JudikaturOLG Graz

3R59/25h – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
24. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr. in Lichtenegger und Dr. in Steindl-Neumayr in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A* B*, geboren am **, Unternehmer, **, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei DI Dr. C* , geboren am **, Rechtsanwalt, **, wegen EUR 114.815,50 s.A. über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 114.815,50 s.A.) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. Februar 2025, **-27, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen (I.) und zu Recht erkannt (II.):

Spruch

I. Die mit der Berufung vorgelegten Urkunden werden zurückgewiesen .

II. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 3.956,82 (darin enthalten EUR 659,47 USt.) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Tochter des Klägers Dr. D* B* führte vertreten durch den (hier) beklagten Rechtsanwalt zu AZ E* (vorher: AZ F*) des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz einen Zivilprozess gegen den Kläger und dessen Gattin G* B*. Mit Urteil vom 29. August 2019 wurde der Kläger (als dort Erstbeklagter) schuldig erkannt, Dr. D* B* ein Fruchtgenussrecht an zwei Geschäftsräumlichkeiten („ehemaliger H*, links von der Passage, mit 85,07 m², und ehemaliger I*, zweites links von der Passage aus gesehen mit 40,95 m²“) auf der Liegenschaft EZ ** KG ** („**“) einzuräumen. G* B* (als dort Zweitbeklagte) wurde schuldig erkannt, alle zur Einverleibung dieses Fruchtgenussrechts der Dr. D* B* notwendigen Unterschriften zu leisten. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben. Die gegen die Berufungsentscheidung erhobene außerordentliche Revision wies der Oberste Gerichtshof zurück.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 15. März 2021, (richtig:) E*-80, wurden die (dort) Beklagten zum Ersatz der Prozesskosten der Dr. D* B* (als in jenem Verfahren gemäß § 41 ZPO obsiegender Klägerin) verpflichtet. Dem gegen diese Entscheidung erhobenen Kostenrekurs wurde nicht Folge gegeben, wobei die (dort) Beklagten auch schuldig erkannt wurden, die Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Mit Grundbuchsgesuch vom 23. August 2021 beantragte Dr. D* B* (die in jenem Verfahren nicht vom Beklagten vertreten war) aufgrund des Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, E*-70, und der dieses Urteil bestätigenden Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichts Graz vom 3. April 2020, 2 R 172/19k, 1. die Einverleibung der Löschung des Fruchtgenussrechts der G* B* und 2. die Einverleibung der Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechts zugunsten der Dr. D* B* je an den beiden im Urteil bezeichneten Geschäftsräumlichkeiten der Liegenschaft EZ ** KG **. Über Rekurs des Klägers und der G* B* wurde der Grundbuchsantrag der Dr. D* B* mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. November 2021, 4 R 176/21p, abgewiesen. Gegen diese Entscheidung erhob Dr. D* B* am 29. Dezember 2021 einen außerordentlichen Revisionsrekurs.

Da der Kläger die Dr. D* B* rechtskräftig und vollstreckbar zugesprochenen Prozesskosten aus dem Verfahren E* des LGZ Graz nicht ersetzte, leitete der Beklagte als Vertreter der Dr. D* B* gegen den Kläger und G* B* ein Exekutionsverfahren ein. Um die Zwangsversteigerung seiner Liegenschaft zu verhindern, leistete der Kläger mit Zahlungsanweisung vom 9. Juni 2022 EUR 57.815,50 auf ein Kanzleikonto des Beklagten. Bei diesem Betrag handelte es sich um die Kostenersatzforderung der Dr. D* B* aus dem Verfahren E* des LGZ Graz samt Zinsen aus Kosten und Exekutionskosten. Im Feld „Verwendungszweck“ führte der Kläger an: „Rev.7.6.2022 mit Vorbehalt einer Rückforderung“. Damit wollte der Kläger zum Ausdruck bringen, dass er die Zahlung nur unter dem Vorbehalt leistet, dass das Fruchtgenussrecht zugunsten seiner Tochter Dr. D* B* laut Urteil des LGZ Graz, E*-70, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses vom 29. Dezember 2021 (gegen den den Antrag auf Einverleibung abweisenden Beschluss des LGZ Graz zu 4 R 176/21p) im Grundbuch zu EZ ** KG ** einverleibt wird (bzw entsprechend dem ursprünglichen Grundbuchsgesuch einverleibt bleibt). Infolge dieser Zahlung des Klägers vom 9. Juni 2022 wurden die gegen ihn zur Hereinbringung der Kosten des Verfahrens E* (samt Exekutionskosten) eingeleiteten Exekutionsverfahren eingestellt. Einen Teilbetrag von EUR 3.000,00 bezahlte der Beklagte an den Kläger zurück.

Den außerordentlichen Revisionsrekurs der Dr. D* B* gegen den Beschluss des LGZ Graz zu 4 R 176/21p wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 19. Juli 2022, 5 Ob 9/22t, zurück. Der abweisende Beschluss vom 17. November 2021, 4 R 176/21p des LGZ Graz, erwuchs daher in Rechtskraft.

Am 19. Juli 2023 beantragte Dr. D* B* die Bewilligung der Exekution zur Einräumung bücherlicher Rechte gemäß § 350 EO, um ihr Fruchtgenussrecht laut Urteil des LGZ Graz, E*-70, an der Liegenschaft EZ ** KG ** zu verbüchern.

Das Bezirksgericht Graz-West als Exekutionsgericht bewilligte mit Beschluss vom 28. Juli 2023, J*, die beantragte Exekution gemäß § 350 EO durch a) Einverleibung der Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechts gemäß Punkt II.) 1.) b.) und Punkt II.) 2.) des Urteils des LGZ Graz vom 29. August 2019, E*-70 für Dr. D* B* sowie b) Einverleibung der (Teil-)Löschung des Fruchtgenussrechts der G* B*, C-LNR 25, (jedoch nur) hinsichtlich der Geschäftsräumlichkeiten ehemaliger H*, links von der Passage, mit 85,07 m², und ehemaliger I*, zweites links von der Passage aus gesehen mit 40,95 m² gemäß Punkt II.) 1.) b) und Punkt II.) 2.) des Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. August 2019, E*-70. Das Fruchtgenussrecht der Dr. D* B* wurde daraufhin im oben genannten Umfang im Grundbuch einverleibt.

In diesem Zivilprozess begehrt der Kläger vom Beklagten EUR 114.815,50 s.A.. Dies begründet er damit, dass er dem Beklagten als Rechtsvertreter der Dr. D* B* am 9. Juni 2022 aufgrund des Exekutionsdrucks (der Zwangsversteigerung) EUR 57.815,50 (im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren über die Eintragung des [Teil-]Fruchtgenussrechts der Dr. D* B*) unter Vorbehalt geleistet habe. Da der außerordentliche Revisionsrekurs zurückgewiesen (und der Kläger im Grundbuchsverfahren mit seinem Standpunkt durchgedrungen sei), fordere er die Rückzahlung des unter Vorbehalt gezahlten Betrags, abzüglich bereits zurückbezahlter EUR 3.000,-- daher EUR 54.815,50. Das im Verfahren E* des LGZ Graz ergangene Urteil sei wegen Unbestimmtheit und Unteilbarkeit des Fruchtgenussrechts an der Gesamtliegenschaft unheilbar nichtig. Dies betreffe auch den Kostenzuspruch.

Der Rechtsanwalt habe keinen Anspruch auf Entlohnung von Leistungen zur Verfolgung von Ansprüchen „contra legem“ wie des gegenständlichen zweiten Fruchtgenussrechts bei einem bereits seit 1999 eingetragenen Gesamtfruchtgenussrecht. Die „perplexen“ Urteile zu E* seien für die Mandantin des Beklagten wertlos. Für den Kläger sei ein deliktischer Prozessaufwand von EUR 60.000,-- laut der Honorarnote seines Rechtsanwalts Mag. K* entstanden, den der Beklagte dem Kläger ebenfalls zu ersetzen habe.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, er habe für die Tochter des Klägers Dr. D* B* als obsiegender Partei im Verfahren E* des LGZ Graz ein Exekutionsverfahren gegen den Kläger zur Hereinbringung der offenen Kostenforderung seiner Mandantin geführt. Der Kläger habe die Zahlung zur Vermeidung einer Zwangsversteigerung geleistet. Mit der Durchsetzung der Hauptforderung (Grundbuchseintragung) habe Dr. D* B* einen anderen Rechtsanwalt beauftragt, dessen Vertretungshandlungen dem Beklagten nicht zuzurechnen seien. Seit 31. Juli 2023 sei das Fruchtgenussrecht der Tochter des Klägers im Grundbuch eingetragen.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Aus dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt folgerte das Erstgericht rechtlich, dass die Zahlung laut Überweisung vom 9. Juni 2022 – wenn auch unter Vorbehalt – zur Begleichung der rechtskräftigen und vollstreckbaren, bereits exekutiv betriebenen Kostenforderung geleistet worden sei. Da die Schuld zu Recht bestanden habe, könne die mit Tilgungswirkung verbundene Zahlung nicht zurückgefordert werden. Die Abweisung des ersten Grundbuchsgesuchs der Dr. D* B* auf Einverleibung ihres Fruchtgenussrechts berühre die Kostenersatzpflicht nicht und entfalte auch keine res-judicata-Wirkung für die Einverleibung des Fruchtgenussrechts gemäß § 350 EO. Aus denselben Gründen scheide auch ein Schadenersatzanspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten aus. Der Beklagte habe für seine Mandantin einen durchsetzbaren Titel erwirkt. Dass ein anderer Rechtsvertreter der Dr. D* B* mit seinem untauglichen Verbücherungsgesuch zunächst scheiterte, sei dem Beklagten nicht zuzurechnen. Abgesehen davon, dass die Geltendmachung von pauschalierten Verfahrenskosten § 1 RATG widerspreche, sei ein haftungsbegründendes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beklagten nicht ersichtlich.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt (ON 28). Der Berufungswerber moniert, dass das Erstgericht nicht das „Prozess-Endergebnis“ berücksichtigt habe, nämlich dass „die Klage zu E* und die hierauf folgenden Exekutionsverfahren gemäß §§ 354, 367 und 350 EO mit absoluter, von Amts wegen zu berücksichtigender Nichtigkeit behaftet“ gewesen seien. Zum Beweis dafür sowie des von ihm erlittenen Schadens von EUR 11.020,40 (an Pauschalgebühren im Ausgangsverfahren) legt der Kläger verschiedene Urkunden vor.

Der Beklagte beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Urkundenvorlage in der Berufung:

1. Neuerungen können im Berufungsverfahren gemäß § 482 Abs 2 ZPO nur zur Dartuung oder Widerlegung der Berufungsgründe der Nichtigkeit oder der Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorgebracht werden ( Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO⁵ § 482 Rz 5; RIS-Justiz RS0041812 [T2] und RS0105484). Das neue Vorbringen muss sich auf die Berufungsgründe selbst beziehen, nicht aber auf die behaupteten Ansprüche und Gegenansprüche als solche (RIS-Justiz RS0041812 [T3]).

2. Der Berufungswerber bezieht sich auf die (angeblich) mangelnde Einverleibungsfähigkeit des Teil-Fruchtgenussrechts der Dr. D* B* laut Urteil vom 29. August 2019, E* des LGZ Graz, und meint, dass deshalb das diesbezügliche Titel- und die zu dessen Durchsetzung geführten Exekutionsverfahren (gemäß §§ 354, 367 und 350 EO) „mit absoluter, von Amts wegen zu berücksichtigender Nichtigkeit behaftet“ seien. Er zeigt mit diesem Vorbringen keine Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des gegenständlichen - auf Rückzahlung des geleisteten Prozesskostenersatzes und Schadenersatz für eigene Vertretungskosten gerichteten – Verfahrens auf. Die vom Kläger in der Berufung zur Stützung seines Sachantrags und des Rechtsmittelgrunds der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vorgelegten Urkunden sind daher zurückzuweisen.

II. Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.

1. Zunächst kann auf die im Wesentlichen zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts verwiesen werden (§ 500a ZPO), die durch die Berufungsausführungen nicht erschüttert wird. Diesen ist entgegenzuhalten:

2. Die Zahlung einer Nichtschuld unter dem Druck einer Vollstreckung gewährt zwar ohne Rücksicht auf einen Irrtum des Leistenden einen Kondiktionsanspruch (RIS-Justiz RS0033569). Die auf § 1431 ABGB gestützte Rückforderung setzt jedoch voraus, dass dem Kondiktionsanspruch nicht die Rechtskraft einer Entscheidung entgegensteht (3 Ob 72/98d; 3 Ob 229/01z). Eine solche schließt eine rechtsgrundlose Leistung jedenfalls aus ( Lurger in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.09 § 1431 Rz 2 [Stand 15.9.2023, rdb.at], Mader in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar 4 § 1431 ABGB Rz 3).

3. Der Kläger tätigte die von ihm nunmehr zurückgeforderte Zahlung in Erfüllung des Dr. D* B* als obsiegender Klägerin im Verfahren E* des LGZ Graz rechtskräftig zugesprochenen Prozesskostenersatzes (samt Zinsen und Exekutionskosten). Dieser Titel ist unverändert aufrecht. Entgegen der vom Berufungswerber vertretenen Ansicht ändert der Umstand, dass der Antrag der Dr. D* B* vom 23. August 2021 auf Einverleibung des Fruchtgenussrechts abgewiesen wurde (weil [noch] Eintragungsvoraussetzungen fehlten), daran nichts (so schon OLG Graz 5 R 71/24m [Beilage ./5, Seite 16]). Die Rückforderung der in Erfüllung des rechtskräftigen Titels bezahlten Kosten scheidet daher aus. Hinzu kommt, dass der Kläger diese Zahlung seiner Tochter (als Klägerin im Titelverfahren) und nicht dem Beklagten (als deren Anwalt) leistete, zumal der Kostenanspruch (ungeachtet der Bestimmung des § 19a RAO) der Partei und nicht ihrem Anwalt zusteht (RIS-Justiz RS0072064).

4. Der Kläger ist im Verfahren E* des LGZ Graz als (dort) Beklagter (rechtskräftig) unterlegen. Aus dem (dies ausblendenden) Klagsvorbringen (wonach der Anspruch auf Begründung des Fruchtgenussrechts der Dr. D* B* „contra legem“ verfolgt worden sei) lässt sich eine deliktische Haftung des Beklagten für die dem Kläger entstandenen (eigenen) Verfahrenskosten (die als reine Vermögensschäden nur unter den Voraussetzungen des § 1295 Abs 2 ABGB ersatzfähig wären) nicht schlüssig ableiten (vgl schon ON 26.4, AS 3).

5. Die Berufung bleibt daher erfolglos.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat dem Beklagten die richtig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen und die Entscheidung nur von den Umständen des Einzelfalls abhängig war.

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