JudikaturOLG Graz

1Bs171/24t – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Schwingenschuh als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Wieland und Mag. Redtenbacher in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über den Einspruch des Angeklagten gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 15. November 2024, AZ ** (ON 56 zum AZ **-56 des Landesgerichts Klagenfurt), in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Einspruch wird abgewiesen und die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festgestellt.

Text

Begründung:

Mit der beeinspruchten Anklageschrift legt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt dem am ** geborenen österreichischen Staatsbürger A* zur Last, er habe im Zeitraum von Dezember 2020 bis zumindest 12. Mai 2024 in ** und an anderen Orten

I.) gegen B* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er über Jahre hinweg zumindest einmal in der Woche mit der flachen Hand auf ihre Wangen und auf ihre Oberschenkel schlug, sie gewaltsam schüttelte, mit seinen Fäusten auf ihre Schultern einschlug oder sie gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, insbesondere, indem er

1.) im Dezember 2020 mit seinen Fäusten auf ihren gesamten Körper schlug, sodass sie an beiden Oberarmen und am rechten Oberschenkel Blutergüsse erlitt,

2.) am 15.7.2021 mit seinen Fäusten auf ihren Oberkörper und auf ihre Oberschenkel schlug, wodurch sie einen Sehnenverletzung am rechten kleinen Finger erlitt;

3.) ihr Ende Juli 2021 eine Ohrfeige verpasste;

4.) sie im August 2023 so lange gewaltsam schüttelte, bis sie umgefallen ist, wodurch sie einen Bluterguss am linken Auge erlitt

5.) ihr am 28.4.2024 mit der flachen Hand auf den linken Oberschenkel schlug,

6.) sie am 12.5.2024 mit der Äußerung, dass er auf ihren verletzten Fuß schlagen werden und sinngemäß äußerte: „i will die Zehen brechen, donn will i den den rechten Fuaß brechen, donn denk linken Fuaß, donn die Oberarme. Donn will i deine Gliedmaßen zersägn und ob- trennen während du bei vollem Bewusstsein bist. Wenn du wegknickst hol i die mit koltn Wossa imma zruck, i schneid dir a Brust ob und holt sie dir vors Gesicht. Bist du nemma aufwochst und loss i mi schon wos einfolln. Mir is egal ob i lebenslong sitzn geh, weil i kim mit guata Führung ausa, donn hob i wenigstens a Sorge weniger in mein Leben“ mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

7.) sie am 12.5.2024 im Anschluss an die zu I.) 7.) genannte gefährliche Drohung eine Ohrfeige auf ihre linke Wange verpasste;

II.) B* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Zeitraum von September 2023 bis Dezember 2023 gegen ihren Willen mit beiden Händen an ihren Oberarmen packte, ihr die Hose auszog, während sich B* wehrte, und von hinten vaginal in sie eindrang;

III.) mit B* gegen deren Willen den Beischlaf vorgenommen, indem er zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten im Herbst 2023 in zumindest zwei Vorfällen mit ihr den Vaginalverkehr vollzog, obwohl die Genannte weinte und ihm mehrmals mitteilte, dass sie keinen Geschlechtsverkehr haben möchte.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt qualifiziert diese Handlungen als zu I. das Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB, zu II. das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und zu III. das Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB.

Gegen diese Anklageschrift richtet sich der Einspruch des Angeklagten mit dem Begehren, das gegen ihn geführte Strafverfahren einzustellen (ON 60).

Rechtliche Beurteilung

Der Einspruch ist nicht berechtigt.

Das Einspruchsgericht hat aus Anlass des Anklageeinspruches die Zulässigkeit der Anklage und die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes von Amts wegen nach allen Richtungen auf das Vorliegen aller Voraussetzungen zu überprüfen ( Birklbauer in WK-StPO Vor §§ 210 bis 215 Rz 47 und § 215 Rz 4).

Zur Z 1 des § 212 StPO

Ausgehend von der hypothetischen Annahme des Nachweises der dem Angeklagten angelasteten Taten sind diese den in der Anklageschrift dargestellten Tatbeständen zu unterstellen. Auch wenn die nach der Anklageschrift zu II. im Packen der Oberarme bestehende Kraftanwendung des Angeklagten auch nicht von starker Intensität gewesen ist, übersteigt sie doch (nach der Verdachtslage) die in der Judikatur (gerade im Fall gegen den ausdrücklichen Willen vorgenommener Handlungen [14 Os 65/12h]) ausgebildete Schwelle nicht ganz unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstands (RIS-Justiz RS0095232, RS0095260, RS0092984).

Anhaltspunkte für Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe ergeben sich aus den Akten nicht.

Zur Z 2 und 3 des § 212 StPO

Die gesteigerte Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Angeklagten wegen der ihm angelasteten Taten begründen die Angaben der Zeugin B* (ON 2.3, ON 8.5, ON 37.1 und ON 55), die sich nicht bloß über mehrere Vernehmungen hinweg bei hoher Detaildichte als überaus konstant erweisen, sondern in Teilbereichen auch einen hohen Übereinstimmungsgrad mit den Schilderungen des Angeklagten (ON 37.1, 3 bis 10) aufweisen.

Soweit der Einspruchswerber (unter Verweis auf seinen Beweisantrag vom 12. November 2024 [ON 54.2]) die Ermittlungen zu - seiner Ansicht nach die zu II. dargestellte Tat ausschließenden - Erektionsstörungen als unvollständig bemängelt, übersieht er, dass seine erektile Dysfunktion schon auf der Basis des diesbezüglich mit seinen Angaben (ON 37.1,10) übereinstimmenden Zeugnisses von B* (ON 37.1, 15) höhergradig wahrscheinlich ist. Demgemäß waren zu diesem Beweisthema keine weiteren Beweisaufnahmen im Ermittlungsverfahren erforderlich.

Vor dem Hintergrund der Angaben von B* zu einer ein bis zwei Stunden währenden Anwesenheit des Angeklagten in ihrer Wohnung vor dem zu II. dargestellten Vorfall (ON 37.1, 15) und der (sich mit ihren Ausführungen deckenden) Erfahrungsberichte des Angeklagten zur Einnahme von Medikamenten gegen Erektionsstörungen (ON 54.2, 2 und ON 60), bedurfte die Frage, ob diese ohne Hilfsmittel behoben werden können, keiner weiterführenden Klärung durch einen Sachverständigenbeweis (ON 54.2, 2). Denn der Annahme der Einnahme derartiger Präparate durch den Angeklagten vor der Tat (allenfalls auch bereits vor seinem Eintreffen in der Wohnung) steht allein das Fehlen diesbezüglicher Wahrnehmungen der Zeugin (ON 37.1, 15) nicht entgegen.

Eine nachvollziehbare und schlüssige Darstellung der Relevanz des - nach den Ausführungen des Einspruchswerber durch Einvernahme weiterer Intimpartnerinnen zu erhebenden – Umstands seines allfälligen liebevollen und gewaltfreien Umgangs mit anderen Frauen in Anbetracht seines Zugeständnisses wiederholter Gewalthandlungen gegenüber B* (ON 37.1, 3 ff) für die Beurteilung entscheidender Tatsachen lassen die Einspruchsausführungen vermissen.

Die Beurteilung der Beweiskraft der im Ermittlungsverfahren vollständig erhobenen Beweismittel, insbesondere die Glaubhaftigkeitsbeurteilung der Wahrnehmungsberichte ist den Tatrichtern in der Hauptverhandlung unter den Bedingungen der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit ebenso vorzubehalten.

Formelle Mängel weist die Anklageschrift nicht auf (§ 212 Z 4 StPO).

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht gründet sich auf § 31 Abs 3 Z 1, § 36 Abs 3 erster Satz StPO, wurde doch die nach der Verdachtslage nach § 201 Abs 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von zwei bis zehn Jahren bedrohte Handlung (Punkt II.) im Sprengel dieses Gerichtshofs ausgeführt (Z 5 und 6 des § 212 StPO).

Gemäß §§ 4 Abs 1, 20 Abs 1 StPO ist die Berechtigung der Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung wegen der dem Angeklagten angelasteten Taten zu bejahen (§ 212 Z 7 StPO).

Hinweise auf eine unrechtmäßige nachträgliche Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 205 Abs 2 StPO oder § 38 Abs 1 oder 1a SMG durch die Anklagebehörde ergeben sich aus den Akten nicht (Z 8 des § 212 StPO).

Da somit keiner der Fälle der Abs 2 bis 4 des § 215 StPO vorliegt, ist der Einspruch nach Abs 6 leg. cit. abzuweisen und die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festzustellen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung steht ein Rechtsmittel nicht zu (§ 214 Abs 1 StPO).

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