JudikaturOLG Graz

7Rs26/25k – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Kraschowetz-Kandolf (Vorsitz), die Richter Mag. Russegger und Mag. Reautschnig sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Färber (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Zimmermann (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Senatsmitglieder in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*, Beamtin, **, vertreten durch Mag. B*, Sekretär der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, **, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, Hauptstelle, **, vertreten durch Mag. C*, ebendort, wegen Versehrtenrente, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Februar 2025, GZ **-53, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist an der D* als Beamtin beschäftigt. Sie erkrankte im März 2023 an Covid-19. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf Versehrtenrente. Strittig ist, ob die Erkrankung durch die berufliche Beschäftigung in der D* verursacht wurde und ob diese ein Unternehmen mit vergleichbarer Gefährdung im Sinn der Nr. 3.1. Anlage 1, Spalte 3 ist.

Die detaillierten Feststellungen des Erstgerichtes (Urteilsseiten 4 bis 9), auf die verweisen wird, lassen sich zusammenfassen:

Die Klägerin arbeitet in der D* im Komplex des Mensa-Gebäudes. Ihr Büro befindet sich neben den Hörsälen, wobei die Tür zum Hauptbereich immer zu ist. Die Klägerin sitzt dort abgesondert mit zwei Kolleginnen. Eine dieser Kolleginnen hat einen separaten Raum für sich, wobei die Tür dorthin offen ist.

Studierende, die Fragen haben oder Unterlagen abgeben wollen, kommen zur Klägerin ins Büro. Daher hat die Klägerin quasi immer Kontakt zu den Studierenden, der aber in Corona Zeiten auf ca. fünf Kontakte pro Tag eingeschränkt war.

In der Woche vom 7. bis 13.3.2022 war die Klägerin überwiegend im Homeoffice. Sie war nur am Donnerstag, dem 10.3.2022 am Campus, um Unterlagen für den folgenden Welcome Day vorzubereiten. Bei diesem Institutsbesuch trug die Klägerin eine FFP2-Maske. Ansonsten hatte sie in der Woche vor der Veranstaltung keine Kontakte, ausgenommen zu ihrem Ehemann. Sie war nicht einkaufen oder sonstwo unterwegs.

Am 11.3.2022 fand an der D* ein „Welcome Day“ statt, der regelmäßig im Frühling und Herbst stattfindet. Daneben gibt es einen „Tag der offenen Tür“. Bei diesen Veranstaltungen hält sich die Klägerin nicht im Büro, sondern in der Mensa-Aula im Hauptgebäude auf, und zwar am Tag der offenen Tür in einer Koje (= großer Stand) und bei den Welcome Days bei einem kleinen Stand. Die Veranstaltungen sind sehr gut besucht. Darüber hinaus finden jedes Jahr im Juli (drei Tage) und im August (zwei Tage) Aufnahmeverfahren statt, an welchen jeweils ca. 300 Personen teilnehmen. Auch während dieser Tage hält sich die Klägerin überwiegend in der Mensa-Aula auf.

Am 11.3.2023 nahm die Klägerin am Welcome-Day teil. Es waren Schutzmaßnahmen einzuhalten, nämlich das Tragen von FFP2-Maske und Händedesinfektion. Die Klägerin und die Besucher trugen an diesem Tag FFP2-Masken. Insgesamt hielten sich, über den Tag verteilt, rund 1.600 Personen in der Aula der D* auf. Damals arbeitete die Klägerin am E*, konkret in der F*. Eine ihrer Hauptaufgaben war die Beratung potentieller Studierender. Das war auch am 11.3.2022 so. Die Klägerin war mit mehreren KollegInnen an einem Stand tätig. Der Stand wurde um 8.00 Uhr auf- und erst um 15.00 Uhr wieder abgebaut. Sie hatte sehr viel zu tun und nicht einmal Zeit, Mittagessen zu gehen. Sie konnte nur zwischendurch etwas essen und trinken. Dabei musste sie ihre FFP2-Maske herunter nehmen. Die Klägerin versuchte, entsprechenden Abstand zu den Auskunftssuchenden einzuhalten. Die Besucher haben am 11.3.2022 auch nicht ständig Masken getragen, sondern haben gegessen und getrunken und dabei ihre Masken abgenommen.

Am 11.3.2022 fühlte sich die Klägerin nicht krank. Ihre Beratungsgespräche dauerten pro Person ca. 15 bis 30 Minuten. Sie hatte dabei mit 20 Personen zu tun. Während dieser Beratungen - aber auch natürlich davor und danach - trug sie immer eine FFP2 Maske. Die Klägerin trug auch in der folgenden Woche durchgehend eine FFP2 Maske. Nach dem Welcome Day war die Klägerin vom 14.3.2022 bis zum 16.3.2022 im Büro tätig und hatte hier mit Kolleginnen Kontakt, die auch an der Veranstaltung am 11.3.2022 teilgenommen hatten. Auch diese erkrankten später zeitgleich an Covid 19.

Auch nach dem Welcome Day hatte die Klägerin privat nur mit ihrem Ehemann Kontakt, der schon in Pension ist und mit dem sie am Land lebt. In der Zeit vom 11. bis zum 16.3.2022 erledigte die Klägerin keine privaten Wege.

Die Klägerin erkrankte am 16.3.2022 an Covid 19. Sie fühlte sich plötzlich unwohl, verließ das Büro und unterzog sich einem PCR Test. Am selben Abend bekam sie stechende Kopfschmerzen und litt in weiterer Folge an Übelkeit, Schwindel, Durchfall, Schwäche, massiven Gliederschmerzen, Konzentrations und Orientierungsproblemen sowie Erinnerungslücken.

Aus internistisch rheumatologischer Sicht leidet die Klägerin an einem Zustand nach gesicherter Covid 19 Infektion im März 2022; coronare Herzerkrankung bei Zustand nach PCI und Stent der RCX 5.12.2017; nicht signifikante RCA Veränderungen: KHK II; Bei ihr liegen kardiovaskuläre Risikofaktoren vor: Metabolisches Syndrom mit Adipositas Grad I BMI 32,4; arterieller Hypertonus - behandelt; Fettstoffwechselstörung - behandelt; Hyperurikämie; Diabetes Mellitus Typ II - Frühstadium HbA1c 6,3; 14.3.2022; Contusio Coxae sin. - MR Hüftgelenk; 8/2022 Zustand nach Borrelieninfektion - antibiotisch behandelt. Bei der Klägerin liegen aus internistisch-rheumatologischer Sicht aufgrund der Covid 19 Infektion vom 16.3.2022 keine Dauerfolgen und keine Minderung der Erwerbsfähigkeit vor.

Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht leidet die Klägerin an einem Long Covid Syndrom und Fatigue und Brain Fog Syndrom . Die Klägerin ist seit der Covid 19 Infektion [vom März 2022] mit einem mehr oder weniger neuen Leben konfrontiert, das in allen Qualitäten eine massive Einschränkung auf unterschiedlichster Ebene mit sich brachte. Abgesehen von den auch aktuell noch bestehenden psychischen Beeinträchtigungen der Konzentration, der Aufmerksamkeit, der Informationsverarbeitung, aber auch der Merkfähigkeit, wirkt sich dies in allen Bereichen des täglichen Lebens aus und führt zu wiederholten Krankenständen. Neben den kognitiv psychischen Beeinträchtigungen bestehen bei der Klägerin auch Beeinträchtigungen der körperlichen Belastbarkeit. Weder im normalen Alltag, noch in der Freizeit kann die Klägerin auch nur annähernd bei Aktivitäten an ihre Leistungsfähigkeit vor der Covid Infektion anschließen. Die bisherigen Interventionen haben zu keinen nennenswerten Veränderungen bzw. zu keinen Verbesserungen geführt. Da es aktuell noch keine spezifische Therapie für das Krankheitsbild gibt, muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auch in Zukunft von dieser Symptomatik und den mit ihr einhergehenden Problemen beeinträchtigt wird. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht besteht bei der Klägerin seit März 2022 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 %. Die Covid Symptomatik der Klägerin hat sich durch die weitere Covid 19 Infektion im September 2022 nur unwesentlich verändert.

Zu den SARS CoV 2 Virusvarianten im Frühjahr 2022:

Die SARS CoV-2 Virusvarianten wurden im Rahmen eines Überwachungssystems von der AGES überwacht und in regelmäßigen Reporten berichtet. Im Frühjahr 2022 war in Österreich die Delta-Variante am häufigsten, die dann von der Omikron Variante abgelöst wurde. Allen der Ursprungs-SARS-CoV-2 nachfolgenden Virusvarianten war gemein, dass die Inkubationszeit 1-2 Tage kürzer als bei der Ursprungsvariante sein konnte. Die Klägerin erkrankte fünf Tage nach dem Welcome Day an Covid 19. Das entspricht der Inkubationszeit der Ursprungsvariante von Covid 19. Da die nachfolgenden Virusvarianten auch eine kürzere Inkubationszeit haben konnten, ist auch eine Ansteckung danach in jedem Fall möglich.

Ab 5.3.2022 kam es in Österreich zu zahlreichen Lockerungen. Die FFP2 Maskenpflicht galt nur mehr in Krankenhäusern, Pflegeheimen bzw. Supermärkten und öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Öffnung erfolgte aufgrund des deutlich milderen Verlaufs der Infektionen durch die Omikron-Variante von SARS-CoV-2. Aufgrund der dann doch sehr hohen Fallzahlen wurde die Maskenpflicht in Innenräumen mit 24. März 2022 wieder eingeführt, ebenso am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen. Durch das Tragen einer FFP2-Maske war die Klägerin einem geringeren Risiko ausgesetzt, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, insbesondere im Vergleich zu Personen der Allgemeinbevölkerung, für die keine Maskenpflicht mehr galt.

Aus infektiologischer Sicht kann nicht gesagt werden, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit sich die Klägerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit am sogenannte Welcome Day (11.3.2022) infiziert hat. Durch das Tragen einer FFP2-Maske war das Infektionsrisiko der Klägerin gegenüber der übrigen Bevölkerung, die keine allgemeine FFP2-Maskenpflicht mehr hatte, niedriger. Allerdings wurde die Maske zum Essen und Trinken mehrfach abgenommen, was die Schutzwirkung in diesen Momenten reduzierte. Das Infektionsrisiko war diesbezüglich dann gleich hoch, wie jenes der übrigen Bevölkerung. [F1] Eine berufliche Infektion der Klägerin am 11. März 2022 erscheint aus infektiologischer Sicht dennoch überwiegend wahrscheinlich, weil die Klägerin im fraglichen Zeitraum außer zu ihrem Ehemann keine weiteren sozialen Kontakte hatte (keine Einkäufe, keine privaten Treffen) und die Fahrt zur Arbeit alleine im Auto erfolgte. Aus infektiologischer Sicht gibt es keinen Parameter, der Long Covid zugeordnet werden kann.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 9.5.2023 Leistungen aus der Unfallversicherung an die Klägerin ab, weil keine Berufskrankheit vorliege.

Die Klägerin begehrt erstens festzustellen, dass ihr Long Covid Syndrom bzw. Fatigue und Brain Fog Syndrom Folge einer Berufskrankheit, nämlich der bei der Klägerin am 16.3.2022 diagnostizierten Covid 19 Infektion, ist, zweitens für die Folgen dieser Berufskrankheit eine Versehrtenrente im Ausmaß von 30 % der Vollrente ab 16.3.2022 im gesetzlichen Ausmaß und drittens die Verfahrenskosten ersetzt.

Ihre Covid 19 Infektion sei eine Berufskrankheit, weil Universitäten Unternehmen mit vergleichbarer Gefährdung seien und sie sich im beruflichen Umfeld angesteckt habe. Der Gesetzgeber habe sich bewusst entschieden, vergleichbare Unternehmen durch die Generalklausel zu erfassen und nicht die Liste um weitere Unternehmen zu erweitern. Vielmehr hätten alle anderen potentiell in Frage kommenden Unternehmen durch eine Generalklausel erfasst werden sollen (ErlRV 1234 BlgNR 20. GP 35 f). Die Universität sei ein vergleichbares Unternehmen in diesem Sinn, weil eine ähnliche Infektionsgefahr wie an Schulen bestehe. Wie bei der Tätigkeit in Schulen komme es bei der Tätigkeit an einer Universität zu vermehrten engen Kontakten mit (externen) Personen. In Wahrheit gehe es um das ständige Zusammentreffen mit einer großen Anzahl anderer Menschen, die möglicherweise ansteckende Krankheiten haben. Der Gesetzgeber habe keine Altersbeschränkung oder Einschränkung auf Kinderkrankheiten vorgenommen. Studierende müssten sich in geschlossenen Räumen aufhalten, diese öfter wechseln als Schüler und dabei mehr Personen im Nahebereich begegnen. Ebenso wie bei Schulen handle es sich bei Universitäten um öffentlich finanzierte Bildungseinrichtungen in welchen eine große Anzahl an Personen (Studierende, Lehrpersonal, Verwaltungspersonal) in teils engen Räumen aufeinandertreffe. Hörsäle oder Seminarräume sowie Verwaltungsräume an Universitäten hätten ein mit Schulklassen vergleichbares Fassungsvermögen, wobei Hörsäle das Fassungsvermögen von Schulklassen regelmäßig um ein Vielfaches überschreiten würden. An Universitäten liege ebenso ein besonderes Infektionsrisiko - vergleichbar mit Schulen - vor, welches aus dem Zusammenkommen einer Vielzahl von Personen an einem Ort mit einem länger dauernden Aufenthalt in Innenräumen zum Zweck des Unterrichts resultiere. Es komme dabei nicht auf die konkreten einzelnen Berufstätigkeiten an, sondern auf die abstrakte Gefährdung.

Die Klägerin habe sich beim Welcome Day der Universität angesteckt, bei dem sie Auskunftssuchende am Beratungsstand der „F*“ betreut habe. Die Aula sei gut besucht gewesen. Die Klägerin habe unzählige Beratungsgespräche mit externen Personen geführt. Einige Kolleginnen, die die Klägerin in den darauf folgenden Tagen am Gang beim Kopiergerät getroffen habe, seien auch am Welcome Day vertreten gewesen und hätten sich auch nachweislich mit Covid 19 infiziert.

Die Beklagte beantragt, die Klagebegehren abzuweisen. Es liege keine Berufskrankheit vor.

Universitäten seien in der Spalte 3 der Liste der Berufskrankheiten Nr. 38, Anlage 1 zum ASVG nicht genannt und auch keine vergleichbaren Unternehmen. Die Generalklausel sei als Reaktion darauf erfolgt, dass der bestehende Unternehmensbegriff als zu eng erkannt worden sei, weil Infektionskrankheiten auch in Unternehmen aufträten, die nicht in der Liste angeführt seien, in denen aber eine vergleichbare Gefährdung bestehe. In den Materialien seien der "gesamte Bereich der Müllentsorgung" oder Labore genannt, in denen nicht (wie in der Auflistung der Nr. 38 gefordert) wissenschaftliche oder medizinische Untersuchungen durchgeführt würden. Bei der Einstufung als geschütztes Unternehmen komme es darauf an, ob die dort beschäftigten Personen regelmäßig in einem ganz besonderen Ausmaß der Gefahr von Ansteckungen ausgesetzt seien, und zwar unter ganz normalen alltäglichen Bedingungen. Auf die konkrete Tätigkeit komme es dabei nicht an. Die Klägerin habe in der Berufskrankheitenmeldung (COVID-19) angegeben, dass während der Dienstverrichtung Covid-19 Schutzmaßnahmen einzuhalten gewesen seien. Dadurch sei das Infektionsrisiko zusätzlich reduziert gewesen. Somit sei die am 16. März 2022 diagnostizierte COVID-19 Infektion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bei der beruflichen Tätigkeit am Welcome-Day aufgetreten. Auch wenn die Regeln des Anscheinsbeweises modifiziert anzuwenden seien, trage die objektive Beweislast die versicherte Klägerin. Selbst unter der Annahme, dass die D* als vergleichbares Unternehmen im Sinne der Nr. 38 der Anlage 1 zum ASVG einzustufen wäre, sei damit der Anscheinsbeweis nicht erbracht.

Das Erstgericht weist das Klagebegehren ab, wobei es vom soweit strittig kursiv dargestellten Sachverhalt ausgeht. Es folgert rechtlich, nach § 92 Abs 1 B KUVG und Nr. 3 der Anlage 1 zum ASVG würden Infektionskrankheiten als Berufskrankheiten gelten, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in Krankenhäusern, Heil und Pflegeanstalten, Entbindungsheimen und sonstigen Anstalten, die Personen zur Kur und Pflege aufnehmen, in öffentlichen Apotheken, in Einrichtungen der Fürsorge, in Schulen, Kindergärten und Säuglingskrippen, im Gesundheitsdienst, in Laboratorien, für wissenschaftliche und medizinische Untersuchungen und Versuche, in Justizanstalten und Hafträumen der Verwaltungsbehörden oder in Unternehmen, in denen eine „vergleichbare Gefährdung“ bestehe, verursacht worden seien. Universitäten seien in der Spalte 3 in Nr. 3 der Anlage 1 zum ASVG nicht angeführt. Die Qualifikation der Covid 19 Infektion der Klägerin als Berufskrankheit würde voraussetzen, dass in Universitäten eine vergleichbare Gefährdung bestehe. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers erfasse die Generalklausel den Bereich der Müllentsorgung oder Labore, in denen Blutderivate erzeugt würden. Maßgeblich sei die abstrakte, typischerweise im Unternehmen bestehende Gefährdung, so dass es erforderlich sei, unabhängig von der konkreten Tätigkeit des Versicherten die Gefährdung im Unternehmen zu betrachten. Daher komme es auf die konkrete universitäre Tätigkeit der Klägerin nicht an. Diese sei nach den getroffenen Feststellungen ohnehin so gestaltet, dass die Klägerin bei durchschnittlicher Betrachtung bzw. im Regelfall keiner besonderen bzw. erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sei. Die Klägerin habe sich beim Welcome Day angesteckt, der nur zweimal pro Jahr stattfinde. Auch wenn man die vergleichbaren Veranstaltungen mit hohem Personenaufkommen, wie etwa dem Tag der offenen Tür oder die Tage des Aufnahmeverfahrens berücksichtigen würde, wäre die Klägerin bei durchschnittlicher Betrachtung im Regelfall nicht in einem ganz besonderen Ausmaß der Gefahr von Ansteckungen ausgesetzt. Universitäten seien auch nicht mit Schulen vergleichbar, weil der Schul- mit dem Universitätsbetrieb schon grundsätzlich nicht vergleichbar sei. Der Besuch der Universitäten erfolge in der Regel freiwillig, was beim Besuch der Pflichtschulen nicht der Fall sei. Für Universitätsbedienstete bestehe die Möglichkeit, einen entsprechenden Abstand zu den Studierenden einzuhalten, was in Schulen, insbesondere in Volks- und Hauptschulen sowie Mittelschulen im Unterstufenbereich, nicht immer der Fall sei. In solchen Schulen könne es schon vorkommen, dass Schulbedienstete von mitunter kranken Kindern umarmt oder aus nächster Nähe angehustet und/oder angespuckt werden. Insoweit bestehe bei den Schulen eine erhöhte Infektionsgefahr, welche für Universitätsbedienstete in der Regel nicht anzunehmen sei. Universitäten seien daher kein „vergleichbares Unternehmen“ im Sinne der Nr. 3 der Anlage 1 zum ASVG.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin allein aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt, das Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben, und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in der Berufungsbeantwortung , in der sie auch eine Beweisrüge zur Feststellung [F1] erhebt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung , über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.

1. Zur Beweisrüge der Beklagten:

1.1. Die Beklagte bekämpft mit Beweisrüge die Feststellung [F1] Eine berufliche Infektion der Klägerin am 11. März 2022 erscheint aus infektiologischer Sicht dennoch überwiegend wahrscheinlich,“ und begehrt die Ersatzfeststellung [EF1] Es ist nicht feststellbar, wann und wo die Infektion der Klägerin mit Covid-19 erfolgte.“ Diese Feststellung sei unrichtig, weil die Sachverständige sie rein auf die Aussage der Klägerin stütze. Die Sachverständige dürfe aber die Schilderungen des Privatlebens der Klägerin nicht beweiswürdigend werten. Darüber hinaus sei es ab 5. März 2022 in Österreich zu zahlreichen Lockerungen gekommen, die FFP2 Maskenpflicht habe nur mehr in Krankenhäusern, Pflegeheimen bzw. Supermärkten und öffentlichen Verkehrsmitteln bestanden. Durch das Tragen einer FFP2-Maske sei die Klägerin eben einem geringeren Risiko ausgesetzt gewesen, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, insbesondere im Vergleich zu Personen der Allgemeinbevölkerung, für die keine Maskenpflicht mehr bestanden habe. Auch habe es im März 2022 die höchsten Infektionszahlen überhaupt gegeben, sodass eine Ansteckung jederzeit und überall möglich gewesen sei. Es entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Klägerin damals fünf Tage lang keine einzige private Erledigung verrichtet habe. Das Erstgericht habe ausgeführt, dass die Klägerin bei durchschnittlicher Betrachtung im Regelfall keinem ganz besonderen Ausmaß der Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen sei.

1.2. Die Beweiswürdigung gemäß § 272 ZPO obliegt primär dem erkennenden Gericht. Ob die für die Feststellung einer Tatsache erforderliche Wahrscheinlichkeit vorliegt, wohnt eine gewisse Bandbreite inne, sodass es von den objektiven Umständen des Anlassfalles und der subjektiven Einschätzung des Entscheidungsorgans abhängt, wann es diese Wahrscheinlichkeit als gegeben ansieht (vgl RS0110701 [T3]). Es hat dabei die Gründe soweit auszuführen, dass ihnen entnommen werden kann, aus welchen Erwägungen es diese Überzeugung gewonnen hat ( RS0043175 , RS0110701 ). Das Erstgericht führte ein ausführliches Beweisverfahren und überprüfte wiederholt die Einwände der Beklagten zur Kausalität. Es erklärte im Rahmen seiner kurzen aber präzisen Beweiswürdigung, die sich mit den Verfahrensergebnissen auseinandersetzt, schlüssig, wie es zu dieser Feststellung gelangte. Es stützte diese Feststellung auf das Sachverständigengutachten Univ. Prof. Dr. G*, MBA (vgl ON 39, 17 Punkt 3. und ON 50, 2) und die Aussage der Klägerin, die es aufgrund des persönlichen Eindruckes für überzeugend hielt. Das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung führte dabei zu einem plausiblen Schluss, weil die Klägerin - diese Feststellungen bekämpft die Beklagte nicht - zu dieser Zeit nur Kontakte mit ihrem Ehemann hatte, der schon in Pension ist (vgl Urteilsseite 5). Es steht auch unbekämpft fest, dass die Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz nicht immer eingehalten wurden (vgl Urteilsseite 5), wodurch bereits ein kurzer Kontakt ausreichen konnte, um sich anzustecken (Urteilsseite 8). Eine Tatsachen- und Beweisrüge kann aber nur erfolgreich sein, wenn stichhältige Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichts aufgezeigt werden ( RS0043175 ; Rechberger in Fasching Konecny 3 III/1 § 272 ZPO, Rz 4, 6, 9 und 11; EFSlg 124.960; EFSlg 118.164). Das gelingt der Beklagten in ihrer Beweisrüge aber nicht. Sie zeigt nur einzelne Beweisergebnisse auf, die für ihren Standpunkt sprechen, einer Gesamtwürdigung aber nicht standhalten und damit die Beweiswürdigung nicht in Zweifel ziehen können ( RS0041835 ; Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 471 ZPO Rz 15). Die Beweisrüge bleibt auch schon deshalb erfolglos, weil nicht dargelegt wird, welche konkret unrichtige Beweiswürdigung überhaupt vorliegen soll. Der bloße Hinweis, auf die allgemeine Lebenserfahrung überzeugt hier nicht. Im März 2022 befand sich die Republik noch im Ausnahmezustand. Zahllose, gerade ältere Personen, verbrachten ihre Freizeit allein und zuhause aus Angst, sich anzustecken oder, weil sie sich damit nach den wiederholten Lockdowns abgefunden hatten. Für die Klägerin endete der letzte Lockdown überhaupt erst am 31.1.2022 (vgl ON 10, 2). Die Beklagte zeigt daher keine beweiswürdigenden Erwägungen auf, die das Erstgericht veranlassen mussten, richtigerweise zur begehrten Ersatzfeststellung zu gelangen ( RS0041835 ; Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 471 ZPO Rz 15). Das Erstgericht unterschied in den Feststellungen auch sehr präzise zwischen der Gefährdung im Unternehmen (Universität) und jener durch die konkrete Tätigkeit der Klägerin, während die Beweisrüge das argumentativ vermischt.

Die Beweisrüge bleibt daher erfolglos.

Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung gemäß § 2 Abs 1 ASGG iVm § 498 Abs 1 ZPO den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde.

Davon ausgehend versagt die Rechtsrüge.

2. Das Berufungsgericht hält die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts für zutreffend, die Rechtsmittelausführungen hingegen aus folgenden Gründen für nicht stichhältig (§ 500a ZPO):

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat zur Berufskrankheit Nr 38 (Nr 3.1.) mehrfach betont, dass eine Gesundheitsstörung verschiedene Ursachen haben kann und vor allem bei Infektionskrankheiten unterschiedlichste Ansteckungsquellen und Übertragungswege in Betracht kommen, die sich im Nachhinein weder sicher eruieren noch auf eine berufliche Tätigkeit zurückführen lassen (vgl 10 ObS 74/16d; 10 ObS 159/88 ua; 10 ObS 68/23g). Sinn und Zweck der Nr 38 (Nr 3.1.) der Anlage 1 besteht darin, nur jenen Personen (Unfallversicherungs-)Schutz bei einer Erkrankung an einer Infektionskrankheit zu gewähren, die aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in genau definierten Unternehmen einer besonderen Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind (vgl 10 ObS 149/22t [Rz 24]; 10 ObS 39/23t [Rz 17]; RS0085380). Das Erstgericht hat schon zutreffend darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Vorgaben klar zeigen, dass der Gesetzgeber nicht auf eine Lückenlosigkeit des Systems abzielt, indem jede irgendwie mit der Berufstätigkeit in Zusammenhang stehende Infektionskrankheit als Berufskrankheit anzuerkennen ist (RS0120384). Die Anerkennung als Berufskrankheit setzt vielmehr voraus, dass der Versicherte in einem in Anlage 1 zum ASVG angeführten Unternehmen tätig war. Der Oberste Gerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, dass eine Krankheit für manche Berufsgruppen eine Berufskrankheit darstellt, für andere aber nicht (RS0054077; 10 ObS 1/23d [Rz 10]; RS0120384). Dass Nr 38 (Nr 3.1.) Anlage 1 zum ASVG auf Unternehmen mit vergleichbarem Risiko , aber nicht auf Tätigkeiten abstellt, macht es erforderlich, unabhängig von der konkreten Tätigkeit des Versicherten die Gefährdung im Unternehmen zu betrachten (RS0134302). Die in Nr 38 (Nr 3.1.) der Anlage 1 aufgezählten Unternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass die dort beschäftigten Personen nach durchschnittlicher Betrachtung und im Regelfall in einem ganz besonderen Ausmaß der Gefahr von Ansteckungen ausgesetzt sind, während das bloße Risiko, mit allenfalls Infizierten kurz in Kontakt zu kommen, dem alle Erwerbstätigen ausgesetzt sind, die im intensiven, ständigen Kontakt mit Menschen stehen, nicht hinreicht, um Infektionskrankheiten als Berufskrankheit zu qualifizieren (10 ObS 114/24y 10 ObS 74/16d; 10 ObS 1/23d [Rz 12]; vgl bereits 10 ObS 159/88; 10 ObS 175/88; RS0085380).

2.2. Für die Auslegung von Gesetzen sehen §§ 6 und 7 ABGB eine Reihe von Kriterien vor: § 6 ABGB stellt sowohl auf die „eigentümliche Bedeutung der Worte“, und zwar „in ihrem Zusammenhang“ ab, was der Wortinterpretation unter Berücksichtigung des Bedeutungszusammenhangs und der Gesetzessystematik entspricht, als auch auf die „klare Absicht des Gesetzgebers“ und schreibt damit die Erforschung der Absicht des Gesetzgebers vor (8 Ob 563/85). Dabei sind die einzelnen Auslegungsmethoden nicht mechanisch hintereinander anzuwenden, es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und unter Heranziehung aller zur Verfügung stehender Kriterien in wertender Entscheidung der Sinn einer Regelung klarzustellen (RS0008877; 8 Ob 563/85; 5 Ob 233/22h; 10 ObS 82/23s). Dass selbst der eindeutige Gesetzeswortlaut keine unübersteigbare Grenze juristischer Argumentation darstellt, ist auf Grundlage des § 7 ABGB in der Rechtsprechung anerkannt (vgl RS0008765 [T1]). In Fällen, in denen das Gesetz in seinem wörtlichen Verständnis offenbare Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung provozieren müsste, mit dem bestehenden Wertekonsens innerhalb der Rechtsgemeinschaft unvereinbar oder der „Natur der Sache“ zuwider wäre, ist die Heranziehung von historischem Interpretationsmaterial erforderlich. Gelingt in einem solchen Fall der Nachweis einer vom Wortlaut abweichenden Absicht des Gesetzgebers, so wird diese, unterstützt von den objektiv-teleologischen Argumenten, durchdringen (RS0008765; 10 ObS 126/88; vgl 5 Ob 118/07z; 5 Ob 6/11k). Dabei geht es darum, einem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzgebers, der mit der Gesetzessystematik und ihren zugrunde liegenden Wertungen im Einklang steht, über einen unzulänglich formulierten Gesetzestext hinaus zum Durchbruch zu verhelfen (vgl RS0009100; RS0008763; 10 ObS 82/23s).

2.3. Durch Aufnahme der Infektionskrankheiten in den Katalog der Anlage 1 sollte der Unfallversicherungsschutz eingeschränkt und keine weitere Anspruchsgrundlage mit erleichterter Beweisführung geschaffen werden ( Rudolf Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 177 ASVG Rz 52 (Stand 1.8.2024, rdb.at)). Es ist davon auszugehen, dass die typische Gefährdung von Beschäftigten in Krankenhäusern und sonstigen Gesundheitseinrichtungen im Sinn der Nr 38 (Nr 3.1.) der Anlage 1 bei generell-abstrakter Betrachtung darauf zurückzuführen ist, dass diese in den besagten Einrichtungen mehr als gewöhnlich Krankheitserregern ausgesetzt sind (10 ObS 149/22t [Rz 24]). Die Schulen wurden mit BGBl 1969/17 in die Liste der erfassten Unternehmen aufgenommen, weil auch die in diesen Einrichtungen Beschäftigten einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt seien und konkret für das Personal von Kindergärten und Säuglingskrippen die Gefahr der Ansteckung mit Kinderkrankheiten , aber auch mit Tuberkulose und Darminfektionen besonders groß sei; ähnliche Überlegungen würden für Lehrpersonen und Bedienstete in Justizanstalten gelten (ErläutRV 1059 BlgNR 11. GP 29; 10 ObS 149/22t [Rz 26]). Mit BGBl I 1998/138 wurde schließlich die Generalklausel angefügt: Erfasst sind demnach auch Infektionskrankheiten in „Unternehmen, in denen eine vergleichbare Gefährdung besteht“. Beispielhaft genannt werden in den Materialien der „gesamte Bereich der Müllentsorgung“ oder Labore , in denen nicht (wie in der Auflistung der Nr 38 gefordert) wissenschaftliche oder medizinische Untersuchungen durchgeführt werden. Es sollten vielmehr alle anderen potentiell in Frage kommenden Unternehmen durch eine Generalklausel erfasst werden (ErläutRV 1234 BlgNR 20. GP 35 f; 10 ObS 149/22t [Rz 27]). Ausgangspunkt der Überlegungen des Gesetzgebers waren somit Betriebe des Gesundheitswesens, wo sich regelmäßig und gehäuft Kranke aufhalten und mit denen regelmäßig ein (enger) Kontakt besteht. Dass Apotheken genannt sind, folgt aus dem gleichen Grund und zeigt, dass auch kurzfristige Kontakte mit Kranken, die Medikamente erwerben, vom Gesetzgeber als typisch schutzwürdig angesehen wurden. Hingegen wurden erst später Schulen und Haftanstalten aufgenommen, weil dort die Gefahr besonders groß ist, sich mit Kinderkrankheiten , aber auch mit Tuberkulose und Darminfektionen anzustecken; ähnliche Überlegungen gelten auch für Lehrpersonen und Bedienstete in Justizanstalten. Damals standen die durch Blut übertragbaren Krankheiten (etwa Hepatitis und auch AIDS) im Vordergrund (vgl die medizinischen Grundlagen zur BK 38 in Wolf/​Schneider/​Gerstl-Fladerer (Hrsg), Berufskrankheiten, Handbuch für die rechtliche und medizinische Praxis (2012)), was auch erklärt, warum die Materialien zur (späteren) Einführung der Generalklausel den „gesamte Bereich der Müllentsorgung“ oder Labore nennen. Dort kann es durch unwillkürlichen Kontakt, etwa zu Spritzen, zu Verletzungen kommen. Ausgangspunkt der Analogie bildet aber somit die typische Gefährdung von Beschäftigten in Unternehmen, die bei generell-abstrakter Betrachtung darauf zurückzuführen ist, dass dort mehr als gewöhnlich mit Krankheitserregern Kontakt besteht.

2.4. Das Argument der Klägerin, die Universität sei ein vergleichbares Unternehmen im Sinn der Anlage 1, weil eine ähnliche Infektionsgefahr wie an Schulen bestehe, greift daher zu kurz . Es trifft zwar zu, dass sich der Gesetzgeber bewusst dazu entschied, vergleichbare Unternehmen durch die Generalklausel zu erfassen und nicht die Liste um weitere Unternehmen zu erweitern. Schulen und Haftanstalten wurden aber schon früher und deshalb in die Liste aufgenommen, weil dort die Gefahr als besonders groß betrachtet wurde, sich mit Kinderkrankheiten , aber auch mit Tuberkulose und Darminfektionen anzustecken. Ein solches Risiko verwirklichte sich bei der Klägerin aber nicht. Im typischen Regelfall besuchen gesunde Erwachsene die Universität, die sich dort freiwillig und nicht über längere Zeit aufhalten. Davon scheint auch die Klägerin auszugehen. Es besteht auch regelmäßig, abgesehen von Pflichtübungen, keine Anwesenheitspflicht. Der typische, bloß kurzfristige Kontakt in einzelnen Vorlesungen oder Übungen reicht nicht aus, weil er nicht, wie zum Beispiel in Apotheken oder in Krankenhäusern, typisch häufiger zu kranken Personen stattfindet. Ein gesichtsnaher Kontakt, wie bei Friseuren, Kosmetikern, Optikern oder Justizwachebeamten ist bei Studenten - im (professionellen) universitären Umfeld - ebenso nicht typisch. Somit war auch die Klägerin an der D* - abstrakt, unter den typischen Bedingungen einer (nicht medizinischen) Universität - im Vergleich zu Personen der Allgemeinbevölkerung keinem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren. Dass der gesamte Bereich der Müllentsorgung und Labore, in denen Blutderivate erzeugt werden, die der Gesetzgeber als Grund für die Generalklausel anführte, nicht vergleichbar ist, erkennt die Klägerin in der Berufung selbst. Das bloße Risiko, mit allenfalls Infizierten kurz in Kontakt zu kommen, dem alle Erwerbstätigen ausgesetzt sind, die im intensiven, ständigen Kontakt mit Menschen stehen, reicht aber nicht, um Infektionskrankheiten als Berufskrankheit zu qualifizieren (10 ObS 74/16d; 10 ObS 1/23d Rz 12; vgl bereits 10 ObS 159/88; 10 ObS 175/88; RS0085380; 10 ObS 114/24y).

2.5. Soweit die Klägerin sich auf Tomandl beruft, der vertritt, es komme in Wahrheit nur auf das ständige Zusammentreffen mit einer großen Anzahl anderer Menschen an, die möglicherweise ansteckende Krankheiten haben, weil der Gesetzgeber keine Altersbeschränkung oder Einschränkung auf Kinderkrankheiten vorgenommen habe (vgl 10 ObS 149/22t [Rz 31]), so ist dem daher nicht zu folgen. Die Klägerin lässt auch unerwähnt, dass Tomandl gleichzeitig dafür eintritt, eine einschränkende Auslegung vorzunehmen, die auf die konkrete Tätigkeit des Versicherten abstellt und nach der Infektionskrankheiten des Verwaltungspersonals in Krankenanstalten oder Schulen, das mit den Patienten oder den Kindern nicht (regelmäßig) in Kontakt kommt, keine Berufskrankheiten im Sinn der Nr 38 wären (vgl 10 ObS 149/22t [Rz 321]), was dem Gesetzeszweck widerspricht (10 ObS 114/24y). Das Erstgericht hat darauf schon zutreffend hingewiesen.

2.6. Eine Infektionskrankheit kann unter Bedingungen einer Pandemie grundsätzlich nur dann als Berufskrankheit gelten, wenn die Wahrscheinlichkeit, sich an jedem anderen Ort (vor allem auch in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Supermärkten) vergleichbarer Ansammlungen von Menschen anstecken zu können, deutlich geringer ist, wie an den gefährdenden Arbeitsplätzen ( Rudolf Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 177 ASVG Rz 19/3 (Stand 1.8.2024, rdb.at); Gebhardt/Perktold, COVID-19: Berufskrankheit und Arbeitsunfall, SozSi 2022, 60). Warum aber das Risiko, an einer Vorlesung teilzunehmen, deutlich höher sein sollte als bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, stellt die Klägerin nicht dar.

2.7. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Erkrankung der Klägerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konkret ursächlich auf betriebliche Einwirkungen zurückzuführen war (RS0084375 [T1] Rudolf Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 177 ASVG Rz 19/2 (Stand 1.8.2024, rdb.at)). Die objektive Beweislast dafür trifft den Versicherten (RS0043249). Ob der Anscheinsbeweis (RS0110571) hinsichtlich des haftungsbegründenden Zusammenhangs gelungen ist (RS0084375; vgl zum Kausalitätsbeweis im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion: 10 ObS 132/22t), ist eine Beweisfrage (RS0086050 [T2, T11]; RS0022624). In Sozialrechtssachen ist der Anscheinsbeweis aber nur dann entkräftet, wenn dem atypischen Geschehensablauf zumindest die gleiche Wahrscheinlichkeit zukommt (10 ObS 88/17i; RS0040266 [T9]).

Die Berufung bleibt daher erfolglos.

3. Die Klägerin verzeichnet keine Kosten.

4. Die entscheidungswesentliche Frage konnte auf Basis höchstgerichtlicher Judikatur anhand der Umstände des Einzelfalls gelöst werden. Da somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt, besteht kein Anlass, die ordentliche Revision zuzulassen.

Rückverweise