6Rs25/25f – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Fabsits als Vorsitzende, die Richterin Dr in . Meier und den Richter Mag. Schweiger sowie die fachkundigen Laienrichter Färber (Arbeitgeber) und Zimmermann (Arbeitnehmer) als weitere Senatsmitglieder in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Norbert Bergmüller, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , per Adresse Landesstelle **, **, vertreten durch ihren Angestellten Mag. B*, wegen Entziehung des Rehabilitationsgelds, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Jänner 2025, **-51, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen (I.) und zu Recht erkannt (II.):
Spruch
I. Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen .
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls unzulässig .
II. Der Berufung, deren Kosten die klagende Partei selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.
Die Revision ist nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Der (am ** geborene) Kläger hat eine Handelsakademie positiv absolviert. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag war er zuletzt nachhaltig als Redakteur beschäftigt.
Mit Bescheid vom 26. November 2015 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 30. September 2015 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension zwar ab, weil Berufsunfähigkeit nicht dauerhaft vorliege, sie sprach jedoch aus, dass ab 1. Oktober 2015 vorübergehende Berufsunfähigkeit vorliege und der Kläger ab dem 1. Oktober 2015 für die weitere Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung habe.
Zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Rehabilitationsgelds ( Zuerkennungsbescheid vom 26. November 2015 ) bestand beim Kläger ein ausgeprägtes depressives Erschöpfungssyndrom, unter Behandlung war er eingeschränkt belastbar. Im Jahr 2014 befand er sich wegen einer zunehmenden Erschöpfungssymptomatik in stationärer Behandlung. Die Rehabilitation musste wegen Überforderung nach zehn Tagen abgebrochen werden. Trotz Behandlung kam es zu keiner ausreichenden psychischen Stabilisierung. Schon die reine Alltagsbewältigung war für den Kläger eine große Herausforderung. Psychiatrisch war das erstellte Leistungskalkül nicht ausreichend für eine geregelte Tätigkeit am Arbeitsmarkt.
Mit Bescheid vom 23. August 2019 entzog die Beklagte dem Kläger das Rehabilitationsgeld mit 30. September 2019. Mit Vergleich vom 14. Oktober 2020 im Verfahren ** des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht wurde festgestellt, dass über den 30. September 2019 hinaus Berufsunfähigkeit von mindestens sechs Monaten vorliegt, eine berufliche Rehabilitation nicht möglich ist und der Kläger über den 30. September 2019 hinaus Anspruch auf Rehabilitationsgeld hat.
Zum körperlichen und geistigen Zustand des Klägers im Entziehungszeitpunkt bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz:
Der Kläger kann aufgrund seiner Leiden, darunter ein Zustand nach Schirmchenverschluss eines peristierenden Foramenovale, ein bilaterales Cervikobrachialsyndrom, ein psychogener/psychosomatischer Tinnitus, eine leichtgradige Depression mit Nervosität und genauen und perfektionistischen Wesenszügen im Sinne einer akzentuierten Persönlichkeit noch alle leichten und mittelschweren Arbeiten im Sitzen, Gehen oder Stehen, unabhängig davon, ob diese im Freien oder in geschlossenen Räumen stattfinden, verrichten. Dynamisches Sitzen ist dem Kläger uneingeschränkt möglich.
Ausgenommen bzw zu reduzieren sind:
• leichte bis mittelschwere Arbeiten bis zum Viertel des Arbeitstags bis in Tischniveau
• mittelschwere Arbeiten bis zum Viertel des Arbeitstags bis in Tischniveau
• schwere Arbeiten scheiden aus
• kniende Arbeiten scheiden aus
• Armvorhaltetätigkeiten leicht, sicher bis zum Drittel des Arbeitstags
• Überkopfarbeiten scheiden aus
• Überkopfgriff: leicht bis zum Drittel des Arbeitstags
• Steighilfen bis zu 12 % zumutbar, was das Besteigen von mehrsprossigen Leitern betrifft
• exponierte Arbeiten scheiden aus
• auszuschließen sind Arbeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder an gefährlichen Maschinen
• lärmexponierte Arbeiten sind dem Kläger nicht möglich und zumutbar
Der Kläger ist einem normalen Arbeitstempo ganztägig gewachsen. Darüber hinaus ist ein forciertes Arbeitstempo bis zu einem Drittel des Arbeitstags zumutbar. Akkord- und Fließbandarbeiten sind nicht zumutbar. Ebensowenig Nachtarbeit, wenn es sich um Wechselschichten handelt.
Der Kläger ist in der Lage, Tätigkeiten die er im maßgeblichen Zeitraum ausgeübt hat, auch weiterhin im Hinblick auf die geistigen Fähigkeiten vollumfänglich auszuüben.
Seine Fähigkeit zu Kundenkontakt und die Durchsetzungsfähigkeit liegen im Durchschnitt. Ihm sind geistig schwierige Arbeiten zumutbar. Seine Führungsfähigkeit ist überdurchschnittlich. Es besteht Unterweisbarkeit auf andere als bisher geleistete Tätigkeitsbereiche. Diesen Arbeitsanweisungen ist der Kläger vollumfänglich gewachsen. Er ist außerdem in der Lage, sich neue Kenntnisse zu Anlernzwecken anzueignen, wobei beim Erlernen von zusätzlichen Fähigkeiten mit normalen Anpassungszeiten zu rechnen ist. Schulbarkeit und Umschulbarkeit sind gegeben. Es ist dem Kläger zumutbar, ein Verkehrsmittel zum Erreichen der Arbeitsstätte zu benützen. Auch Wochenpendeln, ein Ortswechsel und die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln sind zumutbar.
Eine Verschlechterung des Leistungskalküls ist in den nächsten 18 Monaten nicht zu erwarten. Bei Einhaltung des Leistungskalküls ist mit zusätzlichen Krankenständen von zwei Wochen pro Jahr zu rechnen. Es besteht keine gegenseitige Leidensbeeinflussung oder Potenzierung. Im Vergleich zum Zeitpunkt der Gewährung des Rehabilitationsgelds unter Bezugnahme auf das Gewährungsgutachten vom 13. November 2015 ist es psychiatrisch zu einer leistungskalkülsrelevanten Verbesserung gekommen, da damals ein ausgeprägtes Erschöpfungssyndrom mit ICD-Codierung F 32.2 (schwere depressive Episode) beschrieben worden ist. Klinisch wurde damals festgehalten: Antriebsschwäche trotz Willenseinsatz, deutlich geminderte psychische Belastbarkeit und Stresstoleranz, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsspanne gemindert. Dies stellt sich nun besser dar.
Das Erstgericht trifft zum Berufsbild eines Redakteurs detaillierte Feststellungen (Urteilsseite 6 unten bis Urteilsseite 8), worauf verwiesen werden kann.
Der Kläger ist in der Lage, geistig schwierige Arbeiten in Verbindung mit überdurchschnittlichen Anforderungen an die Führungsfähigkeit zu erbringen. Er ist daher in der Lage, allen Anforderungen, die an einen Redakteur gestellt werden, weiterhin gerecht zu werden.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2023 sprach die Beklagte aus, dass vorübergehende Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliege und entzog dem Kläger das Rehabilitationsgeld mit 31. August 2023.
Dagegen richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren auf Gewährung des Rehabilitationsgelds auch nach dem 31. August 2023. Begründend bringt der Kläger vor, zuletzt als angestellter Redakteur bei der „C*“ gearbeitet zu haben. Im Jahr 2014 habe er ein Burnout bekommen und im Jahr 2018 einen Schlaganfall erlitten. Er müsse bei körperlichen Tätigkeiten und bei Stress sehr aufpassen, weil sonst die Gefahr einer Verschlechterung bestehe. Er könne sich bei Problemen sehr schlecht konzentrieren, was für den Beruf eines Redakteurs aber unumgänglich sei. Als Redakteur müsse man auch viel mit dem Auto fahren und viel Nachtarbeit und Wochenendarbeit durchführen. Auch das könne er nicht mehr, weil er nicht mehr belastbar sei. Er könne die Tätigkeit als Redakteur nicht mehr zu 50 % ausüben. Nach dem Vergleich vom 14. Oktober 2020 im Verfahren ** des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht habe er alles Mögliche versucht, um seine gesundheitliche Situation zu verbessern, was jedoch nicht gelungen sei. Er könne sich noch immer nicht so konzentrieren, dass er seinen bisherigen Beruf wieder ausüben könne.
Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und wendet ein, dass der Kläger wieder imstande sei, die im Beobachtungszeitraum gemäß § 273 Abs 1 ASVG in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten ausgeübte bzw eine innerhalb des Verweisungsfelds liegende Berufstätigkeit auszuüben. In den letzten 15 Jahren vor dem Antrag sei der Kläger 51 Monate als Journalist und 118 Monate als Redakteur beschäftigt gewesen. Maßgeblicher Vergleichszeitpunkt sei der Gewährungszeitpunkt und nicht das Verfahren ** des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht.
Mit dem angefochtenen Urteil weist das Erstgericht das Klagebegehren auf Grundlage des eingangs dargestellten und unstrittigen Sachverhalts ab. In rechtlicher Hinsicht vertritt es den Standpunkt, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung (Zuerkennungsbescheid vom 26. November 2015) wesentlich verbessert habe. Er sei nunmehr wieder in der Lage allen Anforderungen, die an einen Redakteur gestellt würden, gerecht zu werden. Die Voraussetzungen für die Weitergewährung des Rehabilitationsgelds lägen daher nicht vor.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers aus den Rechtsmittelgründen der Nichtigkeit, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, ohne eine Berufungsbeantwortung zu erstatten, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
I. Zur Berufung wegen Nichtigkeit:
Der Kläger erblickt eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO darin, dass es das Erstgericht unterlassen habe, auch das Vorverfahren ** des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht miteinzubeziehen. Erst in diesem Verfahren (im Gutachten Dris. D*) sei auf die Leistungsfähigkeit des Klägers, wie sie im Jahr 2015 vorgelegen habe, genauer eingegangen worden. Alleine aus dem Gewährungsgutachten vom 26. November 2015 lasse sich der seinerzeitige Zustand des Klägers nicht nachvollziehbar entnehmen.
Eine Nichtigkeit im Sinne der angezogenen Bestimmung zeigt der Kläger mit diesen Ausführungen nicht auf.
Gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist das angefochtene Urteil als nichtig aufzuheben, wenn die Fassung des Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, wenn das Urteil mit sich selbst im Widerspruch ist oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind und diesen Mängeln durch eine vom Berufungsgerichte angeordnete Berichtigung des Urteils (§ 419) nicht abgeholfen werden kann.
Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO soll die objektive Überprüfbarkeit des Urteils schützen; dies aber nur so weit, als durch das Urteil die Grunderfordernisse einer zivilprozessualen Entscheidung verletzt wurden ( Pimmer in Fasching/Konecny³ IV/1 § 477 ZPO Rz 76). Der erste in § 477 Abs 1 Z 9 ZPO genannte Nichtigkeitsgrund liegt dann vor, wenn die Fassung des Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann. Der Urteilsspruch bedarf zu seiner Überprüfbarkeit gewisser Mindestangaben in den Entscheidungsgründen. Das ist hier zweifellos der Fall. Gegenteiliges zeigt auch der Kläger nicht auf, spricht er mit seinen Ausführungen zum Vorverfahren doch ausschließlich eine Frage der rechtlichen Beurteilung an. Schon an dieser Stelle kann darauf hingewiesen werden, dass es das Erstgericht zu Recht unterlassen hat, das Vorverfahren miteinzubeziehen. Es steht nämlich ohnedies fest, dass dem Kläger zum Gewährungszeitpunkt (November 2015) aufgrund seines psychischen Zustands keine geregelten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich waren. Nach ständiger Rechtsprechung ist als Zeitpunkt der ursprünglichen Leistungszuerkennung die Erlassung des Gewährungsbescheids bzw der Schluss der mündlichen Verhandlung bei einer gerichtlichen Zuerkennung (§ 193 ZPO) oder der Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses in einem gerichtlichen Verfahren anzusehen, auch wenn die zugrundeliegenden Gutachten längere Zeit davor erstattet wurden (RS0083818, RS0083876). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der ursprünglichen Gewährung und nicht etwa der einer späteren Weitergewährung, weil ansonsten eine allmählich eintretende Verbesserung unberücksichtigt bleiben müsste, auch wenn sie in ihrer Gesamtheit als wesentlich zu qualifizieren ist (RS0083819, Atria in Sonntag, ASVG 16 § 99 ASVG Rz 10).
Der zweite in § 477 Abs 1 Z 9 ZPO geregelte Nichtigkeitstatbestand ist der Widerspruch des Urteils mit sich selbst und bezieht sich nur auf den Urteilsspruch. Der Spruch des angefochtenen Urteils ist unmissverständlich.
Der dritte Tatbestand des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wird nach ständiger Rechtsprechung nur durch einen völligen Mangel der Gründe, nicht jedoch durch eine mangelhafte Begründung gebildet. Eine bloß mangelhafte Begründung stellt diesen Nichtigkeitsgrund daher nicht her; ebenso nicht eine verfehlte oder unvollständige Begründung ( Pimmer aaO § 477 ZPO Rz 84, 87).
Das angefochtene Urteil ist zweifellos überprüfbar. Aus ihm ergibt sich auch, welche Beweisergebnisse das Erstgericht seiner Entscheidung zugrundelegte.
Die Berufung wegen Nichtigkeit ist daher zu verwerfen.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls unzulässig ( Klauser/Kodek JN-ZPO 18 § 519 ZPO E 16)
II. Zur Berufung im Übrigen:
Der Kläger ortet eine Aktenwidrigkeit dahingehend, dass - obwohl das Erstgericht das zusammenfassende Gutachten wörtlich zitiert habe - festgestellt worden sei, dass seine Führungsfähigkeit überdurchschnittlich sei. Aus dem zusammenfassenden Gutachten ergebe sich aber nur eine durchschnittliche Führungsfähigkeit.
Entgegen der Meinung des Klägers ist die Feststellung nicht aktenwidrig. Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde, nicht aber schon dann, wenn das aufgrund der Beweisaufnahme gewonnene Sachverhaltsbild bloß vom Parteienvorbringen abweicht (RS0043347). Aktenwidrigkeit kann keinesfalls in (allenfalls unrichtigen) rechtlichen Schlussfolgerungen bestehen, sondern vielmehr nur in einem Widerspruch von tatsächlichen Annahmen des Gerichts zum Akteninhalt (7 Ob 41/14a).
Die vom Kläger als aktenwidrig kritisierte Feststellung ist durch den Akteninhalt gedeckt. Es trifft zwar zu, dass im zusammenfassenden Gutachten Dris. E* vom 29. Jänner 2024, ON 12, eine im Durchschnitt liegende Führungsfähigkeit des Klägers angeführt ist. Der Kläger lässt aber außer Acht, dass, was das Erstgericht auch so begründet (US 10 Mitte), der psychiatrische Sachverständige (auf dessen Gutachten vom 30. Oktober 2023, ON 7 sich die Konstatierung im zusammenfassenden Gutachten ON 12 gründete) dies revidierte und unmissverständlich ausführte, dass die Führungsfähigkeit des Klägers als überdurchschnittlich anzusetzen ist (Seite 2 des Protokolls vom 1. August 2024, ON 30). Lediglich am Rande sei dazu erwähnt, dass das durch plausibel ist, weil der Kläger gegenüber dem psychologischen Sachverständigen Mag. F* angegeben hat, während des Bezugs des Rehabilitationsgelds zu 60 % als Redakteur gearbeitet zu haben und auch, dass er nach dem Entzug des Rehabilitationsgelds wieder im Ausmaß von 80 % einer Vollzeitbeschäftigung arbeiten würde (Seite 6 vorletzter Absatz des Gutachtens vom 4. November 2024, ON 34).
Eine Aktenwidrigkeit liegt demnach nicht vor.
In seiner Rechtsrüge moniert der Kläger als sekundäre Mangelhaftigkeit, dass keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob der Kläger „Recherchetätigkeiten auch unter widrigen Witterungseinflüssen wie Nässe und Kälte“ ausüben könne oder nicht.
Dem ist zu erwidern:
Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317). Sekundäre Feststellungsmängel kommen nur im Rahmen des Tatsachenvorbringens der jeweiligen Partei in Betracht. Ein sekundärer Feststellungsmangel ist daher nur denkbar, wenn die verfahrensrelevante Feststellung von einem ausreichend konkretem Vorbringen der Partei erfasst ist (8 Ob 6/17s). Schon das ist hier im Zusammenhang mit dem gerügten rechtlichen Feststellungsmangel nicht der Fall. Der - qualifiziert vertretene - Kläger hat im Verfahren erster Instanz nie behauptet, keine Arbeiten bei Nässe oder Kälte verrichten zu können. Anhaltspunkte dafür haben sich aus dem umfangreich durchgeführten Beweisverfahren auch nicht ergeben. Dementsprechend war das Erstgericht auch nicht verpflichtet, amtswegig weitere Beweise aufzunehmen. Der Grundsatz der materiellen Wahrheitsforschung ist im Sozialrecht nicht anzuwenden (RIS-Justiz RS0103347). Das Gericht ist nicht verpflichtet, „auf Verdacht“ Erhebungen in alle Richtungen zu pflegen und etwa das Verfahren beispielsweise auf alle denkbaren gesundheitlichen Einschränkungen zu erstrecken, für deren Vorliegen keine ausreichenden Hinweise bestehen ( Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm³ § 87 ASGG Rz 3).
Hier steht zudem fest, dass der Kläger in der Lage ist, alle leichten und mittelschweren Arbeiten im Sitzen, Gehen oder Stehen zu verrichten und zwar unabhängig davon, ob diese im Freien oder in geschlossenen Räumen stattfinden. Auch in der Berufung behauptet der Kläger nicht, dass er nicht in der Lage wäre, Recherchearbeiten unter widrigen Witterungseinflüssen durchzuführen, was alleine im Übrigen auch keinem Kälte-/Hitzearbeitsplatz oder Arbeit in ständiger Nässe entsprechen würde.
Der Kläger meint dann noch, dass zwar in „einigen wenigen Aspekten“ punktuelle (geringfügige) Verbesserungen eingetreten seien, sich aber sein Zustand in anderen Punkten sogar verschlechtert habe. Soweit „diesbezügliche“ Feststellungen fehlten, würden diese als weiterer sekundärer Feststellungsmangel geltend gemacht. Da der Kläger die vermissten „diesbezüglichen“ Feststellungen nicht im Einzelnen darstellt, bringt er seine Rechtsrüge in diesem Punkt nicht zur gesetzmäßigen Ausführung (vgl 9 ObA 102/15p, RS0053317).
Der Kläger führt dann noch aus, dass eine Entziehung des Rehabilitationsgelds eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen voraussetzte. Diese Beurteilung könne nur anhand eines umfassenden Gesamtvergleichs erfolgen. Ein solcher sei wegen der „aufgezeigten“ sekundären Feststellungsmängel nicht möglich.
Dazu kann zunächst auf die obigen Darlegungen verwiesen werden. Ergänzend ist noch auszuführen, dass es nach ständiger Judikatur in Sozialrechtssachen nicht auf die einzelnen Leiden des Pensionswerbers, sondern ausschließlich auf deren Auswirkungen auf das Leistungskalkül ankommt. Wesentlich für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen etwa für eine Invaliditätspension vorliegen, ist damit stets das Leistungskalkül, nicht aber die einzelne Diagnose oder ein Befund (RS0084399, SSV-NF 8/92).
Richtig ist, dass die Entziehung einer laufenden Leistung nach § 99 Abs 1 ASVG nach ständiger Rechtsprechung eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen voraussetzt (RS0083884 [T 1]), wobei für den Vergleich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistungszuerkennung mit den Verhältnissen im Zeitpunkt der Leistungsentziehung in Beziehung zu setzen sind (RS0083876, RS0083884 [T 2]). Bei Leistungen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit besteht eine wesentliche Änderung etwa in der Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands des Versicherten oder in der Wiederherstellung oder Besserung seiner Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an die Leiden (RS0083884). Wird die Arbeitsfähigkeit durch diese Änderungen soweit wieder hergestellt, dass der Pensionsbezieher nicht mehr als (invalid oder) berufsunfähig gilt und auf dem Arbeitsmarkt wiedereinsetzbar ist, ist die Entziehung der Leistung sachlich gerechtfertigt (10 ObS 27/23b).
Das ist hier der Fall. Fest steht, dass das Gesamtleistungskalkül des Klägers zum Gewährungszeitpunkt nicht für eine geregelte Tätigkeit am Arbeitsmarkt ausreichte. Der anzustellende Vergleich ist demnach zwanglos durchführbar (vgl 10 ObS 90/23t). Unbekämpft steht fest, dass es psychiatrisch zu einer leistungskalkülsrelevanten Verbesserung gekommen ist und, dass der Kläger nunmehr wieder ein Leistungskalkül aufweist, das ihm die Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit als Redakteur erlaubt.
Liegt aber - wie hier - eine wesentliche, entscheidende Änderung in den Verhältnissen vor, greift der Bescheid des Sozialversicherungsträgers, mit dem der Leistungsanspruch entzogen wird, nicht in die materielle Rechtskraft des Gewährungsbescheids ein. Die materielle Rechtskraft eines Bescheids stellt zwar immer auf die Situation zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt ab; nachträgliche Änderungen der Verhältnisse werden von ihr aber nicht erfasst (10 ObS 40/20k). Hier hat sich der Gesundheitszustand des Klägers gegenüber dem Gewährungsbescheid deutlich verbessert. Es liegt somit kein gegenüber de Gewährungsbescheid unveränderter Sachverhalt vor. Anders als eine Pension verfolgt das Rehabilitationsgeld nicht den Zweck der Existenzsicherung nach der Beendigung des Erwerbslebens, sondern bezweckt, den krankheitsbedingten Einkommensausfall auszugleichen und wird gerade deshalb gewährt, weil keine dauernde Arbeitsunfähigkeit besteht (10 ObS 133/15d). Sobald die vorübergehende Invalidität (Berufsunfähigkeit) infolge erfolgreicher medizinischer Maßnahmen der Rehabilitation beendet ist, endet der Anspruch auf Rehabilitationsgeld (10 ObS 14/20k).
Aus diesen Erwägungen ist der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden weder behauptet, noch ergeben sich solche aus der Aktenlage.
Die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO ist mangels Vorliegens von erheblichen Rechtsfragen nicht zuzulassen.