JudikaturOLG Graz

9Bs252/25i – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Obmann, LL.M. (Vorsitz), den Richter Mag. Scherr, LL.M., BA und die Richterin Mag a . Kohlroser in der Maßnahmenvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nach § 47 StGB über die Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 24. September 2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass der Antrag auf bedingte Entlassung zurückgewiesen wird.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

BEGRÜNDUNG:

Der am ** geborene A* wurde im Verfahren des Landesgerichts Korneuburg als Geschworenengericht, AZ **, wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und zweier Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von 17 Jahren verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB (aF) in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nunmehr: forensisch-therapeutisches Zentrum) eingewiesen.

Zuletzt wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 20. August 2025, AZ 10 Bs 209/25y, der Beschwerde des A* gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts vom 22. Juli 2025, GZ **-10, mit dem aus Anlass der alljährlichen amtswegigen Prüfung (basierend auf dem Gutachten der Sachverständigen Mag. a B*, MA, vom 3. Juli 2025) die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB ausgesprochen wurde, nicht Folge gegeben.

Mit dem beim Landesgericht für Strafsachen Graz am 2. September 2025 eingelangten Schreiben des Strafgefangenen beantragte dieser „umfassende Verfahrenshilfe“ und die „sofortige“ bedingte Entlassung (ON 2).

Die Staatsanwaltschaft Graz äußerte sich ablehnend zur bedingten Entlassung des Untergebrachten (ON 1.2).

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Vollzugsgericht die weitere Notwendigkeit der Unterbringung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum aus (1.) und wies den Antrag auf Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers ab (2.).

Mit dem beim Landesgericht für Strafsachen Graz am 2. Oktober eingelangten, als Beschwerde zu wertenden Schreiben kritisiert der Strafgefangene die Ablehnung der Verfahrenshilfe als verfassungswidrig, behauptet die Befangeheit der zuständigen Richterinnen und wendet sich gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung (ON 8).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Ausgeschlossenheit iSd § 43 Abs 1 Z 3 StPO (iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG) liegt nur vor, wenn aufgrund des äußeren Anscheins der objektiv gerechtfertigte Eindruck entsteht, dass ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, also die Hemmung einer unparteiischen Entscheidungsfindung durch unsachliche psychologische Motive gegeben ist (RIS-Justiz RS0096914), wofür hier keine Anthaltspunkte auszumachen sind.

Vorauszuschicken ist ferner, dass ein Beschluss, mit dem eine bedingte Entlassung rechtskräftig abgewiesen wird, grundsätzlich Einmaligkeitswirkung („res iudicata“) entfaltet. Ein auf Grundlage identischer Verhältnisse eingebrachter Antrag auf bedingte Entlassung ist folglich a limine wegen entschiedener Rechtssache zurückzuweisen. Nur eine wesentliche Änderung entscheidungsrelevanter Umstände („clausula rebus sic stantibus“) erlaubt trotz rechtskräftiger Entscheidung eine neuerliche meritorische Prüfung. Als relevante Umstände kommen insbesondere seit der letzten Entscheidung eingetretene oder dem Gericht bei der letzten Entscheidung unbekannt gewesene, zur Erfüllung der materiellen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung grundsätzlich geeignete neue Tatsachen, eine Änderung der Gesetzeslage, die einer solchen nahe kommenden Änderungen fundamentaler Rechtsprechungsgrundsätze oder eine wesentliche Veränderung der zeitlichen Umstände in Betracht ( Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2 StVG § 152 Rz 31f).

Vorbeugende Maßnahmen – wie hier nach § 21 Abs 2 StGB – sind auf unbestimmte Zeit anzuordnen und so lange zu vollziehen, wie es ihr Zweck erfordert (§ 25 Abs 1 StGB). Ob die weitere Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum notwendig ist, hat das Gericht (von Amts wegen) mindestens alljährlich zu entscheiden (§ 25 Abs 3 StGB), was in casu erst kürzlich durch das Vollzugsgericht im Juli 2025 und durch das Oberlandesgericht Graz am 20. August 2025 überprüft wurde. Zur nach wie vor aktuellen Sach- und Rechtslage und zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine (weitere) Unterbringung ist daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Vorbeschluss des Rechtsmittelgerichts zu verweisen (Beilage ./BE.23).

Dem nunmehrigen, nicht einmal 14 Tage nach der letzten Entscheidung über die bedingte Entlassung gestellten Antrag des Beschwerdeführers sowie seinem Beschwerdevorbringen lassen sich weder neue Tatsachen entnehmen, die zur Erfüllung der materiellen Voraussetzungen der bedingten Entlassung aus der Maßnahme geeignet wären, noch sind derartige Umstände aus den Akten ersichtlich (siehe auch Äußerung des Anstaltsleiters ON 6.3); eine wesentliche Änderung der zeitlichen Umstände (vgl Pieber aaO , § 152 Rz 32) ist in Ansehung der nicht einmal zwei Monate zurückliegenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz ebenso wenig eingetreten wie eine Änderung der Gesetzeslage bzw fundamentaler Rechtsprechungsgrundsätze. Im Lichte des Grundsatzes der Sperrwirkung eines rechtskräftigen Beschlusses hätte daher das Erstgericht die meritorische Prüfung des Antrags des Strafgefangenen auf bedingte Entlassung ablehnen und diesen richtigerweise zurückweisen müssen. Wegen Fortbestehens dieses Hinterungsgrundes kann auch die Beschwerde nicht erfolgreich sein. Erfolglos ist somit aber auch das Begehren des Strafgefangenen auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach § 61 Abs 2 StPO. Denn nach dieser Bestimmung hat die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers, dessen Kosten der Antragsteller nicht oder nur zum Teil zu tragen hat, (nur) dann zu erfolgen, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse der zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist, was fallkonkret nicht zutrifft.

Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.

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