11Bs110/13h – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Dr. S***** als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. L***** und Mag. K***** als weitere Mitglieder des Senates in der Strafsache gegen M***** O***** A***** wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.2.2013, 23 Hv 167/12h-16, nach der am 30.4.2013 in Anwesenheit de Schriftführers Rp Mag. S*****, des Oberstaatsanwaltes Mag. T***** S*****, MBA, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Mag.T***** A***** öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld wird F o l g e gegeben, das angefochtene Urteil a u f g e h o b e n und in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Der Angeklagte M***** O***** A***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 25.4.2012 in Innsbruck und an anderen Orten durch den Eintrag "Warum gibt’s in da türkei koane samenspender??? … weil die ganz wixxa bei uns sein;)" auf der Internetplattform "Facebook" und sohin öffentlich gegen türkische Staatsbürger und sohin diese wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem Volk in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen gesucht, und er habe hiedurch das Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO
f r e i g e s p r o c h e n .
Mit seiner weiteren Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung v e r w i e s e n .
Text
Entscheidungsgründe:
Ein Einzelrichter erkannte den 1993 geborenen M***** O***** A***** des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB schuldig, verhängte hiefür nach § 283 Abs 1 StGB in Anwendung des § 37 (Abs 1) StGB eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen à EUR 4,--, im Uneinbringlichkeitsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sah gemäß § 43a Abs 1 StGB einen Teil der Geldstrafe von 60 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach und verurteilte den Angeklagten gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Laut Urteilstenor hat der Angeklagte
„am 25.04.2012 in Innsbruck und an anderen Orten durch den Eintrag „Warum gibt’s in da türkei koane samenspender??? … weil di ganz wixxa bei uns sein;)“ auf der Internetplattform „Facebook“ und sohin öffentlich gegen türkische Staatsbürger und sohin diese wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem Volk in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen gesucht.“
Der Erstrichter traf zum Schuldspruch nachstehende Feststellungen:
„Der zum Tatzeitpunkt 19-jährige Angeklagte M ***** O***** A***** ist derzeit ohne Beschäftigung und hat eine solche auch nicht konkret in Aussicht. Er bezieht Notstandshilfe in der Höhe von cirka EUR 300,-- pro Monat. Er hat weder Vermögen noch Schulden, ist ledig und ohne Sorgepflichten.
In seiner Strafregisterauskunft scheint keine Eintragung auf.
Nachdem der mittlerweile abgesondert verfolgte M***** H***** am 25.04.2012 auf der Internetplattform „Facebook“ Einträge mit ausländerfeindlichen Witzen gemacht hatte, machte der Angeklagte am selben Tag dort ebenfalls einen Eintrag mit dem Wortlaut „Warum gibt’s in da türkei koane samenspender??? … weil di ganz wixxa bei uns sein;)“. Der Eintrag war dort öffentlich, also für jedenfalls mehr als zehn Personen, wahrnehmbar. Durch diese Äußerung auf der Internetplattform hat der Angeklagte türkische Staatsbürger bzw. Personen türkischer Herkunft wegen ihrer Zugehörigkeit zu diesem Volks in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und verächtlich zu machen gesucht.
Dem Angeklagten kam es gerade darauf an, die gegenständliche Eintragung auf der Internetplattform vorzunehmen. Er hielt es dabei ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass dies öffentlich, also für viele Personen, wahrnehmbar ist und er dadurch Personen türkischer Herkunft in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.“
Diese Feststellungen stützte der Einzelrichter auf nachstehende Beweiswürdigung:
„Die Feststellungen zur Person gründen auf den eigenen Angaben des Angeklagten und der eingeholten Strafregisterauskunft (AS 7 in ON 13).
Der Angeklagte verantwortete sich im Wesentlichen geständig. Bereits bei der Einvernahme bei der Polizei (AS 61 f in ON 2) führte er an, dass er den gegenständlichen Eintragung gemacht hätte. Er wäre mit über 400 anderen Facebook-Usern befreundet. Den Eintrag gegen Türken hätte er aus Spaß gemacht. Es handelte sich um einen Witz und hätte auch als solcher aufgefasst werden sollen. Er hätte diesen Witz irgendwo gehört und dieser hätte ihm gefallen. Er hätte den Witz lustig gefunden und ihn in das Internet geschrieben.
Diese Angaben bestätigte er auch bei seiner Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft (ON 8). Dort führte er weiter an, dass er niemanden hätte beleidigen wollen, das wäre gar nicht seine Intention gewesen. Er hätte auf Witze des H ***** reagiert und eben da auch etwas geschrieben. Über Frage, ob das seines Erachtens Türken lustig finden, wenn sie das lesen würden, führte er an, dass er das durchaus auch probiert habe. Als er beim M-Preis gearbeitet habe, habe er das auch seinen Arbeitskollegen, die mehrheitlich Türken wären, erzählt und die hätten das (zu) eigentlich 90 % auch lustig gefunden. Die restlichen 10 % hätten das nicht so lustig gefunden.
Schließlich gestand der Angeklagte auch in der Hauptverhandlung zu, dass der gegenständliche Eintrag von ihm stammen würde. Es sei auch richtig, dass damit Türken insgesamt schlecht gemacht würden. Er hätte nach dem Eintrag eines Witzes durch H ***** ebenfalls etwas hineinschreiben wollen und eben diesen Witz hineingeschrieben. Derartige Einträge könnten von vielen Personen gelesen werden. Die Bezeichnung von Türken generell als Wichser sei nicht böse gemeint. Wichser wäre für ihn allerdings schon ein abwertender Ausdruck. Er habe sich nicht viel dabei gedacht, als er den Witz (in das Internet) hineingestellt habe, es sei ja nur ein Witz.
Aufgrund der insoweit geständigen Verantwortung des Angeklagten war festzustellen, dass er den Eintragung auf der Internetplattform „Facebook“ vorgenommen hat, was sich insofern auch mit den Erhebungen der Polizei deckt (AS 83 in ON 2).
Der Angeklagte hat selbst zugestanden, dass der Eintrag von vielen Personen gelesen werden könnte. Auch die abgesondert verfolgten H *****, K***** und S***** führten jeweils eine große Anzahl von sogenannten Facebook-Freunden an, wobei H***** in der Hauptverhandlung dazu ausführte, dass die „Facebook-Freunde“ derartige Eintragungen ansehen könnten. Zwar gab S***** in diesem Zusammenhang an, dass die gegenständlichen Einträge auf der Seite von B***** L***** erfolgt wären und seines Wissens nur dessen Freunde das lesen könnten. Andererseits ergibt sich aus den Angaben des Zeugen S***** bei der Polizei (AS 69 ff in ON 2), dass derartige Einträge auf der Internetplattform einmal auch von über 20 Personen kommentiert wurden. Insofern war daher davon auszugehen, dass diese Einträge öffentlich wahrnehmbar waren.
Laut allgemeinem Sprachverständnis und laut Wörterbuch Duden, Die deutsche Rechtschreibung, wird das Wort „wichsen“ auch derb für onanieren verwendet und ist das Wort „Wichser“ ein derbes Schimpfwort. Aus dem Zusammenhang („Samenspender“) ist wiederum zu schließen, dass das Wort hier genau in diesem Sinn verwendet wurde. Überdies wurde auch nicht irgendwie differenziert, sondern es wurden eben „die ganzen Wichser“ aus der Türkei angesprochen. Dadurch werden Personen türkischer Herkunft als minderwertige Teile der Bevölkerung dargestellt und der Achtung der Mitmenschen unwürdig hingestellt, nicht anders als wenn Angehörige eines Staates generell als Diebe bezeichnet werden, wie es kürzlich den Medien zu entnehmen war. Insofern war von einem Beschimpfen bzw. von einem versuchten Verächtlichmachen auszugehen, wobei aufgrund des fehlenden Differenzierens auch festzustellen war, dass dies in einer die Menschenwürde verletzenden Weise gegenüber türkischen Staatsbürgern bzw. Personen türkischer Herkunft im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu diesem Volk geschieht.
Die Feststellungen zur inneren Tatseite gründen auf einer lebensnahen Betrachtung des äußeren Sachverhaltes. Nachdem der Angeklagte selbst zugestanden hat, dass er diesen Eintrag vorgenommen hat, die von ihm als Witz verstandene Äußerung eine Reaktion auf einen anderen ausländerfeindlichen Witz war, war von Absicht beim Vornehmen des Eintrags auszugehen. Auch wenn der Angeklagte angeführt hat, dass dieser Witz auch so verstanden werden sollte, musste er trotzdem in der Hauptverhandlung einräumen, dass es sich beim Wort „Wichser“ um einen abwertenden Ausdruck handelt und der Eintrag, welcher alle hier befindlichen Türken als „Wichser" bezeichnet, schon als abwertend zu bewerten wäre. Wenn der Angeklagte dies laut eigener Verantwortung auch bei Arbeitskollegen ausdrücklich ausprobiert hat, so ist ihm im Hinblick darauf zumindest ein bedingter Vorsatz in Bezug auf ein die Menschenwürde verletzendes Beschimpfen oder versuchtes Verächtlichmachen zu unterstellen, auch wenn er bei seiner Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft schlüssig Absichtlichkeit in Abrede gestellt hat. Welchen Sinn sollte es sonst haben, dies auszuprobieren, wenn man nicht zumindest Bedenken in diese Richtung hegt.“
Nach Auffassung des Erstrichters habe der Angeklagte das Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht. Mangels Differenzierung bei den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen habe es dabei ohne Belang zu bleiben, dass die Tathandlung durch Äußern eines sogenannten Witzes erfolgt sei.
Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter keine Umstände als erschwerend, hingegen die bisherige Unbescholtenheit, das wesentliche Geständnis des Angeklagten und sein Alter unter 21 Jahren als mildernd.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung, dass es allgemein bekannt sei, dass derartige "Witze" in vielen Bevölkerungsgruppen Verbreitung fänden, sei eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen schuld- und tatangemessen.
Zur Höhe des einzelnen Tagessatzes verwies der Erstrichter auf das fehlende Vermögen und das unterhalb des Existenzminimums liegende Einkommen des Angeklagten.
Schließlich stünden weder spezial- noch generalpräventive Gründe der bedingten Nachsicht der Hälfte der verhängten Geldstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit entgegen.
Während die Staatsanwaltschaft dieses Urteil unangefochten ließ, bekämpft es der Angeklagte mit einer rechtzeitig wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe angemeldete und schriftlich wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe ausgeführten Berufung; die Berufung wegen Nichtigkeit wurde ausdrücklich zurückgezogen (ON 17 und 21).
Die Oberstaatsanwaltschaft sprach sich gegen einen Rechtsmittelerfolg aus.
In seiner Schuldberufung moniert der Angeklagte, die gegenständliche Facebook-Eintragung stamme unbestrittenerweise von ihm. Sie sei aber weder in objektiver Hinsicht, schon gar nicht in subjektiver Hinsicht dazu geeignet, das Vergehen nach § 283 Abs 2 StGB zu begründen. Die Begründung des Erstgerichtes, dass das Wort "Wixxer" ein derbes Schimpfwort sei, werde auch nicht bestritten. Unter Bezugnahme auf Kommentarstellen wird sodann darzulegen versucht, weshalb die getätigte Äußerung des Angeklagten, der selbst tunesische Wurzeln habe und immer wieder - nach dessen Auskunft - Opfer ausländerfeindlicher Agitation geworden sei, nicht nach § 283 Abs 2 StGB zu verurteilen sei. Nach Auffassung des Angeklagten verlange der Gesetzgeber zur Verwirklichung des gegenständlichen Deliktes auf der objektiven Tatseite ein "deutliches Mehr an Verunglimpfung", andernfalls sei eine nicht zu bewältigende Flut an Anzeigen zu erwarten. Der Facebook-Eintrag des Angeklagten sei zugestandenermaßen geschmacklos und auch moralisch verwerflich, allerdings würden sich unzählige solche "Witze" oder sonstige kabarettistische, komödiantische, … Einlagen finden. Weitverbreitet seien etwa Witze über den sogenannten "Lieblingsnachbarn" Deutschland, die in Verachtung weit über den anzeige-gegenständlichen Facebook-Eintrag hinausgingen. Solche Witze seien auch alltäglich und würden sogar von sogenannten VIP offen im Fernsehen oder in Printmedien transportiert werden. Auch Witze über Vorarlberger (der Verteidiger zähle sich ebenfalls zu dieser Volksgruppe) seien gerade eben in Tirol weit verbreitet, ebenso wie Witze über Wiener, Burgenländer oder dergleichen. Schließlich sei nicht richtig, wie das Erstgericht meine, dass die gesamte Gruppe "alle Türken" angesprochen worden sei. In keinster Weise seien dadurch Personen türkischer Herkunft als minderwertige Teile der Bevölkerung dargestellt worden. Durch die gegenständliche Facebook-Eintragung sei "lediglich" ein Teil der türkischen (wohl auch nur männlichen) Bevölkerung gemeint gewesen, selbstverständlich nicht sämtliche Türken. Die "ganz wixxa" beziehe sich nur auf einen Teil der Bevölkerung.
Zur subjektiven Tatseite wird in der Berufung ausgeführt, es sei dem Angeklagten in keinster Weise darauf angekommen und habe er dies auch nicht mehr ernstlich für möglich gehalten, dass er Personen türkischer Herkunft in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpfe oder verächtlich zu machen versucht habe. Auch die Suggestivfragen des Erstgerichtes in der Hauptverhandlung und die diesbezüglichen Antworten des Angeklagten würden daran nichts ändern. Zudem müsse der Maßstab bei einem Witz oder dgl. höher angesetzt werden als beispielsweise bei politischer Wahlwerbung. In diesem Zusammenhang werde auch zum Ausdruck gebracht, dass der Vergleich des Erstgerichtes mit dem in Innsbruck parallel laufenden Verfahren gegen einen anderen Angeklagten in keinster Weise angebracht sei. Ungleiches sei einfach nicht zu vergleichen. Schließlich sei unberücksichtigt geblieben, dass der Facebook-Eintrag am Ende, dies sei richtigerweise im Strafantrag so dokumentiert worden, ein sogenanntes "Smily" anführe. Dieses "Smily" bedeute landläufig "Lächeln mit Augenzwinkern", "Ironie". Auch deshalb könne dem Angeklagten nie und nimmer auf der subjektiven Tatseite die Verwirklichung des § 283 Abs 2 StGB vorgeworfen werden. Bei der Facebook-Eintragung des Angeklagten handle es sich eindeutig um einen "Witz", mag dieser auch moralisch verwerflich sein.
Aus Anlass der Schuldberufung hat das Berufungsgericht das Beweisverfahren durch Einvernahme des Angeklagten und den Vortrag des gesamten bisherigen Akteninhaltes mit dem gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO erklärten Einverständnis des Verteidigers und der Oberstaatsanwaltschaft wiederholt sowie durch Verlesung des Ausdruckes der Wikipediaseite http://de.wikipedia.org/wiki/Emoticon ergänzt.
Aufgrund dieser eigenen Beweisaufnahme stellt das Berufungsgericht teilweise abweichend vom Ersturteil fest:
Nachdem der mittlerweile abgesondert verfolgte M***** H***** am 25.04.2012 auf der Internetplattform „Facebook“ Einträge mit ausländerfeindlichen Witzen gemacht hatte, machte der Angeklagte am selben Tag dort ebenfalls einen Eintrag mit dem Wortlaut „Warum gibt’s in da türkei koane samenspender??? … weil di ganz wixxa bei uns sein;)“.
Es kann nicht festgestellt werden, dass durch die inkriminierte Äußerung, die als Reaktion auf eine fremdenfeindliche Diskussion auf der Internetplattform "Facebook" und Antwort an den abgesondert Verfolgten M***** H***** getätigt wurde, türkische Staatsangehörige bzw Personen türkischer Herkunft in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft wurden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der vom Angeklagten gewollte Sinn der gegenständlichen Äußerung darin lag, türkische Staatsbürger bzw Personen türkischer Herkunft in einer die Menschenwürde verletzenden Weise zu beschimpfen. Das von ihm am Ende seiner Äußerung verwendete Emoticon steht für „zwinkern, nimm´s nicht so ernst!“. Im Jahr 1982 schlug der Wissenschaftler und spätere Informatikprofessor Scott E. Fahlman vor, aus ASCII-Zeichen das Signet eines seitwärts gebildeten Lachens zu benutzen, um Scherze zu kennzeichnen. Als „Emoticon“ werden Zeichenfolgen bestehend aus ASCII-Zeichen bezeichnet, die ein „Smiley“ nachbilden, um in der schriftlichen Kommunikation Stimmungs- oder Gefühlszustände auszudrücken. Verwendet werden Emoticons etwa im E-Mail-Verkehr, beim Instant Messaging, Forumsdiskussionen und chatten; sie helfen, den Bedeutungskontext der Aussagen zu verdeutlichen.
Die abgesondert Verfolgten M***** H*****, J***** K***** und T***** S***** konnten, ebenso wie der Zeuge B***** L*****, keine relevanten Aussagen machen (s. die Einvernahmen in ON 2, S 27 ff, ON 5 bis ON 7 und in ON 15, S 3 bis 6). Der Angeklagte verantwortete sich vor der Polizei im Wesentlichen damit (ON 2, S 59 ff), dass er einen Eintrag gegen Türken aus Spaß gemacht habe. Dabei habe es sich um einen Witz gehandelt, der auch als solcher aufgefasst werden sollte. Der Angeklagte räumte auch ein, dass der ihm angelastete Text von ihm stamme. Er habe diesen Witz irgendwo gehört und er habe ihm gefallen. Im Ermittlungsverfahren gab der Angeklagte an, es sei richtig, dass der gegenständliche Facebook-Eintrag von ihm sei. Er habe den Witz einmal aufgeschnappt und ihn dann auf Facebook gepostet. Er habe das Ganze nur witzig gefunden. Er habe auch niemanden beleidigen wollen, das sei gar nicht seine Intention gewesen. Es sei richtig, dass es so gewesen sei, dass M***** H***** da ebenso einen - seines Erachtens nach - Witz gepostet habe. Er habe dann darauf reagiert und eben da auch etwas geschrieben, nämlich den fraglichen Text (ON 8). In der Hauptverhandlung gab der Angeklagte an, es sei richtig, dass mit dem gegenständlichen Eintrag Türken insgesamt schlecht gemacht werden würden. Der Erstangeklagte H***** habe den Witz mit den Mülltonnen eingetragen. Er habe den gegenständlichen Witz in der Arbeit aufgenommen und ebenfalls etwas hineinschreiben wollen; er habe diesen Witz hineingeschrieben. Die gegenständlichen Einträge könnten von vielen Personen gelesen werden. Er habe das ja nicht böse gemeint. Der Angeklagte räumte ein, dass der Ausdruck "Wichser" abwertend sei. Er habe sich, als er den Witz hineingestellt habe, nicht viel gedacht, es sei ja nur ein Witz (ON 15, S 6 f).
Der Wortlaut des fraglichen Facebook-Eintrags steht aufgrund der polizeilichen Ermittlungen fest (ON 2, S 83), die Bedeutung des vom Angeklagten verwendeten Emoticons folgt aus der Wikipediaseite http://de.wikipedia.org/wiki/Emoticon.
Wenn neben der unwiderlegten Verantwortung des Angeklagten der in der Berufungsverhandlung von ihm gewonnene persönliche Eindruck eines einfach denkenden Menschen, die Situation, in der der konkrete Eintrag erfolgte, insbesondere auch der Sprachgebrauch (Umgangston) während der fraglichen Diskussion (ON 2, S 25 ff) und der Umstand bedacht wird, dass die inkriminierte Äußerung als Reaktion auf fremdenfeindliche Facebook-Einträge, einschließlich solcher "Witze" erfolgte, dann fehlen hinreichende Indizien, dass der vom Angeklagten gewollte Wortsinn - auch gegenüber dem Adressatenkreis - im Sinne einer die Menschenwürde verletzenden Beschimpfung aufzufassen ist bzw. aufgefasst werden sollte. Im Zweifel war daher von der für den Angeklagten günstigsten Variante auszugehen.
Rechtliche Beurteilung
Überdies ist in diesem Zusammenhang zu erwägen, dass Beschimpfen jede in derber Form zum Ausdruck gebrachte Missachtung eines anderen ist. Im gegebenen Zusammenhang werden in erster Linie wörtliche Beschimpfungen in Betracht kommen, denkbar sind aber auch solche in Form bildlicher Darstellungen. Das Beschimpfen muss jedoch in einer die Menschenwürde verletzenden Weise erfolgen. Die Menschenwürde wird verletzt, wenn durch die Tathandlung den Angehörigen der angegriffenen Gruppe unmittelbar oder mittelbar das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird, indem ihnen etwa das Lebensrecht als gleichwertiger Bürger bestritten wird oder sie als minderwertige oder wertlose Teile der Gesamtbevölkerung dargestellt werden, oder wenn sie sonst einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden. Richtet sich der Angriff bloß gegen einzelne Persönlichkeitsrechte (z.B. die Ehre), so wird damit noch nicht die Menschenwürde verletzt. Maßgebend ist vielmehr, dass die der betreffenden Gruppe angehörenden Menschen im unverzichtbaren Kernbereich ihrer Persönlichkeit getroffen werden. Das trifft z.B. zu, wenn sie als "Untermenschen" bezeichnet werden oder geäußert wird, man solle sie "vergasen", "vertilgen" oder "sie gehören alle weggeräumt". Die Menschenwürde wird aber auch durch die Gleichstellung einer der geschützten Gruppen mit als minderwertig geltenden Tieren verletzt (z.B. die Bezeichnung des jüdischen Volkes als "Saujuden" oder als "Brut"). Es genügt, dass Verletzungen der Menschenwürde, die in naher oder ferner Vergangenheit stattgefunden haben, gutgeheißen werden (vgl. Plöchl in WK 2 § 283 Rz 18; Leukauf - Steininger , Komm 3 § 283 Rz 5 f; RIS-Justiz RS0104622, RS0104618 und RS0087248; Fabrizy , StGB 10 § 283 Rz 3; Hinterhofer , SbgKomm § 283 Rz 27 f). Die Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall führt zum Schluss, dass die inkriminierte Äußerung zwar nach Wortlaut und Wortsinn ein Beschimpfen im Sinne einer in beleidigenden Worten oder Handlungen zum Ausdruck gebrachten Missachtung eines anderen darstellt, sie überschreitet nach dem Vorgesagten allerdings noch nicht die Grenze zur qualifizierten Ehrverletzung iSd § 283 Abs 2 zweiter Fall StGB.
Darüber hinaus bleibt anzumerken, dass weder Tenor noch die erstrichterlichen Feststellungen zur Öffentlichkeit und zur inneren Tatseite („...beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.“) einen Schuldspruch nach § 283 Abs 2 zweiter Deliktsfall StGB idF BGBl I 2011/103 (in Kraft getreten am 1.1.2012) tragen können. Nach der fallbezogen anzuwendenden geltenden Fassung der genannten Norm ist zu bestrafen, wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar gegen eine in Abs 1 bezeichnete Gruppe hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht. Die breite Öffentlichkeit ist iSd § 111 Abs 2 StGB zu verstehen. Demnach ist die breite Öffentlichkeit, die nur bei einer den größeren Personenkreis erheblich überschreitenden Vielzahl von Menschen gegeben ist, mit einem Richtwert ab rund 150 Personen anzusetzen. Maßgeblich ist dabei die Wahrnehmbarkeit. Zudem verlangt § 283 Abs 2 StGB idgF für die angeführten Tatbegehungsvarianten jeweils kumulativ , dass der Täter durch das Hetzen oder das Beschimpfen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise (überdies) die Gruppe verächtlich zu machen sucht. Verächtlich macht derjenige, der den anderen als der Achtung seiner Menschen unwert oder unwürdig hinstellt, ihn also deren Verachtung aussetzt, wobei der Täter auch insoweit mit (zumindest) Eventualvorsatz handeln muss (vgl. Plöchl in WK 2 , § 283 Rz 13 und 19 ff). Da es jedoch bereits an einer Beschimpfung in einer die Menschenwürde verletzenden Weise mangelt, hat es mit diesem Hinweis auf die genannten Rechtsfehler mangels Feststellungen sein Bewenden.
Der Angeklagte war daher bereits aufgrund seiner erfolgreichen Schuldberufung und als Ergebnis der durchgeführten Beweiswiederholung und – ergänzung von der wider ihn erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen und deshalb mit seiner weiteren Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 11
Innsbruck, am 30.4.2013