3R172/12m – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Purtscheller als Vorsitzenden und die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Kohlegger und Dr. Engers als weitere Mitglieder des Senats in der Firmenbuchsache der zu FN ***** in das Firmenbuch eingetragenen J***** H***** GmbH mit dem Sitz in *****, mit der Geschäftsanschrift ***** vertreten durch den alleinvertretungsbefugten unternehmensrechtlichen Geschäftsführer J***** H*****, über den Rekurs der Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer, dieser vertreten durch Dr. Nikolaus Ender, öffentlicher Notar in 6900 Bregenz, gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgerichtes Feldkirch vom 27.11.2012, 47 Fr *****-18, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird dahin F o l g e gegeben, dass die bekämpfte Entscheidung aufgehoben und die Firmenbuchsache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund z u r ü c k v e r w i e s e n wird.
Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist n i c h t zulässig.
Begründung:
Text
In das Firmenbuch ist zu FN ***** die J***** H***** GmbH mit dem Sitz in *****, mit der Geschäftsanschrift *****, mit dem Geschäftszweig Architekturbau, mit dem alleinvertretungsbefugten unternehmensrechtlichen Geschäftsführer J***** H*****, eingetragen.
Mit dem am 9.5.2012 beim Erstgericht eingelangten Antrag (mit dem eine ursprünglich schon im Ersteintragungsgesuch vom 20.4.2011 begehrte und später fallen gelassene Firma wieder aufgegriffen wurde) begehrt (erkennbar) die Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer (vgl Burgstaller/Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann , UGB² § 15 FBG Rz 71 E) die Änderung des Firmenwortlauts auf „Architektur H***** GmbH“ . Unter anderem wurde dazu vorgebracht, dass J***** H***** als Baumeister nicht Mitglied der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten sei, aber seit Gründung der Gesellschaft, also seit etwa 12 Jahren unbeanstandet die Etablissementbezeichnung „Architektur J***** H*****“ verwende.
Mit mehreren Zwischenerledigungen vom 16.5.2012, 21.6.2012, 17.7.2012, 8.8.2012 und 24.8.2012, 47 Fr *****-10, -12, -13, -14, -16, teilte das Erstgericht der Gesellschaft und dem Geschäftsführer - mit unterschiedlichen Formulierungen - im Kern mit, dass auch die Bezeichnung „Architektur“ nur unter Vorlage eines Bescheids des zuständigen Ministeriums, der die Führung der Berufsbezeichnung „Architekt“ für J***** H***** rechtfertige oder wenigstens nach Vorlage einer Erklärung der zuständigen Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten in Wien, wonach gegen die Verwendung des Zusatzes „Architektur“ im Firmenwortlaut keine Einwendungen bestehen, eingetragen werden könne.
Diesen Verbesserungsaufträgen leisteten die Gesellschaft und der Geschäftsführer keine Folge.
Mit dem nunmehr bekämpften Beschluss vom 27.11.2012, 47 Fr *****-18, wies das Erstgericht den Antrag auf Änderung des Firmenwortlauts auf „Architektur H***** GmbH“ mit der zusammengefassten Begründung ab, dass diese Bezeichnung aufgrund der lautmalerischen und grammatikalischen Nähe zur Berufsbezeichnung „Architekt“ zur Irreführung geeignet und daher nicht eintragungsfähig sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich nunmehr der (rechtzeitige) Rekurs (erkennbar) der Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Bewilligung des Antrags auf Änderung der Firmenbezeichnung abzuändern (S 5 ON 19).
Der Rekurs erweist sich aus nachstehenden Erwägungen im Sinn des im gestellten Abänderungsbegehren hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags als begründet:
Rechtliche Beurteilung
1.: Vorauszuschicken ist, dass das Erstgericht die Kennzeichnungseignung und die Unterscheidungskraft der kombinierten Personen- und Sachfirma, deren Eintragung begehrt wird, nicht bestritten hat. Nur der Vollständigkeit und der leichteren Nachvollziehbarkeit der Argumentation des Rekurssenates sei aber im Folgenden systematisch auf sämtliche wesentlichen Aspekt für die Firmenbildung eingegangen: Auszugehen ist von der mit 1.1.2007 im Wege des HaRÄG 2005, BGBl I 120/2005 (§ 907 Abs 4 UGB) in Geltung getretenen Firmenliberalisierung ua durch Änderung des § 18 UGB (6 Ob 188/07a, ua veröffentlicht in GesRZ 2008, 31 [ Ratka ] = GeS 2007, 381 = RdW 2007, 728/743; Dehn in Krejci RK UGB/ABGB [2007] § 18 UGB Rz 1):
1.1.: Im Zentrum der Firmenliberalisierung durch die Handelsrechtsreform 2005 (HaRÄG 2005, BGBl I 120/2005) stand die Neufassung des § 18 UGB. Demnach muss die Firma zur Kennzeichnung des Unternehmens geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen (§ 18 Abs 1 UGB: abstrakt und § 29 UGB: konkret; Herda in Jabornegg/Artmann UGB² I [2010] § 18 Rz 7, 11 f). Gleichzeitig darf die Firma nach § 18 Abs 2 UGB keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irre zu führen (§ 18 Abs 2 UGB; 6 Ob 242/08v, GesRZ 2009, 226; 6 Ob 188/07a, GesRZ 2008/31 [ Ratka ]; Herda § 18 Rz 37, 39; OLG Stuttgart 3.7.2003, 8 W 425/02, Rpfleger 2004, 226 = FGPraxis 2004, 40, Tz 36; Bayerisches Oberstes Landesgericht 17.5.1999, 3 Z BR 90/99, NJW-RR 2002, 111 [111R]). Die Firma muss also nur noch Kennzeichnungseignung, Unterscheidungskraft (abstrakt § 18 Abs 1 UGB, konkret § 29 UGB) aufweisen, darf nicht irreführend sein (§ 18 Abs 2 UGB) und muss ab 1.10.2010 einen Rechtsformzusatz - hier GmbH - enthalten ( Herda § 17 Rz 5, 52, 53; Schumacher/Fuchs WrKommzUGB [11. Lfg 2009] Vor § 17 UGB Rz 3, 7, 25 f, 40, 49; OLG Innsbruck zuletzt 3 R 158/12b; 3 R 160/11w).
1.2.: Darin kommt insbesondere die Reduktion des § 18 Abs 1 UGB auf die Kennzeichnungseignung und die Unterscheidungskraft sowie des § 18 Abs 2 UGB auf das Irreführungsverbot zum Ausdruck; diese Rechtslage entspricht nun im Wesentlichen der deutschen Rechtslage nach dem Handelsrechtsreformgesetz - HRefG 1998 (RV zum HaRÄG 2005 1058 BlgNr 22. GP 24; 6 Ob 67/10m, JusGuide 2011/18/8730; 6 Ob 242/08v, GesRZ 2009, 226 [ Birnbauer ]; 6 Ob 188/07a; Dehn § 18 UGB Rz 2; Herda § 17 Rz 2; Schumacher/Fuchs Vor § 17 Rz 2; Thöni Unterscheidungskraft und Freihaltebedürfnis im Firmenrecht, ÖBl 2011/17, 285 [288 FN 51 f]; Heidinger in MüKommzHGB² I [2005] Vor § 17 Rz 76 f und MüKommzHGB³ I [2010] zB § 18 Rz 1 f; OLG Innsbruck zuletzt 3 R 158/12b in 47 Fr 4194/12b LG Feldkirch; 3 R 160/11w in 50 Fr 5417/11m LG Innsbruck; 3 R 94/11i in 47 Fr 3005/11w LG Feldkirch). Die deutsche Lehre und Rechtsprechung kann daher, sowohl was die Auslegung des § 18 UGB anlangt, als auch in Bezug auf die (objektive) Verkehrsauffassung (bei der Irreführungseignung des Abs 2 leg cit) und schließlich was die Frage der Gleichstellung bzw die Vermeidung der Schlechterstellung österreichischer Unternehmen/Gesellschaften gegenüber anderen europäischen Mitbewerbern anlangt, beachtet werden (vgl Thöni ÖBl 2011, 288 bei FN 58; Thöni Zulässigkeit reiner Branchenangaben als Sachfirma einer GmbH?, ecolex 2010, 678 [680 ab FN 31]; OLG Innsbruck zB 3 R 158/12b; 3 R 160/11w; 3 R 94/11i; 3 R 90/08x). Bei der Auslegung und Konkretisierung des § 18 Abs 1 und 2 UGB ist nämlich auch die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit zu berücksichtigen (6 Ob 67/10m, JusGuide 2011/18/8730; Heidinger ³ Vor § 17 Rz 76 ff; Heidinger 4 § 18 zB Rz 56; Zimmer in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn HGB² § 17 Anh Rz 12 und § 18 Rz 39; Thöni ÖBl 2011, 289 ab FN 72; vgl Schumacher/Fuchs § 18 Rz 30; OLG Innsbruck wie vor und 3 R 112/10k, GeS 2010, 222). Die gegenteilige Ansicht Birnbauers GesRZ 2011, 309 [EBespr 6 Ob 67/10m, GesRZ 2011, 306], 310 Pkt 4. ab zweiter Absatz, wonach jede Inländerdiskriminierung nur vom VfGH fest- und abgestellt werden könnte, trifft - wenn überhaupt - nur auf österreichische Normen zu, die ausdrücklich eine Inländerdiskriminierung verfügen und nicht auf Bestimmungen wie § 18 UGB, die so allgemein gefasst sind, dass sie sowohl inländerdiskriminierend oder inländerdiskriminierungsfrei ausgelegt werden können: Denn wenn eine allgemeine gesetzliche Formulierung die eine wie die andere Auslegung zulässt, ist jene Interpretation zu wählen, die dem allgemeinen verfassungsmäßigen Gleichheitssatz entspricht und die Norm auf diesem Weg verfassungskonform zu interpretieren, was auch den ordentlichen Gerichten und nicht bloß dem Verfassungsgerichtshof offen steht ( Posch in Schwimann ABGB 4 I [2012] § 6 Rz 27).
2.: Die Firma muss also zur Kennzeichnung des Unternehmens geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen (§ 18 Abs 1 UGB); sie darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse , die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen; im Verfahren vor dem Firmenbuchgericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist (§ 18 Abs 2 UGB).
2.1.: Die Kennzeichnungseignung ist die erste und selbstverständliche Funktion der Firma. Darunter wird die Eignung zur namentlichen Kennzeichnung eines Unternehmers (Namensfunktion) verstanden ( D. Fuchs Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft im neuen Firmenrecht - sinnvolle Differenzierung oder Pläonasmus?, NZ 2010/42, 165 [165 FN 5, 170 FN 61 f]; Herda § 18 Rz 8). Die Eignung der Firma zur Kennzeichnung umschreibt ihre Namensfunktion: Sie muss also zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein; mit anderen Worten muss sie unmittelbar oder mittelbar auf den Kaufmann oder das Unternehmen als Unternehmensträger hinweisen ( Heidinger in MüKommzHGB³ I [2010] § 18 Rz 9). Buchstabenkombinationen und Fantasienamen ( Heidinger § 18 Rz 10) sowie Sachfirmen ( Heidinger § 18 Rz 10, 98, 101, 110) eignen sich grundsätzlich zur Kennzeichnung. Dabei darf nicht statisch auf die jeweils verfestigte Verkehrsauffassung abgestellt werden: Vielmehr ist grundsätzlich eine dynamische Sichtweise erforderlich, die Raum für die Berücksichtigung von Wandlungen der Verkehrskreise und ihres Verständnisses von Firmenbezeichnungen lässt ( Heidinger § 18 S 421 FN 33). Dies entspricht auch viel eher den liberalisierten österreichischen (HaRÄG 2005) und deutschen (HaRefG 1988) Rechtsgrundlagen und den bereits hervorgehobenen gesetzgeberischen Absichten der Liberalisierung der Firmenbildung ( Heidinger § 18 Rz 1 FN 4 und Rz 10 S 421) und verhindert eine ungerechtfertigte Benachteiligung neu „erfundener“ Firmen- insbesondere Fantasiebezeichnungen ( Heidinger § 18 Rz 10 aE). Buchstaben kombinationen sind grundsätzlich zur Kennzeichnung eines Unternehmens geeignet: Dabei wird in Österreich im Unterschied zur deutschen Praxis eine Kombination von zumindest drei Buchstaben bevorzugt (6 Ob 211/03b ua GesRZ 2004, 129 = ecolex 2004/250 = RdW 2004/192 = wbl 2004/94; 6 Ob 45/00m, ua GBU 2000/09/01 = ecolex 2000/349 = RdW 2000/447 = wbl 2000/291; Dehn/Birnbauer Das neue Firmenrecht nach dem UGB - erste Erfahrungen, NZ 2008/54, 193 [194 zB bei FN 10]; D. Fuchs Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft im neuen Firmenrecht NZ 2010, 172 zB bei FN 85 ff; Herda § 29 Rz 28).
2.2.: Die Begriffe der Kennzeichnungswirkung und der Unterscheidungskraft werden oft nicht genau unterschieden ( Heidinger in MüKommzHGB³ I [2010] § 18 Rz 9 FN 29) und können sich außerdem überschneiden ( Heidinger § 18 Rz 9). Die Unterscheidungskraft bedeutet, dass die Firma geeignet ist, bei Lesern und Hörern die Assoziation mit einem ganz bestimmten Unternehmen unter vielen anderen zu wecken ( D. Fuchs 171 FN 67; Herda § 18 Rz 8). Die Unterscheidungskraft zielt auf die Individualisierung oder mit anderen Worten die Identifikation des Unternehmens ab ( Heidinger § 18 Rz 9). Die Firma muss geeignet sein, den Unternehmensträger von anderen zu unterscheiden; sie muss im Rechtsverkehr die gedankliche Verbindung zu einem ganz bestimmten von ihr bezeichneten Unternehmen herstellen ( Heidinger § 18 Rz 9 aE). Die Unterscheidungskraft nach § 18 Abs 1 UGB geht allerdings nicht mehr so weit, dass auch die konkrete Identität eines Unternehmensträgers aus der Firma abgeleitet sein muss (OLG Innsbruck zB 3 R 158/12b; 3 R 160/11w; 3 R 94/11i). Die Individualisierungseignung muss vielmehr nur generell und abstrakt gegeben sein ( Herda § 18 Rz 12). Die Unterscheidungskraft im Sinn des § 18 Abs 1 zweiter Satz UGB ist abstrakt zu beurteilen ( Heidinger § 18 Rz 23). Sie muss allgemein-abstrakt gesehen geeignet sein, den Unternehmensträger von anderen Unternehmensträgern zu unterscheiden ( Heidinger § 18 Rz 23 FN 77). Insoweit stellt das UGB auf ein Kriterium ab (Unterscheidungskraft), dem auch im Markenrecht zentrale Bedeutung zukommt ( Heidinger § 18 Rz 23 FN 78). Unterscheidungskraft setzt also eine zur Differenzierung des Unternehmens von einem oder mehreren anderen Unternehmen ausreichende Eigenart voraus: Diese ist gegeben, wenn die Firmenbezeichnung vom Verkehr als individualisierter Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen aufgefasst wird ( Heidinger § 18 Rz 79). Wegen der Anlehnung des Firmenrechts an die kennzeichnungsrechtliche Terminologie im Markenrecht (Kennzeichnungsrecht) kann auch analog gesagt werden, dass jeder zur Identifikation geeigneten Firmenbezeichnung gewissermaßen auch ein Freihaltebedürfnis zukommt ( Heidinger § 18 Rz 24). Die in Aussicht genommene kombinierte Personen- und Sachfirma „Architektur H***** GmbH“, die über eine reine Branchenbezeichnung hinausgeht, besitzt hinreichende abstrakte Individualisierungseignung ( Heidinger § 18 Rz 28, 31 f). Im Eintragungs- oder Firmenänderungsverfahren ist eine konkrete Individualisierungseignung oder konkrete Verwechslungseignung aber nur dann amtswegig aufzugreifen und gegebenenfalls die Eintragung bzw Firmenänderung zu versagen, wenn eine konkrete Verwechslungseignung aktenkundig ist ( Herda § 29 Rz 3 aE; Schuhmacher § 29 Rz 3; OLG Innsbruck 3 R 158/12b; 3 R 160/11w; 3 R 94/11i). Anhaltspunkte für eine solche Verwechslungseignung sind aber nicht bekannt, sodass neben dem abstrakten Grobraster des § 18 Abs 2 UGB auf § 29 UGB nicht Rücksicht zu nehmen ist.
3.: Auch ausreichende Anhaltspunkte für eine Irreführungseignung bestehen nicht:
3.1.: Das Irreführungsverbot ist Ausdruck des Prinzips der Firmenwahrheit, der als Teil des Firmenordnungsrechts in erster Linie dem Schutz des Verkehrs dient (6 Ob 67/10m, JusGuide 2011/18/8730; 6 Ob 242/08v, GesRZ 2009, 226; OLG Innsbruck zB 3 R 158/12b; 3 R 160/11w; 3 R 94/11i). Das firmenrechtliche Irreführungsverbot des § 18 Abs 2 UGB, das vor der Firmenliberalisierung durch das HaRÄG als Grundsatz der Firmenwahrheit umschrieben wurde, dient dem Interesse des Publikums und des Geschäftsverkehrs vor Irreführung ( Heidinger § 18 Rz 2 FN 5): Genauer betrachtet dient es - anders als etwa das Wettbewerbsrecht, das mit seinen Mitteln nur eine nachträgliche Kontrolle sicherstellen will und kann - einem vorbeugenden Verkehrsschutz ( Heidinger § 18 Rz 7). Das Irreführungsverbot gilt seit dem österreichischen HaRÄG 2005 und dem älteren deutschen HRefG 1998, dem es nachgebildet wurde, zweifelsfrei nicht mehr bloß für Firmenzusätze, sondern allgemein und umfassend für sämtliche Firmenbestandteile, also letztlich für die Firma als Ganzes. Allerdings wurde das Irreführungsverbot oder anders formuliert der Grundsatz der Firmenwahrheit in der Ausprägung vor dem HaRÄG 2005 in zweifacher Weise eingeschränkt, nämlich materiell-rechtlich durch die Wesentlichkeitsschwelle und verfahrensrechtlich durch das Erfordernis der Ersichtlichkeit ( Heidinger § 18 Rz 2). Im Ergebnis bewirken diese Änderungen durch das HaRÄG 2005, dass die Möglichkeiten der Firmenbildung durch das Irreführungsverbot nicht mehr über Gebühr eingeschränkt und das Firmenbuchverfahren durch die Firmenprüfung nicht unangemessen verzögert werden sollen ( Heidinger § 18 Rz 8).
3.2.: Wie eine bestimmte Bezeichnung in einer Firma wirkt, bestimmt sich generell maßgeblich nach der objektiven Verkehrsauffassung ; also danach, wie ein nicht unerheblicher Teil - eine Gruppe von Adressaten (Bayerisches Oberstes Landesgericht 3 R BR 90/99, NJW-RP 2000, 111 [111R]) - der angesprochenen Verkehrskreise diese Bezeichnung versteht (6 Ob 67/10m, JusGuide 2011/18/8730; Dehn § 18 Rz 33; Dehn/Birnbauer NZ 2008, 197; Herda § 18 Rz 39; vgl auch EuGH 8.4.2003, verb Rs C-53-55/01, Linde ua, Slg 2003, I-3161 Tz 41; 28.1.1999, Rs C-303/97, Kessler , Slg 1999, I-513 Tz 36: je für die vermutliche Wahrnehmung durch die in Betracht kommenden Verbraucherkreise; BGH 19.10.1989, I ZR 193/87, BB 1989, 2349 [Pkt 2.]; BayObLG 17.5.1999, 3 R BR 90/99, NJW-RP 2000, 111 [111R]; 16.7.1992, 3 Z BR 55/92, NJW-RR 1993, 103 = BB 1993, 458 = BayObLGZ 1992/48; LG München I 6.11.2003, 17HK T 16828/03, DB 2004, 375 [Pkt 2.c]). Dies sind hier vor allem Bauleistungskonsumenten und Bauunternehmen. Leitbild ist - entsprechend den Wettbewerbsregeln (EuGH zB 30.3.2006, Rs C-259/04, Emanuel , Slg 2006, I-3089 Tz 47: hinreichend hohe Gefahr der Irreführung durch eine Marke; 4.3.1999, Rs C-87/97, Consortio per la tutela del Formaggio Gorgonzola , Slg 1999, I-1301 Tz 41; 6.11.2003, Rs C-358/01, K ion /Spanien , Slg 2003, I-13145 Tz 57-59: Art 7 KennzeichnungsRL 88/379/EWG bzw 1999/45/EG und irreführende Werbung-RL 84/850/EWG) und den Erfordernissen des Verbraucherschutzes als Rechtfertigungsgrund für Einschränkungen der Warenverkehrsfreiheit iSd Art 36 AEUV (EuGH Rs K ion /Spanien Tz 53; 13.1.2000, Rs C-220/98, Estée Lauder , Slg 2000, I-117 Tz 28; 16.7.1998, Rs C-210/96, Gut Springerheide ua, Slg 1998, I-4657 Tz 31) - der selbstständige, orientierte und mündige Verbraucher ( Bokelmann in: MüKommzHGB ErgBd [1999] § 18 Rz 40 ff; Burgard in Staub [Canaris/Habersack/Schäfer] GroßKommzHGB 5 I [2009] § 18 Rz 47, 48 S 605 FN 235; Heidinger in MüKommzHGB² I [2005] § 18 Rz 49 ff und MüKommzHGB³ I [2010] § 18 Rz 57 ff; EuGH Rs K ion /Spanien Tz 53: durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher; OLG Stuttgart 3.7.2003, 8 W 425/02, Rpfleger 2004, 226 = FGPraxis 2004, 40 Tz 20; 17.11.200, 8 W 153/99, NJW-RR 2001, 755 = DB 2001, 697 [Pkt 2.b]; LG Heilbronn 30.10.2001, 2KfH T 2/01, Rpfleger 2002, 158 [159]; LG München I 17HK T 16828/03, DB 2004, 375 [Pkt 2.b]; OLG Innsbruck zB 3 R 158/12b; 3 R 160/11w; 3 R 94/11i; 3 R 112/10k; 3 R 90/08k). Es soll „nicht allein auf das Verständnis eines 'nicht unerheblichen Teils' der angesprochenen Verkehrskreise, sondern - objektiviert - auf die Sicht der durchschnittlichen Angehörigen des betreffenden Personenkreises bei verständiger Würdigung ankommen“ (6 Ob 67/10m; 6 Ob 242/08v; Dehn § 18 Rz 35). Nach der Reform des Unternehmensrechts genügt es nicht mehr, wenn nur Einzelne irregeführt werden können, sondern es ist die Möglichkeit der Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise, also einer Gruppe von Adressaten, erforderlich ( Burgard § 18 Rz 47 S 603 nach FN 227 und Rz 48; Heidinger § 18 Rz 49; BayObLG 17.5.1999, 3 Z BR 90/99, NJW-RR 2000, 111 [111R] = BayObLGZ 1999 S 114 ff; LG München I 6.11.2003, 17HK T 16828/03, DB 2004, 375; OLG Innsbruck wie vor).
3.3.: Das Kriterium der Wesentlichkeit (der Verhältnisse über die nach § 18 Abs 2 UGB nicht irregeführt werden darf) soll sicherstellen, dass nicht auch solche Angaben als zur Irreführung geeignet angesehen werden und damit einer Eintragung entgegenstehen, die nur von geringer wettbewerblicher Relevanz sind oder für die angesprochenen Verkehrskreise nur eine nebensächliche Bedeutung haben (6 Ob 67/10m; 6 Ob 242/08v; OLG Oldenburg 16.2.2001, 5 W 1/01; OLG Stuttgart 3.7.2003, 8 W 425/02, Rpfleger 2004, 226 = FGPraxis 2004, 40 Tz 20, 36; OLG Innsbruck zB 3 R 158/12b; 3 R 160/11w).
3.4.: Das Kriterium der Ersichtlichkeit (§ 18 Abs 2 vorletztes Wort UGB) setzt voraus, dass sich die Irreführungseignung dem objektiven Betrachter - und damit dem Firmenbuchgericht - ohne weiteres, insbesondere ohne weitere Erhebungen aufdrängen muss (BayObLG 17.5.1999, 3 Z BR 90/99, NJW-RR 2000, 111 [111R] = BayObLGZ 1999, S 114 ff; OLG Stuttgart 3.7.2003, 8 W 425/02z, Rpfleger 2004, 226 = FGPraxis 2004, 40 Tz 25 iVm 21; OLG Innsbruck zB 3 R 158/12b; 3 R 160/11w).
3.5.: Durch die Einführung der „Wesentlichkeitsschwelle“ (§ 18 Abs 2 erster Satz UGB) und der „Ersichtlichkeitsschwelle“ (§ 18 Abs 2 zweiter Satz UGB) soll der firmenbuch-rechtliche Prüfungsmaßstab nachhaltig gesenkt und auf ein „Grobraster“ beschränkt werden (OLG Stuttgart 3.7.2003, 8 W 425/02, Rpfleger 2004, 226 = FGPraxis 2004, 40 Tz 21). Die „Feinsteuerung“ der Zulässigkeitsprüfung unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten (§§ 29 UGB, 9 UWG; §§ 37 Abs 2 dHGB, 3, 13a dUWG) soll dagegen im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen erfolgen ( D. Fuchs 166 FN 15; Thöni ÖBl 2011, 291 FN 102 f; OLG Stuttgart 3.7.2003, 8 W 425/02, Rpfleger 2004, 226 = FGPraxis 2004, 40 Tz 19, 21; OLG Innsbruck zB 3 R 158/12b; 3 R 160/11w).
4.: Legt man diese allgemeinen Grundsätze auf die von den Rekurswerbern intendierte Firmenbezeichnung „Architektur H***** GmbH“ um, vermag der Rekurssenat darin keinen Verstoß gegen die erwähnten Firmenbildungsgrundsätze des § 18 UGB zu erkennen:
4.1.: Zur allfälligen Irreführungseignung ist zunächst auf die oben zu 1. ausführlicher dargestellte Firmenliberalisierung ua durch Änderung des § 18 UGB im Wege des HaRÄG 2005, BGBl I 120/2005, zu verweisen.
4.2.: Wie im Rekurs zutreffend dargelegt wird, sichert § 38 Abs 1 ZTG, BGBl I 156/1994 idF BGBl I 9/2008, zwar die Bezeichnungen „Ziviltechniker“ , „Architekt“ , „Ingenieurkonsulent“ , „Zivilgeometer“ und „Zivilingenieur“ . Diese Bezeichnungen dürfen von Personen, denen diese Befugnis (bei „Zivilgeometern“ auf dem Fachgebiet des Vermessungswesens) nicht verliehen wurde, auch nicht geführt werden (§ 38 Abs 1 und 3 ZTG) und nur einer Firma einer berufsbefugten Ziviltechnikergesellschaft beigefügt werden (§ 38 Abs 2 ZTG). Die Bezeichnung Architektur ist also durch § 38 ZTG nicht geschützt. Dies gibt auch der VwGH in seiner Rechtsprechung klar zu erkennen: Die früher im § 2 Abs 2 ZTG 1957 bezeichneten Fälle - wie der hier in Betracht kommende Fall „Architektur“ - sind vom § 38 ZTG nicht mehr umfasst; eine analoge Ausdehnung des Schutzes des § 38 ZTG auf vergleichbare andere Bestimmungen wie zB jene „Architektur“ (dort. Architekturbüro B.M.) kommt nicht in Betracht (VwGH Zl 2009/06/0166).
4.3.: Bei dem vorbeugenden Verkehrsschutz ( Heidinger § 18 Rz 7; OLG Innsbruck 3 R 158/12b; 3 R 160/11w) im Sinn des § 18 Abs 2 UGB ist auf die objektive Verkehrsauffassung abzustellen. Wie eine bestimmte Firmenbezeichnung wirkt, bestimmt sich also generell maßgebend nach der objektiven Verkehrsauffassung und insbesondere danach, wie ein nicht unerheblicher Teil einer Gruppe von Adressaten der angesprochenen Verkehrskreise diese Bezeichnung versteht (oben 3.2.). Dabei ist mittlerweile der selbstständige, orientierte und mündige Verbraucherbegriff aus der Judikatur des EuGH zu berücksichtigen (oben 3.2.). Adressaten sind also vor allem selbstständige, orientierte und mündige Bauleistungskonsumenten und Bauunternehmen. Für diesen Adressatenkreis ist die Unterscheidung der Begriffe „Architekt“ und „Architektur“ aber ausreichend deutlich erkennbar. Für diesen Adressatenkreis steht nicht zu befürchten, dass mit der Bezeichnung „Architektur“ gleichzeitig die Berufsbezeichnung (Berufsbefugnis) „Architekt“ in Anspruch genommen wird. Dies vor allem deshalb, weil Bauwerke und damit Architektur gerade auch von anderen Personen als Architekten geschaffen werden können. Gerade im Sprengel des Erstgerichts ist - wie unter anderem im Rekurs neuerlich ausgeführt wird und unter anderem auf der Homepage des Vorarlberger Architekturinstituts http://www.v-a-I.at/index.php unter Hinweis auf Otto Kapfinger ersichtlich ist - die besondere Tatsache zu beachten, dass Vorarlberger Architekten oft gerade nicht Mitglieder der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten waren und dennoch die Vorarlberger Architektur maßgeblich beeinflusst haben. J***** H*****, der Geschäftsführer der Gesellschaft, ist immerhin auch Mitglied des Vorarlberger Architekturinstituts. Daraus ergibt sich also, dass jedenfalls im Sprengel des Erstgerichts Personen, die nicht die Berufsbezeichnung „Architekt“ führen dürfen, maßgebend zu Bestand und Fortentwicklung der Vorarlberger Architekturszene beitragen. Nur geschützte Berufsbezeichnungen und aus diesen geschützten Berufsbezeichnungen zusammengesetzte Bezeichnungen (zB Anwalt-Handelsanwalt) dürfen dann, wenn eine Person, die diese Berufsbezeichnungen berechtigterweise führen kann, nicht maßgebend bei der Führung der Gesellschaft beteiligt ist, weil täuschend, nicht in die Firma aufgenommen werden ( Heidinger § 18 Rz 118). Dies gilt aber für Bezeichnungen, die weder eine Berufsbezeichnung sind noch aus einer Berufsbezeichnung und einem zusätzlichen Wortteil verbunden sind, nicht (vgl Heidinger aaO). Daher ist die Bezeichnung „Architektur“ - vor allem unter Berücksichtigung des eingeschränkten Schutzes des § 38 ZTG, des selbstständigen, orientierten und mündigen Verbraucherbegriffs im Sinn des liberalisierten Firmenbildungsrechts und vor dem Hintergrund der Zusammensetzung der Vorarlberger Architekturszene - hier nicht zur Irreführung geeignet.
4.4.: Die bekämpfte Entscheidung war daher aufzuheben und die Firmenbuchsache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungsgrund zurückzuverweisen.
5.: Eine Kosten entscheidung konnte schon deshalb entfallen, weil Kosten des Rekurses - die die §§ 15 FBG, 78 AußStrG nur bei zweiseitigen Rekursverfahren ersatzfähig machen ( G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer FBG [2005] § 15 Rz 162 f) - zu Recht nicht angesprochen wurden.
6.: Ein (ordentlicher) Revisionsrekurs nach den §§ 15 FBG, 62 Abs 1 AußStrG war nicht zuzulassen, weil eine in dieser Bestimmung gemeinte erhebliche Rechtsfrage nicht zu entscheiden ist.