JudikaturOLG Graz

10Bs220/25s – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. Wieland und Mag a . Tröster in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3a Z 1 und 4 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen nach öffentlicher Verhandlung am 8. Oktober 2025 in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Liensberger, LL.M,, des Angeklagten A* und seines Verteidigers Rechtsanwaltsanwärter Mag. Robier über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 21. Mai 2025, GZ **-52, zu Recht erkannt :

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen schöffengerichtlichen Urteil wurde der am ** geborene russische Staatsangehörige A* - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB (I.), mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (II.1. und II.2.a.) sowie jeweils eines Vergehens der Nötigung nach §§ 15,105 Abs 1 StGB (II.2.b.) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt, in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 107b Abs 4 StGB zur Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Verfahrenskostenersatz verpflichtet.

Dem nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 29. Juli 2025, GZ 11 Os 82/25f-4, in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch zufolge hat A* in **

I. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, zumindest ab dem 1. August 2017 bis zu nachangeführten Zeitpunkten gegenüber seiner am ** geborenen, zum Tatzeitpunkt sohin teils unmündigen Tochter B*, längere Zeit hindurch, als seine Tochter noch unmündig war, zudem länger als ein Jahr, fortgesetzt Gewalt (§ 107b Abs 2 StGB) ausgeübt, und zwar indem er B*

1. bis zum 30. Dezember 2020 zumindest mehrmals wöchentlich vorsätzlich am Körper durch Schläge mit einem Gürtel gegen den Kopf, Oberschenkel und Oberarme verletzte (§ 83 Abs 1 StGB), wodurch sie Hämatome an den Oberschenkeln und Oberarmen erlitt;

2. bis zum 22. Juni 2022 zumindest mehrmals wöchentlich vorsätzlich am Körper misshandelte, indem er ihr mit den Händen auf den Hinterkopf und den Nacken schlug und ihr Ohrfeigen versetzte, wobei die Taten über die körperliche Einwirkung hinausgehend anhaltende Schmerzen im Bereich des Kopfes zur Folge hatten;

II. zu nachangeführten Zeiten seine Tochter B* durch nachgenannte Mittel zu nachgenannten Handlungen zu nötigen versucht, die teils besonders wichtige Interessen der Genötigten betreffen (1. und 2.a.), und zwar

1. ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach dem 6. Februar 2023 bis zum 26. Dezember 2024 in wiederholten Angriffen durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, welche besonders wichtige Interessen der genötigten Person verletzt, nämlich dazu, einen Mann tschetschenischer Herkunft zu heiraten, indem er ihr gegenüber zumindest fünfmal sinngemäß äußerte, er werde sie umbringen, wenn sie sich diesem Ansinnen widersetze, wobei es beim Versuch blieb, weil sie eine Beziehung mit dem Österreicher C* einging;

2. am 26. Dezember 2024

a. durch gefährliche Drohung mit der Verletzung am Körper einer Sympathieperson zu einer Handlung, welche besonders wichtige Interessen der genötigten Person verletzt, nämlich dazu, ihre Beziehung zu C* zu beenden, indem er ihr gegenüber sinngemäß äußerte, dass er diesem die Arme und Beine brechen würde und dass dieser froh sein könne, dass er mit dem Leben davonkommen werde, wobei sie die Beziehung nicht beendete, sodass es beim Versuch blieb;

b. durch Gewalt zu einer Handlung, nämlich dazu, ihr aktuelles Handy herauszugeben, indem er sie in die Ecke des Zimmers drängte, stieß, sodass sie gegen einen Nachtkasten fiel und sodann ihren Körper nach dem Handy absuchte, wobei es nur beim Versuch blieb;

III. am 26. Dezember 2024 vorsätzlich am Körper verletzt, indem er sie stieß, wodurch sie gegen einen Nachtkasten fiel, wobei sie Hämatome an den Knien davontrug.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten, der eine Reduktion der Strafe anstrebt (ON 57.2, 4f).

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz trat mit ihrer Stellungnahme vom 20. August 2025 dem Rechtsmittel entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht erfolgreich.

Strafbestimmend ist - in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB - der erste Strafsatz des § 107b Abs 4 StGB mit einer angedrohten Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren.

Mildernd ist, dass der Angeklagte bis zu den Tathandlungen einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) und dass es teilweise (zu II.) beim Versuch blieb (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB).

Erschwerend wirken, der Umstand, dass der Angeklagte fallbezogen mehrere strafbare Handlungen derselben oder verschiedenen Art begangen hat (Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen) und der über die Tatbestandsvoraussetzung des § 107b Abs 4 zweiter Fall StGB weit hinausgehende Tatzeitraum von 7 Jahren (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB). Weiters liegt der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 StGB in den Ausprägungen der Z 1 (Tatbegehung als Volljähriger gegen eine minderjährige Person) und der Z 2 leg. cit. (gegen eine Angehörige, nämlich die eigene Tochter) vor. Die Tathandlungen zu II. 1. und 2. erfolgten aus rassistischen Beweggründen (Ablehnung von Beziehungen zu Personen nicht tschetschenischer Herkunft; § 33 Abs 1 Z 5 StGB).

Schuldaggravierend wirken zu Urteilsfaktum I. auch die brutale Vorgangsweise durch Schläge mit einem Gürtel und die für die Tatbestandsverwirklichung nach § 107b Abs 1, 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB nicht vorausgesetzten (vgl Fabrizy/Michel/Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 107b Rz 2) Verletzungen des am Beginn des Tatzeitraums erst neunjährigen Opfers.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die - bereits vom Erstgericht ausgemessene - Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren als tat- und schuldangemessen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise