JudikaturOLG Innsbruck

3R74/13a – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
22. November 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Purtscheller als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Kohlegger und Dr. Engers als weitere Mitglieder des Senates in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch zu FN ***** eingetragenen A***** mit dem Sitz in L***** über den Rekurs der Gesellschaft, vertreten durch deren alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer, M*****, dieser vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgerichtes Feldkirch vom 12.6.2013, 15 Fr 682/13k-46, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird dahin F o l g e gegeben, dass die bekämpfte Entscheidung a u f g e h o b e n und die Firmenbuchsache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungsgrund z u r ü c k v e r w i e s e n wird.

Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist n i c h t zulässig.

Begründung:

Text

Im Firmenbuch des Erstgerichtes ist seit 9.10.1997 zu FN ***** die A***** mit dem Geschäftszweig des Handels mit Musikinstrumenten aller Art und M***** als alleinvertretungsbefugtem Geschäftsführer sowie Alleingesellschafter eingetragen.

Mit Antrag vom 13.3.2013 strebt (wie noch näher zu behandeln) die Gesellschaft unter Verweis auf den in der außerordentlichen Generalversammlung vom selben Tag gefassten Beschluss die Eintragung der Änderung deren Firma auf a***** an.

Mit Beschluss vom 12.6.2013 wies das Erstgericht diesen Antrag unter Hinweis auf § 18 Abs 2 UGB mit der wesentlichen Begründung zurück, der Firmenbestandteil „m*****“ stelle einen sehr umfassenden Begriff dar, der unterschiedliche Vorstellungen über den Unternehmensgegenstand erwecke. Da die Gesellschaft nur den Handel mit Musikinstrumenten aller Art betreibe, sei zur Vermeidung einer Irreführung erforderlich, die Firma durch einen weiteren Bestandteil unter Bedachtnahme auf den Geschäftszweig der Gesellschaft zu konkretisieren.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Gesellschaft aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Antragsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Das Rechtsmittel ist aufgrund nachstehender Erwägungen im Sinne der aus dem Spruch ersichtlichen Vorgangsweise begründet:

Rechtliche Beurteilung

1. Zunächst ist klarzustellen, dass die Frage des Firmenwortlautes nur die Gesellschaft und nicht subjektive eigene Interessen ihrer Gesellschafter betrifft, sodass diesen auch keine Rechtsmittellegitimation gegen die Verweigerung der Eintragung einer Firmenänderung zusteht. Nichts anderes gilt für den Geschäftsführer, soweit er eigene Rechte geltend machen will (6 Ob 145/02w). Antrags- und rechtsmittellegitimiert in einem auf die Änderung des Firmenwortlautes abzielenden Firmenbuchverfahren ist somit ausschließlich die Gesellschaft, vertreten durch deren Geschäftsführer.

Da hier schon im verfahrenseinleitenden Schriftsatz auf dessen Deckblatt klargestellt ist, dass der Geschäftsführer in dieser Funktion ( als Geschäftsführer der Gesellschaft) auftritt und am Ende des Rekurses auch ausdrücklich die Gesellschaft angeführt ist, kommt mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die Gesellschaft selbst und nicht etwa deren Geschäftsführer im eigenen Namen als Antragstellerin und Rekurswerberin auftritt.

2. Allen weiteren Erwägungen vorauszuschicken ist, dass das Erstgericht die Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft der angestrebten Firma - zu Recht (OLG Innsbruck 3 R 172/12m, 3 R 158/12b, 3 R 90/12b) - nicht als Begründung für die Abweisung des Eintragungsantrages herangezogen hat, sodass sich weitergehende Erörterungen zu diesem nach § 18 Abs 1 UGB zu beurteilenden Aspekt und ein Eingehen auf die diese Frage behandelnden Rechtsmittelausführungen erübrigen.

3. Vielmehr hat das Erstgericht seine abweisliche Entscheidung ausschließlich mit § 18 Abs 2 UGB begründet, nach dessen Satz 1 die Firma keine Angaben enthalten darf, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irre zu führen. Überdies wird im Verfahren vor dem Firmenbuchgericht die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist (Satz 2).

3.1 Das Irreführungsverbot ist Ausdruck des Prinzips der Firmenwahrheit, die als Teil des Firmenordnungsrechts in erster Linie dem Schutz des Verkehrs dient. Das firmenrechtliche Irreführungsverbot des § 18 Abs 2 UGB, das vor der Firmenliberalisierung durch das mit 1.1.2007 in Kraft getretene HaRÄG 2005 (§ 907 Abs 4 UGB) als Grundsatz der Firmenwahrheit umschrieben wurde, dient dem Interesse des Publikums und des Geschäftsverkehrs vor Irreführung. Genauer betrachtet dient es - anders als etwa das Wettbewerbsrecht, das mit seinen Mitteln nur eine nachträgliche Kontrolle sicherstellen will und kann - einem vorbeugenden Verkehrsschutz. Es wurde durch das HaRÄG 2005 in zweifacher Weise eingeschränkt, nämlich materiell-rechtlich durch die Wesentlichkeitsschwelle und verfahrensrechtlich durch das Erfordernis der Ersichtlichkeit. Im Ergebnis bewirken diese gesetzlichen Änderungen, dass die Möglichkeiten der Firmenbildung durch das Irreführungsverbot nicht über Gebühr eingeschränkt und das Firmenbuchverfahren durch die Firmenprüfung nicht unangemessen verzögert werden soll (OLG Innsbruck zuletzt 3 R 60/13t; so auch verkürzt und im Kern: 6 Ob 67/10m).

3.2 Wie eine bestimmte Bezeichnung in einer Firma wirkt, bestimmt sich generell maßgeblich nach der objektiven Verkehrsauffassung. Es soll „nicht allein auf das Verständnis eines nicht unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise, sondern - objektiviert - auf die Sicht der durchschnittlichen Angehörigen des betreffenden Personenkreises bei verständiger Würdigung ankommen“ (6 Ob 67/10m; Dehn in Krejci RK UGB § 18 Rz 35). Leitbild ist der selbständige, orientierte und mündige Verbraucher. Nach der Reform des Unternehmensrechtes genügt es nicht mehr, wenn nur Einzelne irregeführt werden können, sondern es ist die Möglichkeit der Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise, also einer Gruppe von Adressaten, erforderlich (OLG Innsbruck wie vor).

3.3 § 18 Abs 2 Satz 1 UGB entspricht § 18 Abs 2 Satz 1 dHGB idF der (deutschen) HGB-Reform 1998, an dem sich der Gesetzgeber des HaRÄG 2005 orientierte, sodass die für die Errichtung der Wesentlichkeitsschwelle in der deutschen Bestimmung ergangene Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung für die Auslegung von Bedeutung ist. Das Kriterium der Wesentlichkeit soll sicherstellen, dass nicht auch solche Angaben als zur Irreführung geeignet angesehen werden und damit einer Eintragung entgegenstehen, die nur von geringer wettbewerblicher Relevanz sind oder für die angesprochenen Verkehrskreise nur eine nebensächliche Bedeutung haben (6 Ob 67/10m).

3.4 Das Kriterium der Ersichtlichkeit setzt voraus, dass sich die Irreführungseignung dem objektiven Betrachter - und damit dem Firmenbuchgericht - ohne weiteres, insbesondere ohne weitere Erhebungen aufdrängen muss (für viele: OLG Innsbruck 3 R 60/13t, 3 R 172/12m).

3.5 Durch die Einführung der „Wesentlichkeits-“ und „Ersichtlichkeitsschwelle“ soll der firmenbuchrechtliche Prüfungsmaßstab nachhaltig gesenkt und auf ein „Grobraster“ beschränkt werden. Die „Feinsteuerung“ der Zulässigkeitsprüfung unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten soll dagegen im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen erfolgen (OLG Innsbruck wie vor).

4. Damit spricht die Rekurswerberin grundsätzlich zutreffend das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel einer Firmenliberalisierung an. Dass „im Zweifelsfall von keiner Irreführung auszugehen sei“, ist aber weder dem Gesetz noch den Materialien zu entnehmen. Auch kann dem Standpunkt im Rechtsmittel nicht beigepflichtet werden, dass es bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Firma aus dem Blickwinkel des § 18 Abs 2 UGB darauf ankommt, dass „die Irreführung eine Einflussnahme auf die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Geschäftsverkehrs bedinge“ oder „andere unerwünschte Auswirkungen auf den Geschäftsverkehr habe“. Dass das Erstgericht die Zulässigkeit der angestrebten Firma aus diesem Blickwinkel nicht geprüft hat, schadet somit nicht. Welcher sekundäre Feststellungsmangel in diesem Zusammenhang vorliegen soll, vermag auch der Rekurs nicht konkret aufzuzeigen.

5. Ob der Zusatz (der Bestandteil) der angemeldeten Firma objektiv geeignet ist, einen nicht unbeträchtlichen Teil der beteiligten Verkehrskreise (nunmehr [6 Ob 67/10m]: die durchschnittlichen Angehörigen des betreffenden Personenkreises bei verständiger Würdigung) über die Art und den Umfang des Geschäftes zu täuschen, darf nicht dadurch geprüft werden, ob eine hinreichende Rechtfertigung für den Gebrauch jedes einzelnen Firmenbestandteiles vorliegt, sondern ist nach dem Gesamteindruck der Firma zu beurteilen (RIS-Justiz RS0061344, RS012547).

5.1 Schon vor der Firmenliberalisierung hat der OGH zum Irreführungsverbot in (damals) § 18 Abs 2 HGB die Auffassung vertreten, entscheidend sei, dass die bei einem Gebrauch der Firma zu erwartenden konkreten Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise über den Unternehmensgegenstand vom gesellschaftsvertraglich Umschriebenen nicht abweichen. Wer sich nichts Konkretes vorstellen könne, mag sich mangelhaft unterrichtet fühlen, könne sich aber nicht als getäuscht erachten. Einem Wort mit einem überdurchschnittlich weiten begrifflichen Inhalt komme für sich allein nur äußerst geringe Kennzeichnungskraft zu (6 Ob 15/85, 6 Ob 22/85, 6 Ob 8/86).

5.2 Dieser Auffassung ist auch das aktuelle Schrifttum (Koppensteiner/Rüffler GmbHG³ § 5 Rz 12) gefolgt. Im Übrigen ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass mit 31.12.2006 auch der vormalige Wortlaut des § 5 Abs 1 GmbHG, wonach - soweit hier relevant - die Firma von dem Gegenstande des Unternehmens entlehnt sein müsse, infolge der durch das HaRÄG 2005 verwirklichten Liberalisierung der Firmenbildungsvorschriften aus dem Rechtsbestand ausgeschieden ist, und unter anderem das Irreführungsverbot seither ausschließlich nach dem UGB zu beurteilen ist (Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 1 und 2).

5.3 In der Entscheidung vom 19.2.2009 (6 Ob 242/08v) hat der OGH zu Phantasiefirmen eine im deutschen Schrifttum vertretene Auffassung als überzeugend bezeichnet, wonach bei der Beurteilung der Irreführungseignung auch zu berücksichtigen sei, dass durch eine Fehlassoziation auch gerade solche Verkehrskreise angelockt würden, die ansonsten mit dem irreführenden firmierenden Unternehmen nie in Kontakt getreten wären. Davon abgesehen, dass in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Phantasiebezeichnungen reflektiert wird, stand in diesem Verfahren die Beurteilung der Zulässigkeit eines Firmenwortlautes an, der auf Dienste im Zusammenhang mit dem Anbot von Solarien, Sonnenenergie und Sonnenschutz hinwies, obgleich sich die Gesellschaft mit der Tätigkeit der Unternehmensberatung befasste. Dieser Entscheidung kommt somit hier keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

5.4 Auch der Entscheidung 6 Ob 67/10m lag ein Firmenbestandteil (Akademie) mit einem weiten begrifflichen Inhalt zugrunde. Hiezu führte der OGH aus:

„Dass dieser Firmenbestandteil in Österreich die Fehlvorstellung hervorrufen kann, es liege eine private Lehranstalt vor, und dass diese Fehlvorstellung Unternehmensberatung suchende Unternehmer in ihrer Entscheidung beeinflussen könnte, ist eine Gefahr, vor der der inländische Rechtsverkehr nicht zwingend durch Verweigerung der Eintragung der unveränderten Firma der Gesellschaft als Firma ihrer inländischen Zweigniederlassung geschützt werden muss. Zum einen ist der angesprochene Verkehrskreis geringer schutzbedürftig, zum anderen wäre diese Gefahr hinzunehmen, wenn die Gesellschaft ihre nach dem Gründungsrecht zulässige Firma vom Gründungsstaat aus im inländischen Geschäftsverkehr gebraucht“ (Punkt 8.3.5).

Andererseits ist anerkannt (4 Ob 224/06d, 4 Ob 31/05w, 4 Ob 364/97a, OLG Innsbruck 3 R 8/10s), dass eine Schlechterstellung österreichischer Staatsangehöriger gegenüber Staatsangehörigen anderer Mitgliedsstaaten, insbesondere aufgrund der zu deren Gunsten wirkenden Anwendung von Gemeinschaftsrecht zu vermeiden ist (Verbot der Inländerdiskriminierung). Die Erwägungen in dieser Entscheidung können somit auch hier fruchtbar gemacht werden.

6. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes steht die Verwendung des weiten Begriffes „Musik“ in der von der Gesellschaft angestrebten Firma deren Zulässigkeit nicht entgegen. So ein solcher weiter Begriff für ausländische Rechtsträger zulässig ist (6 Ob 67/10m), kann zur Vermeidung einer unzulässigen Inländerdiskriminierung für einen inländischen Rechtsträger nichts anderes gelten. Schon aus diesem Blickwinkel ist dem Rekurs somit Folge zu geben.

Im Übrigen übersteigt der angestrebte Firmenwortlaut auch nicht die in § 18 Abs 2 UGB normierte „Wesentlichkeits-“ und „Ersichtlichkeitsschwelle“ (zusammenfassend Punkt 3.5 oben), sodass dieser auch ohne Rückgriff auf unionsrechtliche Erwägungen zulässig ist. Dieses Ergebnis entspricht schon der vom OGH lange vor der Firmenliberalisierung zum Ausdruck gebrachten Auffassung (Punkt 5.1 oben), sodass eine restriktivere Beurteilung auch der vom Gesetzgeber des HaRÄG 2005 hervorgehobenen Absicht, der Firmenliberalisierung, zuwider liefe (RV zu § 18 UGB, abgedruckt in Krejci RK UGB, 118).

7. Insgesamt ist somit dem Rechtsmittel in der aus dem Spruch ersichtlichen Form stattzugeben.

Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil Kosten des Rekurses - zutreffend - nicht verzeichnet wurden.

Da sich das Rekursgericht zu der hier wesentlichen Frage (Zulässigkeit eines Firmenwortlautes mit weitem begrifflichen Inhalt) an einer Rechtsprechung des OGH orientieren konnte, die schon vor der mit dem HaRÄG 2005 erfolgten Firmenliberalisierung erging, sodass diese heute noch viel mehr Geltung hat, war eine Rechtsfrage mit der in § 62 Abs 1 AußStrG gemeinten Intensität nicht zu lösen. Darüber hinaus begründet die besondere Kasuistik der zu beurteilenden Frage (Irreführungseignung) regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (so zu [nunmehr] § 29 UGB: RIS-Justiz RS0118213). Damit ist auszusprechen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist.

Rückverweise