15Ra112/14d – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Im Namen der Republik
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten Dr. Werner Lux als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Elisabeth Müller-Gruber und den Richter Dr. Andreas Told sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Maria-Luise Eccher aus dem Kreis der Arbeitgeber und Dr. Leopold Helfer aus dem Kreis der Arbeitnehmer als weitere Mitglieder des Senates in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I *****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wider die beklagte Partei O***** H *****, vertreten durch Dr. Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen EUR 18.923,06 s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 8.7.2014, 44 Cga 101/14h 13, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird k e i n e Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu Handen ihres Vertreters die mit EUR 1.651,56, darin enthalten EUR 275,26 an 20 % USt, bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am ***** geborene Beklagte war bei der klagenden Partei vom 1.8.1999 bis 31.12.2002 und wiederum ab 1.2.2005 als Altenfachbetreuerin beschäftigt. In der Folge bot die klagende Partei der Beklagten über deren Initiative an, eine Ausbildung zur Diplomkrankenschwester zu absolvieren. In diesem Zusammenhang wurde zwischen den Streitteilen - auf Geschäftspapier der klagenden Partei (siehe dazu Beilage B) - eine mit 27.9.2005 datierte schriftliche „Ausbildungsvereinbarung‟ geschlossen, die - unter anderem - folgenden Inhalt hat:
„Die I***** ermöglicht Ihnen, im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Pflegehelferin in der Zeit vom 3.10.2005 bis 2.10.2008 die Ausbildung zur Diplomkrankenschwester unter folgenden Voraussetzungen zu absolvieren:
1. Während der gesamten Dauer der Ausbildung (beginnend ab 1.10.2005) bleibt ein 75% iges Dienstverhältnis zur I***** aufrecht und Sie erhalten den nach Ihrer bisherigen Einstufung zustehenden Bezug (verringert um den aliquoten Anteil der Dienstausmaßänderung) inklusive des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration monatlich weiterhin ausbezahlt.
2. Während der Zeit Ihrer Ausbildung werden Sie für 25 % ihres Dienstausmaßes dienstfreigestellt. Dies bedeutet, dass Sie während der Zeit ihrer Ausbildung nur 50 % des vollen Dienstausmaßes (20 Wochenstunden) erbringen müssen.
3. ...
4. Als Gegenleistung für die von der I***** gewährte Unterstützung und Förderung für Ihre Berufsausbildung erklären Sie sich damit einverstanden, nach Beendigung Ihrer Ausbildung das Dienstverhältnis zur I***** mindestens für die Dauer von 3 Jahren (auf Basis 40 Wochenstunden - bei Teilzeitbeschäftigung entsprechend länger) aufrecht zu erhalten. Wir weisen darauf hin, dass Zeiten eines etwaigen Karenzurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz bzw. nach dem Karenzurlaubserweiterungsgesetz sowie Zeiten des Krankenstandes, in denen eine Lohneinstellung erfolgt, nicht auf diese Dauer angerechnet werden.
5. Die I***** verpflichtet sich ihrerseits, sie nach erfolgreicher Ausbildung in einer der neuen Qualifikation entsprechenden Stellung und Entlohnung zu beschäftigen, wobei sich der Arbeitgeber vorbehält, den Arbeitnehmer auch in einer anderen Betriebsstätte des Arbeitgebers einzusetzen (siehe Dienstvertrag).
6. Für den Fall, dass Sie als Dienstnehmerin Ihr Dienstverhältnis vor Ablauf der in Punkt 4. genannten Frist kündigen oder das Dienstverhältnis aus einem von Ihnen verschuldeten wichtigen Grund beendet wird, verpflichten Sie sich, die der I***** entstandenen Ausbildungskosten zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungspflicht verringert sich in dem Ausmaß der Dauer Ihrer Berufsausübung als Diplomkrankenschwester. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Ausbildungskosten, welche vom Dienstgeber getragen wurden, je vollem Monat der sodann erbrachten Dienstleistung um 1/36stel verringern (auf Basis 40 Wochenstunden).
7. Bei einem etwaigen Ausscheiden nach der Dreijahresfrist (auf Basis 40 Wochenstunden) verzichtet die I***** auf jegliche Rückzahlung der übernommenen Ausbildungskosten.
8. Unter Ausbildungskosten im Sinne dieser Vereinbarung sind alle Lohnaufwendungen samt Lohnnebenkosten zu verstehen, die vom Dienstgeber für die gesamte Dauer der Dienstfreistellung getragen wurden. Im Fall einer Rückzahlung werden wir Ihnen gerne eine detaillierte Kostenaufstellung zukommen lassen.
...‟
Ab September 2005 begann die Beklagte mit der Ausbildung zur Diplomkrankenschwester und zwar dergestalt, dass sie 3 Wochen Unterricht besuchte, 4 Wochen Praktikum in einer Krankenanstalt absolvierte und anschließend 7 Wochen bei der klagenden Partei tätig war. Mit 28.9.2008 hatte die Beklagte nach Ablegung der letzten Prüfung ihre Ausbildung zur Diplomkrankenschwester positiv absolviert.
Ab 29.9.2008 wurde die tägliche Arbeitszeit der Beklagten bei der klagenden Partei auf 30 Stunden pro Woche ausgedehnt, ab 1.11.2008 arbeitete die Beklagte „Vollzeit‟ (38 Stunden pro Woche).
Vom 22.12.2008 bis 21.4.2009 befand sich die Beklagte im Wochenschutz, ab 22.4.2009 bis 4.8.2010 konsumierte sie Karenzurlaub und befand sich sodann vom 5.8.2010 bis 2.12.2010 wiederum in Mutterschutz und anschließend vom 3.12.2010 bis 6.4.2013 im Karenzurlaub.
Bereits im Mai 2012 hatte die Beklagte der klagenden Partei folgendes Schreiben zukommen lassen:
„Austritt aus dem Dienstverhältnis ...
Ich erkläre hiermit den Mutterschaftsaustritt aus meinem Dienstverhältnis fristgerecht mit Ablauf der Karenzzeit.
Ich ersuche Sie höflich um eine schriftliche Bestätigung unter Angabe des von Ihnen errechneten Austrittsdatums sowie um Ausstellung eines Dienstzeugnisses.
...‟
Auf Grund dieses Schreibens kam es am 16.5.2012 zu einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer und dem Prokuristen der klagenden Partei einerseits und der Beklagten andererseits. Dabei bot die klagende Partei der Beklagten an, die Karenzzeit zu verlängern, wozu sich die Beklagte aber nie äußerte; in der Folge endete das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen jedenfalls mit dem letzten Tag des Karenzurlaubes der Klägerin (6.4.2013).
Die Differenz zwischen jenen Lohnkosten, die der klagenden Partei bei einer Entlohnung der Klägerin auf Basis der tatsächlich geleisteten „50 %-igen Tätigkeit‟ entstanden wären und der von ihr auf Basis „75 %-igen Auslastung‟ tatsächlich geleisteten Zahlungen betrug im Jahre 2005 (3.10.2005 bis 31.12.2005) EUR 2.956,16, 2006 EUR 8.414,38, 2007 EUR 8.767,53 und 2008 (1.1.2008 bis 29.9.2008) EUR 7.063,08, somit gesamt EUR 26.201,15. Inklusive Mutterschutz hat die Beklagte 10,23 Monate als Diplomkrankenschwester für die klagende Partei gearbeitet.
Ausgehend von diesem im Berufungsverfahren nicht weiter strittigen Sachverhalt bringt die klagende Partei in ihrer am 6.9.2013 beim Erstgericht eingelangten Klage - zusammengefasst - vor, die Beklagte habe anstelle der vereinbarten Zeit von 156 Wochen bzw. 36 Monaten bzw. 5928 Arbeitsstunden (38 x 52 x 3) unter Anrechnung des Wochenschutzes für zwei Schwangerschaften insgesamt nur 1682 Stunden bzw. 44,27 Wochen bzw. 10,23 Monate gearbeitet. Da sich der Rückforderungsanspruch der klagenden Partei vereinbarungsgemäß pro Monat um 1/36stel reduziere, schulde die Beklagte der klagenden Partei 26/36stel der gesamten Entgeltaufwendungen von EUR 26.201,15, das seien EUR 18.923,06.
Die beklagte Partei hat dieses Begehren bestritten, Klagsabweisung beantragt und - ebenfalls zusammengefasst dargestellt - eingewandt, dass dieser Anspruch schon deshalb nicht zu Recht bestehe, da nach der getroffenen Vereinbarung Ausbildungskosten nur dann zurückzuzahlen seien, wenn die Beklagte ihr Dienstverhältnis durch Dienstnehmerkündigung beendet hätte oder das Dienstverhältnis aus einem von ihr verschuldeten wichtigen Grund beendet werde. Dies sei hier nicht gegeben, vielmehr hätte die Beklagte das Dienstverhältnis durch Mutterschaftsaustritt mit Ablauf der Karenzzeit beendet. Bei einem solchen Mutterschaftsaustritt handle es sich allerdings um einen begründeten vorzeitigen Austritt, der jedenfalls jeden Anspruch auf Ersatz der Ausbildungskosten der klagenden Partei zunichte mache.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht dieses Klagebegehren zur Gänze abgewiesen. Dieser Entscheidung legte es jenen Sachverhalt zugrunde, den es auf den Seiten 4 bis 7 der Urteilsausfertigung festgehalten hat und auf den das Berufungsgericht gemäß § 500a ZPO verweist; der wesentliche Inhalt dieser Feststellungen wurde bereits eingangs dieser Entscheidung wiedergegeben.
In rechtlicher Hinsicht verwies das Erstgericht zum einen auf § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG und zum anderen darauf, dass der „sogenannte Mutterschaftsaustritt‟ nach § 23a Abs 3 AngG weder ein vorzeitiger Austritt aus wichtigem Grund im Sinne der traditionellen arbeitsrechtlichen Terminologie noch eine Selbstkündigung durch die Dienstnehmerin sei, sondern es sich bei diesem um einen vorzeitigen Auflösungsgrund besonderer Art handle, der jedenfalls den Rückforderungsanspruch der klagenden Partei vernichte.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die klagende Partei mit ihrer (rechtzeitigen) Berufung , in der sie ausschließlich aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (inklusive behaupteter sekundärer Feststellungsmängel) eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat in ihrer ebenfalls rechtzeitigen Berufungsbeantwortung beantragt, dem gegnerischen Rechtsmittel einen Erfolg zu versagen.
Da die im § 480 Abs 1 ZPO geforderten Voraussetzungen zur Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht vorliegen, war über dieses Rechtsmittel in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden; dabei erwies es sich als nicht berechtigt.
In ihrer Berufung verficht die klagende Partei den Standpunkt, dass nirgends normiert sei, dass ein Ausbildungskostenrückersatz im Falle einer Beendigung im Zusammenhang mit einer Mutterschaft nicht möglich bzw. nicht zulässig sei, vielmehr stelle ein „Mutterschaftsaustritt‟ keinen berechtigten vorzeitigen Austritt, sondern eine begünstigte Form der Arbeitnehmerkündigung dar. Bei jeder Arbeitnehmerkündigung stehe allerdings ein Ausbildungskostenrückersatz zu. Die gegenteilige Rechtsmeinung des Erstgerichtes führe dazu, dass kein Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin mehr eine Ausbildung ermöglichen könnte, weil diese Möglichkeit eines Mutterschafts- bzw. Vaterschaftsaustrittes hätte, was rechtspolitisch wohl nicht gewünscht bzw. nicht im Sinn der Sache sei.
Als sekundärer Feststellungsmangel rügt die Berufungswerberin, dass das Erstgericht nicht festgestellt habe, dass sich aus den gesamten Personalaufwendungen für die Beklagte von EUR 26.201,15 ein entsprechend reduzierter Betrag für 26 Monate von EUR 18.923,06 ergäbe.
Diese Ausführungen geben Anlass zu folgenden Überlegungen:
I. Zum behaupteten sekundären Feststellungsmangel:
Ein solcher liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn das Erstgericht ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht notwendige Feststellungen nicht getroffen hat. Abgesehen davon, dass die von der Berufungswerberin angestrebte ergänzende Feststellung letztlich ohnedies eine rechtliche Wertung darstellt, ist auch der erhobene Vorwurf, das Erstgericht habe Entsprechendes nicht festgestellt, schon deshalb nicht zutreffend, da das Erstgericht die Differenz zwischen dem Entgelt, das der Beklagten auf Basis der tatsächlichen 50 %-igen Beschäftigung zugestanden wäre und jenem Entgelt, das sie auf Basis der fiktiven 75 %-igen Beschäftigung tatsächlich erhielt, festgestellt hat. Da das Erstgericht auch die Dauer der tatsächlichen bzw. anrechenbaren Dienstleistungen der Beklagten - im Einklang mit dem Vorbringen der klagenden Partei - festgestellt hat und auch die Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Rückersatz wiedergab, hat es sämtliche Feststellungen getroffen, die eine Berechnung der Klagsforderung ermöglichten, womit dieser behauptete sekundäre Feststellungsmangel nicht vorliegt.
Rechtliche Beurteilung
II. Zur Rechtsrüge im engeren Sinn:
1. Die Frage, wann ein Dienstnehmer Ausbildungskosten zu ersetzen hat, ist in § 2d AVRAG geregelt. Nach der Definition des § 2d Abs 1 AVRAG sind Ausbildungskosten die vom Arbeitgeber tatsächlich aufgewendeten Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung, die dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen Arbeitgebern verwerten kann. Einschulungskosten sind keine Ausbildungskosten.
1.1 Gemäß § 2d Abs 2 AVRAG ist eine Rückerstattung von Ausbildungskosten nach Abs. 1 nur dann zulässig, wenn dies in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wurde. Die Vereinbarung der Rückforderung des während einer Ausbildung nach Abs. 1 fortgezahlten Entgelts ist dann zulässig, sofern der Arbeitnehmer für die Dauer der Ausbildung von der Dienstleistung freigestellt ist.
1.2 Im Hinblick auf diesen Gesetzeswortlaut und die Feststellungen des Erstgerichts ist vorerst klarzustellen, dass die klagende Partei hier - entgegen ihrem Vorbringen - in Wahrheit keine Ausbildungskosten, sondern Entgeltaufwendungen zurückfordert.
1.3 In § 23a AngG finden sich diverse Regelungen, in denen trotz Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer aus sozialpolitischen Gründen eine Abfertigung gebühren soll. Dazu gehört der „Mutterschaftsaustritt‟ , der u.a. dann abfertigungswahrend ist, wenn weibliche Angestellte nach der Geburt eines lebenden Kindes innerhalb der Schutzfrist des § 5 Abs 1 MSchG ihren vorzeitigen Austritt erklären. Sozialpolitischer Hintergrund dieser Regelung war, es einer Mutter zu ermöglichen, das Dienstverhältnis zu Gunsten ihrer Familie (ihres Kindes) aufzugeben, ohne dadurch auf die gerade in diesen Fällen meist sehr wertvolle finanzielle Hilfe der Abfertigung verzichten zu müssen (RIS-Justiz RS0028522, RS0028533; vgl. auch Mayr in Löschnigg u.a., AngG 9 , II, Rz 11 zu § 23a AngG).
1.4 Hier endete die Schutzfrist des § 5 Abs 1 MSchG mit 2.12.2010; ihren „Mutterschaftsaustritt“ hat die Klägerin erst im Mai 2012 erklärt, sodass für die Klägerin aus der vom Erstgericht angezogenen Bestimmung des § 23a AngG – abgesehen davon, dass diese auf Arbeitsverhältnisse, die nach dem 31.12.2002 neu begründet wurden, ohnedies nicht anzuwenden ist (§ 42 Abs 3 AngG i.d.F. BGBL I 2002/100) - nichts zu gewinnen ist.
1.5 Allerdings kann eine Dienstnehmerin bei Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG auch nach § 15r MSchG bis spätestens drei Monate vor Ende der Karenz ihren vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis erklären; diese Frist hat die Klägerin jedenfalls eingehalten.
1.6 Wie das Erstgericht und die Beklagte grundsätzlich richtig erkennen, handelt es sich bei dem „Mutterschaftsaustritt‟ unzweifelhaft um einen gesetzlich anerkannten und damit berechtigten vorzeitigen Austritt (RIS-Justiz RS0028480; Thomasberger, Mutterschutzgesetz und Väterkarenzgesetz, Erl. 1 zu § 15r MSchG), er ist daher weder eine „Selbstkündigung“ der Angestellten noch ein „unberechtigter vorzeitiger Austritt‟ (10 ObS 101/94; 10 ObS 91/94).
2. Hier hat die Beklagte nach ihren Behauptungen und nach den Feststellungen das Dienstverhältnis zweifelsfrei einen „Mutterschaftsaustritt“ erklärt, sodass das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen jedenfalls nicht durch Kündigung durch die Beklagte geendet hat. Damit kommt schon nach dem Wortlaut der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung, der ausdrücklich auf eine Kündigung der Beklagten bzw. auf eine Auflösung auf Grund eines Verschuldens der Beklagten abstellt, ein Ersatz des „zu viel“ bezahlten Entgelts durch die Beklagte nicht in Frage.
3. Da bei einer – wie hier - ordnungsgemäßen Rechtsrüge das Rechtsmittelgericht die maßgeblichen Rechtsfragen ungeachtet der konkreten Rechtsmittelausführungen in Beachtung des Verfahrensrahmens und der Rechtsmittelanträge nach allen Richtungen hin zu überprüfen hat (Zechner in Fasching 2 , § 503 ZPO, Rz 189; RIS-Justiz RS0043338, RS0043352 [T23, T26]), ist auch auf folgende, dem Anspruch der klagenden Partei entgegenstehende Umstände bedacht zu nehmen:
3.1 Schon nach der vor Inkrafttreten des § 2d AVRAG ergangenen Rechtsprechung des Höchstgerichtes konnte im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der während der Ausbildung fortgezahlte Lohn vom Arbeitgeber (nur) dann zurückgefordert werden, wenn die Ausbildung mit keiner Verwendung verbunden und keine Erfüllung des Arbeitsvertrages war. In diesem Fall stellte nämlich der Lohn kein Entgelt für die Arbeitsleistung dar (RIS-Justiz RS0028912).
3.2 In Anknüpfung an diese Judikatur vertritt das Höchstgericht auch seit Geltung des § 2d AVRAG die Ansicht, dass die Rückforderung von Entgelt grundsätzlich dann möglich ist, wenn der Arbeitnehmer während der Ausbildung und der Fortzahlung des Entgelts von seinen üblichen betrieblichen Aufgaben gänzlich freigestellt ist und sich stattdessen der Ausbildung widmet (8 ObA 70/09s; siehe auch Haider in JAP 2011/2012/3 „Während der Ausbildung bezahltes Entgelt als Teil des Rückforderungsbetrages in einer Ausbildungskostenklausel‟ ; teilweise anderer Ansicht Reissner in ZellKomm 2 , I, Anm 23 zu § 2d AVRAG).
3.3 Das Berufungsgericht bezweifelt nicht, dass eine derartige Rückforderung hinsichtlich der aliquoten Leistungen auch dann bestehen kann, wenn ein Dienstnehmer nicht zur Gänze von der Dienstleistung freigestellt war, sondern nur eine teilweise Dienstfreistellung bestand und der Arbeitgeber - wie hier - ein höheres Entgelt bezahlte, als es der tatsächlichen Dienstleistung entsprach, womit ganz grundsätzlich auch eine Rückforderung des aliquoten Teils möglich ist (siehe dazu auch Binder , AVRAG 2 , zweiter Absatz der Anm 23 zu § 2d AVRAG).
3.4 Der Zweck der Forderung des § 2d Abs 2 1.Satz AVRAG, dass Rückzahlungsvereinbarungen schriftlich abzuschließen sind, kann nur darin gesehen werden, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bestimmungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Ihm soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtung er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Dienstverhältnisses in jenem Zeitraum, für den eine Kostenersatzpflicht vereinbart wurde, ermessen kann und nur so auch eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers vermieden werden kann.
3.5 In diesem Sinn judiziert das Höchstgericht in ständiger Rechtsprechung, dass aus einer Rückzahlungsvereinbarung auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorzugehen hat (9 ObA 125/11i; 8 ObA 92/11d; zuletzt 9 ObA 27/13f). Die Forderung der Angabe der konkreten Höhe der Rückzahlungsverpflichtung muss nicht nur hinsichtlich der Ausbildungskosten, sondern jedenfalls auch für die - viel heiklere ( Reissner in ZellKomm 2 , I, Rz 18 zu § 2d AVRAG) - Vereinbarung der Rückforderung von Entgelt gelten, da es im Hinblick auf die während vieler Jahre auftretenden „Entgeltdifferenzen‟ für den Arbeitnehmer in Praxis kaum abschätzbar sein wird, auf welche finanzielle Verpflichtung er sich einlässt.
3.6 Unter Beachtung dieser Grundsätze wäre es daher notwendig gewesen, zumindest die sich für Oktober 2005 theoretisch ergebende Rückzahlungsverpflichtung in der getroffenen Vereinbarung der Höhe nach darzustellen, um so der Beklagten zumindest eine überschlagsmäßige Vorstellung über die auf sie möglicherweise zukommenden Rückzahlungsforderungen zu gewinnen.
3.7 Da die klagende Partei dies unterlassen hat und die Wendung „alle Lohnaufwendungen samt Lohnnebenkosten‟ - wobei hinsichtlich Letztgenannter vollkommen unklar sein muss, was darunter verstanden werden soll - das Gebot der Darstellung der konkreten Höhe der Rückforderungsansprüche jedenfalls nicht erfüllen kann, muss der Rückforderungsanspruch der klagenden Partei auch deshalb scheitern, ohne dass - auch auf Grund fehlender Prozessbehauptungen der Beklagten - zu überprüfen ist, ob diese Rückzahlungsverpflichtung auch noch deshalb gegen die guten Sitten verstößt, da sie der Beklagten ein beachtliches finanzielles Risiko aufbürdet oder für sie eine unverhältnismäßig große finanzielle Belastung bedeuten würde (siehe dazu RIS-Justiz RS0016712).
4. Nach § 2d Abs 4 AVRAG besteht jedenfalls der Anspruch auf Ausbildungskostenrückersatz dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis während der Probezeit, durch unbegründete Entlassung, durch begründeten vorzeitigen Austritt, durch Entlassung wegen andauernder Arbeitsunfähigkeit oder durch Kündigung durch den Arbeitgeber, es sei denn, der Arbeitnehmer hat durch schuldhaftes Verhalten dazu begründeten Anlass gegeben, endet; ob diese Norm auch für die Rückforderung von Arbeitsentgelt gelten soll, ist dem Gesetz jedenfalls nicht eindeutig zu entnehmen.
5. In den Erläuterungen zu § 2d AVRAG (605/A XXII.GP Initiativantrag) wird zwar ausdrücklich auf die bis dahin ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre verwiesen, wonach die Rückzahlungsvereinbarung unter anderem im Einzelfall weder in zeitlich noch in betragsmäßiger Wirkung das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers in sittenwidriger Weise erschweren darf, zur Problematik der Rückforderung des fortgezahlten Entgelts und § 2d Abs 4 AVRAG führen sie allerdings nur aus, dass damit im Sinne der bisherigen Judikatur klargestellt werden soll, dass bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Probezeit, bei unbegründeter Entlassung oder bei begründetem vorzeitigen Austritt keine Rückzahlungsverpflichtung besteht. Ob mit der Bestimmung des § 2d Abs 4 AVRAG - so wie es der Wortlaut des Gesetzes nahelegt - tatsächlich nur die Rückforderung der Ausbildungskosten im Sinne des § 2d Abs 1 AVRAG oder auch die Rückforderung des fortgezahlten Entgelts im Sinne des § 2d Abs 2 zweiter Satz AVRAG gemeint ist, lässt sich damit aus den Erläuterungen nicht ableiten.
6. Grundsätzlich ist ein kundgemachtes Gesetz aus sich selbst auszulegen; andere Erkenntnisquellen über die Absicht des Gesetzgebers sind erst dann heranzuziehen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers zweifelhaft ist (RIS-Justiz RS0008806). Bei der Auslegung eines Gesetzes ist zunächst der echte und richtige Gesetzestext zu ermitteln und sodann die Bedeutung der Norm mittels Wortinterpretation auszulegen, worunter die Erforschung des Wortsinns bzw. die Bedeutung eines Ausdrucks nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0009100; RS0008896). Am Anfang der Gesetzesauslegung steht also die wörtliche (sprachliche, grammatikalische) Auslegung, die nach dem Wortsinn der Norm und innerhalb durch den äußerst möglichen Wortsinns abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der Regelung fragt (2 Ob 39/07k).
6.1 Die Auslegung darf aber nicht bei dieser Wortinterpretation stehen bleiben, zumal der übliche formale Wortsinn nur einen Hinweis für die Auslegung der Norm bildet und erst der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung ist, die auch mit sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf (RIS-Justiz RS0008788). Eine darüber hinausgehende Auslegung ist immer dann erforderlich, wenn die Formulierung mehrdeutig, missverständlich oder unvollständig ist (RIS-Justiz RS0031382; RS0076288).
6.2 Lässt der Wortlaut eines Gesetzes mehrere Auslegungen zu, kann auf die aus § 6 ABGB abgeleiteten weiteren Auslegungsmethoden zurückgegriffen werden. Zu diesen Auslegungsmethoden gehört unter anderem auch die systematische Auslegung. Diese beruht auf dem Gedanken, dass sich auch aus dem Aufbau eines Gesetzes und dem jeweiligen Standort einer Norm Schlüsse auf ihren Anwendungsbereich ziehen lassen. Dabei können auch Überschriften, die vielfach Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich der jeweils folgenden Norm zulassen, von wesentlicher Bedeutung sein. Nach ständiger höchstgerichtlicher Judikatur ist auf diese systematische Auslegung insbesondere dann zurückzugreifen, wenn es zum besseren Verständnis zweckdienlich erscheint, andere damit im Kontext stehenden Normen heranzuziehen, um Wertungswidersprüche innerhalb eines Gesetzes bzw. der Rechtsordnung zu vermeiden.
7. Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf die Bestimmung des § 2d AVRAG ist vorerst zu berücksichtigen, dass diese gesamte Norm, also auch die Rückforderung von bezahltem Entgelt unter der Überschrift „Ausbildungskostenrückersatz‟ steht. Wenn daher § 2d Abs 4 AVRAG die Ausnahmen vom Anspruch auf Ausbildungsrückersatz normiert, dann bildet die Überschrift dieser Bestimmung jedenfalls einen Hinweis dafür, dass damit auch die Rückforderung von Entgelt gemeint ist. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch kraft Größenschlusses, da nicht einzusehen ist, warum zwar die tatsächlich aufgewendeten Ausbildungskosten unter den in § 2d Abs 4 AVRAG beschriebenen Voraussetzungen nicht zurückgefordert werden können, dass dies allerdings für die – oftmals wesentlich höhere Beträge betreffende - Rückforderung von Entgelt nicht gelten soll.
7.1 Im Hinblick auf diese Überlegungen, dem bereits dargestellten sozialpolitischen Hintergrund des „Mutterschaftsaustritts“, der zweifelsfrei auch im Zusammenhang mit dem Ersatz von Entgeltaufwendungen zu beachten ist und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass § 2d AVRAG eine sowohl in ihrem Aufbau als auch in der sprachlichen Gestaltung besonderes missglückte Gesetzesnorm ist ( R. Schindler Punkt 3 seiner Entscheidungsbesprechung zu 9 ObA 120/08g in DRdA 2/2011, S 144 [S 147]), vertritt das Berufungsgericht die Ansicht, dass § 2d Abs 4 AVRAG auch den Rückersatz von während einer Ausbildung bezahltem Entgelt regelt.
7.2 Da hier das Arbeitsverhältnis durch einen begründeten Austritt der Klägerin endete („Mutterschaftsaustritt“) und da es auf ein Verschulden des Arbeitgebers in diesem Zusammenhang offensichtlich nicht ankommt, steht auch die Bestimmung des § 2d Abs 4 Z 3 AVRAG dem Anspruch der klagenden Partei entgegen ( Reissner in ZellKomm 2 , I, Anm 34 zu § 2d AVRAG; Binder a.a.O. Rz 38 zu § 2d)
8. Insgesamt und zusammengefasst kann damit der Berufung der klagenden Partei kein Erfolg beschieden sein.
III. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 2 Abs 1 letzter Satz ASGG, 50, 41 ZPO. Damit hat die mit ihrer Berufung gänzlich erfolglose klagende Partei der Beklagten die Kosten ihrer Berufungsbeantwortung zu ersetzen. Diese Kosten wurden rechtzeitig und richtig verzeichnet und errechnen sich mit EUR 1.651,56, darin enthalten EUR 275,26 an 20 % USt.
IV. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass dem von der klagenden Partei behaupteten Rückforderungsanspruch schon der Inhalt der Vereinbarung entgegensteht, stellt eine Einzelfallentscheidung dar. Mit seiner Ansicht, dass der Rückforderungsanspruch der klagenden Partei auch daran scheitert, dass der zurückzubezahlende Betrag nicht in einer konkreten Höhe dargestellt wurde, konnte sich das Berufungsgericht auf eine klare und gesicherte Rechtsprechung stützen, sodass es letztlich auf die Frage, ob dem Rückforderungsanspruch auch die Bestimmung des § 2d Abs 4 AVRAG entgegensteht, nicht mehr ankommt.
Deshalb kommt auch auch dem Umstand, dass zur Frage, ob § 2d Abs 4 AVRAG auch auf den Rückersatz von Entgelt anzuwenden ist, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung besteht, letztlich keine Bedeutung mehr zu, sodass die in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision nicht gegeben sind.