9Bs316/24z – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Obmann, LL.M. in der Strafsache gegen Dr. A* wegen des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28. November 2024, AZ ** (ON 22 der Akten AZ ** der Staatsanwaltschaft Graz), den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung des Dr. A* mit EUR 3.000,00 festgesetzt wird.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Text
Am 18. Oktober 2024 stellte die Staatsanwaltschaft Graz das Ermittlungsverfahren gegen Dr. A* wegen des Vergehens der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1.16).
Mit Eingabe vom 28. November 2024 beantragte Dr. A* unter gleichzeitiger Vorlage eines Kostenverzeichnisses die Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung in Höhe von EUR 6.000,00 (ON 21).
Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte das Erstgericht Dr. A* einen Beitrag zu den Kosten seiner Verteidigung in Höhe von EUR 2.000,00 zu (ON 22).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich dessen rechtzeitige Beschwerde, mit der er den Zuspruch eines Beitrags von EUR 6.000,00, eventualiter von EUR 4.500,00 anstrebt und der in dem im Spruch ersichtlichen Umfang Berechtigung zukommt.
Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und – außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO – auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bediente.
Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass der für den Fall der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zustehende Verteidigerkostenbeitrag stets nur ein Beitrag sein kann und nicht die gesamten Verteidigerkosten ersetzen soll. Eine Verpflichtung, dem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor und ist eine solche Verpflichtung weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR zu entnehmen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 2).
Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf – soweit hier relevant – den Betrag von EUR 6.000,00 nicht übersteigen („Stufe 1“; § 196a Abs 1 StPO).
Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen Hand in Hand mit dem Umfang der Verteidigung. Ausschlaggebend sind daher insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts, der von ganz einfachen Fällen bis hin zu umfangreichen Strafverfahren von entsprechend höherer Komplexität reichen kann. Die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags hat dabei stets auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen zu erfolgen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 3).
Für ein durchschnittliches Verfahren der Stufe 1 ist von den durchschnittlichen Verteidigerkosten für ein Standardverfahren auszugehen und der sich daraus ergebende Betrag ist als Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags heranzuziehen. Angenommen wird, dass ein durchschnittliches Standardverfahren eine Besprechung mit der verdächtigten/beschuldigten Person, eine Vollmachtsbekanntgabe bzw. einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw. Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst und damit unter Heranziehung der Kostenansätze der Allgemeinen Honorar-Kriterien rund EUR 3.000,00 an Aufwand für die Verteidigung verursacht. Der festzusetzende Beitrag hat sich je nach Umfang des Ermittlungsverfahrens und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehen Höchstbetrag anzunähern bzw. sich von diesem weiter zu entfernen (ErläutRV 2557 BlgNR 27. GP 5; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024 - 0.561.623, 3 ff).
Der gegen den Beschwerdeführer erhobene Tatvorwurf betraf einen einfachen Sachverhalt und wurde von der Staatsanwaltschaft auf Beweiswürdigungsebene gelöst (ON 1.16 und ON 19). Der Umfang des ab 10. Juli 2024 gegen den Beschwerdeführer geführten Ermittlungsverfahrens beschränkte sich bis zur Einstellung am 18. Oktober 2024 auf 17 Ordnungsnummern, wovon die Berichte der Kriminalpolizei (ON 2, ON 7, ON 14 und ON 16) und das Protokoll der kontradiktorischen Einvernahme des Opfers (ON 12) relevant waren. Neben den beiden Einvernahmen des Beschwerdeführers (ON 7.5 und ON 7.6) waren im Wesentlichen die Einvernahmen mehrerer Zeugen (ON 2.3, ON 2.4, ON 7.7 bis ON 7.10 und ON 14.3 bis ON 14.5), Lichtbilder und Videos in den Abschlussberichten enthalten.
Die notwendige und zweckmäßige Tätigkeit der Verteidigerin des Beschwerdeführers umfasste eine Vollmachtsbekanntgabe samt dem Antrag auf Freischaltung der elektronischen Akteneinsicht (ON 3), die Akteneinsicht bei der Kriminalpolizei (ON 7.2, 3), die Teilnahme an zwei Einvernahmen des Beschwerdeführers (einmal in der Dauer von drei Stunden [ON 7.6] und einmal in der Dauer von einer Stunde [ON 7.5]), einen weiteren Antrag auf Freischaltung der elektronischen Akteneinsicht (ON 11) und die Teilnahme an der kontradiktorischen Einvernahme in der Dauer von zweieinhalb Stunden (ON 12). Der Antrag auf Freischaltung der elektronischen Akteneinsicht vom 18. November 2024 (ON 20), somit nach Einstellung des Verfahrens, ist hingegen nicht zu berücksichtigen, weil dieser für die Verteidigung weder notwendig noch zweckmäßig war.
Zusammengefasst handelt es sich mit Blick auf den Umfang und die Dauer des Ermittlungsverfahrens sowie die geringe Komplexität des Sachverhalts um einen an sich einfachen Verteidigungsfall, in dem der darauf bezogene notwendige und zweckmäßige Aufwand der Verteidigerin als durchschnittlich anzusehen ist. Abstellend auf die genannten Kriterien ist nach Maßgabe der Verfahrenskomplexität sowie des durchschnittlichen Verteidigungsaufwands fallbezogen ein Beitrag zu den Kosten der Verteidigung von EUR 3.000,00 angemessen.