JudikaturOLG Innsbruck

8Bs454/94 – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
21. September 1994

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat in der Strafsache gegen M wegen § 310 Abs 1 StGB über die von der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Innsbruck erhobene Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruches über die Schuld nach der am 21.9.1994 in Anwesenheit des Schriftführers Rp Mag. G und des Oberstaatsanwaltes Dr. P sowie des Angeklagten M und seines Verteidigers Dr. D öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird keine Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Innsbruck wurde M von der wider ihn erhobenen Anklage des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB - begangen dadurch, daß er am 10.3. und 9.4.1993 in Innsbruck als Beamter des österreichischen Bundesheeres dadurch, daß er von ihm verfaßte Protokolle, welche die Gründe für die Versetzung der Wehrmänner K, O und M nach Kufstein enthielten, sohin ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes und zugänglich gewordenes Geheimnis durch Übergabe dieser Protokolle an den Manager des Fußballclubs W geoffenbart habe, dessen Offenbarung geeignet war, ein öffentliches Interesse, nämlich das der umfassenden Landesverteidigung, sowie das berechtigte private Interesse der genannten Wehrmänner auf Geheimhaltung der (nicht ehrenhaften) Versetzungsgründe zu verletzen - gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Das Erstgericht stellte hiezu folgenden entscheidungswesentlichen

Sachverhalt als erwiesen fest:

Der unbescholtene Angeklagte ist Vizeleutnant im Militärspital. Neben dieser seiner beruflichen Tätigkeit fungierte er bis 22.4.1994 auch als Mannschaftsbetreuer der U-21-Mannschaft des FC W. Wenn Mitglieder von Sportvereinen im Bereich Innsbruck den Einberufungsbefehl erhalten hatten und als Ort der Grundausbildung die Heeressanitätsanstalt Innsbruck, also der Dienstort des Angeklagten, aufschien, kam es immer wieder vor, daß sich die Betreffenden und die Vereinsvorstände an ihn mit der Bitte wandten, er möge zusehen, daß die Vereinsmitglieder nach erfolgter Grundausbildung weiter in Innsbruck den Grundwehrdienst leisten könnten, um ihnen so das Training hier zu ermöglichen. In diesem Sinne wandten sich auch die U-21-Spieler K, M und O sowie der Manager des genannten Vereins, S, an den Angeklagten, deren Bitten dieser wie üblich an die zuständigen militärischen Stellen weiterleitete.

Nach erfolgter Grundausbildung hatten die drei genannten Spieler noch ihre Sanitätsgehilfenausbildung zu absolvieren, bei deren Beginn der Angeklagte den Kommandanten der Lehrkompanie, Hauptmann S, bat, ob es möglich sei, die drei nach Abschluß ihrer Sanitätsgehilfenausbildung in das Militärspital Innsbruck versetzen zu können. Von den Absolventen der Sanitätsgehilfenausbildung, an der nicht nur Grundwehrdiener, sondern auch Mitglieder der Feuerwehr, Rettung, Klinik, Zollwachebeamte und Angehörige des Samariterbundes, teilweise auch Frauen teilnehmen, sind dabei Tests abzulegen, wobei die Bestabschneider nach Maßgabe der vorhandenen Plätze mitteilen können, in welcher Garnison in Tirol sie Dienst tun möchten. Nach Auswertung derselben werden die betreffenden Ergebnisse am "Schwarzen Brett" in der Kaserne ausgehängt, wobei auch die zukünftigen Dienstorte der Grundwehrdiener sowie Noten bzw Punkteanzahl aufscheinen. Jeder Österreicher, der den Wehrdienst abgeleistet hat und ein Wehrbuch besitzt, kann dabei in jede Kaserne Österreichs mit Ausnahme bestimmter Bereiche gelangen und hat damit auch Zugang zum "Schwarzen Brett". Dies gilt selbst für jene Personen, welche kein Wehrbuch besitzen, sich jedoch in Begleitung einer Person befinden, die ein solches hat. Kurz vor Beendigung des Sanitätsgehilfenausbildungskurses wandte sich der Trainer der U-21-Mannschaft des FC W, F, an den Angeklagten und sagte ihm, daß hinsichtlich des Verbleibens der Spieler K, M und O in Innsbruck "irgendetwas schief gegangen" sei. Zwei Tage vor Abschluß der Fachausbildung kamen die Spieler M und O zum Angeklagten und sagten ihm, daß sie nach Kufstein versetzt werden würden. Weiters bat der Manager S den Angeklagten um eine schriftliche Stellungnahme, welche der Verein für eine Intervention verwenden wollte. Daraufhin wandte sich der Angeklagte an Oberleutnant E, den Kompaniekommandanten, und fragte diesen, welches die Gründe der Versetzung nach Kufstein seien, worauf ihm vom Genannten mitgeteilt wurde, daß die Kriterien "Disziplin" und "Leistung" seien. In der Annahme, Oberleutnant E habe diese Aussage in Bezug auf M und O gemacht (K war aufgrund seiner guten Leistungen tatsächlich in Innsbruck verblieben), verfaßte der Angeklagte am 10.3.1993 ein Protokoll, in welchem er die Angaben Oberleutnant E so deutete, daß O und M, weil sie eben nach Kufstein versetzt würden, bei der Sanitätsgehilfenausbildung schlecht abgeschnitten hätten und es mit diesen beiden auch noch disziplinäre Probleme gegeben hätte. Infolge eines Mißverständnisses korrigierte der Angeklagte mit Schreiben vom 9.4.1993 an den FC W sein "Protokoll" vom 10.3.1993 dahin, daß sich seine Aussagen im letztgenannten Protokoll in Bezug auf das disziplinäre Verhalten nur auf O bezogen hätten. Eine im Anschluß daran erfolgte nochmalige Anfrage bei Oberleutnant E durch den Angeklagten ergab, daß für die Versetzung von O und M nach Kufstein aus schließlich schlechte Lernerfolge ausschlaggebend seien, es seien jedoch beide in disziplinärer Hinsicht nicht unangenehm aufgefallen.

Als es dem Angeklagten klar wurde, daß die Versetzung von M und O nach Kufstein nicht aufgrund disziplinärer Vorkommnisse erfolgt war, bekannte er seinen Irrtum in einem Schreiben an den Kommandanten des Militärspitals und den Fußballclub FC W ein, weiters äußerte er sich in dieser Richtung vor der versammelten U-21-Mannschaft des FC W und entschuldigte sich für dieses Mißverständnis; weiters legte er auch seine Funktion beim genannten Verein zurück. Der Angeklagte vermeinte stets, im Interesse der Spieler gehandelt zu haben, also auch, was die in Rede stehenden Schreiben vom 10.3. und 9.4.1993 angeht. Die diversen Interventionen durch ihn lagen auch im Interesse der Spieler, denen es ja darum ging, nach ihrer Ausbildung in Innsbruck Dienst verrichten zu können, um ihnen so den Besuch des Trainings zu ermöglichen. Auch O hatte sich erwartet, daß der Angeklagte "da etwas in die Wege leitet". Daß seine Lernerfolge in dem genannten Schreiben als schlecht bezeichnet wurden, war ihm indes völlig egal. Gestört hat ihn, daß der Angeklagte dem FC W darin disziplinäre Gründe als Versetzungsgrund angab, obwohl dies nicht den Tatsachen entsprach.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, daß die mit Versetzungsort und Benotung am "Schwarzen Brett" in der Kaserne ausgehängten und grundsätzlich jedem Österreicher mit Wehrdienst buch samt Begleitung zugänglichen Testergebnisse des Ausbildungs kurses kein Geheimnis im Sinne des § 310 Abs 1 StGB darstellten. Durch die entsprechende Mitteilung an den Verein habe der Angeklagte daher kein Geheimnis geoffenbart, dessen Offenbarung geeignet gewesen wäre, ein öffentliches Interesse, nämlich das der umfassen den Landesverteidigung, zu verletzen. Gleiches gelte aber auch hinsichtlich allfälliger berechtigter privater Interessen der betroffenen Spieler auf Geheimhaltung der nicht ehrenhaften Versetzungsgründe. Hiezu sei auf der subjektiven Tatseite zumindest bedingter Vorsatz erforderlich. Das Gericht glaube hiezu dem Angeklagten, der sich schon jahrelang dafür einsetzt, daß Sportler für die Dauer ihres Grundwehrdienstes in Innsbruck bleiben können, daß er vermeintlich ausschließlich im Interesse der Spieler gehandelt habe und nicht im entferntesten daran dachte, daß es sich bei den Angaben über die Gründe der Versetzung der Wehrmänner M und O in den von ihm weitergegebenen Protokollen um ein Geheimnis handeln könnte, dessen Offenbarung ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen geeignet war.

Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerecht angemeldete und auch schriftlich ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruches über die Schuld. Gegenausführungen wurden durch den Angeklagten erstattet. Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Als Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 (§§ 489 Abs 1, 468 Abs 1 Z 3) StPO wird gerügt, daß das Erstgericht nicht festgestellt und klar zum Ausdruck gebracht habe, ob es die vom Angeklagten dem Manager des Fußballclubs W zugänglich gemachten unehrenhaften Gründe für die Versetzung der Wehrmänner K, O und M für ein Geheimnis im Sinne des § 310 StGB halte oder nicht. Insoweit sei das Urteil daher undeutlich. Des weiteren habe das Erstgericht auch keinerlei Feststellungen zur Beamteneigenschaft und darüber, wie er von diesen Versetzungsgründen der Genannten Kenntnis erhalten habe, und daß ihm diese (als Geheimnis zu beurteilenden) Versetzungsgründe ausschließlich kraft seines Amtes zugänglich geworden seien, getroffen.

Hiezu ist zu erwidern, daß die Wertung einer weitergegebenen Äußerung durch einen Beamten als (Amts )Geheimnis im Sinne des § 310 StGB Rechts- und nicht Tatsachenfrage ist. Mängel der Ent scheidungsgründe bei Rechtsausführungen können jedoch nie nach Z 5 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht werden (SSt 40/23; Foreg ger/Kodek, StPO6 396). Daß der Angeklagte Vizeleutnant im Militärspital der K-Kaserne ist, hat das Erstgericht ebenso festgestellt wie die Tatsache, daß ihm die "Versetzungsgründe" der drei Wehrmänner nach Kufstein durch eine Anfragebeantwortung des Kompaniekommandanten Oberleutnant E mitgeteilt worden sind, welche Vizeleutnant M sodann in sein Protokoll vom 10.3.1993 einfließen ließ.

Den Schwerpunkt des Rechtsmittels bilden dessen Ausführungen zur Schuldberufung, in denen - zusammengefaßt - die Gründe des Erstgerichtes für einen mangelnden bedingten Vorsatz des Angeklagten als "keinesfalls überzeugend" bekämpft werden. Insbesondere sei "unerfindlich und nicht nachvollziehbar", daß seine Bekanntgabe der Versetzungsgründe an den Clubmanager ausschließlich im Interesse der betroffenen Wehrmänner gelegen sein soll. Ob tatsächlich disziplinäre Gründe für deren Versetzung vorgelägen hätten oder ob der Angeklagte bloß die Auskunft Oberleutnant E mißverstanden habe, sei rechtlich ohne Bedeutung. Tatsache sei, daß er die Gründe für die Versetzung nicht gekannt und hierüber seinen Vorgesetzten fragen habe müssen, diese Information sohin ausschließlich kraft seines Amtes als Heeresbeamter erhalten habe und ihm dies auch bewußt gewesen sei. Daß seine Aussagen den Betroffenen nicht zur Ehre gereichten, liege auf der Hand. Er habe daher zumindest billigend in Kauf genommen und sich damit abgefunden, daß er dadurch ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart und dadurch berechtigte private Interessen der Wehrmänner verletzt habe, weshalb bei dieser Beweissituation für eine Verneinung des bedingten Vorsatzes oder für die Annahme eines vorsatzausschließenden Tatbildirrtums kein Raum verbleibe.

Hiezu hat das Berufungsgericht folgendes erwogen:

Die Berufungswerberin bekämpft mit ihrer Argumentation (in der schriftlichen Berufung) ausschließlich die dem Angeklagten durch das Erstgericht - im Rahmen seiner Beweiswürdigung, aber auch der rechtlichen Beurteilung (Seite 8 des Urteils) - ausdrücklich zuerkannte Glaubwürdigkeit in seiner Verantwortung zur subjektiven Tatseite. Auf dieser ist zur Verwirklichung des unter Anklage gestellten Tatbestandes Vorsatz erforderlich, wobei bedingter Vorsatz genügt. Dieser muß sich insbesondere auch darauf beziehen, daß es sich um ein Geheimnis handelt, dessen Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein öffentliches oder berechtigtes privates Interesse zu verletzen; irrt der Täter darüber, so ist ihm ein vorsatzausschließender Tatbildirrtum unterlaufen (Leukauf/Steininger, StGB3 Rz 12 zu § 310), welchen die Anklagebehörde in ihrem Rechtsmittel jedoch ausdrücklich negiert haben möchte.

Das Erstgericht hat sich freilich mit dieser Problematik in einer für das Berufungsgericht durchaus schlüssigen und nachvoll ziehbaren Weise auseinandergesetzt. Abgesehen davon, daß es sich vom Angeklagten, der in der Hauptverhandlung vom 11.7.1994 zu den Anklagevorwürfen sehr ausführlich befragt worden war (siehe HV-Prtokoll ON 9), einen persönlichen und umfassenden Eindruck zu machen vermochte, kommt dazu, was auch von der Berufungswerberin gar nicht bestritten wird, daß der Angeklagte ja im vorliegenden Fall nicht aus eigener, sondern fremder Initiative tätig geworden ist, waren es doch der Manager der drei betroffenen Wehrmänner sowie diese selbst, die sich an den Angeklagten mit ihren Interventionen zum Verbleib im Raum Innsbruck gewandt hatten und ersterer dann auch, der für eine (offenbar weitere!) Intervention (offenbar an anderer, höherer Stelle?) um eine schriftliche Stellungnahme ersucht hatte, welche dann auch in der Form des verfahrensgegen ständlichen Protokolls vom 10.3.1993 ausgestellt worden ist. Wenn daher der Angeklagte - der unstrittig mit den Versetzungen der Grundwehrdiener nach ihrer erfolgten Sanitätsgehilfenausbildung dienstlich nicht befaßt gewesen ist - auf diesbezügliche Frage nach den Gründen vom Kompaniekommandanten dessen allgemein (!) gehaltene Antwort, Kriterien hiefür seien "Disziplin und Leistung" (Urteil Seite 5) bzw "Mitarbeit, Lernerfolg und disziplinäres Verhalten" (Sachverhaltsschilderung vom 19.4.1993 = AS 35), auf die ja den konkreten Anlaß seiner Fragestellung bildenden zwei Wehrmänner M und O bezog, so erscheint dies dem Berufungsgericht durchaus lebensnah und situationskonform. Da der Faktor "Leistung" durch das am "Schwarzen Brett" auch für Kasernenfremde und Außenstehende angeschlagene Testergebnis (samt Benotung) und damit einem grundsätzlich unbegrenzten Personenkreis, der sich hierüber informieren wollte, zugänglich war, kann hierin kein Geheimnis im Sinne des § 310 Abs 1 StGB gelegen sein - was die Anklagebehörde in ihrer schriftlichen Berufungsausführung auch ausdrücklich zugesteht. Diesbezüglich besteht kein Grund, den klaren und eindeutigen Angaben des zeugenschaftlich vernommenen Hptm S Glauben zu schenken (siehe Seite 6 des Hv-Prot ON 9 = AS 60). Daß Disziplin (und Gehorsam) eine der Grundfesten jeder militärischen Kaderstruktur sind, liegt auf der Hand. Sie wird auch vom Gesetzgeber daher in mehreren Bestimmungen des Wehrrechtes allgemein und generell statuiert (§§ 38 (Treuegelöbnis), 47 Abs 3 (allgem Pflichten, Befehlsbefolgung) WehrG iVm § 3 Abs 2, § 7 ADV). Daß diese daher als Kriterium bei der für einen Betroffenen durchaus wesentlichen Entscheidung über eine Dienstortversetzung einfließen, ist eine "Tatsache", der ebenfalls kein Geheimnischarakter nach § 310 Abs 1 StGB zuerkannt werden kann. Zu einem als Amtsdelikt unter Umständen ahndbaren Geheimnis wäre eine unbefugtermaßen nach außen erfolgte Mitteilung dabei nach Auffassung des Berufungssenates nur dann geworden, wenn die Aussage des Kompaniekommandanten nicht in der wie vor wiedergegebenen allgemeinen Formulierung, sondern tatsächlich personenbezogen (etwa: "M und O wurden nach Kufstein versetzt, weil sie in disziplinärer Hinsicht negativ in Erscheinung getreten sind") erfolgt wäre und der Angeklagte diese ihm als Heeresbeamter zugänglich gewordene Mitteilung in einer damit durchaus berechtigte Privatinteressen der Betroffenen verletzenden Form an Außenstehende, denen dieses Negativkriterium (anders als das weitere Versetzungskriterium des negativen Testergebnisses bei Kursabschluß) ja nicht durch "Anschlag am Schwarzen Brett" allgemein zugänglich gewesen wäre, weitergegeben hätte. Da jedoch sowohl feststeht, daß die vom Angeklagten empfangene Mitteilung des Oberleutnant E nicht so, sondern eben in der bereits mehrfach wiedergegebenen allgemeinen Art erfolgte, damit bloß auf allgemeine

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