JudikaturOLG Graz

10Bs262/25t – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Mag a . Tröster (Vorsitz), Mag a . Haas und Dr. Sutter in der Maßnahmenvollzugssache der A* wegen bedingter Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nach § 47 StGB über die Beschwerde der Untergebrachten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 2. September 2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

begründung:

Die am ** geborene A* wurde im Verfahren AZ ** des Landesgerichts Leoben nach dem am 8. August 2022 vorgenommenen Versuch, eine in einem gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf Tätige während der Ausübung ihrer Tätigkeit vorsätzlich am Körper zu verletzen (§§ 15, 83 Abs 3 Z 2 StGB), gemäß § 21 Abs 1 StGB (aF) in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen (im Einzelnen vgl angefochtener Beschluss Seite 2).

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Vollzugsgericht als Senat von drei Richtern (§ 162 Abs 3 StVG) aus Anlass der amtswegigen Überprüfung nach § 25 Abs 3 StGB, gestützt auf die Anlass-Entscheidung, die Äußerungen der Untergebrachten (ON 6,2 [der erstgerichtlichen Akten]) und der Staatsanwaltschaft Graz (ON 1.2), die Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. B* (Beilagen ./GA.1 und ./GA.2) sowie die forensische Falldarstellung des LKH C*, Abteilung für Forensik - Standort ** vom 14.08.2025 (ON 5), nach mündlicher Anhörung der Untergebrachten aus, dass deren Unterbringung in einem (nunmehr:) forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB weiterhin notwendig ist.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Untergebrachten (ON 6,2), die nicht ausgeführt wurde, hat keinen Erfolg.

Zum bisherigen Gang des Verfahrens und zum Inhalt der einzelnen Unterlagen wird auf die zutreffende Darstellung im angefochtenen Beschluss (Seiten 2 bis 5 Mitte) verwiesen, die ebenso wie die richtigen Rechtsausführungen (BS 5 unten bis 7 Mitte) übernommen werden.

Zu ergänzen ist, dass am 4. September 2025 – mithin nach der Beschlussfassung – die Mitteilung des LKH C* von einer zusätzlich genehmigungspflichtigen Beschränkung der Freiheit von A* e"aufgrund agitierten – schreienden ZB [Zustandbilds], drohend, zündelnd mit dem Feuerzeug an behördlichen Dokumenten und Anziehsachen“ einlangte (ON 8).

Die freiheitsentziehende Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB (idgF) darf nur aufrecht erhalten werden, wenn die einen maßgeblichen Einfluss auf die Anlasstat habende schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung sowie die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffene nach ihrer Aufführung und Entwicklung in der Anstalt, nach ihrer Person, ihrem Gesundheitszustand, ihrem Vorleben und nach ihren Aussichten auf ein redliches Fortkommen in absehbarer Zukunft unter dem möglichen Einfluss ihrer schwerwiegenden und psychischen Störung weiterhin Prognosetaten mit schweren Folgen begehen wird, noch bestehen und es keine Möglichkeit gibt, die unterbringungsrelevante Gefährlichkeit extra muros hintanzuhalten (§ 47 Abs 2 StGB; Haslwanter in WK 2 StGB § 47 Rz 12 bis 14).

Einweisungsrelevant war, dass A*, nachdem sie zuvor immer wieder im LKH C* untergebracht werden musste, weil sie reizbar gewesen war und auf andere Personen eingeschlagen hatte (Beilage ./GA.1, Seite 5) aufgrund einer schizoaffektiven Störung, einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung sowie einer leichten Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung im zurechnungsunfähigen Zustand die Anlasstat setzte, wobei mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, nämlich „insbesondere schwere Körperverletzungen (auch nach § 84 StGB)“ sonst dringend zu befürchten waren.

Die Betroffene zeigte bereits im September 2022 ein chronifiziertes, schwer behandelbares Leiden (Beilage ./GA.1) . Nach Besserung des Zustands der Untergebrachten scheiterte eine Unterbrechung der Unterbringung an Aggressionsausbrüchen (vgl ON 5,6), wobei A* zusätzlich eine „Privatlogik“ etablierte.

In der Folge konnte sie das Wesentliche einer Weisung nicht mehr einsehen und zeigte auch sonst keine Compliance. Wenn ihren Wünschen nicht entsprochen wurde, reagierte sie mit „überschießenden Impulsen“ (Beilage ./GA.2, Seite 3). Aktuell entstand die unkorrigierbar – privatlogische Überzeugung, seitens des Gerichts bereits entlassen worden zu sein, jederzeit nach Hause gehen zu können und kein betreutes Wohnen zu benötigen. Die Untergebrachte kann solcherart nicht mehr zu einer extramuralen Wohnplatznahme motiviert werden (ON 5, Seite 6 vorletzter Absatz). Diese Privatlogik zeigte die Untergebrachte auch bei ihrer Anhörung, indem sie deponierte „schwanger zu sein, eine Familie zu haben und weg zu müssen sowie bereits sieben Jahre und drei Tage im LSF zu sein“, (ON 6.2) [wobei ihre Festnahme am 28. Juli 2022 erfolgte (ON 2,1) und keine Hinweise für eine Schwangerschaft bestehen].

Ihre eine zusätzlich genehmigungspflichtige Freiheitsentziehung erfordernde Agitation vom 4. September 2025 (ON 8) wurde bereits thematisiert.

Aus der Gesamtheit dieser Unterlagen ergibt sich widerspruchsfrei, dass bei A* die einweisungsrelevante schwere nachhaltige psychische Störung ebenso unverändert vorliegt, wie die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie in absehbarer Zukunft ohne Unterbringung unter dem maßgeblichen Einfluss dieser Störung (weiterhin) an sich schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs 4 StGB) begehen würde, wobei keine Möglichkeit besteht, diese Gefährlichkeit außerhalb der Unterbringung hintanzuhalten. Das negative Prognosekalkül ergibt sich aus der nicht positiven Entwicklung der Angehaltenen in der Anstalt, ihrer unveränderten Krankheit mit massiven Aggressionsdurchbrüchen und der entwickelten „Privatlogik“, die einen medizinisch-therapeutischen Zugang weitgehend verunmöglicht, ihrer immer wieder und auch unverändert gezeigten hohen Gewaltbereitschaft, die jederzeit Impulsdurchbrüche erwarten lässt, sofern sich andere nicht wunschgemäß verhalten und dem Fehlen einer Unterbringungsmöglichkeit außerhalb der Anstalt, die den besonderen Bedürfnissen der Angehaltenen Rechnung tragen würde. Dass bei den unkontrollierten, und im Falle nicht ausreichender Betreuung auch unkontrollierbaren Impulsdurchbrüchen an sich schwere Verletzungen anderer zu erwarten wären, erscheint dem Beschwerdesenat aufgrund der sich aus den Akten zeigenden Heftigkeit der wiederholt gegenüber anderen gezeigten körperlichen Aggression hochwahrscheinlich, richte(te)n sich ihre Schläge doch ungezielt auch gegen sensible Körperregionen.

Daraus ergibt sich die Einschätzung, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, außerhalb der Maßnahme zumindest derzeit durch Maßnahmen im Sinne der §§ 50 bis 52 StGB nicht hintangehalten werden kann.

Der Rechtsmittelausschluss gründet auf §§ 163, 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.

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