JudikaturOLG Graz

8Bs232/25s – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Petzner, Bakk. als Einzelrichter in der Strafsache gegen A* wegen der Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 14. Juli 2025, GZ **-47, den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

begründung:

Mit – infolge Zurückziehung (ON 1.30) der von der Staatsanwaltschaft angemeldeten Berufung – rechtskräftigem Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. April 2025, GZ **-34, wurde A*, der bereits im ursprünglich zum AZ ** und nach (zweimaliger) Verfahrenstrennung (letztlich) zum AZ ** der Staatsanwaltschaft Klagenfurt geführten Ermittlungsverfahren durch einen Verteidiger vertreten war, im zweiten Rechtsgang (zum ersten siehe ON 30.1) von dem als „zwei“ (vgl zur tatbestandlichen Handlungseinheit RIS-Justiz RS0122006; Ratz , WK 2 StGB Vor §§ 28-31 Rz 89 ff; ders , WK-StPO § 281 Rz 521) Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB qualifizierten Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Hinsichtlich des Gegenstands des Strafverfahrens wird auf den Strafantrag (ON 8) und die gekürzte Urteilsausfertigung (ON 19) verwiesen.

Bereits davor, nämlich am 21. Februar 2025, brachte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt beim Landesgericht Klagenfurt zum AZ ** einen weiteren Strafantrag gegen A* wegen des (im ursprünglichen Ermittlungsverfahren verbliebenen) Vorwurfs des Vergehens der staatsfeindlichen Bewegung nach § 247a Abs 2 erster Fall StGB ein (ON 830 in diesem Akt). Nach – auch durch einen Amtsvermerk im AB-Bogen dokumentierter – positiv abgeschlossener Vorprüfung und damit Rechtswirksamkeit (vgl dazu RIS-Justiz RS0123445 [T6]; RS0123445 [T4]) des Strafantrags verfügte der dort zuständige Einzelrichter die Abtretung dieses Verfahrens zum (älteren) Verfahren AZ ** des Landesgerichts Klagenfurt „gemäß § 37 StPO“ (ON 1.380 in diesem Akt). Eine Verfahrensverbindung unterblieb dort jedoch (vgl ON 50).

Am 5. Mai 2025 begehrte A* die Zuerkennung eines Beitrags zu den im Einzelnen – nach den Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) – aufgeschlüsselten Kosten seiner Verteidigung „zumindest“ in Höhe des Rahmens nach § 393a Abs 2 Z 2 StPO (ON 39).

Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte ihm das Erstgericht einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung von EUR 8.000,00 „inkl. USt“ zu.

Dagegen richtet sich die auf Zuspruch des Maximalbetrags von EUR 13.000,00 abzielende Beschwerde des A*.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde verfehlt ihr Ziel.

Wird ein nicht lediglich auf Grund einer Privatanklage oder der Anklage eines Privatbeteiligten (§ 72) Angeklagter freigesprochen oder das Strafverfahren gemäß § 215 Abs 2, § 227, § 451 Abs 2 oder § 485 Abs 1 Z 3 StPO oder nach einer gemäß § 353, § 362 oder § 363a StPO erfolgten Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens eingestellt, so hat ihm der Bund auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Angeklagten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Angeklagte bedient (§ 393a Abs 1 StPO).

Nach § 393a Abs 2 StPO ist der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung unter Bedachtnahme auf den Umfang des Verfahrens, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf – soweit hier von Bedeutung – im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts in der (wie hier) (Grund-)Stufe 1 den Betrag von EUR 30.000,00 (Z 2 leg. cit.) nicht überschreiten.

Die Gewährung eines Beitrags zu den Verteidigerkosten setzt allerdings voraus, dass die Anklage – in einem oder in getrennt geführten Verfahren – durch Freispruch und/oder Einstellung vollständig erledigt wurde. Folglich begründet der in einem ausgeschiedenen (§ 36 Abs 4 StPO) oder sonst in einem getrennt geführten Verfahren ergangene Freispruch oder eine dort erfolgte Verfahrenseinstellung nach § 227 Abs 1 StPO einen Kostenersatzanspruch nur dann, wenn auch das andere (konnexe) Verfahren in der nach § 393a Abs 1 StPO vorgesehenen Form beendigt wird (RIS-Justiz RS0101435 und RS0111320; Lendl , WK-StPO § 393a Rz 3).

Gemäß § 37 Abs 3 erster Teilsatz StPO sind Strafverfahren mittels prozessleitender Verfügung (§ 35 Abs 2 zweiter Fall StPO) zu verbinden, sofern zu dem Zeitpunkt, in dem die (zu einem weiteren Hauptverfahren führende) Anklage rechtswirksam wird, bereits ein Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist.

Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist die Verbindung der Verfahren zwingend (zur Zulässigkeit von Ausscheidungen siehe § 36 Abs 4 StPO). Dem Gericht (und somit auch dem einzelnen Richter innerhalb eines Gerichts) kommt bei der Verbindung kein Ermessensspielraum zu. Unterbleibt die Verfahrensverbindung entgegen § 37 Abs 3 StPO, wird folglich das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) verletzt. Kann dieser Fehler nicht mehr saniert werden (weil – wie hier – im „anhängigen Verfahren“ über den Angeklagten mittlerweile ein Urteil gefällt wurde), ist (soweit nicht die Ausnahme des § 36 Abs 4 letzter HS greift) dennoch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts anzunehmen, in dessen Kompetenz das Verfahren bei gemeinsamer Verfahrensführung gefallen wäre. Es genügt, wenn die Voraussetzungen dafür objektiv vorliegen. Andernfalls läge es nämlich in der Hand des zur Verfahrensverbindung verpflichteten Gerichts, durch Abstandnahme von der Verfahrensverbindung, unberechtigte Verfahrensabtretung und eigene rasche Verfahrensführung das Recht auf den gesetzlichen Richter zu beeinflussen ( Oshidari , WK-StPO § 37 Rz 10 mwN).

Vorliegend war zum Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Anklage (hier: des Strafantrags) gegen A* wegen des Vergehens der staatsfeindlichen Bewegung nach § 247a Abs 2 erster Fall StGB zum AZ ** des Landesgerichts Klagenfurt bereits das frühere Straftaten umfassende (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO) Hauptverfahren AZ ** des Landesgerichts Klagenfurt wegen „der“ Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB  anhängig. Das Verfahren AZ ** des Landesgerichts Klagenfurt wäre daher zufolge der über die Person des in beiden Verfahren angeklagten A* gegebenen subjektiven Konnexität mit dem im zweiten Rechtsgang anhängigen Verfahren AZ ** des Landesgerichts Klagenfurt zu verbinden gewesen. Für das gesamte weitere Verfahren wäre dadurch die für das letztgenannte, das älteren Straftaten betreffende (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO) Verfahren zuständige Einzelrichterin zuständig geworden.

Da A* somit der Sache nach mehrere Straftaten in einem eigentlich gemeinsam zu führen gewesenen (Haupt-)Verfahren zur Last liegen, von denen bislang nur ein Teil durch Freispruch erledigt wurde, steht ihm ein Anspruch auf Verteidigerkostenersatz erst dann zu, wenn auch das weitere (nunmehr jedenfalls getrennt zu führende, aber immer noch konnexe) Verfahren in der nach § 393a Abs 1 StPO vorgesehenen Form beendigt wird. Die dessen ungeachtet getroffene Entscheidung des Erstgerichts erfolgte demnach verfrüht, weshalb allein schon aus diesem Grund kein Anlass besteht, einen noch höheren Verteidigerkostenbeitrag zuzusprechen. Einer Abänderung (Kassation) des angefochtenen Beschlusses zum Nachteil des (hier:) Angeklagten steht – mangels Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft – wiederum das Verschlechterungsverbot des § 89 Abs 2b letzter Satz StPO entgegen (vgl Nimmervoll , Beschluss und Beschwerde in der StPO, 180 ff; Tipold , WK-StPO § 89 Rz 16).

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