10Bs81/25z – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. Wieland und Mag a . Tröster in der Strafsache gegen A* B* wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 6. März 2025, GZ C*-32, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
A* B* haftet für die durch sein erfolgloses Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten.
Text
begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 25. Juni 2024, GZ C*-21a, in Verbindung mit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 11. November 2024, GZ 15 Os 107/24k-4 (ON 28.3) und dem Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 14. Jänner 2025, AZ 1 Bs 160/24z (ON 37.3) wurde der am ** geborene A* B* – soweit für die Erledigung der Beschwerde von Bedeutung – rechtskräftig des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB und mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in **
I. von 2019 bis 20. Mai 2023 eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt gegen seine Ehegattin D* B* ausgeübt, „dies durch eine Vielzahl von regelmäßigen vorsätzlichen Misshandlungen (häufiges Herumstoßen, Versetzen von Schlägen mit der flachen Hand gegen das Gesicht, festes Zudrücken bei Umarmungen, Versetzen einer Kopfnuss) und vorsätzliches Verletzen am Körper, dies durch festes Zudrücken beim Umarmen [Hämatome an den Oberarmen], das Versetzen eines Schlags auf die rechte Hand [Hämatom: 25. Juli 2022], starkes Festhalten am Unterarm [Hämatom am linken Unterarm: 12. Jänner 2023] und das Versetzen von Schlägen [Hämatom am rechten Oberarm: 25. Mai 2023])“;
II. von 2020 bis 21. Mai 2023 die Genannte mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie in mehrfachen Angriffen an den Armen oder den Hüften packte oder an den Haaren zog, am Rücken und beiden Hüften festhielt und sie sodann jeweils gegen ihren ausdrücklich geäußerten Willen vaginal penetrierte.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Leoben als Senat von drei Richtern – soweit hier von Bedeutung – den Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab.
Begründend führte es (auf das Wesentliche zusammengefasst) aus, dass der Wiederaufnahmswerber der ausführlichen Beweiswürdigung des Schöffengerichts, in welcher es sich mit den Zeugenaussagen des Opfers D* B*, insbesondere auch mit den in einzelnen ihrer Aussagen bestehenden Divergenzen (respektive dem Umstand der erst zeitverzögert erhobenen Vorwürfe der Vergewaltigung) und der gemeinsamen Kinder E* B*, F* B* und G* B* sowie den vom Wiederaufnahmewerber erhobenen Vorwürfen einer finanziellen bzw aus Rachegefühlen herrührenden Motivation der Zeugen auseinandersetzte, lediglich die Annahme einer Verschwörung sämtlicher Familienmitglieder zu seinem Nachteil aus finanziellen Motiven entgegenhielt und damit nicht dartun konnte, dass seine Verurteilung durch strafbare Handlungen der Zeugen bzw deren falsche Aussagen erfolgte. Mit dem Vorbringen, die Verletzungen der D* B* zeigenden und vom Schöffensenat in seiner Beweiswürdigung ins Kalkül gezogenen Lichtbilder hätten dahingehend von einem Sachverständigen beurteilt werden müssen, ob die darin ersichtlichen „ Flecken “ (Hämatome) lediglich durch ein Festhalten entstanden sein können, brachte er keinen gesetzlichen Wiederaufnahmsgrund zu Darstellung, insbesondere da es allgemein bekannt ist, dass Rötungen und Hämatome auf verschiedene Formen stumpfer Gewalteinwirkung zurückzuführen seien, weshalb es insoweit keines Sachverständigenbeweises bedurfte und damit das Vorbringen insgesamt nicht geeignet sei, die Verurteilung wegen einer falschen Aussage Dritter darzutun, wobei die Staatsanwaltschaft Leoben fallbezogen nicht einmal einen Anfangsverdacht im Sinne eines strafbaren Verhaltens der D* B* erkennen konnte. Der Vorwurf, der Vorsitzende des Schöffensenats habe die Kinder des Wiederaufnahmswerbers als Zeugen nicht darauf aufmerksam gemacht, dass eine unrichtige Aussage strafbar sei, entsprach nicht der Aktenlage. Soweit der Wiederaufnahmswerber der Sache nach im Sinn des § 353 Z 2 StPO, wenngleich ohne bezughabendes Vorbringen bzw Tatsachenbehauptungen Ambulanzbefunde und Krankengeschichten des Landeskrankenhauses H* ihn betreffend vorlegte, wies das Erstgericht darauf hin, dass dem erkennenden Schöffensenat der Umstand eines Unfalls des Angeklagten samt nachfolgenden Rehabilitationsaufenthalten im Zeitpunkt der Urteilsfällung grundsätzlich bekannt war. Entgegen dem durch die Vorlage der medizinischen Befunde allenfalls insinuierten Vorbringen, wonach der Wiederaufnahmswerber zufolge körperlicher Einschränkungen nicht in der Lage gewesen sei, die verfahrensgegenständlichen Tathandlungen zu begehen, seien aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen keine Diagnosen zu entnehmen, welche vor dem Hintergrund eines von 2019 bis Mai 2023 reichenden Tatzeitraums einer schuldspruchskonformen Tatbegehung durch den Wiederaufnahmswerber entgegenstehen würden.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten (ON 34.3).
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz äußerte sich dazu inhaltlich nicht.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Der rechtskräftig Verurteilte kann – soweit hier relevant – die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verlangen, wenn dargetan wird, dass seine Verurteilung durch Urkundenfälschung oder falsche Beweisaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat einer dritten Person veranlasst worden ist (§ 353 Z 1 StPO) oder wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen (§ 353 Z 2 StPO).
Für den Wiederaufnahmsgrund nach § 353 Z 1 StPO hat der Wiederaufnahmswerber sohin darzutun, dass die Verurteilung durch eine „Straftat einer dritten Person veranlasst worden ist ( Lewisch in WK-StPO § 353 Rz 16; Soyer in LiK-StPO § 353 Rz 14ff). „Dartun“ bedeutet Wahrscheinlich-Machen, dass die Verurteilung durch eine Straftat herbeigeführt wurde ( Soyer , aaO § 353 Rz 5).
Die Bestimmung des § 353 Z 2 StPO erfordert die Beibringung von Tatsachen bzw Beweismitteln, von denen das erkennende Gericht erst zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre Verwertung nicht mehr möglich war, Kenntnis erlangt (RIS-Justiz RS0101229; Lewisch , aaO § 353 Rz 24, 25, 30 und 45; Kirchbacher , StPO 15 § 353 Rz 2; Soyer aaO § 353 Rz 8f), sofern sie die Eignung zur Erwirkung einer Freisprechung oder zumindest einer Verurteilung nach einem milderen Strafgesetz aufweisen. „Beibringen“ im Sinn der zitierten Gesetzesstelle bedeutet „schlüssiges Vorbringen“. Gefordert ist somit die durch neue Tatsachen oder Beweismittel (im Zusammenhang mit bereits bekannten Beweismitteln) begründete Möglichkeit, die Tatsachengrundlagen des Urteils (im Hinblick auf das Wiederaufnahmeziel des § 353 StPO) zu erschüttern und zu einer anderen Lösung der Beweisfrage zu gelangen. Diese Eignungsprüfung entspricht nach ständiger Rechtsprechung der Relevanzprüfung von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung (zum Ganzen Lewisch , aaO § 353 Rz 24ff, insbesondere Rz 60ff). Umstände, die bereits im Erkenntnisverfahren erörtert und vom erkennenden Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung – anders als vom Verurteilten gewünscht – beurteilt wurden, sind nicht Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens (vgl Lewisch , aaO § 353 Rz 39). Auch Wertungen, Spekulationen, Plausibilitäten, Meinungen und Mutmaßungen von Zeugen (RIS-Justiz RS0097545, RS0097540), Leumundszeugen, die Art und Weise der Verteidigung oder Erwägungen zur Beweiswürdigung sind keine Tatsachen oder Beweismittel im Sinn des § 353 Rz 2 StPO ( Soyer in LiK-StPO § 353 Rz 11).
Fallbezogen legte der Beschwerdeführer weder in seinem Antrag auf Wiederaufnahme noch in der Beschwerde nachvollziehbar dar, dass seine Verurteilung durch eine Straftat einer dritten Person veranlasst worden wäre.
Eine Falschaussage der Zeugin D* B* wird von ihm neuerlich nur unterstellt, ohne den Vorwurf durch ein Substrat zu untermauern, das eine falsche Aussage wahrscheinlich macht. Hinsichtlich der Zeugenaussagen seiner Kinder F* B*, G* B* und E* B* negiert er die Begründung im erstinstanzlichen Beschluss zu deren umfassender rechtlicher Belehrung und vermutet bloß, dass sie sich „ der Konsequenzen einer Falschaussage “ nicht bewusst waren.
Ein vom Beschwerdeführer angestrebtes Gutachten über die Aussagefähigkeit der genannten Zeugen kann nur in besonderen Fällen einen Wiederaufnahmsgrund fundieren, nämlich dann, wenn objektive Anhaltspunkte die Fähigkeit eines (im Hauptverfahren vernommenen) Zeugen, Wahrnehmungen zu machen und diese gedächtnisgetreu wiederzugeben, in Frage stehen. Solche Zweifel müssen ganz erheblich sein und nach Bedeutung und Gewicht dem Grad der in § 11 StGB erfassten Geistesstörungen nahe kommen ( Kirchbacher; Keglevic in WK StPO § 154 Rz 6). Folglich vermag ein aussagepsychologisches Gutachten nur dann einen für die Wiederaufnahme relevanten Umstand zu begründen, wenn durch Beweisergebnisse aktenmäßig belegte Ansatzpunkte für eine nicht realitätsorientierte Aussage, insbesondere etwa für eine Beeinflussung des Aussageverhaltens vorliegen (RIS-Justiz RS0097733 [T5]). Hinweise für eine solche erhebliche Beeinträchtigung der Fähigkeit der Zeugen zur verlässlichen Wahrnehmung und deren richtiger Wiedergabe oder durch Beweisergebnisse aktenmäßig belegte Anhaltspunkte für eine nicht realitätsorientierte Aussage der Zeugen bringt der Beschwerdeführer nicht vor.
Bei den vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Personen, die in Zusammenschau mit den von ihm vorgelegten Krankenunterlagen bezeugen sollten, dass der Beschwerdeführer „ zu den Taten nicht fähig war “ handelt es sich um Familienmitglieder und befreundete Personen, die jeweils schriftliche Einschätzungen zu seiner Persönlichkeit und teilweise zur Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und der Zeugin D* B* abgegeben haben (ON 33.2, 33.3, 43.1 und 35.1), aber keine Tatzeugen sind. Auch bei Berücksichtigung dieser Aussagen erscheint selbst bei Unterstellung der Richtigkeit ihrer Wahrnehmungen mit Blick auf die der Beweiswürdigung zugrunde gelegten Beweismittel (im Beweisverfahren gehörte [Tat]Zeuginnen und Zeugen sowie der Lichtbilder zu den Verletzungen) in einem neuen Erkenntnisverfahren eine andere Lösung der Beweisfrage nicht denkbar, weshalb deren Einvernahme zulässigerweise unterbleiben konnte.
Hinsichtlich der übermittelten Krankenunterlagen erkannte bereits das Erstgericht zutreffend, dass – sofern diese dem Schöffengericht nicht ohnedies bereits bekannt waren – sich diesen medizinischen Urkunden keine Diagnosen entnehmen lassen, welche (vor dem Hintergrund eines von 2019 bis 21.Mai 2023 reichenden Tatzeitraums) einer schuldspruchskonformen Tatbegehung durch den Beschwerdeführer entgegenstehen würden.
Solcherart liegen entsprechend dem bekämpften, einwandfreien Beschluss Wiederaufnahmsgründe nicht vor. Demnach erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers weder alleine noch in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet, Tatsachen oder Beweismittel darzutun, die Zweifel an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung zu erwecken und seine Freisprechung zu begründen vermögen.
Die Verpflichtung zum Kostenersatz ist Folge seines erfolglosen Begehrens auf Wiederaufnahme (§ 390a Abs 2 StPO; Lendl in WK-StPO § 390a Rz 17).
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 89 Abs 6 StPO.