JudikaturOLG Graz

8Bs128/25x – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 10. April 2025, AZ ** (ON 17 der Akten AZ ** der Staatsanwaltschaft Leoben) den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

begründung:

Text

Am 18. September 2023 stellte die Staatsanwaltschaft Leoben das gegen A* wegen einer als Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB subsumierten Straftat geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO idF vor BGBl I 2024/157 ein und verständigte den Beschuldigten sowie das minderjährige Tatopfer über dessen gesetzlichen Vertreter (Kindesmutter) hievon (ON 1.5). Einem Fortführungsantrag des Opfers wurde am 29. Mai 2024 vom Drei-Richter-Senat des Landesgerichts Leoben nicht Folge gegeben (ON 11).

Am 3. April 2025 begehrte A* unter Vorlage zweier Honorarnoten die Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung in Höhe von EUR 3.047,86 „ im gesetzlichen Höchstausmaß“ (ON 16).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag als unzulässig zurück (ON 17).

Dagegen richtet sich die Beschwerde des A* mit dem Begehren, seinem Antrag Folge zu geben, weil die Einstellung des Ermittlungsverfahrens erst mit der Abweisung des Fortführungsantrags am 29. Mai 2024 in Rechtskraft erwachsen sei, sodass § 196a StPO anwendbar sei (ON 18).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund den Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird.

Nach der Übergangsbestimmung in § 516 Abs 12 StPO ist – soweit hier von Relevanz - § 196a StPO in der Fassung BGBl I 2024/96 auf Verfahren anzuwenden, in denen die verfahrensbeendenden Entscheidungen ab dem 1. Jänner 2024 rechtskräftig geworden sind. Daraus folgt, dass für vor diesem Zeitpunkt in Rechtskraft erwachsene Verfahrenseinstellungen kein Verteidigerkostenbeitrag begehrt werden kann.

Der Antrag ist bei sonstigem Ausschluss innerhalb von drei Jahren nach der Verständigung von der Verfahrenseinstellung (hier: am 28. September 2023 [Übergabe an das Zustellorgan am 25. September 2023 laut Zustellnachweis zu ON 1.5; § 26 Abs 2 ZustG iVm § 83 Abs 1 StPO]) einzubringen. Die Staatsanwaltschaft hat den Antrag mit einer allfälligen Stellungnahme an das Gericht weiterzuleiten. Unzulässige oder verspätete Anträge hat das Gericht zurückzuweisen, im Übrigen jedoch in der Sache zu entscheiden (§ 196a Abs 3 StPO).

Die formelle Rechtskraft einer Entscheidung bezeichnet deren Unanfechtbarkeit und liegt vor, wenn eine Entscheidung der verfahrensmäßigen Bekämpfung durch die Parteien, also einer solchen durch ordentliche Rechtsmittel (Rechtsbehelfe) nicht mehr offen steht. In diesen – anhand gerichtlicher Entscheidungen entwickelten – Kategorien ist die Einstellungsentscheidung durch die Staatsanwaltschaft bereits mit deren Erlassung, also mit Übergabe derselben an die Geschäftsstelle zur Ausfertigung (vgl § 2 DV-StAG iVm § 109 Abs 1 GO) formell (und zugleich auch materiell) rechtskräftig (zur uneinheitlichen Verwendung der Begriffe „Rechtswirksamkeit“ und „Rechtskraft“ vgl Nordmeyer , WK-StPO § 190 Rz 21), weil der Fortführungsantrag gemäß § 195 StPO kein ordentliches Rechtsmittel ist ( Nordmeyer, aaO Rz 22 f mwN; Steiner , LiK-StPO § 190 Rz 32 f; Tauschmann in Schmölzer/Mühlbacher StPO 1 2 § 190 Rz 13; 14 Os 81/10h).

Die Einstellungsentscheidung durch die Staatsanwaltschaft vom 18. September 2023 wurde am selben Tag an die Geschäftsstelle zur Ausfertigung übergeben und damit erlassen. Daraus folgt, dass die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen A* an diesem Tag in Rechtskraft erwuchs. Da dieser Zeitpunkt vor dem 1. Jänner 2024 liegt, wurde die Anwendbarkeit des § 196a StPO vom Erstgericht zutreffend verneint. Der gegenteiligen – sich auf Wiesinger/Hlosta, Verteidigerkostenbeitrag neu nach §§ 196a und 393a StPO - Kurzüberblick für Verteidiger, JSt 2024, 477 berufenden – Rechtsansicht des Beschwerdeführers steht schon die eingangs zitierte Übergangsbestimmung in § 516 Abs 12 StPO entgegen, die allein auf die (formelle) Rechtskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung und damit deren Unbekämpfbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln (Rechtsbehelfen) abstellt.

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