1. der „ Aussetzungs vereinbarung“ festgehaltene Wiedereinstellungszusicherung bis längstens 1.5.2014 zu verweisen, durch die das Ende (die Aufhebung) der Karenzierung mit einem verbindlichen Datum festgelegt wurde. Der Kläger ging aufgrund dieser Wiedereinstellungsvereinbarung nach der unbekämpften Feststellung des Erstgerichts davon aus, dass er spätestens mit 1.5.2014 seine Arbeit bei der S***** GmbH wieder aufnehmen werde können.

Das Erstgericht ist daher im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass gegenständlich eine Karenzierung und keine Unterbrechung vorliege .

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei machte der Kläger seine Ansprüche auf der Grundlage des Kollektivvertrags für das Glasergewerbe und der im § 9 dieses Kollektivvertrags normierten 3-tägigen Kündigungsfrist geltend.

Gemäß § 45a Abs 1 AMFG haben die Arbeitgeber die nach dem Standort des Betriebs zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice durch schriftliche Anzeige zu verständigen, wenn sie beabsichtigen, Arbeitsverhältnisse innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen aufzulösen. Nach der Außerstreitstellung in der Tagsatzung vom 26.6.2015, wonach die S***** GmbH für den Fall einer Kündigung des Klägers am 2.5.2014 zuvor die regionale Geschäftsstelle des AMS gemäß § 45a AMFG hätte verständigen müssen, ist davon auszugehen, dass einer der vier im § 45a Abs 1 AMFG genannten Fälle, der eine schriftliche Anzeige der beabsichtigten Kündigungen an das Arbeitsmarktservice bedingt, vorliegt. Diese Anzeige ist gemäß § 45a Abs 2 AMFG mindestens 30 Tage vor der ersten Erklärung der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu erstatten. Gemäß § 45a Abs 5 AMFG sind Kündigungen, die eine Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Sinne des Abs 1 bezwecken, rechtsunwirksam, wenn sie 1. vor Einlangen der im Abs 1 genannten Anzeige bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice oder 2. nach Einlangen der Anzeige bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice innerhalb der gemäß Abs 2 festgesetzten Frist ohne vorherige Zustimmung der Landesgeschäftsstelle gemäß Abs 8 ausgesprochen werden.

Die vor Fristablauf und ohne Zustimmung des Landesarbeitsamts ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 45a Abs 5 AMFG rechtsunwirksam. Ob der gekündigte Arbeitnehmer von der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Kündigung früher Kenntnis hatte, ist hiebei ebenso unerheblich wie der Umstand, ob mit der Nichteinhaltung dieser Bestimmung für den gekündigten Arbeitnehmer ein Nachteil verbunden ist (9 ObA 146/98f; RIS-Justiz RS0051143).

Der Arbeitnehmer hat im Fall einer unwirksamen Auflösung seines Arbeitsverhältnisses bei bestehendem Kündigungsschutz das Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Auflösung oder der Forderung einer Kündigungsentschädigung bei rechtswidriger Beendigung (8 ObA 213/96; 9 ObA 139/01h; 9 ObA 180/07x; 8 ObA 62/13w; RIS-Justiz RS0101989). Im gegenständlichen Fall ließ der Kläger die an sich gemäß § 45a Abs 5 AMFG unwirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Erklärung in der Mitarbeitersitzung, dass es für ihn keine Arbeit mehr bei der S***** GmbH gebe, weshalb sein Arbeitsverhältnis entgegen der Wiedereinstellungszusicherung nicht am 1.5. bzw 2.5.2014 fortgesetzt werde, gegen sich gelten und forderte aufgrund der rechtswidrigen Beendigung Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzlesitung unter Berücksichtigung der bei ordnungsgemäßer bzw rechtswirksamer Kündigung einzuhaltenden Frist.

Dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die S***** GmbH fristwidrig erfolgte bzw der Kläger nicht unberechtigt vorzeitig austrat, sodass § 1162b ABGB zur Anwendung gelangt, wird von der beklagten Partei nicht in Frage gestellt, weshalb sie ihm ausgehend von einer fristwidrigen Kündigung schon im Verwaltungsverfahren eine Kündigungsentschädigung für die kollektivvertragliche Kündigungsfrist von drei Tagen gewährte.

Die Frist, die bei einer ordnungsgemäßen (rechtswirksamen) Kündigung einzuhalten gewesen wäre, verlängert sich aber über die kollektivvertragliche 3-tägige Kündigungsfrist hinaus um die im § 45a Abs 2 AMFG normierte 30-tägige Frist.

Da die Streitteile die aufgrund dieser Fristverlängerung dem Kläger zustehenden Ansprüche der Höhe nach außer Streit stellten, hatte eine Überprüfung der Höhe der Klagsforderung durch das Berufungsgericht nicht stattzufinden.

Der Berufung der beklagten Partei war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.

Im Hinblick auf die Erfolglosigkeit ihrer Berufung hat die beklagte Partei dem Kläger gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG die rechtzeitig und richtig verzeichneten Kosten des Berufungsverfahrens, sohin EUR 548,86 (inklusive EUR 91,48 an Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Da die Frage, ob die Parteien im gegebenen Fall eine Karenzierung oder eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, eine Frage des Einzelfalls darstellt, war auszusprechen, dass die (ordentliche) Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig ist (8 ObS 25/07w).

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