JudikaturOLG Innsbruck

25Rs88/06m – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
30. November 2006

Kopf

Beschluss

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Voigt als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Pirker und Dr. Lux sowie die fachkundigen Laienrichter Hofrat Dr. Erwin Trawöger aus dem Kreis der Arbeitgeber und Josef Wille aus dem Kreis der Arbeitnehmer als weitere Mitglieder des Senates in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Malina K*****, vertreten Dr. Domenico Rief, Angestellter der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol in A-6010 Innsbruck, Maximilianstraße 7, wider die beklagte Partei T*****, vertreten durch deren Bedienstete Mag.a Andrea Bramböck, ebendort, wegen Kinderbetreuungsgeld aus Anlass der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.7.2006, 47 Cgs 124/06y-4, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung beschlossen:

Spruch

I) Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art 234

EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art 72 der VO (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABL L 149, S. 2) in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr 1386/2001 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 5.6.2001 (ABL L 187, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung iVm Art 3 dieser VO sowie Art 10a der VO (EWG) Nr 574/72 des Rates vom 21.3.1972 über die Durchführung der VO Nr 1408/71 (ABL L 74, S. 1) in ihrer durch die VO (EG) Nr 410/2002 der Kommission vom 27.2.2002 (ABL L 62, S 17) geänderten und aktualisierten Fassung so auszulegen, dass Zeiten des Bezuges von Familienleistungen in einem Mitgliedsstaat (hier in der BRD - Bundeserziehungsgeld) für die Berechtigung zum Bezug einer vergleichbaren Leistung in einem anderen Mitgliedsstaat (hier Österreich - Kinderbetreuungsgeld) gleich zu behandeln sind und daher bei der Berechtigung im zweiten Mitgliedsstaat wie eigene Bezugszeiten zu qualifizieren sind, wenn während dieser Bezugszeiten beide Elternteile als Arbeitnehmer gemäß Art 1 lit a sublit I der VO 1408/71 zu qualifizieren sind ? II) Das Berufungsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt. Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Berufungsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden.

Text

Begründung:

A) Der Sachverhalt:

1.1) Die Klägerin Malina K***** ist deutsche Staatsangehörige. Ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort bzw. Mittelpunkt der Lebensinteressen lag bis zum 17.8.2004 in der BRD, und zwar in D-*****; seit 18.8.2004 ist ihr Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen in A-*****, gelegen.

Die Klägerin war und ist als Lehrerin (Beamtin des Landes N*****) am Gymnasium D-***** beschäftigt. Nach der Geburt des Kindes R***** bestand für sie ein achtwöchiges Beschäftigungsverbot gemäß § 4 der Verordnung über den Mutterschutz der Beamtinnen im Land N***** in Verbindung mit § 6 des Mutterschutzgesetzes bis 11.6.2004. Auf Grund ihrer Anträge vom 10.8.2004, 18.5.2005 und 10.5.2006 wurde der Klägerin vom 22.7.2004 bis 10.4.2007 ein Urlaub ohne Teilzeitbeschäftigung und ohne Dienstbezüge im Sinne der Bestimmugn des § 85a des Beamtengesetzes für das Land N***** gewährt. Der Lebensgefährte der Klägerin Dr. Christian K***** ist österreichischer Staatsangehöriger. Er lebte vom 1.3.2004 bis 18.8.2004 im gemeinsamen Haushalt mit der Klägerin und dem gemeinsamen, am 11.4.2004 geborenen Kind R***** in der BRD. Er betreute das Kind auch nach der Geburt.

Um die Klägerin in der Zeit vor und nach der Geburt unterstützen und die Betreuung des Kindes auch übernehmen zu können, suchte Dr. K***** bei seinem Arbeitgeber, der L***** um einen Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge gemäß § 29b VBG 1948 an, weil ihm erklärt worden war, dies stelle die einzige Möglichkeit dar, um - wie beabsichtigt - die Unterstützung und Betreuung zu bewerkstelligen. Mit Schreiben vom 9.12.2003 wurde ihm vom Arbeitgeber dieser Karenzurlaub in der Zeit vom 1.3.2004 bis 20.8.2004 gewährt. Das Entgelt wurde mit Ablauf des 29.2.2004 eingestellt und Dr. K***** wurde beim zuständigen Sozialversicherungsträger, der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter abgemeldet. Der Sozialversicherungsträger führte diese Abmeldung durch und teilte Dr. K***** mit Schreiben vom 11.12.2003 mit, dass seine Versicherung während der Zeit des Karenzurlaubes unterbrochen ist und kein Leistungsanspruch für ihn und gegebenenfalls seine Angehörigen besteht. Hierauf versicherte sich Dr. K***** für diesen Zeitraum bei der Techniker Krankenkasse in K***** in der Kranken- und Pflegeversicherung freiwillig, weil eine andere Möglichkeit der Versicherung für ihn nicht bestand. Nach Ende des Karenzurlaubes nahm Dr. K*****, der mittlerweile mit seiner Familie nach Österreich übersiedelt war, seine Tätigkeit an der Universität I***** wieder auf. Einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ging Dr. K***** in der BRD nicht nach. Seit September 2004 bezieht Dr. Christian K***** die österreichische Familienbeihilfe samt dem Kinderabsetzbetrag.

Vom Versorgungsamt K***** wurde mit den Bescheiden vom 11.8.2004, 10.5.2005 und 30.5.2005 der Klägerin und Dr. Christian K***** Bundeserziehungsgeld in der Höhe von monatlich EUR 300,-- zuerkannt, und zwar für den Zeitraum 11.4. bis 11.8.2004 mit dem Zahlungsempfänger Dr. Christian K***** und für einen anschließenden Zeitraum bis 11.8.2005 mit der Klägerin als Zahlungsempfängerin. Mit Schreiben des Versorgungsamtes K***** vom 28.9.2005 wurde der Klägerin Folgendes mitgeteilt:

„Die Gebietskrankenkassa T***** hat am 26.9.2005 darüber informiert, dass Ihnen aus Anlass der Geburt des Kindes Ronja K***** erziehungsgeldähnliche Leistungen gezahlt werden sollen. Soweit hier bekannt, wird die Leistung rückwirkend ab Geburt nachgezahlt. Nach § 8 BundeserziehungsgeldG sind unter anderem die dem Erziehungsgeld und dem Mutterschaftsgeld vergleichbaren Leistungen, die im Ausland in Anspruch genommen werden können, anzurechnen und schließen somit Erziehungsgeld aus.

Derzeit wird davon ausgegangen, dass die Gebietskrankenkassa T*****insgesamt höhere Leistungen als das von ihr gezahlte Erziehungsgeld erbringen wird. Dies hat zur Folge, dass das Erziehungsgeld nach deutschen Vorschriften von Anfang an wegfällt. Aus diesem Grund wird eine Neuberechnung beabsichtigt, um die ausländischen Leistungen anzurechnen. Dies wird dazu führen, dass insgesamt EUR 5.100,-- zuviel bezahlt worden sind, die gemäß § 50 SGB X zu erstatten sind ...“

Von diesem Betrag von EUR 5.100,-- entfällt auf Dr. Christian K***** ein solcher von EUR 1.500,-- und auf die Klägerin ein solcher von EUR 3.600,--. Tatsächlich wurde in der weiteren Folge aber nur ein Ersatzanspruch in der Höhe von EUR 3.600,-- für das 6. bis 17. Lebensmonat des Kindes R***** errechnet, bei der beklagten Partei geltend gemacht und von dieser auch an das Versorgungsamt K***** überwiesen. Diesbezüglich ergingen die Bescheide vom 25.11. und 28.11.2005 des Versorgungsamtes K*****, in welchen die Beträge von EUR 2.100.-- bzw. EUR 1.500,-- von der Klägerin als Überzahlung zurückgefordert wurden.

Vom 18.8.2004 bis zum 11.10.2006 bezog die Klägerin Kinderbetreuungsgeld in Höhe von täglich EUR 14,35. Sie beantragte (Antrag bei der beklagten Partei eingelangt am 2.5.2006), ihr das Kinderbetreuungsgeld auch für den weiteren Zeitraum vom 11.10.2006 bis zum 10.4.2007 zu gewähren. Diesen Antrag wies die beklagte Partei mit Bescheid vom 3.5.2006 ab. Diese Entscheidung begründete die beklagte Partei damit, dass dann, wenn nur ein Elternteil Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nehme, dieses gemäß § 5 Abs 2 KinderbetreuungsgeldG längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensmonates gebühre. Da die Klägerin für das Kind R***** nur in Österreich Kinderbetreuungsgeld in Anspruch genommen habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

1.2) Gegen den Bescheid vom 3.5.2006 richtete sich die rechtzeitige Klage, in welcher die Klägerin begehrt hat, die beklagte Partei zu verpflichten, ihr das Kinderbetreuungsgeld in der gesetzlichen Höhe für die Zeit vom 11.10.2006 bis zum 10.3.2007 zu gewähren. Es sei nicht richtig, dass ein Anspruch auf Verlängerung des Kinderbetreuungsgeldes bis zum Ende des 3. Lebensjahres nicht möglich sei. Derzeit prüfe die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter als Versicherungsträger des Dr. K***** einen Ausgleichsanspruch in Österreich für den Zeitraum 11.4. bis 18.8.2004.

Die beklagte Partei bestritt, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass der gemeinsame Haushalt der Lebensgemeinschaft vom 11.4. bis 17.8.2004 in Deutschland bestanden habe, wo Dr. K***** auch einer Beschäftigung nachgegangen sei, die Klägerin aber nicht. Seit dem 17.8.2004 lebe die Klägerin mit ihrem Lebensgefährten und dem Kind R***** im gemeinsamen Haushalt in Österreich. Die Klägerin habe Kinderbetreuungsgeld beantragt, welches ihr ab dem 18.4.2004 auch zuerkannt worden sei. Dem Verlängerungsantrag sei ein Schreiben beigeschlossen worden, wonach Dr. K***** vom 11.4. bis 10.9.2004 deutsches Erziehungsgeld bezogen habe. Die Ansicht der Klägerin, dass aus diesem Grund sich der Bezugszeitraum für das österreichische Kinderbetreuungsgeld bis zum 36. Lebensmonat des Kindes verlängere, sei nicht richtig. § 5 KinderbetreuungsgeldG sehe vor, dass das Kinderbetreuungsgeld längstens bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates gebühre, soweit beide Elternteile abwechselnd das Kinderbetreuungsgeld bezögen. Da bis zum 18.8.2004 kein grenzüberschreitender Sachverhalt bestanden habe, sei bis zu diesem Zeitpunkt nach deutschen Rechtsvorschriften vorzugehen und es hätten weder die Klägerin noch ihr Lebensgefährte in Österreich Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld oder Anspruch auf Ausgleichszahlungen durch die beklagte Partei gehabt. Deshalb könne auch nicht von einem Wechsel der Anspruchsberechtigung im Sinne des § 5 KinderbetreuungsgeldG ausgegangen werden.

1.3) Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Begehren der Klägerin ab. Ausgehend von dem von ihm festgestellten, allerdings vom Berufungsgericht ergänzten und berichtigten Sachverhalt ging das Erstgericht nach Wiedergabe der Vorschriften der §§ 2 bis 6, 28 KinderbetreuungsgeldG, 2, 2a und 8 Familienlastenausgleichsgesetz, § 15 MutterschutzG sowie der Art 4, 13, 73 und 76 der VO Nr 1408/71 und Art 10 der VO 574/72 davon aus, dass sich die Klägerin ab 22.7.2004 in Elternteilzeit ohne Teilzeitbeschäftigung befunden habe und ihr Lebensgefährte vom 1.3.2004 bis 18.8.2004 auf Sonderurlaub gegen Entfall der Bezüge. Damit sei er nicht der Sozialversicherung unterlegen. Es liege daher kein Tatbestand vor, welcher einen Vergleich zwischen dem deutschen Bundeserziehungsgeld und dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld erlauben würde. Für die Klägerin bestehe daher nur bis zum 30. Lebensmonat Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, zumal ihr Lebensgefährte in Österreich kein Kinderbetreuungsgeld bezogen habe.

1.4) Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Berufung der Klägerin. In dieser wird beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt; zudem wird angeregt, beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten. Die beklagte Partei hat in ihrer Berufungsbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der Klägerin den Erfolg zu versagen. In der Berufung werden die Berufungsgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht, zu denen nunmehr wie folgt Stellung zu nehmen ist:

Zur Beweisrüge: (Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung):

Bemängelt wird die Feststellung: „Die Gebietskrankenkasse T***** hat am 26.9.2005 darüber informiert, dass Ihnen aus Anlass der Geburt des Kindes R***** Kraler erziehungsgeldähnliche Leistungen gezahlt werden sollen. Soweit hier bekannt, wird die Leistung rückwirkend ab Geburt nachgezahlt.“ Diese Aussage stamme aus dem Schreiben des Versorgungsamtes K***** vom 28.9.2005. Sie entspreche aber nicht den Tatsachen, da der Klägerin erst seit 18.8.2004 (Übersiedlung nach Österreich) Kinderbetreuungsgeld in Höhe von täglich EUR 14,53 zuerkannt worden sei.

Beide Bemängelungen sind insoweit berechtigt, als tatsächlich das zitierte Schreiben vom Versorgungsamt K***** stammt und die diesbezügliche Feststellung vom Berufungsgericht richtiggestellt wurde. Unstrittig ist im Berufungsverfahren nunmehr auch, dass vom 18.8.2004 bis 11.10.2006 die Klägerin österreichisches Kinderbetreuungsgeld in der gesetzlichen Höhe (= täglich EUR 14,53) bezogen hat.

Auch die weitere Bemängelung hinsichtlich der Rückverrechnung des Kinderbetreuungsgeldes mit dem Bundeserziehungsgeld wurde vom Berufungsgericht berücksichtigt.

Präzisiert wurden - dies in Anbetracht der Bemängelungen zur Antragstellung der Klägerin bezogen auf das verlängerte Kinderbetreuungsgeld - die Daten ihrer tatsächlichen Antragstellung aus dem Versicherungsakt. Aus diesem ergibt sich, dass der formelle Antrag bei der beklagten Partei am 2.5.2006 eingelangt ist und ausdrücklich auf den Bezugszeitraum 11.10.2006 bis 10.4.2007 gerichtet ist. Was die Klägerin in allfälligen Schreiben davor gegenüber der beklagten Partei geäußert hat, ist insoweit irrelevant, weil ausschließlich dieser (formelle) Antrag entscheidend im Hinblick auf die Abgrenzung des Streitgegenstandes ist. Es kann keine Rede davon sein, dass laut diesem Antrag die Klägerin lediglich bis 17.2.2007 Kinderbetreuungsgeld begehrt hätte; eine derartige Feststellung wäre aktenwidrig und war demgemäß auch nicht zu treffen.

Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

Geltend gemacht wird, dass sich im angefochtenen Urteil keinerlei Feststellungen über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Sozialversicherung des Lebensgefährten der Klägerin für den Zeitraum 1.3.2004 bis 18.8.2004 befänden. Der Lebensgefährte der Klägerin sei während des Karenzurlaubes in Deutschland bei der Techniker-Krankenkasse als freiwilliges Mitglied versichert gewesen. Das Bestehen einer Sozialversicherung und die Tatsache, dass der Lebensgefährte der Klägerin während der Karenzierung seinen Hauptwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich belassen habe, sei aber für die rechtliche Beurteilung von entscheidender Bedeutung. Demgemäß wären entsprechende Feststellungen zu treffen gewesen.

Ungeachtet der Rechtsansicht der beklagten Partei in ihrer Berufungsbeantwortung, die meint, dass hier unzulässige Neuerungen seitens der Klägerin vorgebracht würden, war es tatsächlich für die abschließende Beurteilung des Sachverhaltes von Bedeutung, die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte bezogen auf den Lebensgefährten der Klägerin insgesamt (auch für den hier relevierten Zeitraum 1.3. bis 18.8.2004) abzuklären. Die diesbezügliche Rüge (in Wahrheit eine Rüge sekundärer Feststellungsgemängel) war damit durchaus berechtigt und ihr hat das Berufungsgericht durch eine entsprechende Beweisergänzung auch Rechnung getragen.

Zur Rechtsrüge:

Unter Hinweis auf die Bestimmung des § 5 Abs 2 KinderbetreuungsgeldG (Verlängerung des Anspruchszeitraumes bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Kindes) meint die Klägerin, durch diese Bestimmung solle Vätern ein finanzieller Anreiz gegeben werden, sich um die Betreuung des Kindes zu kümmern. Im gegenständlichen Fall habe dies der Lebensgefährte der Klägerin getan und habe sich von seinem Dienstgeber für die ersten 4 ½ Lebensmonate der Tochter karenzieren lassen. Da er während dieser Karenzierung gemeinsam mit der Klägerin und dem Kind in Deutschland gewohnt habe, habe er das deutsche Erziehungsgeld und damit eine analoge Leistung zum österreichischen Kinderbetreuungsgeld bezogen. Sein Wohnsitz in Österreich sei weiterhin aufrecht geblieben und nach Beendigung der Karenz habe die gesamte Familie ihren Wohnsitz nach Österreich verlegt. Die wörtliche Auslegung des § 5 Abs 2 KinderbetreuungsgeldG, der als Voraussetzung für die Verlängerung den Bezug österreichischen Kinderbetreuungsgeldes seitens des zweiten Elternteiles vorsehe, widerspreche dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechtes (Art 12 EG). Es handle sich um eine indirekte Diskriminierung, weil wohl hauptsächlich Nicht- Österreicher vor Beantragung des Kinderbetreuungsgeldes eines ausländische Leistung bezögen. Gemeinschaftsrechtskonform müsse daher § 5 Abs 2 KinderbetreuungsgeldG dahin ausgelegt werden, dass sich die Anspruchsdauer über die Vollendung des 30. Lebensmonates hinaus um jenen Zeitraum verlängere, in dem der zweite Elternteil auch eine gleichwertige ausländische Leistung beanspruche.

Da der Lebensgefährte der Klägerin während der Karenzierung freiwillig in der Kranken- und Pflegeversicherung versichert gewesen sei, falle er in den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr 1408/71. Der für den Anwendungsbereich der Verordnung erforderliche grenzüberschreitende Sachverhalt liege vor, weil der Lebensgefährte der Klägerin sein österreichisches Dienstverhältnis karenziert, dies aber weiter aufrecht erhalten habe und nur die Arbeitspflicht und Entgeltzahlungspflicht geruht hätten. Eine rechtliche Beziehung zu Österreich habe nach wie vor bestanden, zumal der Lebensgefährte seinen Hauptwohnsitz und den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Östererreich behalten habe. Bei wörtlicher Auslegung des § 5 Abs 2 KinderbetreuungsgeldG könnte eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorliegen.

1.5) Da das Berufungsgericht Bedenken an der Richtigkeit und Vollständigkeit der in der Berufung relevierten Feststellungen des Erstgerichtes hatte, insbesondere bezogen auf die Frage der Beschäftigung der Klägerin und ihres Lebensgefährten in Deutschland und Österreich zum Zeitpunkt der Geburt der mj. R***** und nachfolgend, hat es eine Beweiswiederholung und -ergänzung zu diesen Tatsachenkomplexen beschlossen und durchgeführt, und zwar durch Einsichtnahme in den Versicherungsakt der beklagten Partei, Einholung einer Auskunft vom Versorgungsamt K*****, Einsichtnahme in die Mitteilung des Gymnasiums H*****, die Mitteilungen des Dienstgebers der Klägerin vom 16.8.2004, 8.6.2005 und 1.6.2006 (Beilagen B bis E), Antrag auf Karenzurlaub, Mitteilung der Universität I***** vom 9.12.2003, Mitteilung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensterer vom 11.12.2003 und der Techniker Krankenkasse K***** vom 20.8.2004 (Beilagen I bis IV), Einvernahme des Zeugen Dr. Christian K***** und der Klägerin als Partei. Diese aufgenommenen Beweismittel führten ohne relevante Widersprüche im tatsächlichen zu dem nur mehr zu Pkt A) 1.1) wiedergegebenen Sachverhalt.

Rechtliche Beurteilung

B) Die nationalen Regelungen:

1) Österreich - KinderbetreuungsgeldG (KBGG), BGBl I/2001/103 idgF Anspruchsberechtigung

§ 2 Abs 1 Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat ein Elternteil (Adoptivelternteil, Pflegeelternteil) für sein Kind, Adoptivkind, Pflegekind) sofern

1) für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376 besteht oder für dieses Kind nur deswegen nicht besteht, weil Anspruch auf eine gleichartige ausländische Leistung besteht,

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