7Rs1/25h – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Senatspräsidentin Dr. in Kraschowetz-Kandolf als Vorsitzende, die Richter Mag. Reautschnig und Mag. Russegger sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. a Loh und Mag. a Kolmayr (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) als weitere Senatsmitglieder in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , Landwirt, **, vertreten durch die Prutsch-Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen , pA Landesstelle **, **, im Berufungsverfahren nicht vertreten, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten , über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Oktober 2024, GZ **-31, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung , deren Kosten die klagende Partei selbst zu tragen hat, wird nicht Folge gegeben.
Die Revision ist nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war während des gesamten Zeitraums 1.12.2002 bis 31.1.2023 als selbstständiger Landwirt tätig. Die Tätigkeiten des Klägers von 2004 bis 2017 gliedern sich wie folgt auf (Mittelwerte):
1. Ackerbau (inkl Trocknungsarbeiten für Käferbohnen, Kürbis)
2. Forstarbeit
3. Wiesenbewirtschaftung
4. Obstbau
5. Gemüseanbau (Tunnel)
6. Instandhaltung (Tunnel)
7. Instandhaltung (Maschinen)
Der Kläger verfügt [jedenfalls bezogen auf das Jahr 2023] über einen Eigengrund von 11,44 ha und einen Pachtgrund von 0,58 ha in ebenem Gelände.
Die Tätigkeiten wurden laut Angaben des Klägers so ausgewertet, dass sie den einzelnen Monaten im Jahresverlauf zugeordnet wurden. Eine Bewertung der ausgeübten Tätigkeiten an den einzelnen Tagen eines Monats konnte nicht berücksichtigt werden, zumal vom Kläger keine genauen Arbeitszeitaufzeichnungen gemacht wurden und sich damit auch kein Hinweis auf konkrete Tage ergibt, an denen er beispielsweise Forstarbeit erledigte.
Der Kläger arbeitete in diesem Zeitraum im Durchschnitt 2.945,7 Stunden pro Jahr. Sonntage (= 52 Tage/Jahr), an denen der Kläger nicht arbeitete, sowie Tage, an denen er Urlaub machte, wurden von den 365 Tagen abgezogen, sodass der Kläger im Jahr durchschnittlich an 300 Tagen arbeitete, womit sich eine tägliche Arbeitszeit von 9,82 Stunden ermittelt. Die Arbeitszeit unterlag saisonalen Schwankungen.
Der Betrieb des Klägers wird pauschaliert geführt. Das Personal wird über die Steuerberatung an- und abgemeldet. Die Ehefrau des Klägers arbeitet Vollzeit im Betrieb mit. Der Bauernhof des Klägers und die Landwirtschaft seines Sohns werden getrennt geführt. Der Sohn des Klägers arbeitet auch nicht mit. Die erzeugten Hackschnitzel werden für die Hallen, das Wohnhaus und das Haus des Sohns verwendet. Die produzierten Gemüse- und Obstsorten haben sich in den letzten 20 Jahren immer wieder verändert; zB wurde die Produktion von Tomaten und Paprika auf den Ab-Hof-Verkauf reduziert. Der Verkauf des Vogerlsalats erfolgt entweder ab Hof oder mittels Marktfahrer. Der Verkauf von Salat und Tomaten erfolgte über die „B* GmbH“. Die Himbeeren wurden über „C* GmbH“ verkauft. Von 2008 bis 2015 baute der Kläger auch die Heidelbeeren an, welche Obstsorte nunmehr vom Sohn des Klägers weitergeführt wird, der einen eigenen Betrieb führt. Aus der Forstarbeit werden ca 200 m³ Hackschnitzel bzw 5 m³ Scheitholz für den Eigenbedarf hergestellt. Der Kläger hat für die Forstarbeit keine Helfer.
Es wurden durchgängig Maschinen mit geringer Mechanisierung angesetzt. Somit wurden auch entsprechende Manipulationsvorgänge mit manuellen Tätigkeiten berücksichtigt; dies ebenso bei der Forstarbeit. Diese wurde mit ganz normaler Motorsäge, Seilwinde und einem Traktor bewertet, wobei die vom Kläger benutzte Kette einer Seilwinde gleichzusetzen ist.
Im Ackerbau werden Mais, Käferbohnen, Kürbis und Getreide angebaut. Käferbohnen und Kürbiskerne werden nach der Ernte noch getrocknet.
Die Wiesenfläche wird mit einem Mulchgerät viermal im Jahr bearbeitet.
An Obst wird Holunder, Heidelbeere und Himbeere angebaut.
Der Gemüseanbau wird für Tomaten, Vogerlsalat und Salat aufgeteilt wie folgt:
Tomaten setzen: 80 Stunden bzw 5%
Tomaten aufbinden: 80 Stunden bzw 5%
Tomaten ernten: 840 Stunden bzw 52,2%
Tomaten ausreißen: 80 Stunden bzw. 5%
Vogerlsalat aussäen: 240 Stunden bzw 14,9%
Salat setzen: 110 Stunden bzw 6,8%
Salat ernten: 180 Stunden bzw 11,2%
Die Instandhaltung der Folientunnel (1,7 ha) besteht im Wesentlichen aus dem Bespannen der Folien für die Tunnel.
Die Instandhaltung der Maschinen wird für die bei der landwirtschaftlichen Tätigkeit erforderlichen Maschinen, Werkzeuge und Gebäude herangezogen. Ein Fachmann hilft dem Kläger bei den Gebäudeinstandhaltungsarbeiten. Der Kläger hat 3 Traktoren, 2 Stück Pflug, Feldspritze, Motorfräse, Motormäher, Mulcher, Miststreuer, Kipper sowie Bewässerungsaggregate und Bewässerungspumpen.
Der Kläger beschäftigt 25 Saisonarbeitskräfte, welche die Pflege- und Erntearbeiten von Mai bis Oktober machen. Die Saisonarbeitskräfte sind je nach Bedarf 12 bis 20 Wochenstunden von Mai bis Oktober (Schwerpunkt Juli/August) beschäftigt. In der übrigen Zeit sind um die 4 bis 5 Arbeitskräfte beschäftigt. Die Saisonarbeitskräfte sind mit dem Aufbinden der Beerenruten, händischer Unkrautbekämpfung und Düngung, Tomaten, Himbeeren ausgeizen sowie Erntearbeiten (Pflücken der Beeren, Tomaten sortieren und verpacken) beschäftigt. Durch den Kläger selbst erfolgt die Mitarbeiterführung, Düngung und Pflanzenschutz mit dem Traktor, der Erntetransport, die Instandhaltung bei den Tunnelanlagen, das Vorbereiten und Verteilen der Geräte und Kisten für die Ernte sowie die Qualitätskontrolle 10 bis 12 Stunden täglich. Für die Arbeitsorganisation, Arbeitseinteilung, Büroarbeit und Buchhaltung wendet der Kläger ca 4 bis 5 Stunden pro Woche auf.
Die Tätigkeiten des Klägers lassen sich – ausgehend von einer Arbeitszeit von 9,82 Stunden (122,74 %) wie folgt aufteilen:
Die ermittelte Arbeitsenergie wurde berechnet. Diese Werte sind angepasst an die Betriebssituation beim Kläger. Es wurden Durchschnittswerte herangezogen. In der Gruppierung „Salat setzen“ sind die gesamten Tätigkeiten einer Ernte enthalten.
Über den Zeitverlauf gibt es unterschiedliche saisonale Begebenheiten, und damit schwankt auch über das Jahr der Arbeitsenergieumsatz. In den Zeiten, wo beispielsweise Forstarbeit verrichtet wird, wurde ein höherer Arbeitseinsatz berücksichtigt und ein höherer Kalorienverbrauch als bei der Tomatenernte, weil die Schwere der Tätigkeit eine andere ist.
Die Berechnung wurde derart durchgeführt, dass der Kläger sämtliche Arbeiten allein durchführen muss, und zwar ohne Helfer. Dem Kläger wurden alle schweren Arbeiten ohne Helfer angerechnet.
Es wurden die stärksten Jahre beim Kläger herausgeholt, in denen er die meisten Obst- und Anbauflächen hatte. Wenn in den stärksten Jahren nicht Schwerarbeit zustande kommt, dann ist das in den Jahren, wo weniger Stunden an Gemüse- und Obstbau angegeben wurden, sicherlich auch nicht der Fall.
Die Berechnung der Arbeitsenergie wird auf Basis einer normierten Person durchgeführt. Es stehen daher die Tätigkeiten bzw der Arbeitsplatz im Vordergrund und nicht die persönlichen Voraussetzungen.
Die Tätigkeit „Vogerlsalat ernten und säen“ beinhaltet sowohl das Aussäen als auch die Ernte sowie das Waschen des Vogerlsalats. Entsprechende Haltungen wie Bücken und händische Besorgungen sind vollinhaltlich enthalten. Minusgrade beim Ernten des Vogerlsalats wurden nicht berücksichtigt, weil solche nicht den ganzen Tag über bei der Ernte vorherrschen.
Die angeführten Gewichte (von bis zu 100 kg und 1.000,00 Kisten à 7 kg) beim Salatsetzen wurden ebenfalls berücksichtigt. Beim Salatsetzen und -ernten besteht ein höherer Arbeitsenergieumsatz als beim Vogerlsalat säen und ernten, der in nur einem einzigen Wert zusammengeführt ist.
Im vorliegenden Fall liegt keine konstante Prozesswärme bzw Prozesskälte vor, weshalb kein Korrekturfaktor berücksichtigt werden konnte. Es ist natürlich Hitze im Sommer üblich, aber nicht über das ganze Jahr konstant, sodass gegenständlich kein Korrekturwert herangezogen wurde. Es handelt sich (auch) um keinen Hitzearbeitsplatz. Im vorliegenden Fall ist es nicht so, dass die Tätigkeit 15 Tage im Monat bei Hitze ausgeführt wird. Für einen Hitzearbeitsplatz müssten permanent 30° [C] und eine Luftfeuchtigkeit von mindestens 50% vorhanden sein.
Die Tätigkeit des Klägers entspricht in Summe im Rahmen eines 9,82 Stunden-Tages einem Arbeitsenergieumsatz von 8.247,33 Kilojoule. Davon sind die nicht produktiven Zeiten abzuziehen. Nicht produktive Zeiten = Verteilzeit: Auf Basis von Untersuchungen und Feststellungen der Arbeitstechnik bzw Arbeitsmethodik ergibt sich, dass 100% Arbeitszeit nicht mit 100% Arbeitsleistung gleichzusetzen sind. Dem wird anhand der Berücksichtigung einer Verteilzeit entsprechend Rechnung getragen. Grundsätzlich ist zwischen persönlicher und sachlicher Verteilzeit zu unterscheiden. Die persönliche Verteilzeit beinhaltet all jene Verrichtungen des täglichen Lebens innerhalb der Dienstzeit, die nicht unmittelbar dem Dienst zuzurechnen sind. Dies sind beispielsweise persönliche Hygienemaßnahmen, Toilettengänge, Trinken, Gespräche mit Kollegen, Arbeitsunterbrechungen (nicht Pausen) oder indirekte Faktoren wie unzureichende Qualifikation, falsche Durchführung von Arbeitsabläufen sowie Mitarbeitermoral/-motivation, unterschiedliche Tagesverfassung und dergleichen. Sachliche Verteilzeiten werden im Rahmen der Berufsbeschreibung als Arbeit miterfasst und solchermaßen auch bewertet. Als sachliche Verteilzeiten gelten beispielsweise Leerzeiten, Wartezeiten, Störungen, Stillstandszeiten, das Hochfahren von Maschinen, Anlagen oder PC’s, das Rüsten einer Maschine, Teilnahme an Mitarbeiterversammlungen, aber auch indirekte Faktoren wie ineffektive Kommunikation, falsche Planung und Steuerung von Arbeitsabläufen, fehlerhafte Arbeitsorganisation und Mitarbeiterführung, unzureichende Ergebniskontrolle, organisatorische Unterbrechungen etc. Um eine geforderte Produktionsleistung abbilden zu können, wird in industriellen Leitbetrieben in Österreich zB für die abgetaktete Fließfertigung eine Verteilzeit bzw ein Produktivitätsabschlag zwischen 8% und 14% bei der Produktionsplanung miteingerechnet. Bei einem Arbeitstag wie beim Kläger im Ausmaß von 9,82 Stunden ist ein 12%-iger Produktivitätsverlust in Abzug zu bringen, sodass sich eine Belastung von 7.257,65 Kilojoule ergibt . [A]
Mit Bescheid vom 26.4.2023 stellte die Beklagte aufgrund eines entsprechenden Antrags des Klägers vom 25.1.2023 fest, dass (bei diesem) von 1.12.2002 bis 31.1.2023 keine Schwerarbeitszeiten vorliegen. Als Schwerarbeit gelte nach § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung unter anderem eine Tätigkeit unter körperlich besonders belastenden Bedingungen (schwere körperliche Arbeit), wenn pro Arbeitstag von Männern mindestens 8.374 Arbeitskilojoule (2.000 Arbeitskilokalorien) verbraucht würden. Dieser Mindestverbrauch sei bei der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit, die der Kläger im genannten Zeitraum verrichtet habe, nicht erreicht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage mit dem Begehren auf Feststellung, dass beim Kläger von 1.12.2002 bis 31.1.2023 Schwerarbeitszeiten im Sinn der Schwerarbeitsverordnung vorliegen. Dazu brachte die klagende Partei zusammengefasst vor, der Kläger habe im genannten Zeitraum schwere körperliche Arbeit im Sinn des § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung geleistet. Der mit der Tätigkeit des Klägers verbundene Arbeitsenergieumsatz übersteige (sogar) jenen eines durchschnittlichen Landarbeiters von 2.700 Arbeitskilokalorien. Damit lasse sich die Schwerarbeit des Klägers (bereits) aus der Liste jener Berufe ableiten, für welche die (wenngleich widerlegbare) Vermutung gelte, dass damit körperliche Schwerarbeit verbunden sei. Der Kläger bewirtschafte mit seiner Frau seit 1984 einen landwirtschaftlichen Biobetrieb mit (zunächst) Rinder- und Schweinehaltung sowie Gemüsebau. 1985 seien die ersten Folientunnel errichtet und bis 2010 auf eine Fläche von 1,7 ha erweitert worden. Darin kultiviere der Kläger auch im Winter Tomaten, Paprika, Gurken und Vogelsalat. Zudem seien im Freiland auf rund 1 bis 2 ha Salat, Buschbohnen, Tomaten und Paprika angebaut worden. Die dabei anfallende körperliche Arbeit verrichte der Kläger vorwiegend selbst. Die Beklagte habe dem angefochtenen Bescheid einen falschen bzw unzureichenden Sachverhalt zugrunde gelegt. Insbesondere habe sie die Arbeiten des Klägers im Zusammenhang mit den Folientunneln nicht miteinbezogen bzw unrichtigerweise nur einen Folientunnel im Ausmaß von 0,04 ha berücksichtigt und zudem die saisonabhängige Beiziehung von Arbeitnehmern falsch gewichtet. Es würden für Pflege- und Erntearbeiten zwar auch Saisonarbeitskräfte beigezogen; dabei handle es sich aber ausschließlich um Frauen, sodass sämtliche schweren körperlichen Tätigkeiten ausschließlich der Kläger verrichte. Dieser sammle zB bei der Ernte die schweren Kisten seiner Mitarbeiterinnen ein und verrichte keinesfalls ausschließlich Kontroll- bzw Aufsichtstätigkeiten. Die von der Beklagten angenommene (hohe) Anzahl von 25 Erntehelferinnen sei nur einmal ausnahmsweise im August 2022 für 2 Wochen erreicht worden. Es sei ebenso zu berücksichtigen, dass in einem Biobetrieb viele körperliche Arbeiten erbracht werden müssten, die in der „konventionellen“ Landwirtschaft durch den Einsatz von Pestiziden etc jedenfalls erleichtert würden. Der Kläger leiste jährlich über 3.000 Arbeitsstunden in Form von körperlicher Schwerarbeit.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers im Feststellungsverfahren zum Umfang der von ihm bewirtschafteten Flächen (Ackerbau, Gemüseanbau (Folientunnel), Wald, Obstbau und Grünland), zu (teilweise auch nur) saisonal für die Pflege- und Erntearbeit eingesetzten Arbeitskräften, zum Ausmaß der von ihm selbst verrichteten Arbeitsstunden und zu den konkreten Tätigkeiten (Arbeitsorganisation/Arbeitszeiteinteilung/Büroarbeit, Mitarbeiterführung, Düngung und Pflanzenschutz mit dem Traktor, Erntetransport, Instandhaltung der Folientunnel, Vorbereiten und Verteilen der Geräte und Kisten für die Ernte sowie Qualitätskontrolle) sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger in dem vom Bescheid umfassten Zeitraum pro Arbeitstag zumindest 2.000 Arbeitskilokalorien (8.374 Arbeitskilojoule) verbraucht und damit Schwerarbeit im Sinn schwerer körperlicher Arbeit verrichtet habe; dies vor allem aufgrund der hohen Anzahl der von ihm für die Pflege- und Erntearbeiten beschäftigten Arbeitskräfte (25 Saisonarbeiter:innen in Teilzeit von Mai bis Oktober, sonst 4 bis 5 Arbeitskräfte). Die Tätigkeit als Ackerbauer sei zwar in der aktuellen Berufsliste als Schwerarbeit angeführt; dies gelte jedoch nur insoweit, als kein maschineller Einsatz von Großgeräten erfolge und auch nicht überwiegend Planungs-, Organisations-, Kontroll- oder Aufsichtstätigkeiten ausgeübt würden.
Mit dem bekämpften Urteil weist das Erstgericht das Klagebegehren auf Feststellung, dass beim Kläger im Zeitraum von 1.12.2002 bis 31.1.2023 Schwerarbeitszeiten im Sinn der Schwerarbeitsverordnung vorlägen, ab und spricht aus, dass die klagende Partei ihre Verfahrenskosten selbst zu tragen hat. Den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen und im kursiv dargestellten Umfang mit der Berufung bekämpften Sachverhalt beurteilt es rechtlich wie folgt:
Nach § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung liege Schwerarbeit im Sinn schwerer körperlicher Arbeit vor, wenn bei einer 8-stündigen Arbeitszeit von Männern mindestens 8.374 Arbeitskilojoule (2.000 Arbeitskilokalorien) verbraucht würden. Bei der Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als „energetische“ Schwerarbeit in diesem Sinn würden zunächst Arbeitsenergieumsatz-Richtwerte nach arbeitsmedizinischen Standards ermittelt, dann Tätigkeitsbeschreibungen mit ihren Jouleverbrauchswerten erstellt und schließlich geprüft, ob die ausgeübten beruflichen Tätigkeiten die vorgegebenen Kilojoulegrenze pro Tag erreiche oder überschreite. Als Basis gälten die Art der Körperhaltung, die Belastung unterschiedlicher Muskulaturbereiche sowie Hebe- und Trageleistungen beim Gehen nach Gewicht und Distanz.
Die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten als selbstständiger Landwirt ergäben im Rahmen eines 9,82 Stunden-Arbeitstags im maßgeblichen Feststellungszeitraum (1.12.2002 bis 31.1.2023) keine Schwerarbeit im Sinn des § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung, da der Kläger unter Abzug der nicht produktiven Zeiten von 12% der Tagesarbeitszeit lediglich einen Arbeitsenergieumsatz von 7.257,65 Kilojoule erreicht habe.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der klagenden Partei aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (unter Geltendmachung auch sekundärer Feststellungsmängel) mit dem Antrag, das bekämpfte Urteil im Sinn einer vollständigen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise stellt der Berufungswerber einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beteiligt sich nicht am Berufungsverfahren .
Es ist zunächst klarzustellen, dass nur (mehr) strittig ist, ob der Kläger in dem vom angefochtenen Bescheid umfassten Zeitraum Schwerarbeit gemäß § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung leistete. Die Voraussetzungen gemäß § 108a Abs 2 BSVG waren bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht strittig. Eine andere Art als „energetische“ Schwerarbeit im Sinn der genannten Bestimmung behauptet der Berufungswerber nicht; dafür finden sich im festgestellten Sachverhalt auch keine Anhaltspunkte.
Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO rügt der Berufungswerber, dass das Erstgericht seinen Anträgen auf Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Land- und Forstwirtschaft, der alternativen Landwirtschaft und des Biolandbaus, der Arbeitsmedizin sowie der Arbeitstechnik in der Landwirtschaft zum Beweis dafür, dass er im Zeitraum 1.12.2002 bis 31.1.2023 land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten verrichtet habe, die körperliche Schwerarbeit im Sinn der gesetzlichen Bestimmungen darstellten, zumal damit jedenfalls ein täglicher Verbrauch von 2.000 Kilokalorien verbunden (gewesen) sei, nicht entsprach. Die beigezogene Sachverständige für Berufskunde sei bei ihrer gutachterlichen Beurteilung „auf diesen Fachbereich“ beschränkt. Tatsächlich seien jedoch auch Fragestellungen vorgelegen, welche in den Fachbereich eines Sachverständigen für Arbeitstechnik in der Landwirtschaft und für Pflanzenaufzucht fielen. Die Ermittlung des Ausmaßes und der körperlichen Schwere der vom Kläger ausgeübten land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten sei der berufskundlichen Sachverständigen nicht möglich gewesen. Insbesondere hätte durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Arbeitstechnik in der Landwirtschaft die erforderliche Bewertung der verrichteten Tätigkeiten in den einzelnen Monaten vorgenommen werden können. Der von der Sachverständigen für Berufskunde herangezogene Durchrechnungszeitraum von 14 Jahren sei nicht geeignet, die vorgelegenen Arbeitsspitzen und täglichen, zumindest aber monatlichen Schwankungen abzubilden; das berufskundliche Gutachten sei somit unvollständig. Die Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens hätte ferner ergeben, welches Kräftepotenzial vom Kläger bei speziellen Tätigkeiten wie der Kultivierung von Vogerlsalat in Anspruch genommen und wie dadurch die Körpermuskulatur beansprucht worden sei. Ein Kriterium für die Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als schwere körperliche Arbeit sei nämlich auch die Belastung des passiven und aktiven Stütz- und Bewegungsapparats, welche durch ein arbeitsmedizinisches Gutachten hätte erhoben werden müssen. Die Arbeitsenergieumsatz-Richtwerte wären nach arbeitsmedizinischen Standards zu ermitteln gewesen. Die berufskundliche Sachverständige habe hingegen in Überschreitung ihres Fachgebiets lediglich Werte aus einer – nicht vorgelegten – Tabelle herangezogen.
Darüber hinaus bemängelt der Berufungswerber das Unterbleiben seiner Einvernahme sowie jener seiner Frau - trotz entsprechender Anträge. Daraus hätte sich ergeben, dass die berufskundliche Sachverständige beim Ortsaugenschein maßgebliche landwirtschaftliche Tätigkeiten wie insbesondere die Kulturführung von Tomaten nicht erhoben habe, weshalb ihr Gutachten ergänzungsbedürftig sei. Außerdem hätte die klagende Partei durch die beantragten Einvernahmen unter Beweis stellen können, wie die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten beim Kläger insgesamt vonstatten gingen und dass dieser im maßgeblichen Zeitraum Schwerarbeit erbracht habe.
Die dargestellten Verfahrensmängel seien (somit) jedenfalls abstrakt geeignet, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu verhindern. Im Übrigen habe das Gericht gemäß § 87 Abs 1 ASGG im sozialgerichtlichen Verfahren sämtliche notwendig erscheinenden Beweise (auch) von Amts wegen aufzunehmen.
Dazu ist auszuführen:
Das Erstgericht wies am Schluss der Tagsatzung vom 15.10.2024 sämtliche (allenfalls) unerledigten Beweisanträge ab. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte es dazu begründend aus, von der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachbereich der Arbeitstechnik in der Landwirtschaft sowie für Pflanzenaufzucht habe abgesehen werden können, da die berufskundliche Sachverständige umfangreiche Daten und Informationen sowie Unterlagen zur Betriebsgröße sowie zu Anbauarbeiten und -mengen erhoben und auch eine Befundaufnahme vor Ort durchgeführt habe. Sie habe zudem schlüssig ausgeführt, dass die Beiziehung von Sachverständigen aus den dargestellten Fachbereichen nicht erforderlich sei, zumal sie selbst über die Fachkunde zu den physischen und psychischen Anforderungen und Belastungen in den verschiedensten Berufen verfüge, wobei es sich um eine Kernaufgabe von berufskundlichen Sachverständigen handle. Auch die Einvernahme des Klägers und seiner Frau zum Beweis dafür, wie die Tomaten kultiviert würden und die land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten des Klägers insgesamt vonstatten gingen, habe unterbleiben können, zumal – wie die berufskundliche Sachverständige ausführlich dargestellt habe – nicht die konkrete Ausführung der Tomatenernte, sondern lediglich die geerntete Menge entscheidend sei, worüber die klagende Partei konkrete Zahlen vorgelegt habe.
Zunächst ist zur Mängelrüge festzuhalten, dass die – von der Berufung primär relevierte – Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten (aus dem gleichen oder aus einem anderen Fachgebiet) einzuholen oder ob das schon erstattete vollständig und schlüssig ist und (damit) die darauf gegründeten Feststellungen rechtfertigt, ohne dass die Notwendigkeit eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO besteht, in der Regel die Beweiswürdigung betrifft (RS0043320; RS0043163; RS0113643) . Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt in diesem Zusammenhang hingegen vor allem dann vor, wenn die beigezogene Sachverständige nicht sämtliche für die abschließende Beurteilung der Sache notwendigen Fragen beantworten kann, das Gericht einem relevanten Beweisantrag zu den ungeklärt gebliebenen Bereichen (regelmäßig in Form der Einholung eines Gutachtens aus einem anderen Fachgebiet) nicht entspricht und es deshalb andere als die vom Berufungswerber gewünschten Feststellungen trifft (vgl Pimmer in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 496 ZPO [Stand 1.9.2019, rdb.at], Rz 57).
Soweit die Berufung bemängelt, das Erstgericht habe die Beiziehung weiterer Sachverständiger zum Beweis dafür, dass mit den vom Kläger im Zeitraum 1.12.2002 bis 31.1.2023 verrichteten land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten jedenfalls ein täglicher Verbrauch von 2.000 Arbeitskilokalorien verbunden gewesen sei, und zur Bewertung des Ausmaßes sowie der körperlichen Schwere dieser Tätigkeiten unterlassen, wurden diese Fragen von der beigezogenen berufskundlichen Sachverständigen – wenngleich nicht im Sinn der klagenden Partei – beantwortet und blieben demnach nicht ungeklärt.
Mit der weiteren Behauptung, ein Durchrechnungszeitraum von 14 Jahren (gemeint: von 2004 bis 2017) sei nicht geeignet, die vorgelegenen Arbeitsspitzen und täglichen, zumindest aber monatlichen Schwankungen abzubilden, behauptet der Berufungswerber ebenfalls keine von der berufskundlichen Sachverständigen (mangels Fachkompetenz) unbeantwortet gebliebenen Fragen, sondern wendet sich erkennbar gegen die angewendete Methode, den täglichen Arbeitsenergieumsatz, konkret die prozentuelle Aufteilung aller vom Kläger verrichteten Tätigkeiten wie auch dessen tägliche Arbeitszeit auf Basis einer (mehrjährigen) Durchschnittsbetrachtung zu ermitteln.
Er strebt also mit diesen Einwänden die Überprüfung der Ergebnisse des berufskundlichen Gutachtens und (damit) einen Kontrollbeweis an. Ob ein solcher unterbleiben kann, ist aber (ebenfalls) Teil der Beweiswürdigung, sodass dessen Unterlassung keinen Verfahrensmangel bewirkt (RS0040586) . Beim Ergebnis eines Sachverständigengutachtens handelt es sich um eine Tatfrage, sofern keine grundsätzlich inadäquate Methode angewendet wurde (vgl RS0118604 und insbes [T5, T8]) . Dies trifft aber auf die von der berufskundlichen Sachverständigen angestellte Durchschnittsbetrachtung, wie sogleich im Rahmen der Erledigung der Beweisrüge darzustellen sein wird, nicht zu.
Auch wenn die Berufung schließlich darauf verweist, zur Beurteilung des (täglichen) Arbeitsenergieumsatzes des Klägers hätte nach arbeitsmedizinischen Grundsätzen das „Kräftepotenzial“ und die konkrete Beanspruchung der Körpermuskulatur bzw die Belastung des passiven und aktiven Stütz- und Bewegungsapparats bei „speziellen Tätigkeiten“ ermittelt werden müssen, wogegen die berufskundliche Sachverständige lediglich Werte aus einer – nicht vorgelegten – Tabelle herangezogen habe, wendet sie sich gegen die Richtigkeit bzw Schlüssigkeit des vorliegenden Gutachtens und damit gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung, nach welcher die „festgestellte Belastung“ einwandfrei aus dem schlüssigen, ausführlichen und nachvollziehbaren berufskundlichen Gutachten habe abgeleitet werden können.
Im Zusammenhang mit der unterbliebenen Einholung weiterer Gutachten stellt die Berufung somit keinen Verfahrensmangel dar.
Gleiches gilt für die bemängelte Unterlassung der Einvernahme des Klägers und seiner Frau zum Beweis dafür, dass die berufskundliche Sachverständige beim Ortsaugenschein insbesondere die „Kulturführung von Tomaten“ nicht erhoben habe sowie dazu, wie die land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten beim Kläger insgesamt vonstatten gingen und dass dieser im maßgeblichen Zeitraum Schwerarbeit erbracht habe.
Wie der Berufungswerber zutreffend ausführt, liegt der Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nur dann vor, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0043049). Der Rechtsmittelwerber muss daher eine solche abstrakte Eignung des Verfahrensmangels dartun, sofern sie nicht offenkundig ist (RS0116273, [T1]; RS0043027, [T10]; RS0043049, [T6]) . Er muss dazu nachvollziehbar ausführen, welche für die Entscheidung des Rechtsfalls relevanten Ergebnisse ohne den Mangel hätten erzielt werden können, widrigenfalls der Rechtsmittelgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043039 [T4]) .
Im konkreten Fall stellt die Berufung jedoch nicht dar, welche entscheidungswesentlichen, von der Sachverständigen über den Inhalt der umfangreichen schriftlichen Darstellungen des Klägers zu seiner Arbeit (Gutachten ON 20.1, Seiten 5, 15 iVm Beilagen ./B, ./C = ./3, ./D = ./5 sowie ./IV) und die zusammenfassende Beschreibung auf Seite 35 des Gutachtens hinaus nicht berücksichtigten Erkenntnisse betreffend die Art und Weise der vom Kläger verrichteten Tätigkeiten und insbesondere die „Kulturführung der Tomaten“ aus dessen Einvernahme und jener seiner Frau zu erwarten gewesen wären, sodass die Mängelrüge insoweit nicht gesetzeskonform ausgeführt wird. Ob der Kläger Schwerarbeit leistete, ist keine Tatfrage, sondern eine solche der rechtlichen Beurteilung.
Damit bleibt die Mängelrüge insgesamt erfolglos.
Es stellt aber auch keine unrichtige Beweiswürdigung dar, wenn das Erstgericht das Gutachten der berufskundlichen Sachverständigen als schlüssig und widerspruchsfrei qualifiziert – und dementsprechend keinen Anlass für eine neuerliche Begutachtung durch andere Sachverständige oder unter Zuziehung von solchen gemäß § 362 Abs 2 ZPO sieht.
§ 287 Abs 13a BSVG verweist betreffend die dort genannten Tätigkeiten, welche unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, auf § 607 Abs 14 ASVG. Diese Bestimmung wiederum regelt, dass der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (unter anderem) unter Berücksichtigung von berufskundlichen und arbeitsmedizinischen Gutachten mit Verordnung (= Schwerarbeitsverordnung) festzustellen hat, welche Tätigkeiten als besonders belastend gelten. Damit kommt berufskundlichen Sachverständigen grundsätzlich die Kompetenz zu, entsprechende Belastungen zu ermitteln.
Es entspricht aber ständiger und gefestigter Judikatur in Sozialrechtssachen, dass das Gericht zur Einholung weiterer Gutachten oder Erweiterungen von Untersuchungen nicht verpflichtet ist, wenn solche von den bestellten Sachverständigen nicht angeregt bzw vorgenommen werden (SVSlg 65.717, 64.764, 62.394, 59.707) . Das Gericht darf sich (nämlich) auf die gerichtlich zertifizierte und beeidete Sachverständige treffende Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht verlassen und sich darauf beschränken, ein eingeholtes Gutachten nach allgemeinen Erfahrungssätzen und besonderen, im Zuge der Sozialgerichtsbarkeit erworbenen Kenntnissen auf seine Nachvollziehbarkeit zu überprüfen (SVSlg 59.453) .
Im konkreten Fall regte die vom Erstgericht bestellte berufskundliche Sachverständige Mag. a D* nicht nur keine Beiziehung weiterer Sachverständiger an, sondern führte sogar (begründet) aus, dass dies nicht erforderlich sei (Äußerung ON 26; Protokoll vom 15.10.2024, Seiten 10 f, wobei die Äußerung dort irrtümlich mit ON 3 6 bezeichnet wird).
Die Sachverständige legte auch offen, dass sie den täglichen Arbeitsenergieumsatz ausgehend von den ermittelten Tätigkeiten des Klägers unter Zugrundelegung von Arbeitsenergieumsatz-Richtwerten nach arbeitsmedizinischen Standards, konkret von „Tafeln“ für den Energieumsatz bei körperlicher Arbeit (zB Spitzer/Hettinger/Kaminsky oder The Compendium of Physical Activities Tracking Guide), welche in einer Datenbank zur Verfügung stünden, berechnet habe (Gutachten ON 20.1, Seite 8, FN 1; Protokoll vom 15.10.2024, Seite 6). Dass sie die entsprechenden „Tabellen“ in diesem Zusammenhang nicht vorlegte, macht ihr Gutachten nicht unschlüssig.
Es trifft auch nicht zu, dass bei der Ermittlung des Arbeitsenergieumsatzes die konkret beim Kläger vorgelegene Belastung (nach arbeitsmedizinischen Grundsätzen) zu ermitteln gewesen wäre und nicht auf eine Durchschnittsbetrachtung habe abgestellt werden dürfen.
Ob eine bestimmte Tätigkeit als schwere körperliche Arbeit iSd § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung gilt, ist gemäß deren § 3 nach den in der Anlage definierten Grundsätzen festzustellen. Gemäß Punkt 2.2. dieser Anlage erfolgt die Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als „energetische“ Schwerarbeit ausgehend von Tätigkeitsbeschreibungen mit ihren Jouleverbrauchswerten, die auf der Grundlage von (nach arbeitsmedizinischen Standards ermittelten) Arbeitsenergieumsatz-Richtwerten erstellt und hinsichtlich ihrer Dimensionen umgerechnet werden. Schließlich wird geprüft, ob durch die mit einem bestimmten Beruf verbundenen Tätigkeiten (Tätigkeitsbilder) die vorgegebene Kilojoulegrenze (8.374 bei Männern) pro Tag erreicht oder überschritten wird.
Gegen diese „Energieumsatzmethode“, bei welcher der Kalorienverbrauch der betreffenden Tätigkeit aus einer Zusammenschau der einzelnen Durchschnittsbelastungen sachverständig ermittelt wird, bestehen nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs G 20/11 ua, V 13/11 ua keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Danach spricht die Tatsache, dass die täglichen Arbeitsabläufe der Vergangenheit nicht einmal annähernd dargestellt werden könnten, für die Heranziehung einer Durchschnitts betrachtung. Es ist (demnach) nur bei ungewöhnlichen Fallkonstellationen ein spezielles Gutachten einzuholen. Eine arbeitsmedizinische Neubegutachtung kann in Schwerarbeitsverfahren nur in Ausnahmefällen zB für Fragestellungen sinnvoll sein, die von der Gruppenbewertungstabelle nicht abgedeckt werden. Dafür findet sich im konkreten Fall jedoch kein Anhaltspunkt. Im Einzelfall steht dem Versicherten also grundsätzlich der Beweis eines „überdurchschnittlichen“ Kalorienverbrauchs offen. Dieser muss jedoch auf objektiven Kriterien wie der tatsächlichen Arbeitszeit und der Schwere der Tätigkeit beruhen und bedeutet keine Individualisierung nach körperlicher Konstitution (Alter und Körpergewicht). Dies widerspräche auch dem Ziel des Gesetzgebers, die Beurteilung von Schwerarbeit durch allgemeine Richtlinien und Orientierungen zu vereinfachen und in der Praxis für den Regelfall damit überhaupt zu ermöglichen. Die versicherte Person muss nachweisen, zumindest an jeweils 15 Tagen des Kalendermonats mehr als 2.000 Arbeitskilokalorien verbraucht zu haben (10 ObS 88/18s; 10 ObS 87/20x; Panhölzl, Vollziehungsprobleme bei der Schwerarbeitspension, DRdA 2009, 98 [109]) .
Im Rahmen der Gutachtenserörterung wurde auch thematisiert, dass die Arbeit des Klägers tageweise Schwankungen unterlag, wobei die klagende Partei aber einräumte, dazu keine Arbeitszeitaufzeichnungen vorlegen zu können. Der Kläger verwies auf seine auf Erfahrungswerten beruhende Arbeitszeitaufstellung Beilage ./B (Protokoll vom 15.10.2024, Seite 3), aus welcher sich ein durchschnittlicher jährlicher Zeitaufwand von rund 3.000 Stunden ergibt, was auch dem Vorbringen der klagenden Partei entspricht und im Wesentlichen ebenso den von der berufskundlichen Sachverständigen nach detaillierteren Recherchen ermittelten 2.945,7 „Gesamtstunden“.
Da die klagende Partei im erstinstanzlichen Verfahren wie auch im Rahmen der Berufung aber keine monatlichen oder saisonalen Schwankungen darstellte, aus denen sich längere Arbeitszeiten oder überdurchschnittlich schwere Arbeiten des Klägers in einzelnen Monaten ableiten ließen, und sich dafür auch sonst keine Anhaltspunkte finden, ist jedenfalls die Ermittlung des Arbeitsenergieumsatzes auf Basis eines „Jahresdurchschnitts“ nicht zu beanstanden.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die in diesem Zusammenhang vermisste Beiziehung eines Sachverständigen für „Arbeitstechnik in der Landwirtschaft“ zur Bewertung der ausgeübten Tätigkeiten des Klägers in den einzelnen Monaten einen unzulässigen Erkundungsbeweis darstellt (RS0039973; RS0039880) , weil sich selbst die amtswegige Beweisaufnahme gemäß § 87 Abs 1 ASGG jedenfalls gegenüber qualifiziert vertretenen Parteien wie dem Kläger innerhalb der – wenn auch weit zu steckenden – Grenzen des Parteivorbringens zu bewegen hat (RS0086455 [T6]) .
Richtig ist, dass auf Basis der von der berufskundlichen Sachverständigen erhobenen jährlich schwankenden und in unterschiedlichem Ausmaß für einzelne Tätigkeiten aufgewendeten Arbeitszeiten des Klägers die Ermittlung eines durchschnittlichen täglichen Arbeitsenergieumsatzes (jedenfalls) für einzelne Jahre möglich gewesen wäre. Die Sachverständige rechtfertigte die (stattdessen vorgenommene) Bildung von Mittelwerten über 14 Jahre (2004 bis 2017) erkennbar mit dem Bestreben, unnötige aufwendige(re) Berechnungen zu vermeiden. Aus gutachterlicher Sicht lasse sich nämlich abschätzen, dass ausgehend vom letztlich für den Kläger ermittelten durchschnittlichen Arbeitsenergieumsatz von 1.733,46 Kilokalorien (= 7.257,65 Kilojoule) auch unter Berücksichtigung zeitlicher Schwankungen in keinem Monat die Grenze für „energetische“ Schwerarbeit erreicht werden könne, weshalb es im Endeffekt zB auch keine Rolle spiele, ob der Kläger in einem Jahr 80 oder 120 Stunden Forstarbeit geleistet habe (Protokoll vom 15.10.2024, Seiten 7 f, 9).
Dies ist bezogen auf die einzelnen Jahre gut nachvollziehbar, zumal die bekanntermaßen (wie auch von der Sachverständigen im Rahmen der Gutachtenserörterung, Protokoll vom 15.10.2024, Seiten 8 f, bestätigt) besonders anstrengende Forstarbeit im begutachteten Zeitraum jeweils nur einen geringen Prozentsatz der vom Kläger insgesamt verrichteten Tätigkeiten umfasste. Selbst wenn man berücksichtigt, dass dieser in manchen Jahren 120 Stunden Forstarbeit leistete, und davon ausgeht, dass er dies jeweils einen ganzen Arbeitstag lang, also (durchschnittlich) 9,82 Stunden sowie ausschließlich in einem einzigen Monat tat, ließe sich daraus keine „energetische“ Schwerarbeit an zumindest 15 Arbeitstagen pro Monat (§ 4 Schwerarbeitsverordnung; RS0129751) ableiten. Die Plausibilität der dargestellten Ausführungen der berufskundlichen Sachverständigen ergibt sich zudem daraus, dass der jährliche Zeitaufwand (einschließlich der Aufteilung auf einzelne Tätigkeiten) in den Jahren 2011 bis 2016 konstant blieb und sich auch darüber hinaus innerhalb einer Schwankungsbreite von lediglich knapp über 10% bewegte. Ebenso stellte die Sachverständige für die Tätigkeiten „Tomaten ernten“ und „Salat ernten“, aus denen insgesamt knapp 50% des durchschnittlichen täglichen Arbeitsenergieumsatzes des Klägers resultieren, nur gering unterschiedliche Energieumsatzwerte pro Minute dar (Protokoll vom 15.10.2024, Seite 6). Aufgrund der daraus ableitbaren verhältnismäßig geringfügigen Arbeitsenergieumsatzschwankungen für die einzelnen Jahre ist es nachvollziehbar, wenn das Erstgericht keine Zweifel an der Einschätzung der berufskundlichen Sachverständigen hatte, dass ausgehend von dem für den Kläger (durchschnittlich) ermittelten Arbeitsenergieumsatz von 7.257,65 Kilojoule pro Tag auch saisonal – und damit ebenso in den einzelnen Jahren – kein Monat „über der Grenze zur Erlangung von Schwerarbeit liegt“, dh kein (durchschnittlicher) Arbeitsenergieumsatz von (zumindest) 8.374 Arbeitskilojoule an jedenfalls 15 Tagen pro Kalendermonat darstellbar ist.
Im Rahmen der Rechtsrüge bemängelt der Berufungswerber, der herangezogene Durchrechnungszeitraum von 2004 bis 2017 bilde nicht den gesamten klagsgegenständlichen Zeitraum ab. Damit wendet er sich im Ergebnis (ebenfalls) gegen die Richtigkeit bzw Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens.
Dem ist zu entgegnen, dass die berufskundliche Sachverständige dazu im Rahmen der Gutachtenserörterung ausführte, sie habe ihrem Gutachten die „stärksten Jahre“ zugrunde gelegt, in welchen der Kläger die meisten „Obst- und Anbauflächen“ bewirtschaftet habe; wenn in diesen Jahren die Voraussetzungen für körperliche Schwerarbeit nicht vorlägen, sei dies in jenen, für die weniger Stunden an Gemüse- und Obstbau angegeben worden seien, sicherlich (ebenso) nicht der Fall (Protokoll vom 15.10.2024, Seite 3). Dies stellte das Erstgericht zudem unbekämpft fest. Auch unter diesem Aspekt ist das berufskundliche Sachverständigengutachten somit nicht zu beanstanden.
Schließlich bekämpft der Berufungswerber konkret die Sachverhaltsannahme [A] und begehrt ersatzweise festzustellen, dass „bei einem Arbeitstag wie beim Kläger“ kein Produktivitätsverlust in Abzug zu bringen sei. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass für Landwirte keine Studien zur Produktionsleistung vorlägen und gegenüber der berufskundlichen Sachverständigen bereits die „Reinarbeitszeit“ angegeben worden sei. Unproduktive Zeiten, wie sie die Sachverständige angeführt habe, kämen im Betrieb des Klägers gar nicht oder nur in geringstem Ausmaß vor.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass beim Kläger selbst ohne Abzug einer (nicht produktiven) Verteilzeit ein durchschnittlicher täglicher Arbeitsenergieumsatz von lediglich 8.247,33 Kilojoule vorläge, welcher die gemäß § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung für schwere körperliche Arbeit definierte Belastungsgrenze von 8.374 Arbeitskilojoule (bei Männern) nicht erreicht.
Der Berufungswerber legt zudem nicht dar, aus welchem Beweisergebnis sich die ersatzweise begehrte Feststellung ableiten lässt. Eine Unrichtigkeit des berufskundlichen Sachverständigengutachtens, auf welches sich das Erstgericht bei der bekämpften Sachverhaltsannahme stützt, ist (auch in diesem Zusammenhang) nicht zu erkennen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass und wie der Kläger bei der Bekanntgabe seiner durchschnittlichen jährlichen Arbeitszeit unproduktive Zeiten, wie sie sich etwa aufgrund von Toilettengängen, Hygienemaßnahmen, Trinken, kurzen Telefonaten, Gesprächen mit Mitarbeiterinnen, ineffizienter Durchführung einzelner Arbeitsabläufe, unterschiedlicher Tagesverfassung etc ergeben, berücksichtigte. Derartiges behauptete die klagende Partei im erstinstanzlichen Verfahren auch nicht. Es ist ebenso wenig ersichtlich, warum solche Zeiten der Unproduktivität in einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht vorkommen sollten. Die berufskundliche Sachverständige begründete ebenfalls schlüssig, warum sie beim Kläger zu einem Produktivitätsverlust von 12% gelangte (Gutachten ON 20.1, Seiten 33 f; Protokoll vom 15.10.2024, Seite 10). Auch in der Judikatur bestehen keine Bedenken gegen einen prozentuellen Abschlag von ermittelten Arbeitsenergieumsätzen für unproduktive Zeiten (Verteilzeiten) (10 ObS1/15t Punkt 3. ua) .
Damit bleibt auch die Beweisrüge erfolglos.
Das Berufungsgericht übernimmt daher gemäß § 498 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG den vom Prozessgericht erster Instanz als erwiesen angenommenen Sachverhalt und legt ihn seiner Entscheidung zugrunde.
Im Rahmen der Rechtsrüge verweist der Berufungswerber zunächst darauf, dass seine Tätigkeit als Ackerbauer in der aktuellen Berufsliste für Frauen und Männer mit körperlicher Schwerarbeit als solche angeführt sei, soweit kein maschineller Einsatz mit Großgeräten erfolge und auch nicht überwiegend Planungs-, Organisations-, Kontroll- oder Aufsichtstätigkeiten ausgeübt würden. Da dies bei ihm nicht der Fall sei, sei seine Tätigkeit als Schwerarbeit zu werten.
Dazu genügt der Hinweis, dass die angesprochenen Berufslisten, welche Berufsbilder enthalten, bei denen im Allgemeinen angenommen werden kann, dass körperliche Schwerarbeit im Sinn der Schwerarbeitsverordnung vorliegt, lediglich als Arbeitsbehelfe zu verstehen sind und keine normative Wirkung entfalten. Sie dienen auch für Selbstständige (lediglich) zur Orientierung, präjudizieren die Feststellung, ob im Einzelfall Schwerarbeit gemäß § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung geleistet wurde, nicht und sind insbesondere auch für Gerichte nicht bindend (Rieder/Ölberg in Brameshuber/Aubauer/Rosenmayr-Khoshideh, SVS-ON § 4 APG Rz 87 [Stand 1.1.2024, rdb.at]; Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 APG Rz 154 [Stand 1.7.2022, rdb.at]; SVSlg 67.897) . Damit ist für den Kläger aus einer solche Berufsliste nichts zu gewinnen.
Soweit der Berufungswerber – grundsätzlich zutreffend – ausführt, bei der Ermittlung von Schwerarbeitszeiten sei eine tageweise Betrachtung anzustellen und für jeden Monat zu beurteilen, ob an zumindest 15 Arbeitstagen Schwerarbeit erbracht wurde, und in diesem Zusammenhang Feststellungen vermisst, „unter welchen Umständen und wie oft im Monat Schwerarbeit geleistet wurde“, ist auszuführen, dass die Leistung von Schwerarbeit nicht feststellungsfähig, sondern das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung ist. Im Übrigen liegt kein sekundärer Feststellungsmangel vor, wenn zu einem bestimmten Thema Sachverhaltsannahmen getroffen wurden, mögen diese auch den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers zuwiderlaufen (SVSlg 59.715; SVSlg 62.400; SVSlg 62.405 ua). Das Erstgericht stellte für den Kläger im Rahmen einer – wie bereits dargestellt nicht zu beanstandenden – Durchschnitts betrachtung einen Arbeitsenergieumsatz von 7.257,65 Kilojoule pro Arbeitstag fest. Das gilt nach den Ausführungen mit Feststellungscharakter im Rahmen der rechtlichen Beurteilung für den gesamten (vom bekämpften Bescheid umfassten) Zeitraum 1.12.2002 bis 31.1.2023 (Urteil, Seiten 12 f), was im Übrigen auch aus dem Sachverständigengutachten abgeleitet werden kann (ON 20.1, Seite 37). Daraus ergibt sich, dass der Kläger in diesem Zeitraum an keinem Arbeitstag die gemäß § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung für körperliche Schwerarbeit definierte Belastungsgrenze von 8.374 Kilojoule erreichte.
Nach dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt gelang der klagenden Partei der - wie dargestellt - im Einzelfall zulässige Nachweis, dass der Kläger aufgrund seiner konkreten Tätigkeiten an bestimmten Tagen oder in bestimmten Zeiträumen und sich daraus ergebender „Arbeitsspitzen“, wie sie nunmehr ohne weitere Konkretisierung behauptet werden, die laut § 1 Abs 1 Z 4 Schwerarbeitsverordnung geforderten Grenzwerte erreichte, nicht.
Somit bleibt auch die Rechtsrüge und mit ihr die Berufung insgesamt erfolglos.
Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht behauptet und sind aus dem Akteninhalt auch nicht ersichtlich.
Die ordentliche Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO beschriebenen Qualität zu lösen waren.