JudikaturOLG Innsbruck

6Bs157/13h – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Dr. Werus als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Klotz und Mag. Friedrich als weitere Mitglieder des Senates in der Strafsache gegen Maria C ***** wegen der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Strafsatz StGB und der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 19.4.2013, GZ 23 Hv 54/13t-4, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Begründung:

Text

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legt der 1990 geborenen Maria C***** laut Strafantrag zur Last, sie habe am 15.3.2013 in I*****

Maria C***** habe hiedurch laut Strafantrag

begangen.

Mit dem angefochtenen einzelrichterlichen Beschluss wurde der Strafantrag gestützt auf § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 3 StPO wegen Erforderlichkeit eines bereits im Ermittlungsverfahren einzuholenden psychiatrischen Gutachtens zurückgewiesen.

Die von der Staatsanwaltschaft rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft und die Angeklagte einer Äußerung enthielten, erweist sich nicht als berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 485 Abs 1 StPO hat das Gericht den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen. Z 2 dieser Gesetzesstelle ordnet an, „in den Fällen des § 212 Z 3 und 4 den Strafantrag mit Beschluss zurückzuweisen“. Der Fall des § 212 Z 3 StPO liegt vor, wenn „der Sachverhalt nicht so weit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten naheliegt“. Dazu muss bei Gegenüberstellung der belastenden und entlastenden Indizien (unter Mitberücksichtigung indizierter Schuldausschließungsgründe) mit einfacher Wahrscheinlichkeit (dh mehr als 50 %) ein Schuldspruch zu erwarten sein ( Birklbauer/Mayrhofer in WK [2009] StPO § 212 Rz 15). Damit der Einspruchsgrund des § 212 Z 3 StPO nicht vorliegt, müssen die für die Hauptverhandlung relevanten Beweismittel so vorbereitet sein, dass sie in der Hauptverhandlung ohne wesentliche Verzögerung unmittelbar durchgeführt werden können; dies ergibt sich unter anderem aus dem in § 91 Abs 1 StPO normierten Zweck des Ermittlungsverfahrens, für den Fall der Anklage eine „zügige Durchführung der Hauptverhandlung“ zu ermöglichen ( Birklbauer/Mayrhofer aaO Rz 16; ebenso: 6 Bs 52/13t des OLG Innsbruck).

Der Abschlussbericht der Polizei spricht bezogen auf den Tatzeitraum ausdrücklich von einem offensichtlichen psychischen Ausnahmezustand der nunmehrigen Angeklagten und gibt entsprechende Symptome wieder. Überdies ist dem Abschlussbericht zu entnehmen, dass Maria C***** am Vorfallstag vom Amtsarzt in das Psychiatrische Krankenhaus H***** eingewiesen wurde und dort nach eigenen Angaben eine Woche lang stationär blieb; anschließend sei eine Behandlung bei der „Psychologin Dr. W***** in I*****“ vereinbart (gemeint anscheinend: bei der Fachärztin für Psychiatrie Dr. Katharina W*****).

Aus diesen durchaus konkreten Anhaltspunkten ergibt sich auch nach Ansicht des Beschwerdegerichtes die Erforderlichkeit eines Gutachtens zur Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der Angeklagten zum Tatzeitpunkt (vgl Hinterhofer in WK [2011] StPO § 126 Rz 7 zweiter Absatz mwN). Dies steht der von § 91 Abs 1 StPO angestrebten „zügigen Durchführung der Hauptverhandlung“ entgegen.

Die von der Beschwerde zitierten relativ klaren und detaillierten Angaben der Angeklagten sprechen für deren gute Erinnerung an den Vorfall, schließen aber den von der Polizei beschriebenen psychischen Ausnahmezustand und damit eine Aufhebung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit keineswegs aus. Ob die (unvertretene) Angeklagte selbst von einer Zurechnungsunfähigkeit ausgeht, ist angesichts des auch der Staatsanwaltschaft durch § 3 Abs 1 StPO auferlegten Gebotes objektiver Wahrheitserforschung nicht entscheidend. Der von der Beschwerde vermisste persönliche Eindruck des Einzelrichters würde voraussichtlich eine laienhafte Beurteilung nur bezogen auf die Gegenwart ermöglichen, aber die fachkundige Begutachtung in Bezug auf den seinerzeitigen Ausnahmezustand nicht ersetzen.

Mit den von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführten Geboten der Beschleunigung und Verhältnismäßigkeit ist für die Beschwerde nichts gewonnen. Die Einholung eines Gutachtens dauert nämlich im Ermittlungsverfahren nicht länger als im Hauptverhandlungsstadium, kann aber im Falle der Diskretions- oder Dispositionsunfähigkeit die Anklage und die Hauptverhandlung ersparen. Der von der Beschwerde beklagte Eingriff der psychiatrischen Begutachtung in die Rechte der Angeklagten wird durch deren Recht, die aktive Mitwirkung an der Untersuchung zu verweigern, relativiert (14 Os 48/12h).

Somit blieb die Beschwerde erfolglos. Das Gutachten wird im fortgesetzten Ermittlungsverfahren einzuholen sein.

Das hilfsweise einzelrichterliche Zurückweisungsargument, wonach sich die Zuständigkeit des Schöffengerichtes nach § 430 Abs 1 StPO ergeben „könnte“, nennt keine konkreten Anhaltspunkte aus der bisherigen Aktenlage für die von § 21 Abs 1 StGB geforderte Befürchtung (im Sinne einer großen Wahrscheinlichkeit) künftiger Straftaten mit schweren Folgen. Der Staatsanwaltschaft bleibt es überlassen, ob sie im Rahmen der im Ermittlungsverfahren zulässigen Erkundung den Gutachtensauftrag auch zu dieser Frage erteilt.

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