JudikaturOLG Graz

10Bs119/25p – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
02. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Haas als Einzelrichterin in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 15. April 2025, AZ ** (ON 16 der Akten AZ ** der Staatsanwaltschaft Klagenfurt), den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des A* mit (insgesamt) EUR 2.500,00 festgesetzt wird.

begründung:

Text

Am 9. August 2024 stellte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt das gegen A* wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG geführte Ermittlungsverfahren nach § 190 Abs 2 StPO ein und verständigte hiervon den Verteidiger des Genannten (ON 1.11).

Am 11. September 2024 beantragte A* unter Vorlage eines Kostenverzeichnisses über EUR 8.917,44 die Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung im Ermittlungsverfahren von EUR 6.019,32 (darin Barauslagen samt USt von EUR 19,32; ON 15.2).

Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte ihm das Erstgericht einen Kostenbeitrag von EUR 800,70 (darin Barauslagen von EUR 0,70) zu (ON 16).

Dagegen richtet sich seine Beschwerde, mit der er den Zuspruch von weiteren EUR 5.199,30 begehrt (ON 17).

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz äußerte sich dazu inhaltlich nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Wird (wie hier) ein Ermittlungsverfahren gemäß § 190 StPO eingestellt, so hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf (in der hier relevanten Grundstufe [„Stufe 1“]) den Betrag von EUR 6.000,00 nicht übersteigen (§ 196a Abs 1 StPO).

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein durchschnittliches Standardverfahren im Regelfall eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw. einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenen Aktenstudium bzw. Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) rund EUR 3.000,00 an Aufwand für die Verteidigung verursacht. Erfolgs- und Erschwerniszuschläge bleiben dabei außer Betracht. Diese Beträge stellen die Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags dar. Der im Einzelfall zuzuerkennende Betrag hat sich sodann je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag anzunähern oder sich von diesem weiter zu entfernen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 5; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 6).

Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich freilich, dass (weiterhin) lediglich ein (nach freiem richterlichem Ermessen festzusetzender pauschaler) Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten ist. Eine Verpflichtung, dem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor. Derartiges ergibt sich auch weder aus den geltenden Verfassungsbestimmungen noch aus der Judikatur des EGMR (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 2).

Im Gegenstand wurde das Ermittlungsverfahren nach rund neun Monaten eingestellt. Die Ermittlungsakten umfassten bis zur Einstellung 13 Ordnungsnummern, darunter im Wesentlichen mehrere (teils nur sehr kurze; s. ON 2.2.2, ON 2.2.3 und ON 13.2) polizeiliche Berichte. Der dreiseitige Abschlussbericht ON 8 enthält ein etwa 100-seitiges Beilagenkonvolut (insbesondere mit näheren Informationen zu den in Rede stehenden Musik-CDs samt Liedtexten).

Bei dem zu prüfenden Vorwurf, der Beschwerdeführer habe sich in ** auf andere als die in §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er am 10. April und 12. August 2022 über den Webshop „B*“ sieben Lieder mit nationalsozialistischem Gedankengut bestellt und zu nicht näher bekannten Zeitpunkten abgespielt habe, handelte es sich um ein weder in rechtlicher noch (mit Ausnahme der inhaltlichen Beurteilung der Liedtexte) sachlicher Hinsicht besonders komplexes Verfahren.

Die (in diesem Umfang notwendige und zweckmäßige) Tätigkeit des Verteidigers bis zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens umfasste – neben dem in der Beschwerde relevierten Aufwand für das Studium nicht nur der Liedtexte, sondern des gesamten (insoweit freilich nicht umfangreichen) Akts und Besprechungen mit dem Beschuldigten – die Vollmachtsbekanntgabe (verbunden mit einem Antrag auf Freischaltung der elektronischen Akteneinsicht; ON 6.2), die Erstattung einer kurzen (weitestgehend allgemeine rechtliche Ausführungen bzw. die Wiedergabe von Gesetzesstellen beinhaltende) Stellungnahme samt Aufforderung zur Konkretisierung des Tatverdachts (ON 7.2), eine acht Zeilen umfassende Bekanntgabe (ON 12.2) und zwei weitere Anträge auf elektronische Akteneinsicht (ON 10 und ON 11). Für den Antrag auf Leistung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung nach § 196a StPO selbst (hier: ON 55) können weiterhin keine Kosten angesprochen werden (vgl. zur Rechtslage vor BGBl I 2024/96 Lendl in WK StPO § 393a Rz 23; zu § 196a StPO jüngst OLG Wien 23 Bs 11/25y [unveröff]). Ebenso außer Betracht zu bleiben hat ein Erfolgszuschlag.

Dass im Falle eines Freispruchs (erst) im – in die Zuständigkeit des Landesgerichts als Geschworenengericht fallenden – Hauptverfahren „weit höhere Kosten der Verteidigung angelaufen“ wären, schlägt entgegen der Beschwerde auf die Höhe des für das Ermittlungsverfahren zu bestimmenden Beitrags zu den Kosten der Verteidigung nicht durch.

Zusammengefasst handelte es sich um einen Verteidigungsfall, in dem der notwendige und zweckmäßige Aufwand des Verteidigers etwas unter jenem eines durchschnittlichen Standardverfahrens lag. Bei einer Gesamtabwägung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Bemessungskriterien erachtet das Beschwerdegericht daher einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung von EUR 2.500,00 für angemessen.

Die Neufassung der Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.

R echtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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