JudikaturOLG Graz

8Bs42/25z – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
02. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Haas als Einzelrichterin in der Strafsache gegen A* wegen Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28. Jänner 2025, GZ **-27, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des A* mit EUR 8.000,00 festgesetzt wird.

Text

begründung:

Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 9. Dezember 2024, GZ **-24, wurde A* von den als die Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1, 15 StGB, das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und das Vergehen des Betrugs nach §§ 2, 146 StGB qualifizierten Vorwürfen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (ON 24).

Am 16. Dezember 2024 beantragte er unter Vorlage eines Kostenverzeichnisses über EUR 16.281,52 die Zuerkennung eines „Beitrags“ zu den Kosten seiner Verteidigung in eben dieser Höhe (ON 26.1 iVm ON 26.2).

Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte ihm das Erstgericht einen Beitrag zu den Kosten seiner Verteidigung von EUR 5.000,70 (darin Barauslagen von EUR 0,70) zu (ON 27).

Dagegen richtet sich seine Beschwerde, mit der er den Zuspruch von weiteren EUR 11.280,82 begehrt (ON 28).

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz äußerte sich dazu inhaltlich nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Nach § 393a Abs 2 StPO ist der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung unter Bedachtnahme auf den Umfang des Verfahrens, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf im Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht in der (wie hier) (Grund-)Stufe 1 den Betrag von EUR 30.000,00 (Z 1 leg. cit.) nicht überschreiten.

Maßgebliches Kriterium für die Bemessung des Beitrags ist der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand, die Dauer des Strafverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Strafverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts, dies alles unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen Verteidigungshandlungen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 3 und 6). Ein Anspruch auf Ersatz der gesamten aufgelaufenen (notwendigen und zweckmäßigen) Vertretungskosten ist weder der Bestimmung des § 393a StPO noch den geltenden Verfassungsbestimmungen oder der Judikatur des EGMR zu entnehmen. An der Bemessung des Kostenbeitrags in Form von Pauschalbeiträgen wird somit grundsätzlich weiterhin festgehalten. Die bisherige Rechtsprechung, die bei ganz einfachen Fällen 10 % des Höchstbetrags vorsah, ist in Ansehung der neuen Rechtslage allerdings nicht mehr aufrecht zu halten (Erläut RV 2557 BlgNR 27. GP 8). Da die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen bis hin zu aufwändigen Wirtschaftsstrafsachen reicht, kann sich der konkret zu bemessende Pauschalkostenbeitrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw. sich von diesem weiter entfernen.

Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass sich der Verteidigungsaufwand in einem einfachen Standardverfahren vor dem Schöffengericht aus der Vertretung im Ermittlungsverfahren, der Teilnahme an einer Hauptverhandlung in der Dauer von acht Stunden und der Einbringung eines prozessrelevanten Schriftsatzes wie einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Gegenausführung und der Teilnahme an der Rechtsmittelverhandlung in der Dauer von zwei Stunden zusammensetzt und unter Heranziehung der Ansätze des AHK rund EUR 15.000,00 an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei zwar der Einheitssatz zu berücksichtigen ist, die vom ÖRAK in der AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Bedacht zu bleiben haben (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 8).

Gemessen an diesen Kriterien ist hier von einem unterdurchschnittlichen Verteidigungsaufwand in einem Standardverfahren der Stufe 1 auszugehen:

Der Aktenumfang erweist sich mit 22 Ordnungsnummern bis zur Hauptverhandlung am 9. Dezember 2024, in der auch das freisprechende Urteil verkündet wurde, für diese Verfahrensart als unterdurchschnittlich. Die Akten bestanden im Wesentlichen aus mehreren Berichten der Polizei (ON 2.2 mit Protokollen der Einvernahme von drei Zeugen; ON 4 betreffend die Durchsuchung des Wohnhauses und des Fahrzeugs des Beschuldigten; ON 6.2 betreffend die Mitteilung der noch nicht erfolgten Auswertung seines Mobiltelefons; Abschlussberichte ON 8 und ON 9 mit Beilagen [Lichtbilder, Urkunden, Briefe und ein Einvernahmeprotokoll]) sowie aus drei kurzen Videoaufnahmen (ON 10). Komplexe Rechtsfragen waren nicht zu lösen, sondern lag der Schwerpunkt des Verfahrens primär auf der Tatfrage. An relevanten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Tätigkeiten des Verteidigers ergeben sich aus den Akten eine Vertreterbekanntgabe (samt Antrag auf Freischaltung der elektronischen Akteneinsicht; ON 5), eine wenige Zeilen umfassende Bekanntgabe (im Wesentlichen des Inhalts, dass der Beschuldigte von seinem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebraucht macht; ON 7), und ein Folgeantrag auf (neuerliche) Freischaltung der elektronischen Akteneinsicht (ON 11). Die Bekanntgabe vom 12. August 2024 (ON 14) hingegen diente lediglich der Mitteilung von Abwesenheiten/Terminen des Verteidigers. Auch für den Antrag auf Leistung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung nach § 393a StPO selbst (hier: ON 26.1) können weiterhin keine Kosten angesprochen werden (vgl. zur Rechtslage vor BGBl I 2024/96 Lendl in WK StPO § 393a Rz 23; zu § 196a StPO jüngst OLG Wien 23 Bs 11/25y [unveröff]). In der rund sieben Stunden dauernden Hauptverhandlung wurden außer dem Freigesprochenen acht Zeugen einvernommen (ON 23.1). Ein Rechtsmittelverfahren fand nicht statt.

Bei einer Gesamtabwägung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Bemessungskriterien erachtet das Beschwerdegericht daher – unter Bedachtnahme auch auf den in der Beschwerde relevierten Aufwand für die Vorbereitung der Verteidigung in der Hauptverhandlung (wozu auch die Erhebung der Aktenlage durch mehrfache elektronische Akteneinsicht zählt) – einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung von EUR 8.000,00 für angemessen.

Die Neufassung der Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.

R echtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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