JudikaturOLG Graz

7Ra25/25p – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Kraschowetz-Kandolf (Vorsitz), die Richter Mag. Russegger und Mag. Reautschnig sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Färber (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Zimmermann (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* GmbH Co. KG , **, vertreten durch Dr. Michael Leitner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B * , **, vertreten durch Mag a . Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, wegen nachträglicher Zustimmung zur Entlassung in eventu Zustimmung zur Entlassung in eventu Zustimmung zur Kündigung, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. März 2025, **-20, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war bereits vom 18. Februar 2008 bis 30. Juni 2023 bei der Klägerin beschäftigt und beendete damals von sich aus das Dienstverhältnis. Seit 17. Juli 2023 ist er wieder als Berufskraftfahrer bei der Klägerin tätig. Am 26. November 2024 wurde er zum Betriebsratsmitglied gewählt. Anzuwenden ist der Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer der privaten Autobusbetriebe.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein hauptsächlich im Linienverkehr tätiges Busunternehmen. Die 280 Mitarbeiter im Lenkdienst stammen aus den unterschiedlichsten Nationalitäten und Kulturkreisen, weshalb ein rauer Umgangston im Unternehmen nicht möglich und auch unerwünscht ist. Ein bei der Klägerin beschäftigter Berufskraftfahrer muss als deren Aushängeschild vertrauensvoll sein. Dahingehend ist für die Klägerin das Benehmen des jeweiligen Berufskraftfahrers gegenüber der Öffentlichkeit sehr wichtig.

Sein erstes Dienstverhältnis zur Klägerin beendete der Beklagte, weil er auf einer Tour eingeteilt war, die für ihn zu umfangreich gewesen wäre und sich mit seiner Tätigkeit als Nebenerwerbslandwirt nicht zusammengefügt hat. Der Umgangston im Unternehmen der Klägerin war auch aus Sicht des Beklagten in Ordnung.

Anfang November 2024 beantragte der Beklagte beim Fuhrparkleiter C* Spurketten für die vorderen Räder seines Busses. Der Beklagte sprach diesbezüglich C* im Gang der Firma an, wo auch andere Mitarbeiter der Klägerin die Situation mitbekamen und mithören konnten. Der Fuhrparkleiter meinte daraufhin gegenüber dem Beklagten, dass er ohnehin Schneeketten für seinen Bus hätte. In Anwesenheit der anderen Mitarbeiter im Gang machte sich der Beklagte dann über C* lustig und lachte ihn aus, weil er nicht gewusst hat, was Spurketten sind. Nachdem die anderen Kollegen auch darüber mitgelacht hatten, meinte der Beklagte zu C*, dass er die anderen Kollegen fragen sollte, wofür man Spurketten benötigt. Er erklärte dann C*, dass diese für die vorderen Räder seien. C* meinte daraufhin, er werde sich bemühen, dass der Beklagte solche Spurketten bekomme. C* fühlte sich dadurch vom Beklagten leicht veräppelt und angegriffen.

Mit der Serie von Fahrzeugen, mit der auch der Beklagte unterwegs war, gab es Standheizungsprobleme. Es gab mehrere Busse, nicht nur jene des Beklagten, bei denen es Probleme mit der Standheizung gegeben hat. Aus diesem Grund war die Firma D*, mit der ein Wartungsvertrag bestand, bei der Klägerin, um das Problem mit der Standheizung zu reparieren. Auch der Bus des Beklagten wurde bezüglich der Standheizung repariert. Eine Woche nach der Reparatur kam es beim Bus des Beklagten neuerlich zu einem Problem mit der Standheizung. Auch andere Buslenker hatten damals Standheizungsprobleme gemeldet, jedoch konnte die Werkstätte der Klägerin selbst keine Reparatur der Standheizung vornehmen, da die Klägerin einerseits firmenintern die technische Ausrüstung nicht hatte und andererseits es aufgrund des bestehenden Wartungsvertrages noch ein Garantiefall war. Die Standheizung ist grundsätzlich als Zuheizung vorgesehen, die man während der Fahrt nicht benötigt, weil es ohnehin aufgrund der Abwärme der Motortemperatur im ganzen Bus warm wird. Wenn ein Bus defekt ist, wäre grundsätzlich die erste Anlaufstation dafür die Disposition, weil diese 24 Stunden durchgehend erreichbar ist. Zu den normalen Bürozeiten zwischen 8:00 Uhr und 17:00 Uhr könnte auch der Fuhrparkleiter über ein defektes Fahrzeug verständigt werden; erste Anlaufstelle bleibt trotzdem die Disposition.

Bezüglich des Standheizungsproblems kontaktierte der Beklagte telefonisch öfters C* als Fuhrparkleiter. Dieser fungiert für die Buslenker als Bindeglied zwischen der Werkstatt und der Disposition. Der Beklagte hat mehrfach C* auf sein Handy auffordernde Nachrichten beginnend mit 11. November 2024 über das Nichtfunktionieren seiner Standheizung geschickt. C* antwortete immer sogleich auf diese Nachrichten und war sehr bemüht, das Problem beim Fahrzeug des Beklagten zu lösen, indem er öfters über die Disposition bzw. Werkstätte die Reparatur des Fahrzeugs veranlasste. Nach der Reparatur fiel die Standheizung des Beklagten jedoch nach einigen Tagen wieder aus. Insgesamt waren im November 2024 vier Fahrzeuge von den 70 Fahrzeugen von diesem Problem betroffen. Nachdem der Beklagte permanent C* Nachrichten über das Nichtfunktionieren der Standheizung geschrieben hatte, wollte C* den Beklagten nicht wiederum an die Disposition verweisen, sondern nahm sich des Problems selbst an und versuchte, sich darum zu kümmern. Die letzte Nachricht des Beklagten erhielt C* am 27. November 2024, wo er mitteilte, dass die Standheizung schon wieder nicht funktioniere. Kurz darauf veranlasste C* dann neuerlich eine Reparatur der Standheizung beim Bus des Beklagten vor Ort. Danach hörte C* nichts mehr vom Beklagten.

Einige Tage nach der Reparatur der Standheizung kam es offenbar wiederum zu einem Problem mit der Standheizung beim Bus des Beklagten. Diese funktionierte am 2. Dezember 2024 nicht, sodass die Scheiben angefroren waren. Der Beklagte müsste in einem solchen Fall die Scheibe abwischen; es dauert ein bisschen, bis die Motorwärme im Fahrzeug anlangt. Er rief daher wegen des Standheizungsproblems an diesem Vormittag den Disponenten an. Dieser verwies den Beklagten an den Fuhrparkleiter C*, den der Beklagte telefonisch aber nicht erreichte. Daraufhin rief der Beklagte beim Werkstättenleiter E* an. Das Telefonat am 2. Dezember 2024 zwischen dem Beklagten und E* fand um ca. 11:45 Uhr statt. Der Beklagte beschwerte sich bei E*, dass die Standheizung wieder nicht funktionieren würde und meinte, wenn er keinen Ersatzbus bekomme, würde er fix in Krankenstand gehen. Damals war auch zufällig F*, Kfz Techniker bei der Klägerin, im Büro des E* anwesend und konnte mithören, was der Beklagte sagte. Der Beklagte war bei diesem Telefonat sehr aufgeregt. Während dieses Telefonats kam dann zufällig C* in das Büro des E* und teilte E* dem Beklagten deshalb mit, dass nunmehr der Fuhrparkleiter C* gerade in sein Büro gekommen sei und er sein Handy auf laut schalten würde. Daraufhin meinte der Beklagte, was er mit dem „C*“ wolle, weil dieser ohnehin nie abheben würde. C* meinte dann direkt über den Lautsprecher zum Beklagten, dass er um einen respektvollen Umgang ersuche. Daraufhin schrie der Beklagte lautstark am Telefon zu C* in einem aggressiven Ton: „Ich schlag dir in die Fresse und schlag dich ungespitzt in den Boden, du dreckiger Lausbua!“. C* konnte darauf nichts mehr sagen, weil der Beklagte bereits das Telefonat beendet hatte. F* und E* haben dieses Telefonat mitgehört.

C*, der grundsätzlich kein ängstlicher Typ ist, hatte aufgrund dieser aggressiven Aussage des Beklagten Angst, fühlte sich bedroht und war verunsichert. Zudem war er geschockt und wollte dann auch nicht zur Weihnachtsfeier gehen, da er befürchtete, dass ihm tatsächlich hinter irgendeiner Ecke Gewalt vom Beklagten widerfährt. Aufgrund seiner Ängste sprach C* mit den Mitarbeitern, die ihm Zuspruch gaben und ihn bestärkten, trotzdem zur Weihnachtsfeier zu gehen. Auch F* empfand die Worte des Beklagten als sehr aggressiv; sämtliche anwesende Zeugen des Gesprächs waren der Meinung, dass dies nunmehr zu viel sei und dieses Verhalten weitergeleitet werden müsste.

Nach dem Telefonat ging C* gemeinsam mit E* und F* zur stellvertretenden Betriebsleiterin G* und schilderten ihr den Vorfall. C* nahm auch mittels Dienstnachricht Kontakt mit dem Geschäftsführer der Klägerin auf, der sich zu diesem Zeitpunkt in einer mehrstündigen Online-Besprechung befunden hat, um ihm den Vorfall zu schildern. Während der Online-Besprechung des Geschäftsführers der Klägerin versuchte der Beklagte, diesen telefonisch zu erreichen; der Geschäftsführer verwies ihn an die stellvertretende Betriebsleiterin G*. Der Beklagte antwortete dem Geschäftsführer mittels SMS wortwörtlich: „Mit dieser Person rede ich nicht, diese kann sich nie an etwas erinnern, darum Ersatzbus ** stelle ich ab, keine Standheizung seit 3 Wochen, was soll das!!!!!“. Der Geschäftsführer der Klägerin reagierte auf diese SMS aufgrund seiner Teilnahme an der Online-Besprechung nicht. Er leitete die Dienstnachricht an die stellvertretende Betriebsleiterin G* weiter und ersuchte sie um Klärung des Vorfalls. Nach dem Onlinetermin ließ er sich von dieser den Vorfall persönlich schildern. Danach sprach der Geschäftsführer der (richtig) Klägerin mit C* und forderte seine Schilderung des Vorfalls. Auch dieser schilderte den Vorfall mit dem Beklagten dem Geschäftsführer gleichlautend. Der Geschäftsführer hatte damals den Eindruck, dass C* durch die Worte des Beklagten eingeschüchtert war und Angst vor diesem hatte, weil er nicht wusste, welches Fehlverhalten er gegenüber dem Beklagten gesetzt haben soll, dass er ihn in Anwesenheit von anderen Mitarbeitern so beschimpft. C* verstand auch nicht, warum ihm körperliche Gewalt vom Beklagten angedroht wird. Eine derartige Eskalation war für das Unternehmen der Klägerin nicht tragbar. Der Geschäftsführer ließ sich auch von E* den Vorfall schildern und wurde ihm dieser auch gleichlautend bestätigt. Daher hatte er keine Zweifel an den Aussagen und sah daher auch keine Veranlassung, sich mit dem Beklagten noch über den Vorfall zu unterhalten. Eine Weiterbeschäftigung des Beklagten war für die Klägerin nicht mehr zumutbar, weil dieser gegenüber C* Gewalt angedroht hat. Durch dessen Wortwahl hat die Klägerin das Vertrauen in ihn verloren, zumal sich die Klägerin als Arbeitgeberin nicht mehr sicher sein kann, ob sich der Beklagte tatsächlich so benimmt, wie man es von einem Berufskraftfahrer auch annehmen würde. Für den Geschäftsführer der Klägerin ist jedenfalls eine kaputte Standheizung kein Grund, eine derartige unverhältnismäßige Aussage zu treffen. Die Klägerin ist als Busunternehmen im Dienstleistungssektor tätig; für sie ist das Um und Auf, wie sich die Mitarbeiter in der Öffentlichkeit benehmen. Der Beklagte hat als Betriebsratsmitglied definitiv Vorbildwirkung für andere Mitarbeiter und ist diese durch den Vorfall nicht mehr gegeben.

Nach Rücksprache mit der Personalabteilung bzw. mit dem Rechtsanwalt der Klägerin wurde der Beklagte noch am 2. Dezember 2024 vom Dienst freigestellt; am 3. Dezember 2024 wurde ihm gegenüber die Entlassung ausgesprochen. Im Entlassungschreiben vom 3. Dezember 2024, das ihm persönlich übergeben wurde, wurde dem Beklagten auch mitgeteilt, dass aufgrund seines besonderen Bestandsschutzes eine Klage auf nachträgliche Zustimmung zur Entlassung bei Gericht eingebracht wird, er weiters von seiner Arbeitsleistung suspendiert und vom Dienst freigestellt wird.

Die Klägerin begehrt mit der am 3. Dezember 2024 eingebrachten Klage die nachträgliche Zustimmung zur Entlassung in eventu die Zustimmung zur (erst auszusprechenden) Entlassung in eventu zur Kündigung und führt zur Begründung aus, beim Entlassungsgrund der erheblichen Ehrverletzung gemäß § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG könne die Entlassung gegen nachträgliche Einholung der Zustimmung des Gerichts ausgesprochen werden. Dieser Entlassungsgrund sei durch das Verhalten des Beklagten gegeben. Durch sein Verhalten habe er gegenüber seinem Kollegen C* und der Vorgesetzten G* ein hohes Maß an Geringschätzung zum Ausdruck gebracht, was umso schwerer wiege, als andere Arbeitskollegen den Vorgang mitbekommen hätten. Eine Weiterbeschäftigung sei angesichts der schwerwiegenden Vorfälle unter allen Umständen unzumutbar. Das Vertrauen sei endgültig und unwiederbringlich verloren gegangen. Eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber sei nicht mehr möglich. Jedenfalls wäre die Zustimmung zur (erst auszusprechenden) Entlassung zu erteilen. Der Beklagte habe auch den Kündigungsgrund des § 121 Z 3 ArbVG verwirklicht, indem er seine sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten beharrlich verletzt habe. Die erforderliche Beharrlichkeit sei auch ohne Abmahnung gegeben, wenn es sich um eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung handle. Das sei aufgrund der mehrmaligen Entgleisungen des Beklagten der Fall.

Der Beklagte bestreitet und wendet zusammengefasst ein, bis zum gegenständlichen Vorfall habe es keine relevanten Beschwerden hinsichtlich des Verhaltens des Beklagten gegeben. Er sei lediglich einmal abgemahnt worden, was unbegründet erfolgt sei. Die ihm vorgeworfenen Äußerungen habe er nicht getätigt. Im Hinblick auf die Probleme mit der Standheizung sei er immer wieder vertröstet worden. Auch am 2. Dezember 2024 habe er massive Probleme wegen während der Fahrt ein Sicherheitsrisiko darstellender angelaufener Scheiben gehabt. Als er auf den Fuhrparkleiter C* verwiesen worden sei, habe er erklärt, dass dies keinen Sinn mache, da dieser das Telefon immer wegdrücke. Er habe gegenüber E* lediglich erklärt: „Bevor ihr mir die Standheizung richtet, habe ich einen ungespitzten Stecken in die Erde gesteckt.“ Damit habe er zum Ausdruck bringen wollen, dass er auch bei gefrorener Erde einen ungespitzten Pfahl schneller in die Erde einbringe, als die Techniker der Klägerin Veranlassungen treffen bzw. die entsprechenden Veranlassungen durch die Klägerin getroffen würden. Eine als Entlassungsgrund zu qualifizierende erhebliche Ehrverletzung liege nicht vor. Auch käme ihm der Mandatsschutz gemäß § 120 Abs 1 ArbVG zugute.

Mit dem angefochtenen Urteil gibt das Erstgericht auf der Grundlage des eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalts dem Klagehauptbegehren statt und erteilt der ausgesprochenen Entlassung nachträglich die gerichtliche Zustimmung. In rechtlicher Hinsicht folgert es, der Beklagte unterliege als Betriebsratsmitglied dem besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz im Sinne des § 120 ArbVG. Beim Entlassungsgrund nach § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG (erhebliche Ehrverletzung) könne die Entlassung gegen nachträgliche Einholung der Zustimmung des Gerichts ausgesprochen werden. Unter diesen Tatbestand fielen alle Handlungen und Äußerungen, die geeignet seien, das Ansehen und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfung herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen, wenn er davon erfahre, zu verletzen. Es komme darauf an, ob die Äußerung objektiv geeignet sei, ehrverletzend zu wirken und ob sie im konkreten Fall diese Wirkung auch erreicht habe. Zudem müsse sie erheblich sein. Der Beklagte habe durch seine äußerst aggressiven Äußerungen gegenüber dem Fuhrparkleiter C* ein hohes Maß an Geringschätzung zum Ausdruck gebracht, das umso schwerer wiege, weil andere Arbeitskollegen dieses Verhalten unmittelbar mitbekommen hätten. Noch dazu sei dies durch ein Betriebsratsmitglied erfolgt, welches grundsätzlich eine Vorbildwirkung für die Mitarbeiter haben sollte. Eine derartig gravierende Drohung verwirkliche den Tatbestand der erheblichen Ehrverletzung und mache eine Weiterbeschäftigung des Beklagten für die Klägerin unzumutbar, sodass diese zu Recht das Vertrauen zum Beklagten endgültig und unwiederbringlich verloren habe. Aufgrund dieses Vorfalls i.V.m. dem weiteren Vorfall betreffend die Spurketten, in dessen Zuge der Beklagte den Fuhrparkleiter C* Anfang November 2024 vor anderen Kollegen wegen dessen Unkenntnis des Begriffes „vorgeführt“ und sich über ihn lustig gemacht habe, erscheine eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten als Betriebsratsmitglied und der Klägerin als Betriebsinhaberin nicht mehr möglich. Insgesamt habe der Beklagte durch seine Äußerung den Entlassungstatbestand der erheblichen Ehrverletzung im Sinne des § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG erfüllt, sodass die nachträgliche gerichtliche Zustimmung zur Entlassung zu erteilen sei. Da bereits diese beiden Vorfälle derart gravierend gewesen seien und den Tatbestand der Ehrverletzung erfüllten, habe von einer weiteren Beweisaufnahme durch Einvernahme der beantragten Zeugen zum Thema Beleidigung der stellvertretenden Betriebsleiterin K* abgesehen werden können.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung der Klagebegehren abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel mit einer Berufungsbeantwortung entgegen und beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in Verbindung mit § 2 Abs 1 ASGG in nicht-öffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.

In seiner ausschließlich erhobenen Rechtsrüge vertritt der Berufungswerber die Auffassung, er sei als ein mehr als 15 Jahre im Betrieb der Beklagten tätiger und über 50 Jahre alter Berufskraftfahrer zu beurteilen. Er sei nie einschlägig bzw. festgestelltermaßen verwarnt worden.

Der Beklagte habe keinesfalls den Entlassungsgrund der erheblichen Ehrverletzung nach § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG verwirklicht. Außerdem sei die nachträgliche Zustimmung zur Entlassung nur dann zu erteilen, wenn das Verhalten des Betriebsratsmitglieds eine sinnvolle Zusammenarbeit nicht erwarten lasse. Aufgrund einer Äußerung gegenüber einem anderen Arbeitnehmer der Klägerin, dem keine Arbeitgeberfunktion oder eine arbeitgeberähnliche Stellung zukomme, könne davon nicht ausgegangen werden. Zudem handle es sich beim Beklagten um einen Berufskraftfahrer und sohin um einen Arbeiter, der über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei gearbeitet habe. Der Vorfall Anfang November 2024, bei dem sich der Beklagte über den Fuhrparkleiter C* lustig gemacht haben hätte sollen, sei offensichtlich nicht als schwerwiegender Verstoß gewertet worden, zumal der Beklagte weder verwarnt noch darauf angesprochen worden sei.

Eine sinnvolle Zusammenarbeit setze voraus, dass beide Teile ungeachtet der Ehrverletzung weiterhin in der Lage seien, den von ihnen im gemeinsamen Zusammenwirken zu erfüllenden Aufgaben gerecht zu werden. Die Prüfung, ob eine solche Zusammenarbeit zu erwarten sei oder nicht, sei nach objektiven Kriterien unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalls durchzuführen. C* komme als Fuhrparkleiter keine arbeitgeberähnliche Funktion oder Vorgesetztenfunktion zu. Die Zielrichtung der Ehrverletzung sei sohin nicht gegen den Arbeitgeber gewesen, sondern habe einen Mitarbeiter betroffen. Dies unterscheide sich von den Fällen, in denen das Betriebsratsmitglied direkt den Arbeitgeber und dessen Arbeitsmethoden in einer die Arbeitsdisziplin unterergrabenden Weise angegriffen habe. Zwischen dem betroffenen Mitarbeiter und dem Beklagten habe es kaum Überschneidungen in den Arbeitsbereichen gegeben. Der Fuhrparkleiter sei für Buslenker, wie den Beklagten, lediglich ein Bindeglied zwischen der Werkstatt und der Disposition. Bei einem defekten Bus sei erste Anlaufstelle jedoch stets die Disposition, die durchgehend erreichbar sei.

In der vorliegenden Konstellation sei die Zustimmung zur erfolgten Entlassung nicht das gelindeste Mittel, da die Klägerin durchaus in der Lage und verpflichtet gewesen wäre, dafür Sorge zu tragen, dass es zu keiner weiteren engen Zusammenarbeit zwischen dem Beklagten und dem betroffenen Fuhrparkleiter komme. Diesbezüglich wäre mit einer Ermahnung und der Anweisung, künftig die durchgehend erreichbare Disposition zu kontaktieren, das Auslangen zu finden gewesen. Überdies würde die nachträgliche Zustimmung zur Entlassung zur Konsequenz führen, dass das seit der fristlosen Entlassung gezahlte Entgelt vom Beklagten zurückzuzahlen wäre. Dies sei in einer Gesamtschau aller Aspekte eine unbillige und unangemessene Vorgehensweise. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen für eine Zustimmung zur künftigen Entlassung und zu einer künftigen Kündigung nicht vor. In Ansehung der Kündigung nach § 121 Z 3 ArbVG wegen beharrlicher Pflichtenverletzung mangle es an der erforderlichen Beharrlichkeit.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Vorweg ist auf die zutreffende Beurteilung des Erstgerichts zu verweisen (§ 500a ZPO) und den Berufungsausführungen kurz zu entgegnen:

1. Gemäß § 120 Abs 1 ArbVG darf ein Mitglied des Betriebsrats bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichts aus einem der in § 122 ArbVG normierten Gründe entlassen werden. Nach § 122 Abs 1 Z 5 ArbVG kann das Gericht die Zustimmung zur Entlassung unter anderem dann erteilen, wenn sich das Betriebsratsmitglied einer erheblichen Ehrverletzung gegen den Betriebsinhaber, dessen im Betrieb tätige oder anwesende Familienangehörige oder Arbeitnehmer des Betriebs zuschulden kommen lässt, sofern durch dieses Verhalten eine sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitglied und Betriebsinhaber nicht mehr zu erwarten ist.

Der Gesetzestext umfasst daher auch erhebliche Ehrverletzungen gegen Arbeitnehmer des Betriebs, beim konkreten Fall gegen den Fuhrparkleiter C*.

2. „Ehrverletzungen“ sind alle Handlungen (insbesondere Äußerungen), die geeignet sind, das Ansehen und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfung herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen zu verletzen (8 ObA 68/21i; RS0109363 [T1]). Dass im konkreten Fall die festgestellten, mit der Androhung körperlicher Gewalt verbundenen Äußerungen des Beklagten objektiv geeignet sind, ehrverletzend zu wirken, und dass sie im konkreten Fall diese Wirkung auch erreicht haben (RS0029845), kann nicht ernsthaft bestritten werden. Dies ergibt sich auch klar aus den getroffenen Feststellungen.

3. Entscheidend ist aber auch, inwieweit durch die Ehrverletzung die betriebsverfassungsrechtliche Zusammenarbeit zwischen Betriebsinhaber und Betriebsratsmitglied beeinträchtigt wird (8 ObA 76/13d).

Der Oberste Gerichtshof sah diese Beeinträchtigung in der Entscheidung 8 ObA 76/13d nicht als gegeben an. Grundlage hierfür waren inkriminierte Passagen eines E-Mails, die sich gegen das Verhalten der Betriebsratsmitglieder einer Betriebsratsfraktion richteten und diesen „Stasimethoden“ unterstellte. Insoferne richtete sich die Zielsetzung der Ehrverletzung nicht gegen den Arbeitgeber sondern gegen Betriebsratskollegen. Allerdings wurde darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeberin nicht einmal vorgebracht hat, dass dadurch die betriebliche Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat beeinträchtigt worden wäre. In diesem Fall erachtete der Oberste Gerichtshof allerdings den Kündigungsgrund nach § 121 Z 3 ArbVG als gegeben.

Davon unterschied er den Fall, in dem eine Geschäftsführung wegen ihrer Versuche, die Arbeitszeit auszuweiten, mit Adolf Hitler in Zusammenhang gebracht wurde ( 8 ObA 45/99x ). Derartige Äußerungen waren geeignet, eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsinhaber und Betriebsratsmitglied zu beeinträchtigen.

Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass eine Ehrverletzung, die sich gegen einen Arbeitnehmer des Betriebes richtet, schon ganz grundsätzlich nicht geeignet wäre, eine weitere Zusammenarbeit zwischen Betriebsinhaber und Betriebsratsmitglied zu beeinträchtigen, zumal diese jedenfalls so schwerwiegend sein kann, dass der Betriebsinhaber mit sofortiger Wirkung eine fristlose Beendigung herbeiführen muss. Davon ist hier auszugehen.

Das im konkreten Fall dem Beklagten vorzuwerfende Verhalten steht in keinem Zusammenhang mit seinem Mandat als Betriebsrat, weshalb er sich (im Rechtsmittelverfahren) zu Recht auch nicht mehr auf die Mandatsschutzklausel des § 120 Abs 1 ArbVG beruft. Da eine Kollision der arbeitsvertraglichen Pflichten des Beklagten als Betriebsratsmitglied mit dessen Aufgaben und Befugnissen als gewählter Vertreter der Arbeitnehmer des Betriebes nicht anzunehmen ist, bedarf es daher auch keiner in solchen Fällen vorgesehenen besonderen Interessenabwägung (RS0106955).

Das aggressive, ehrverletzende Verhalten des Beklagten richtet sich gegen den das Bindeglied zwischen Berufskraftfahrer und Disposition darstellenden Fuhrparkleiter. Schon die zuvor getätigten Äußerungen im Zusammenhang mit den Spurketten und der Bezeichnung des Fuhrparkleiters als „C*“ bringen die Geringschätzung durch den Beklagten zum Ausdruck, mögen diese auch für sich allein gesehen die sofortige Entlassung eines Betriebsrates noch nicht rechtfertigen. Sie zeigen aber bereits eine abwertende Haltung gegenüber dem Fuhrparkleiter auf. Die zuletzt festgestellten Äußerungen, die nicht nur Ehrverletzungen sondern auch die Androhung einer schweren Körperverletzung beinhalten, weshalb der Fuhrparkleiter verunsichert war, sich bedroht fühlte und die Weihnachtsfeier nicht besuchen wollte, sind auf eine nicht funktionierende Standheizung zurückzuführen, für die der Fuhrparkleiter keine Verantwortung trägt, und durch nichts zu rechtfertigen. Vielmehr stören sie erheblich die betriebliche Ordnung und erfordern nicht zuletzt im Hinblick auf die den Betriebsinhaber treffende Fürsorgepflicht gegenüber dem Fuhrparkleiter dessen rasche Reaktion. Mit einer Ermahnung kann hier nicht mehr das Auslangen gefunden werden und schon gar nicht mit einer Anweisung, sich künftig hinsichtlich defekter Fahrzeuge ausschließlich an die Disposition und nicht zusätzlich an den Fuhrparkleiter zu wenden.

Unbestritten steht auch fest, dass die Klägerin das Vertrauen in den Beklagten verloren hat, ob sich dieser tatsächlich so benimmt, wie man es von ihm als Berufskraftfahrer annehmen würde. Demgemäß kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er die Vorbildfunktion als Betriebsratsmitglied erfüllen kann.

Das Berufungsgericht teilt daher der Auffassung des Erstgerichts, dass im konkreten Fall die Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Entlassung zu erteilen ist.

Eine Kostenentscheidung entfällt, zumal die im Berufungsverfahren obsiegende Klägerin im Hinblick auf § 58 Abs 1 und 50 Abs 2 ASGG, wonach ein Kostenersatz nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zuerkannt werden kann, Kosten nicht verzeichnet hat.

Da die Frage, ob ein Entlassungstatbestand hergestellt wurde oder nicht, regelmäßig von einer Einzelfallbetrachtung abhängt, war die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.

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