4R157/15t – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und die Richterin Dr. Prantl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei M***** P***** , vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider die beklagte Partei R***** Ö***** , vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, wegen EUR 1.034,85 s.A. über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10.9.2015, GZ 6 Cg 39/15v-12, in nichtöffentlicher Sitzung
I) beschlossen :
Spruch
Das von der klagenden Partei mit Schriftsatz vom 12.8.2015 erstattete Vorbringen wird z u r ü c k g e w i e s e n .
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird v e r w o r f e n .
II) zu Recht erkannt:
Im Übrigen wird der Berufung k e i n e Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 248,06 (darin EUR 41,34 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
Entscheidungsgründe:
Text
Mit seiner (Mahn-)Klage begehrt der Kläger von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung die Zahlung von EUR 1.034,85 s.A. mit der Begründung, dass die Bezirkshauptmannschaft ***** wegen eines Vorfalls vom 14.8.2013 unter Verstoß gegen die Verbindungspflicht nach § 58a AVG 15 Lenkeranfragen an ihn gestellt und 15 Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet habe, dies obwohl er eine der vielen Anfragen beantwortet habe. Da die Tatzeiten der Verwaltungsstraftaten nur wenige Minuten auseinander gelegen seien, sei der Kläger nur zu einer einmaligen Auskunft verpflichtet gewesen. Dies sei vom Landesverwaltungsgericht bestätigt worden. Das klagsgegenständliche Verwaltungsstrafverfahren VK-***** sei auf Grundlage dieser bestätigenden Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts eingestellt worden. In diesem Verfahren seien dem Kläger EUR 1.255,68 an Rechtsvertretungskosten aufgelaufen. Da die Strafbehörde getrennte Verfahren eingeleitet habe, sei der Kläger gezwungen gewesen, darauf mit separaten Schriftsätzen zu reagieren. Richtig sei, das der Kläger mit Schreiben vom 15.9.2014 der Beklagten vorerst nur die Kostenverzeichnisse für die bis dorthin abgeschlossenen Verfahren präsentiert habe. Mit einem weiteren Schreiben vom 16.12.2014 habe er ihr das Kostenverzeichnis über EUR 1.255,68 für das gegenständliche Verfahren VK-***** übermittelt. Darauf habe die Beklagte am 23.1.2015 laut eigener Widmung nur eine Teilzahlung in Höhe von EUR 220,83 bezahlt. Verfahrensgegenständlich sei der Differenzbetrag.
Gegen den vom Erstgericht antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl erhob die Beklagte fristgerecht Einspruch und wendete ein, dass die geltend gemachten Kosten in Höhe von EUR 1.034,85 nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien. Der Kläger habe eklatant gegen den Grundsatz verstoßen, jede prozessuale Möglichkeit der Verbilligung wahrzunehmen. Dem Kläger wäre zumutbar gewesen, nicht 15 inhaltsgleiche Einsprüche bzw Beschwerden, sondern lediglich einen Einspruch bzw eine Beschwerde zu verfassen und diese zu vervielfältigen. Mit Aufforderungsschreiben vom 15.9.2014 habe der Kläger von der Beklagten Kosten der Rechtsvertretung in Höhe von EUR 38.114,18 für insgesamt 14 Verwaltungsstrafverfahren begehrt, wobei die Kosten der Rechtsvertretung in drei Verfahren mit je EUR 3.165,82 und in 11 Verfahren mit je EUR 2.601,52 bekannt gegeben worden seien.
Für das gegenständliche Verfahren VK-***** habe der Kläger, nachdem bereits ein Teil seiner Forderungen anerkannt und angewiesen worden sei, EUR 1.255,68 für einen Einspruch nach TP 3A und einen Einstellungsantrag nach TP 1 zuzüglich 50 % Einheitssatz, Barauslagen von EUR 15,-- und einen Erfolgszuschlag von 50 % geltend gemacht. Im Verfahren VK-***** sei nur der Einstellungsantrag zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen und daher nach TP 1 zu honorieren. Die Bemessungsgrundlage dafür betrage EUR 17.440,--.
Im Einzelnen habe die Finanzprokuratur letztlich folgenden Betrag anerkannt und überwiesen:
Einspruch, TP 2
(Bemessungsgrundlage 15 x EUR 17.440,-- = EUR 261.600,--) EUR 481,20
50 % Einheitssatz EUR 240,60
Beschwerde TP 3B (Bemessungsgrundlage EUR 261.600,--) EUR 1.188,90
50 % Einheitssatz EUR 594,45
Einstellungsantrag TP 1 (nur Verfahren VK-*****,
Bemessungsgrundlage EUR 17.440,--) EUR 44,60
50 % Einheitssatz EUR 22,30
sonstige Barauslagen gesamt EUR 20,00
Erfolgszuschlag EUR 1.286,02
Honorar EUR 3.858,07
Auslagen USt-pflichtig EUR 20,00
USt EUR 775,61
Ersatzanspruch EUR 4.653,68 .
Würde man davon ausgehen, dass der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, die Einsprüche und Beschwerden zu verbinden, sei zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der 14 anderen Verfahren die Bemessungsgrundlage um EUR 17.440,--, nämlich um das klagsgegenständliche Verfahren zu reduzieren sei. Auch der Einstellungsantrag nach TP 1 stehe dann nicht zu. Für diesen Fall, also bei einer Bemessungsgrundlage von EUR 244.160,-- und abzüglich des Einstellungsantrags ergebe sich nur ein Ersatzanspruch in Höhe von EUR 4.432,85. Da dem Kläger aber ein Betrag von EUR 4.653,68 überwiesen worden sei, werde der Differenzbetrag von EUR 220,83 als Gegenforderung aufrechnungsweise eingewandt.
In der Tagsatzung am 15.7.2015 änderte die Beklagte die Geltendmachung der Gegenforderung dahingehend, dass die bislang herangezogene Bemessungsgrundlage von EUR 261.600,-- (15 x EUR 17.440,--) richtigerweise nur EUR 17.440,-- pro Verfahren betrage. Auf dieser Bemessungsgrundlage ergebe sich für das Verfahren VK-***** ein Kostenersatz von lediglich EUR 1.964,66. Da dem Kläger bereits EUR 4.653,68 überwiesen worden seien, ergebe sich ein Differenzbetrag von EUR 2.689,02, mit dem prozessual aufgerechnet werde.
Mit dem nach Schluss der Verhandlung eingebrachten Schriftsatz vom 12.8.2015 brachte der Kläger ergänzend vor, dass die Zahlung von EUR 220,83 für das Verfahren VK-***** gewidmet gewesen sei und die Beklagte von dieser Widmung nicht nachträglich abgehen könne.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit EUR 1.034,85 und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Dabei ging es von nachstehendem Sachverhalt aus, wobei die von der Beklagten mit Rechtsrüge (Feststellungsmangel) bekämpften Feststellungen in Fettdruck wiedergegeben werden:
Am 14.8.2013 verfolgte ein Polizist in den Gemeindegebieten von ***** und ***** einen Motorradlenker, der das auf den Kläger zugelassene Motorrad mit dem behördlichen Kennzeichen ***** steuerte. Im Rahmen der Verfolgung stellte das Organ der öffentlichen Straßenaufsicht etliche Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung und nach dem Kraftfahrgesetz fest. Zeitlich lagen diese Übertretungen nur im Minutenabstand auseinander. Aufgrund der Verfolgungssituation war klar, dass es sich nur um einen Lenker handelte.
Nach Vorliegen der entsprechenden Polizeianzeigen stellte die Bezirkshauptmannschaft ***** am 18.11.2013 zu VK-***** an den Kläger eine „erste“ Lenkeranfrage im Sinn des § 103 Abs. 2 KFG, auf welche der Kläger mitteilte, er könne nicht angeben, wer sein Fahrzeug am 14.8.2013 gelenkt habe. Es hätten zu dieser Zeit mehrere Personen eine Probefahrt durchgeführt
Mit 8.1.2014 erließ die Bezirkshauptmannschaft ***** gegen den Kläger eine Strafverfügung, die in Rechtskraft erwuchs, wobei der Kläger die verhängte Geldbuße von € 72,- bezahlte.
Mit Schreiben vom 9.1.2014 wurde der Kläger von der Bezirkshauptmannschaft ***** zu Geschäftszahlen VK-*****, VK-*****, VK-*****, VK- *****, VK-*****, VK-*****, VK-*****, VK-*****, VK- *****, VK-*****, VK-*****, VK-*****, VK-*****, VK- ***** und VK-***** jeweils aufgefordert, Auskunft zu erteilen, wer das Fahrzeug am 14.8.2013 gelenkt habe. Den Aufforderungen lagen die Anzeigen der Tiroler Landesverkehrsabteilung wegen des Verdachtes nach §§ 9 Abs. 1, 9 Abs. 5, 16 Abs. 1a, 20 Abs. 2, 52 lit. a Z 10a, 97 Abs. 5 StVO und § 102 KFG zugrunde. (2) Da auf sämtliche Aufforderungsschreiben keine Rückmeldung seitens des Klägers erfolgte, erließ die Bezirkshauptmannschaft ***** gegen den Kläger jeweils Strafverfügungen wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft nach § 103 Abs. 2 KFG.
Gegen diese Straferkenntnisse erhob der Kläger Einsprüche und führte aus, nicht sagen zu können, wer zum Zeitpunkt der Verwaltungsübertretungen sein Fahrzeug gelenkt habe.
(3) Die Bezirkshauptmannschaft ***** erließ in der Folge hinsichtlich der einzelnen oben bereits genannten Geschäftszahlen [Anm. des Berufungsgerichts: allerdings mit Ausnahme des Verfahrens VK-29741-2013] jeweils Straferkenntnisse, mit welchen über den Kläger gemäß § 103 Abs. 2 KFG i.V.m. § 134 Abs. 1 KFG Strafen in unterschiedlicher Höhe verhängt wurden.
Gegen diese Strafbescheide erhob der Kläger Beschwerden an das Landesverwaltungsgericht ***** und führte aus, dass er bereits in einem anderen diesbezüglichen Verfahren der Bezirkshauptmannschaft ***** nach Erhalt der Aufforderung gemäß § 103 Abs. 2 KFG mitgeteilt habe, nicht sagen zu können, wer am 14.8.2013 sein Motorrad gelenkt habe.
Das Landesverwaltungsgericht ***** gab den Beschwerden des Klägers jeweils Folge, behob die Straferkenntnisse und stellte die Verwaltungsstrafverfahren betreffend die Verweigerung der Lenkerauskunft ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bezirkshauptmannschaft ***** insofern die Rechtslage verkenne, als den Zulassungsbesitzer bzw. den Auskunftspflichtigen die Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG nur einmal treffe, eine zwei- bzw. mehrmalige Anfrage sei unzulässig.
Mit Schreiben vom 15.9.2014 forderte der Kläger die Beklagte auf, die aufgrund der Rechtsvertretung in den genannten Verwaltungsstrafverfahren [Anm. des Berufungsgerichts: mit Ausnahme des Verfahrens VK-29741-2013] insgesamt entstandenen Kosten von € 38.114,18 zu bezahlen.
(1) Die Beklagte anerkannte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 9.2.2015 unter Bezugnahme auf die Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) und einer Bemessungsgrundlage von € 261.600,- (15 Verfahren x € 17.440,-) für einen Einspruch, eine Beschwerde, einen Einstellungsantrag, sonstige Barauslagen und einen Erfolgszuschlag einen Betrag von € 4.653,68. Hinsichtlich des gegenständlichen Verfahrens zur Geschäftszahl VK-***** anerkannte die Beklagte mit Schreiben vom 30.1.2015 den Betrag in Höhe von € 220,83.
Im Verfahren VK-***** der Bezirkshauptmannschaft ***** erstattete der Rechtsvertreter des Klägers folgende Schriftsätze: am 5.5.2014 einen Einspruch gegen die Strafverfügung, am 16.6.2014 eine Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 23.4.2014 [Anm. des Berufungsgerichts: nicht zweckentsprechend, weil zu VK-***** wohl irrtümlich kein Straferkenntnis ergangen ist, daher Kosten dafür vom Kläger auch nicht geltend gemacht] und mit 16.6.2014 einen Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.
Rechtliche Beurteilung
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Bezirkshauptmannschaft ***** den Kläger in unvertretbarer Rechtsansicht wiederholt zur Lenkerauskunft wegen Taten, die nur wenige Minuten zeitlich auseinander gelegen seien, aufgefordert habe. Die Bezirkshauptmannschaft ***** hätte die Anzeigen gemäß § 39 Abs 2a AVG zu verbinden und gemäß § 58a AVG in einem Bescheid zu entscheiden gehabt (§ 24 VStG). Tatsächlich habe die Bezirkshauptmannschaft ***** 15 Verfahren eingeleitet und jeweils gesonderte Strafverfügungen und Straferkenntnisse erlassen. Da der Kläger mit 15 gesonderten Strafverfügungen und [richtig: 14] Straferkenntnissen konfrontiert gewesen sei, stelle die Erhebung von 15 inhaltsgleichen Einsprüchen bzw Beschwerden keine schuldhafte Verletzung der den Kläger treffenden Schadensminderungspflicht dar. Der Kläger habe daher Anspruch auf Ersatz der für das Verfahren VK-***** verzeichneten Vertretungskosten in Höhe von EUR 1.255,68. Abzüglich des von der Beklagten anerkannten und geleisteten Betrags in Höhe von EUR 220,83 bestehe der Klagsbetrag von EUR 1.034,85 zu Recht. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 30.1.2015 (Beilage ./i) eine Widmung des Betrags von EUR 220,83 auf das gegenständliche Verfahren vorgenommen habe, komme ein nachträgliches, prozesserfolgsorientiertes Abgehen von dieser Erklärung nicht mehr in Frage. Die eingewendete Gegenforderung bestehe nicht zu Recht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerechte Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, die in den Antrag mündet, die angefochtene Entscheidung wegen Nichtigkeit aufzuheben, in eventu im Sinn einer Klagsabweisung abzuändern.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, die Berufung wegen Nichtigkeit zu verwerfen und im Übrigen der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung wegen Nichtigkeit war zu verwerfen.
Im Übrigen ist die Berufung nicht berechtigt.
1. Zum Berufungsgrund der Nichtigkeit :
1.1. Eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO erblickt die Beklagte darin, dass das Erstgericht den Schriftsatz des Klägers, der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung samt Beweisurkunden (Beilagen ./H und ./i) vorgelegt worden sei, berücksichtigt und nicht gemäß § 179 erster Satz ZPO zurückgewiesen habe. Durch diesen ungesetzlichen Vorgang sei der Beklagten die Möglichkeit genommen worden, zu den Ausführungen der Gegenseite zur Gegenforderung und einer angeblichen Widmungserklärung Stellung zu nehmen.
1.2. Damit der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO vorliegt, müssen folgende Voraussetzungen zutreffen:
vor Gericht zu verhandeln (RIS-Justiz RS0042202), wobei der Nichtigkeitsgrund auch dann vorliegt, wenn der Partei die Möglichkeit vor Gericht zu verhandeln nicht zur Gänze, sondern nur bei einer einzelnen Verhandlung durch ungesetzlichen Vorgang entzogen war (RIS-Justiz RS0007437). Nach ständiger Rechtsprechung wird das rechtliche Gehör in einem Zivilverfahren auch dann verletzt, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (RIS-Justiz RS0005915).
1.3. Nachdem die Beklagte in der Tagsatzung am 15.7.2015 ihr Vorbringen zur Gegenforderung von EUR 220,83 auf EUR 2.689,03 änderte, ersuchte der Klagsvertreter um Einräumung eines Schriftsatzes zur Erwiderung und zur Vorlage weiterer Unterlagen. Dem Klagsvertreter wurde sodann aufgetragen, bis 30.8.2015 einen Schriftsatz mit entsprechenden Beweisurkunden im Hinblick auf das neue Vorbringen der Beklagten zu erstatten. In weiterer Folge wurde die Verhandlung gemäß § 193 Abs 3 ZPO geschlossen.
1.4. § 193 Abs 3 ZPO sieht ausdrücklich vor, dass die Verhandlung auch vor Aufnahme aller zugelassenen Beweise geschlossen werden kann, wenn nur noch einzelne Beweise ausstehen und das Gericht eine Verhandlung für entbehrlich hält. Ein derartiger vorzeitiger Schluss der Verhandlung ist insbesondere für die Vorlage von Urkunden anerkannt ( Klauser/Kodek , ZPO 17 , § 193 ZPO E 10). Nicht anders war der Auftrag des Erstgerichts an den Kläger zu verstehen, noch fehlende Urkunden vorzulegen. Dies stellt keinen ungesetzlichen Vorgang dar. Dazu kommt, dass die neu vorgelegten und der Beklagten nach § 112 ZPO direkt übermittelten Urkunden Beilagen ./H und ./I von der Beklagten stammen und sich der Inhalt dieser Urkunden durchaus mit der Schilderung der Beklagten im Aufforderungsverfahren nach dem AHG in ON 3 deckt. Da das Vorgehen des Erstgerichts § 193 Abs 3 ZPO entsprach, liegt kein ungesetzlicher Vorgang und damit auch keine Nichtigkeit vor.
1.5. Allerdings trifft zu, dass der nach Schluss der Verhandlung eingebrachte Schriftsatz des Klägers in unzulässiger Weise noch weiteres – verspätetes - Vorbringen enthielt, das vom Erstgericht nach § 179 Abs 1 ZPO zurückgewiesen werden hätte müssen. Aus Anlass der Berufung war dies zur Klarstellung durch das Berufungsgericht mit Beschluss nachzuholen (vgl 4 R 94/13z; 4 R 257/04g OLG Innsbruck und die dazu ergangene Entscheidung des OGH zu 4 Ob 34/05m). Eine Nichtigkeit ergibt sich aber auch daraus nicht, da das Vorbringen im Schriftsatz vom 1.8.2015 zur Widmung der Zahlung von EUR 220,83 keineswegs neu war und im angefochtenen Urteil daher auch kein neues Vorbringen verwertet wurde. Der Kläger hat von Anfang an vorgebracht, dass die Beklagte hinsichtlich des Verfahrens VK-***** nur EUR 220,83 anerkannt und bezahlt habe, was durch das nach Schluss der Verhandlung vorgelegte Schreiben der Beklagtenvertretung vom 30.1.2015 in Beilage I unter Beweis gestellt wurde. Die Berufung wegen Nichtigkeit war daher zu verwerfen.
2. Zur Rechtsrüge:
2.1. Anstelle der mit (1) bezeichneten Feststellung begehrt die Beklagte unter Hinweis darauf, dass ein sekundärer Feststellungsmangel vorliege, die Ersatzfeststellung:
„Die Beklagte anerkannte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 10.12.2014 den auf das Amtshaftungsgesetz gestützten Ersatzanspruch (14 Verfahren mal EUR 17.440,--) mit einem Betrag von EUR 4.432,85. Mit Schreiben vom 16.12.2014 begehrte der Kläger nunmehr die aufgrund seiner Rechtsvertretung im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren entstandenen Kosten in Höhe von EUR 1.255,68. Mit Schreiben vom 30.1.2015 erkannte die Beklagte einen zusätzlichen Ersatzanspruch in Höhe von EUR 220,83 an und übersandte dem Beklagten am 9.2.2015 eine Aufstellung über den gesamt anerkannten Betrag von EUR 4.653,68 (für die 15 Verfahren), der sich aus einer Bemessungsgrundlage von EUR 261.600,-- (15 Verfahren mal EUR 17.440,--) für einen Einspruch, eine Beschwerde, einen Einstellungsantrag, sonstige Barauslagen und einen Erfolgszuschlag ergibt.“
Mit der begehrten Feststellung zielt die Beklagte darauf, dass der mit Schreiben vom 30.1.2015 anerkannte zusätzliche Ersatzanspruch in Höhe von EUR 220,83 nicht das hier gegenständliche Strafverfahren VK-***** betreffe. Damit macht die Beklagte allerdings nicht – wie von ihr behauptet – sekundäre Feststellungsmängel geltend, sondern bekämpft die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts. Dies ist ihr im Hinblick auf den Streitwert gemäß § 501 Abs 1 ZPO jedoch verwehrt, sodass es bei der bekämpften Feststellung zu bleiben hat. Im Übrigen widerspricht das Rechtsmittelvorbringen der Beklagten ihren eigenen Ausführungen im Schreiben vom 30.1.2015 (Beilage ./I), wonach sie den Ersatzanspruch des Klägers „für das Verfahren zur Zahl VK-***** mit einem Betrag von EUR 220,83 anerkannt hat“ .
2.2. Zu der mit (2) bezeichneten Feststellung begehrt die Beklagte Ergänzungen, wonach die Strafverfügungen „am 4.3.2014, 5.3.2014 und 6.3.2014 erlassen“ und „großteils am 10.3.2014 zugestellt“ worden seien. Zu der Feststellung (3) begehrt die Beklagte eine Ergänzung dahingehend, dass die Straferkenntnisse „am 15.4.2014 erlassen und gemeinsam zugestellt“ worden seien. Aus dem nahen zeitlichen Zusammenhang folge, dass der Kläger die Einsprüche und Beschwerden verbinden oder kopieren hätte müssen und daher gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe.
Die behaupteten Feststellungsmängel liegen nicht vor, da aus den ergänzenden Feststellungen für die Beklagte nichts zu gewinnen ist. Wie noch zu zeigen sein wird, wäre der Kläger selbst dann nicht zur Verbindung der Einsprüche bzw Beschwerden verpflichtet gewesen, denn die Strafverfügungen bzw die Straferkenntnisse am selben Tag erlassen bzw zugestellt worden wären.
2.3. Im Rahmen ihrer Rechtsrüge im engeren Sinn macht die Beklagte zusammengefasst geltend, dass das Erstgericht verkannt habe, dass der Kläger gegen den Grundsatz der prozessualen Möglichkeit der Verbilligung verstoßen habe. Er hätte nur einen Einspruch und eine Beschwerde zu verfassen und diese zu vervielfältigen gehabt. Mit der Zahlung von EUR 4.653,68 auf Basis einer Bemessungsgrundlage von EUR 261.600,-- (15 mal EUR 17.440,--) seien sämtliche Rechtsvertretungskosten des Klägers abgegolten. Kosten, die aus der Verletzung einer Verbindungspflicht von Prozesshandlungen entstünden, seien nie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Die Beklagte habe keine Widmung des Betrags von EUR 220,83 vorgenommen. Das Erstgericht lasse eine stichhältige Begründung vermissen, warum der Gegenforderung der Beklagten keine Berechtigung zukomme. Bezogen auf alle 15 Verfahren habe die Beklagte einen Betrag von EUR 4.653,68 bezahlt. Ziehe man dafür den Kostenersatz für ein Verfahren in Höhe von EUR 1.964,66 ab, bestehe die Gegenforderung in Höhe von EUR 2.689,02 zu Recht.
2.4. Die Beklagte zieht zur Untermauerung ihrer Argumentation hinsichtlich der Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger Judikatur aus dem Zivilprozess heran. Richtig ist, dass eine Verbindungspflicht für Klagen grundsätzlich bejaht wird. Da mehrere voneinander unabhängige Ansprüche von einer Partei gegen denselben Beklagten grundsätzlich in einer einzigen Klage geltend gemacht werden dürfen (§ 227 ZPO), beruht die Nichthonorierung der dennoch eingebrachten mehreren Klagen darauf, dass eine prozessuale Möglichkeit der Verbilligung nicht genutzt wurde ( Obermaier , Kostenhandbuch 2 , Rz 213; vgl RW0000175; RG0000042).
Diese Judikatur ist allerdings nicht analog anwendbar, da in den Verwaltungsstrafverfahren nicht der (nunmehrige) Kläger die verfahrenseinleitenden Schritte gesetzt hat, sondern die Behörde. Der (nunmehrige) Kläger ist hier vielmehr mit der Stellung des Beklagten vergleichbar. Eine Judikatur, wonach ein Beklagter, wenn er vom Kläger in mehreren (getrennten) Verfahren in Anspruch genommen wird, zur Verbindung seiner Rechtsbehelfe verpflichtet sei, existiert nicht.
Dass die Behörde die sie treffende Verbindungspflicht rechtswidrig und schuldhaft verletzt hat, ist unbestritten und wird von der Beklagten – zuletzt auch in der Berufung – zugestanden. Da der Kläger aufgrund des Vorgehens der Behörde mit 15 (+1) getrennten Verwaltungsstrafverfahren konfrontiert war, hatte er gar keine andere Möglichkeit, als zu jedem einzelnen Strafverfahren gesondert Einspruch zu erheben bzw mit gesonderten Beschwerden vorzugehen . Daraus folgt, dass die gesonderten Rechtsbehelfe und Rechtsmittel des (nunmehrigen) Klägers im jeweils separat eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Daran hätte auch nichts geändert, wenn der Kläger die Einsprüche bzw Rechtsmittel „kopiert“ und nur geringfügig angepasst hätte.
Die weiteren Ausführungen der Beklagten, dass im selben Verfahren hintereinander eingebrachte Schriftsätze oder Rechtsmittel zu verbinden seien, gehen ins Leere, da hier nicht ein und dasselbe, sondern 15 gesondert geführte Verwaltungsstrafverfahren vorlagen.
2.5. Auch dem Rechtsmittelvorbringen zur Gegenforderung kann nicht beigetreten werden. Wie bereits ausgeführt, steht fest, dass von dem von der Beklagten anerkannten Ersatzanspruch in Höhe von EUR 4.653,68 für 15 Verfahren EUR 220,83 auf das Verfahren VK-***** entfallen. Genau diesen Betrag lässt sich der Kläger auf seinen für dieses Verfahren geltend gemachten Ersatzanspruch anrechnen. Die Beklagte kann nun ihrerseits nicht nochmals diesen Betrag von EUR 220,83 der Klagsforderung entgegenhalten.
2.6. Nicht nachvollziehbar ist eine Gegenforderung in Höhe von 2.689,02. Die Beklagte selbst bringt vor, dass sie EUR 4.653,86 für alle 15 Verfahren anerkannt hat und steht dies auch fest. Die Beklagte lässt außer Acht, dass sie auch für die restlichen, hier nicht gegenständlichen 14 Verfahren ersatzpflichtig ist. Eine wie immer geartete Überzahlung von EUR 2.689,02, die sie der Klagsforderung kompensando entgegenhalten könnte, liegt daher nicht vor.
2.7. Die Höhe des geltend gemachten Anspruchs selbst (EUR 1.255,68) wird von der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung nicht mehr beanstandet. Nur der Klarheit halber ist dazu auszuführen, dass im Verfahren VK-***** im Gegensatz zu den anderen 14 Verfahren – offenbar irrtümlich - kein Straferkenntnis erging. Der Kläger hat zwar auch in diesem Verfahren eine Beschwerde erhoben. Diese war in Ermangelung eines Straferkenntnisse aber nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Konsequenterweise macht der Kläger dafür auch keine Kosten geltend. Die angefochtene Entscheidung war daher zu bestätigen.
3. Zur Kostenentscheidung und Revisionszulässigkeit:
Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.
Der absolute Rechtsmittelausschluss ergibt sich aus § 502 Abs 2 ZPO.