9Bs141/25s – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser als Vorsitzende, den Richter Mag. Scherr, LL.M. BA, und die Richterin Mag a . Berzkovics in der Strafsache gegen A* B* und eine andere Angeklagte wegen der Vergehen der Tierquälerei nach §§ 2, 222 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17. Juni 2025, GZ **-27, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Anordnung der Hauptverhandlung aufgetragen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
begründung:
Mit dem beim Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz eingebrachten Strafantrag vom 12. Juni 2025 (ON 26) legt die Staatsanwaltschaft Graz den Angeklagten A* B* und C* B* jeweils mehrere Vergehen der Tierquälerei nach §§ 2, 222 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen: zweiter Fall) StGB zur Last.
Dem Anklagetenor zufolge haben sie in einem Zeitraum von zumindest einigen Wochen bis zum 5. September 2023 in ** Tieren durch Vernachlässigung der artgerechten Haltung, Pflege, Betreuung, Versorgung und Behandlung im Krankheitsfall, unnötige Qualen (über längere Zeit andauernde Schmerzen, Hunger und Durst) zugefügt, sodass eine behördliche Tierabnahme erfolgen musste und zwar hinsichtlich
1. fünf Hochlandrindern (**, **, **, **, **), welche aufgrund der über einen längeren Zeitraum andauernden nicht artgerechten Haltung und Unterversorgung einen massiven Minderwuchs, einen teils hochgradig abgemagerten, dehydrierten Ernährungszustand sowie ein mit Kot verschmutztes, struppiges Haarkleid aufwiesen, wobei die unnötigen Qualen durch eine adäquate Versorgung sowie eine rechtzeitige Behandlung verhindert hätten werden können;
2. zehn Schweinen (**), welche aufgrund der über einen längeren Zeitraum andauernden nicht artgerechten Haltung und Unterversorgung einen mit Kot verschmutzten und mindergut ernährten Zustand (schlechte Bemuskelung an den Hinterextremitäten) aufwiesen, wobei bei einem Schwein aufgrund der Unterversorgung bereits eine Verhaltensstörung (Leerkauen) beobachtet werden konnte, wobei die unnötigen Qualen durch eine adäquate Versorgung und bedarfsgerechte Unterbringung verhindert hätten werden können.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Strafantrag gemäß § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 3 StPO zurück, weil die Angeklagten zu den seit ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 27. Februar 2024 neu hinzugekommenen Beweisergebnissen nicht vernommen worden seien. Ferner müsse abgeklärt werden, ob die dem Angeklagten A* B* zur Last gelegten Unterlassungen bereits während seines Krankenhausaufenthalts im Zeitraum von 16. Mai bis 22. Juli 2023 begonnen hätten und inwieweit er für diesen Zeitraum Vorkehrungen für die Versorgung der Tiere getroffen habe.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung der Hauptverhandlung aufzutragen (ON 28).
Den Angeklagten wurde Gelegenheit gegeben sich zur Beschwerde zu äußern.
A* B* machte von seinem Äußerungsrecht keinen Gebrauch. C* B* beantragte der Beschwerde nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist berechtigt.
Gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO hat das Gericht den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen und ihn im Fall des § 212 Z 3 StPO zurückzuweisen. Der Fall des § 212 Z 3 StPO liegt vor, wenn der Sachverhalt nicht so weit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt.
Die für die Einbringung der Anklage geforderte Verurteilungswahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn ein einfacher Tatverdacht besteht. Das bedeutet, dass vom Gewicht der belastenden und entlastenden Indizien her bei deren Gegenüberstellung mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch zu erwarten sein muss. Die Beweisaufnahme muss so vorbereitet sein, dass sie in der Hauptverhandlung ohne wesentliche Verzögerung unmittelbar durchgeführt werden kann ( Birklbauer, WK StPO § 212 Rz 15 f).
Im vorliegenden Fall wurde der Sachverhalt durch die Einvernahme von Zeugen (Beilagen zum Abschlussbericht ON 6), Beischaffung von Videos und Fotos (ON 9) sowie Einholung eines veterinärmedizinischen Sachverständigengutachtens (ON 23.2) aufgeklärt. Aus den dargestellten Beweismitteln ergibt sich ein hinreichend konkreter Tatverdacht, der eine Verurteilung als naheliegend erscheinen lässt und sohin die Einbringung eines Strafantrags rechtfertigt.
Eine ausdrückliche Verpflichtung, vor Erhebung der Anklage eine förmliche Vernehmung des Beschuldigten gemäß § 164 StPO durchzuführen, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Da die den Gegenstand des Strafverfahrens bildende Aufklärung von Straftaten (§ 1 Abs 1 StPO) allerdings auch die Erforschung der Verantwortung des Beschuldigten umfasst, muss diesem aber – schon unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs (§ 6 Abs 2 zweiter Satz StPO) – zumindest die Gelegenheit gegeben werden, seinen Standpunkt darzulegen und vor der Entscheidung über die Erhebung einer Anklage zur Verdachtslage Stellung zu nehmen (OLG Linz 9 Bs 98/17a = RL0000179; Kirchbacher/Keglevic , WK StPO § 164 Rz 3).
Diesen gesetzlichen Anforderungen hat die Staatsanwaltschaft entsprochen. Die Angeklagten hatten nicht nur die Gelegenheit, sich in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 27. Februar 2024 zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen zu äußern (ON 7.2). Vielmehr wurde ihnen auch das danach eingeholte Sachverständigengutachten vom 8. Mai 2025 übermittelt und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, entweder eine ergänzende Stellungnahme einzubringen oder ihre polizeiliche Einvernahme zu diesem neuen Verfahrensergebnis zu beantragen (ON 1.20). C* B* brachte in der Folge vertreten durch ihren Verteidiger eine weitere schriftliche Stellungnahme ein und legte mit dieser Urkunden vor (ON 25), sodass es nicht zusätzlich auch noch ihrer förmlichen Beschuldigtenvernehmung bedurfte, um ihr rechtliches Gehör zu gewähren. A* B* wurde das Sachverständigengutachten ebenfalls nachweislich zugestellt. Auch er hatte sohin ausreichend Gelegenheit seinen Standpunkt darzulegen, auch wenn er davon keinen Gebrauch machte.
Mit Blick darauf, dass die Missstände in der Tierhaltung der Angeklagten im Zuge einer amtstierärztlichen Kontrolle vom 5. September 2023 auffielen und die Anklagebehörde von einem einige Wochen davor beginnenden Tatzeitraum ausgeht, bedurfte es keiner weiteren Ermittlungen zum Krankenhausaufenthalt des Angeklagten A* B* im (nicht anklagegegenständlichen) Zeitraum von 16. Mai bis 22. Juli 2023.
Der Sachverhalt ist sohin ausreichend geklärt, weshalb der angefochtene Beschluss in Stattgebung der Beschwerde aufzuheben und dem Erstgericht die Anordnung der Hauptverhandlung aufzutragen ist.