JudikaturOLG Innsbruck

Ds14/12 – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
06. Juli 2015

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Wolfgang Salzmann als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Georg Hoffmann und die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Ingrid Brandstätter als weitere Mitglieder des Senates in der Disziplinarsache gegen den Richter des Bezirksgerichtes ***** Dr. ***** nach der in Anwesenheit der Schriftführerin RiAA  MMag. Kathrin Astner, des Oberstaatsanwaltes Mag. Thomas Schirhakl und des Disziplinarbeschuldigten Dr. ***** durchgeführte öffentlichen Verhandlung am 6.7.2015 zu Recht erkannt:

Spruch

Dr. ***** ist

s c h u l d i g ,

er hat

I. die ihm nach § 57 Abs 1 zweiter Satz RStDG auferlegten Pflichten, sein Amt gewissenhaft zu erfüllen, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen und die bei Gericht anhängigen Angelegenheiten so rasch wie möglich zu erledigen, dadurch schuldhaft verletzt, dass er als der zur Verhandlung und Entscheidung zuständige Richter in den folgenden Verfahren Entscheidungen nicht innerhalb der von § 415 ZPO vorgesehenen Frist ausgefertigt hat, und zwar

1. im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 18.1.2010 die Urschrift des Urteils erst am 30.5.2012 der Geschäftsabteilung zur Ausfertigung übergab;

2. im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 6.10.2011 die Urschrift des Urteils erst am 29.6.2012 der Geschäftsabteilung zur Abfertigung übergab;

3. im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 13.10.2011 die Urschrift des Urteils erst am 22.6.2012 der Geschäftsabteilung zur Abfertigung übergab;

4. im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 16.11.2011 die Urschrift des Urteils erst am 27.6.2012 der Geschäftsabteilung zur Abfertigung übergab;

5. im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 17.11.2011 die Urschrift des Urteils erst am 25.6.2012 der Geschäftsabteilung zur Abfertigung übergab;

II. er hat in der Zeit vom 31. Mai 2011 bis 30. Mai 2012 im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** die ihm bekannten unrichtigen Statuseintragungen „uf“, „ug“ und „ua“, wodurch das von ihm noch nicht verfasste Urteil als unterfertigt, an die Geschäftsabteilung übergeben und von dieser abgefertigt im Register aufschien, nicht richtig stellen lassen;

III. er hat es zwischen 25.4.2012 und 24.1.2013 in den Verfahren ***** C ***** und ***** P ***** des Bezirksgerichtes ***** unterlassen, Ablehnungsanträge unverzüglich dem Gerichtsvorsteher vorzulegen, und im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** entgegen § 25 JN ein (End-)Urteil gefällt.

Dr. ***** hat hiedurch ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen.

Gemäß §§ 101 Abs 1, 104 Abs 1 lit b RStDG wird über ihn eine Geldstrafe in der Höhe eines Monatsbezuges verhängt.

Gemäß § 137 Abs 2 RStDG hat Dr. ***** die mit EUR 300,-- bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dr. *****, geb. am *****, verheiratet, ersternannt am 1.11.1984 beim LG *****, wurde am 1.7.1990 auf die Planstelle eines Richters des Bezirksgerichtes ***** ernannt. Er bearbeitet seither Straf- und Zivilsachen, seit 1.1.2014 auch Sachwalterschaftssachen (ab 1.3.2015 kein Neuanfall). Dr. ***** war für die Jahre 1994 bis 1996 mit „gut‟ beschrieben, seine Dienstbeschreibung vom 25.2.1998 lautet auf „sehr gut‟. Er leitet die Gerichtsabteilung ***** mit folgenden Verwendungsdaten:

Am 22.6.2012 erstattete der Präsident des Oberlandesgerichtes L***** Disziplinaranzeige gegen Dr. *****, weil in C Verfahren weite Überschreitungen der Entscheidungsfristen und im Verfahren ***** C ***** falsche Registereintragungen festgestellt wurden. Am 6.5.2014 teilte der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz mit, dass gegen Dr. ***** von der Staatsanwaltschaft ***** am 29.4.2014 Anklage wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB erhoben wurde, weil er es in den Verfahren ***** C ***** und ***** P ***** unterlassen habe, Ablehnungsanträge unverzüglich dem Gerichtsvorsteher vorzulegen. Das Strafverfahren gegen Dr. ***** am Landesgericht ***** zu ***** Hv ***** wegen § 302 Abs 1 StGB wurde mit Beschluss vom 9.1.2015 nach Zahlung des angebotenen Bußgeldes von EUR 2.500,-- gemäß §§ 198, 199 iVm § 200 Abs 5 StPO eingestellt.

In den zu Punkt I. des Schuldspruchs angeführten Verfahren hat Dr. ***** die Urteile nicht innerhalb der Frist des § 415 ZPO ausgefertigt, sondern wurde diese Frist erheblich überschritten, nämlich um mehrere Monate. Hervorzuheben ist das Verfahren ***** C *****, in welchem die mündliche Verhandlung am 18.1.2010 geschlossen und die Urschrift des Urteils erst am 30.5.2012 der Geschäftsabteilung zur Abfertigung übergeben wurde.

Im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** hat er es in der Zeit vom 31.5.2011 bis 30.5.2012 unterlassen, die ihm bekannten unrichtigen Statuseintragungen „uf‟, „ug‟ und „ua‟, wodurch das Urteil als unterfertigt, an die Geschäftsabteilung übergeben und von dieser abgefertigt im Register aufschien, obwohl er das Urteil noch gar nicht verfasst hatte, nicht richtigstellen zu lassen.

Im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** hat er es zwischen 25.4.2012 und 24.1.2013 entgegen der Bestimmung des § 183 Abs 2 Geo unterlassen, einen Ablehnungsantrag der klagenden Partei Dr. ***** vom 25.4.2012 unverzüglich dem zuständigen Gerichtsvorsteher vorzulegen und entgegen § 25 JN am 25.5.2012 ein Endurteil gefällt.

Im Verfahren ***** P ***** des Bezirksgerichtes ***** hat er es zwischen 25.4.2012 und 14.2.2013 unterlassen, einen Ablehnungsantrag des Kindesvaters Dr. ***** vom 25.4.2012 entgegen § 183 Abs 2 Geo unverzüglich dem zuständigen Gerichtsvorsteher vorzulegen.

Die vom Schuldspruch umfassten verspäteten Urteilsausfertigungen gehen nicht auf eine Überbelastung des Disziplinarbeschuldigten zurück, sondern auf die mangelnde Organisation seiner Arbeit und die fehlende Bereitschaft, Urteile möglichst rasch auszufertigen.

Die Richtigstellung der unrichtigen Registereintragung im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** unterließ Dr. ***** aus Furcht vor den Folgen.

Die Ablehnungsanträge legte Dr. ***** nicht vor, weil bei ihrem Einlangen im Verfahren ***** C ***** bereits seit Monaten das Urteil als unterfertigt, an die Geschäftsstelle übergeben und abgefertigt aufschien, und ihm klar war, dass bei Vorlage der Ablehnungsanträge die Unrichtigkeit dieser Eintragung aufkommen würde.

Trotz des Ablehnungsantrages fertigte er im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** das Urteil aus, weil es ihm das Wichtigste war, das Urteil schnell auszufertigen, dies trotz der gestellten Ablehnungsanträge.

Der Auszug aus dem Bericht über die Regelrevision des Bezirksgerichtes ***** von August bis Dezember 2014 zeigt eine deutliche Verbesserung, was die Ausfertigungsfristen von Urteilen in Zivilsachen betrifft. Im Vergleich zum Revisionsbericht vom 19.12.2007 (36 Urteile länger als 2 Monate offen) ist eine ganz massive Verbesserung eingetreten. Im Hinblick auf die durch die neue Geschäftsverteilung sachgerecht bewirkte Entlastung sollte der Idealzustand vom Juli 2014 (kein einziges Urteil über 2 Monate lang offen) wieder erreichbar sein. Hinsichtlich der Urteilsqualität gab und gibt es nichts zu beanstanden. Die Qualität der Verfahrensführung wie auch der Urteilsausfertigungen werden auch im Rechtsmittelsenat ***** des LG ***** sehr geschätzt.

Die Sachwalterschaftssachen werden vorbildlich geführt. Entscheidungen könnten auch hier etwa zügiger erfolgen. Ab 1.3.2015 erfolgt kein Neuanfall in SW Sachen, sodass nur mehr die bereits anhängigen Verfahren weiterzuführen sind.

In Strafsachen sind Verfahrensstillstände und Ineffizienz nicht zu beobachten.

Diese Feststellungen stützen sich auf die Disziplinaranzeige des Präsidenten des Oberlandesgerichtes L*****, die geständige Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten, den elektronischen Personalakt des Disziplinarbeschuldigten, insbesondere die dort enthaltenen Auszüge über die Regelrevisionen 2007 und 2014. Umstände, welche die verspäteten Urteilsausfertigungen rechtfertigen könnten, hat das Disziplinarverfahren nicht ergeben.

In rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes ist dem Disziplinarbeschuldigten ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG vorzuwerfen. Für die verzögerten Urteilsausfertigungen gibt es keine sachliche Begründung. Die Richtigstellung der unrichtigen Statuseintragungen im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** unterließ der Disziplinarbeschuldigte aus Furcht vor möglichen Folgen. Aus demselben Grund hat auch er die beiden Ablehnungsanträge nicht vorgelegt und im Verfahren ***** C ***** des Bezirksgerichtes ***** trotz der Ablehnung das Urteil ausgefertigt.

Bei der Strafzumessung erschwerend war das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, mildernd hingegen das Geständnis, die nunmehr einwandfreie Arbeisweise und der Umstand, dass es dem Disziplinarbeschuldigten mittlerweile gelungen ist, die Urteilsrückstände weitgehend abzubauen.

In Anbetrachtung dieser Strafzumessungsgründe ist eine Geldstrafe in der Höhe eines Monatsbezuges schuldangemessen.

Die Entscheidung über die Kosten des Disziplinarverfahrens ist im § 137 Abs 2 RStDG begründet.

Oberlandesgericht Innsbruck

als Disziplinargericht für Richterinnen und Richter,

Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und

Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter,

Innsbruck, am 6.7.2015

Der Vorsitzende:

Dr. Wolfgang Salzmann

Rechtliche Beurteilung

Rückverweise