JudikaturOLG Graz

8Bs44/25v – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Petzner, Bakk., und die Richterin Mag a . Haas in der Strafsache gegen A* wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG und einer weiteren strafbaren Handlung nach öffentlicher Verhandlung am 28. Mai 2025 in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag a . Dexer sowie des Angeklagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Kleinbichler über die Berufung der Staatsanwaltschaft Leoben gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 8. November 2024, GZ **-251a, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – so weit hier von Bedeutung – der am ** geborene A* (auch: ** oder **) des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (A.) und mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und 3 Z 1 und 2, Abs 4 (zu ergänzen:) erster Fall FPG (B.) schuldig erkannt, in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 114 Abs 4 FPG zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Kostenersatz verpflichtet. Gemäß § 38 Abs 1 StGB wurde die Vorhaft von 23. April 2024, 14.05 Uhr, bis 8. November 2024, 11.40 Uhr, auf die Strafe angerechnet.

Dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch zufolge hat A* „gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten B* zu nachgenannten Zeiten in Ungarn, Deutschland sowie **, Haus und anderen Orten des österreichischen Bundesgebiets

A. sich seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt spätestens ab Anfang Juli 2023 zumindest gemeinsam mit den weiteren abgesondert verfolgten (zu ergänzen [US 5 letzte Zeile]:) B*, C*, D*, E*, F*, G* und weiteren nicht näher bekannten Mittätern (zu ergänzen [US 6]: durch die Koordination der zu B. dargestellten und weiterer Taten und Ausführung von – nicht zu B. erfassten – Fahrertätigkeiten mit Schlepper- und Vorausfahrzeugen) an einer auf längere Zeit angelegten kriminellen Vereinigung beteiligt, die darauf ausgerichtet war, dass ihre Mitglieder in arbeitsteiliger Weise entgeltliche Schlepperfahrten, mithin Verbrechen nach § 114 Abs 1 und 3 Z 1 FPG ausführen,

B. im bewussten und gewollten gemeinsamen Zusammenwirken mit den unten genannten Personen als unmittelbare Täter im Rahmen einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise oder Durchreise in Bezug auf mindestens drei Fremde in oder durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie die Taten in der Absicht begingen, sich durch die wiederkehrende Begehung von entgeltlichen Schleppertätigkeiten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wobei sie bei den ersten beiden Angriffen bereits zwei weitere solche Taten im Einzelnen geplant und ab dem dritten Angriff bereits zwei solche Taten begangen haben, indem sie in arbeitsteiliger Weise in zahlreichen Angriffen in wechselnden Rollen Schlepperfahrten von der ungarisch-serbischen Grenze nach Österreich und Deutschland vornahmen, wobei A* als Kopf der Vereinigung die Gesamtorganisation koordinierte bzw. vornahm und teilweise selbst als Fahrer bzw. Fahrer von Voraus- bzw. Begleitfahrzeugen auftrat, wobei er den übrigen Mitgliedern der Vereinigung konkrete Aufgaben übertrug, der abgesondert verfolgte D* ebenfalls Koordinationsaufgaben übernahm, als Mieter der unten angeführten Schlepperfahrzeuge sowie von Hotelzimmern und Wohnungen auftrat, Zug- und Flugtickets für Mitglieder der Vereinigung buchte, Geldmittel für Leihfahrzeuge im Wege der Hawala-Büros beschaffte und Fahrer, so etwa den abgesondert verfolgten C*, anheuerte, B* und der abgesondert verfolgte F*, welche ebenfalls Organisationsaufgaben übernahmen und als Fahrer von Schlepper- bzw. Begleitfahrzeugen auftraten, der abgesondert verfolgte G*, der zumindest als Fahrer von Begleitfahrzeugen auftrat, sowie die abgesondert verfolgten C*, E* und weitere bislang nicht näher bekannte Mittäter zumindest als Fahrer der Schlepperfahrzeuge auftraten, und zwar

Gegen den Strafausspruch richtet sich (zum Nachteil des Angeklagten) die Berufung der Staatsanwaltschaft mit dem Ziel einer Anhebung der unbedingten Freiheitsstrafe (ON 267.3).

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz trat dem Rechtsmittel bei, der Angeklagte trat ihm entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Strafnormierend ist – in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB – § 114 Abs 4 FPG mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren.

Erschwerend ist, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen derselben und verschiedener Art (hier: Zusammentreffen eines Vergehens mit einer Mehrzahl von – überdies mehrfach qualifizierten – Verbrechen) begangen hat, (in Griechenland; s. ON 247.2 iVm ON 228) schon einmal wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung (im engsten Sinne) beruhender Tat (nämlich wegen der im Rahmen eines Menschenhändlerrings begangenen illegalen Schleppung von fünf bis zehn Drittstaatsangehörigen zum Zwecke der eigenen Bereicherung) verurteilt worden ist und als der „die Gesamtorganisation koordinierende Kopf“ der kriminellen Vereinigung (US 2 Mitte) eine führende Rolle innehatte.

Unter Wehr- und Hilflosigkeit iS des § 33 Abs 1 Z 7 StGB hinwieder sind Zustände zu verstehen, die es dem Opfer unmöglich machen oder doch außerordentlich erschweren, sich gegen Angriffe auf seine Person oder seine sonstigen strafrechtlich geschützten Interessensphären zu verteidigen ( Riffel in WK 2 StGB § 33 Rz 23). Dass der Angeklagte – wie die Berufung (ohne nähere Ausführungen dazu) behauptet – die Hilflosigkeit der geschleppten Personen ausnützte, wurde allerdings vom Erstgericht nicht festgestellt und ergibt sich auch aus den Akten (so) nicht.

Unter dem Schuldaspekt ist – zum Nachteil des Angeklagten – zu berücksichtigen, dass er trotz Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten und des (davon) verspürten Haftübels von zwei Jahren und zwei Monaten mit gesteigerter krimineller Energie unter Einnahme einer nunmehr führenden, profitreicheren und zugleich risikoärmeren Stellung weitere im engsten Sinne gleichartige Tathandlungen beging, was auf eine die rechtlich geschützten Werte besonders ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Angeklagten hindeutet (§ 32 Abs 2 StGB). Die Tatbegehung (zu B.2. bis B.5.) jeweils in einer die Qualifikationsgrenze des § 114 Abs 3 Z 2 StGB von drei Fremden um das Vier- bis Zwölffache übersteigenden, innerhalb eines Zeitraum von nur vier Monaten insgesamt sehr hohen Anzahl an geschleppten Personen (mindestens 110) wiederum begründet ein besonders hohes Gefährdungspotential (§ 32 Abs 3 StGB).

Mildernd hingegen ist das reumütige Geständnis des Angeklagten.

Demgegenüber ist der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB – worauf die Berufung zutreffend hinweist – (entgegen dem Erstgericht in Ansehung der Schuldspruchpunkte B.4.a) und b) sowie B.5.) nicht verwirklicht. Schlepperei ist nach gefestigter Rechtsprechung nicht Erfolgs-, sondern schlichtes Tätigkeitsdelikt. Für die Unterscheidung von Versuch und Vollendung kommt es demnach nicht darauf an, ob eine Durch- oder Einreise gelingt. Vielmehr reicht das (bloße) Fördern einer solchen zur Deliktsvollendung aus (RIS-Justiz RS0127813 [insbesondere T7]).

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) ist auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) die Verhängung einer (vom Erstgericht bereits ausgemessenen) Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten jedenfalls tat- und schuldangemessen. Diese Strafe entspricht auch spezial- und generalpräventiven Erfordernissen.

Die durch das ganz erfolglose Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verursachten Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Angeklagten nicht zur Last (Lendl in WK StPO § 390a Rz 8).

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