2R260/94 – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat in der Rechtssache der klagenden Partei F gegen die beklagte Partei H wegen S 190.000,-- s.A. über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs, dessen Kosten der Rekurswerber selbst zu tragen hat, wird keine Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Am Ende der Streitverhandlung vom 27.5.1994 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens (Seite 2 in ON 8 = AS 39). Mit am 30.8.1994 überreichtem Schriftsatz beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens, worauf am 31.8.1994 die nächste Streitverhandlung für den 18.10.1994 anberaumt wurde (ON 9). Mit Schriftsatz vom 5.9.1994, bei Gericht eingelangt am 6.9.1994, beantragte hierauf der Beklagte die Zurückweisung dieses Fortsetzungsantrages, da die Ruhensfrist unter Berücksichtigung der Gerichtsferien noch nicht abgelaufen sei (ON 10).
Mit dem bekämpften Beschluß wies das Erstgericht diesen letztgenannten Antrag mit der (zusammengefaßten) Begründung ab, daß die Gerichtsferien auf den Fristenlauf nach § 168 ZPO keinen Einfluß haben, sodaß die Drei-Monate-Frist zum Zeitpunkt des Fortsetzungsantrages bereits abgelaufen sei.
Dagegen richtet sich der fristgerechte Rekurs der beklagten Partei, welche die Entscheidung ihrem gesamten Inhalte nach aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag bekämpft, diese dahingehend abzuändern, daß ihrem Antrag (auf Zurückweisung) stattgegeben und der klagenden Partei die Kosten "dieses Verfahrens" (gemeint wohl: des Zwischenverfahrens) auferlegt werden (ON 14).
Dem Rekurs kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel wird (ebenfalls zusammengefaßt) damit begründet, daß die Rechtsansicht des Erstgerichtes angesichts der erfolgten Änderungen der Bestimmungen über die Gerichtsferien überholt und daher unrichtig sei. Das in der Entscheidung des OLG Wien EvBl 1950/32 zum Ausdruck gebrachte Verständnis vom Begriff der "Prozeßhandlungen" sei zu restriktiv. Außerdem sei der gegenständliche Fall im taxativen Katalog des § 225 Abs 2 ZPO nicht aufgezählt. Der Fortsetzungsantrag hätte daher frühestens ab dem 6.10.1994 gestellt werden dürfen.
Diesen Argumenten vermag sich das Rekursgericht nicht anzuschließen.
Dies aus folgenden Erwägungen:
Unabhängig von der Frage, ob der Rekurswerberin überhaupt noch ein Rechtschutzinteresse (Beschwer) zuerkannt werden kann, ist doch nach ihrem eigenen Rekursvorbringen die Drei-Monate-Frist des § 168
3. Satz ZPO zwischenzeitlich bereits abgelaufen, sodaß es nicht mehr Sache der übergeordneten Instanz sein dürfte, rein abstrakttheoretisch die Frage der Rechtzeitigkeit des Fortsetzungsantrages zu entscheiden (vgl JBl 1961, 605, EvBl 1973/204, 1988/100) - muß doch das Rechtschutzinteresse nicht nur zum Zeitpunkt der Einbringung eines Rechtsmittels, sondern auch noch zum Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung gegeben sein (JBl 1967, 154, 1968, 574, 1988, 529, RdW 1990, 113) -, ist doch der gegenständliche Rekurs jedenfalls an sich zulässig. Wenn nämlich schon ein den Antrag auf Verfahrensfortsetzung ab- oder zurückweisender Beschluß angefochten werden kann, muß dies gleichermaßen auch für den einen solchen Antrag zurückweisend erwidernden Antrag des Prozeßgegners gelten, zumal diesem ja auch ein ausdrückliches Äußerungs- und Antragsrecht als Erwiderung gegen einen verfrühten Fortsetzungsantrag (arg: "auf Begehren des Gegners" in § 169 2. Satz ZPO) eingeräumt und das Verfahren über die Fortsetzung eines ruhenden Verfahrens damit vom Gesetzgeber (allerdings nicht in jedem Falle zwingend) durchaus kontradiktorisch gestaltet worden ist (vgl auch Fasching II 810 (zu § 169 ZPO) und Gitschthaler in Rechberger, ZPO, Rz 5 aE zu § 170). Die vom OLG Wien in seiner in EvBl 1950/32 veröffentlichten und auch in Stohanzl, MGA ZPO14 E 15 zu § 168 zitierte Entscheidung 2 R 868/49 vom 17.11.1949 vertretene Rechtsansicht wird, entgegen den im Rekurs vorgetragenen Argumenten, auch vom Rekursgericht gebilligt und übernommen. Sie findet nämlich auch im Schrifttum Stütze (FASCHING II 809 Anm 6 zu § 168; POLLAK, System2 445 Anm 52; COULON, Gerichtsferien und Ruhen des Verfahrens, NZ 1913, 127 (mit ausführlicher Behandlung der Entwicklungsgeschichte des Institutes des Ruhens des Verfahrens und unter ausdrücklicher Ablehnung der - soweit überschaubar - einzigen gegenteiligen literarischen Stellungnahme von HELLMER, Einiges vom Ruhen des Verfahrens, NZ 1912, 422)). Die von den genannten Autoren und auch vom OLG Wien in der zitierten Rekursentscheidung vertretene Argumentation, daß durch § 225 ZPO nur Fristen zur Vornahme von Prozeßhandlungen, nicht aber Fristen verlängert werden (sollen), innerhalb deren ein prozessuales Handeln geradezu untersagt ist, erfuhr nämlich auch durch die Neufassung des Abs 2 dieser Gesetzesstelle durch Art IV Z 35 ZVN 1983 BGBl 135 (wodurch ja bloß der Katalog der Ferialsachen kraft Gesetzes neu gefaßt wurde) keine inhaltliche Änderung. Aus diesem Grunde wurde die bereits mehrfach zitierte Entscheidung des OLG Wien ja auch in den aktuellen Judikaturbestand der MANZ'schen großen Gesetzesausgabe zur JN-ZPO14 unter der bereits angeführten Fundstelle zitiert und aufgenommen. Der Umstand, daß diese verfahrensrechtliche Frage in den zum Ruhen des Verfahrens ergangenen Monografien und Entscheidungsbesprechungen des zivilprozessualen Schrifttums - soweit überschaubar - unerörtert bliebt (Dolinar, Ruhen des Verfahrens und Rechtschutzbedürfnis (1974); Sprung, Studien zum "Ruhen des Verfahrens", FS Grass I (1974) 709; ders, EBspr JBl 1973, 428; König, EBspr JBl 1976, 150; Schumacher, Ewiges Ruhen des Verfahrens, JBl 1988, 641), spricht ebenfalls nicht gegen dieses gefundene Ergebnis, sondern vielmehr dafür, daß offenbar auch von diesen Autoren - soweit für ihre jeweiligen Themenuntersuchungen überhaupt von Relevanz - der Umstand, daß die Drei-Monate-Frist des § 168 ZPO von den Gerichtsferien unbeeinflußt zu laufen hat, als unstrittig unterstellt wird. Dem Rekurs war daher keine Folge zu geben. Die Rekurswerberin hat damit gemäß §§ 40, 50 ZPO die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen. Der Revisionsrekursausschluß stützt sich auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.