7Ra59/24m – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Kraschowetz-Kandolf (Vorsitz), die Richter Mag. Russegger und Mag. Reautschnig sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Färber (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Allmannsdorfer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Senatsmitglieder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch die Klein, Wuntschek Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei B* gmbh , **, vertreten durch Mag. Dr. Michael Nocker, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 617,21 sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. November 2024, GZ: **-12, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die EUR 253,10 (darin EUR 42,18 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revision ist nicht nach § 502 Abs 2 ZPO zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war in der Zeit vom 1. August 2023 bis 12. August 2023 für das Unternehmen der Beklagten tätig. Das Dienstverhältnis endete durch Kündigung durch den Kläger.
Die Parteien schlossen einen „freien Dienstvertrag“, der vom Kläger am 1. August 2023 unterschrieben wurde. Punkt 11. 2. dieses Vertrages lautete:
„Sämtliche Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit diesem freien Dienstverhältnis sind bei sonstigem Verfall binnen drei Monaten nach deren Fälligkeit schriftlich (Anspruchsschreiben) bei der jeweils anderen Vertragspartei geltend zu machen. Lehnt eine Vertragspartei die Erfüllung der schriftlich geltend gemachten Ansprüche ab oder gibt sie innerhalb eines Monats nach Zugang des Anspruchsschreibens keine Erklärung ab, ist der geltend gemachte Anspruch bei sonstigem Verfall binnen weiterer zwei Monate gerichtlich geltend zu machen.“
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 forderte der Kläger, vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte, die Beklagte auf, ihm bis zum 16. Oktober 2023 für den Zeitraum 1. August 2023 bis 12. August 2023 das angemessene restliche Entgelt bzw. Gehalt, die anteiligen Sonderzahlungen sowie die Urlaubsersatzleistung für nicht konsumierten Gebührenurlaub gemäß § 10 UrlG zu bezahlen.
Mit E-Mail vom 11. Oktober 2023 lehnte die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche ab, da keine weiteren Ansprüche aus dem freien Dienstverhältnis offen seien.
Mit der am 24. Jänner 2024 eingebrachten Mahnklage begehrt der Kläger die Zahlung eines Betrages von EUR 617,21 samt Zinsen und bringt zur Begründung vor, es habe sich um ein echtes Arbeitsverhältnis gehandelt, weshalb dem Kläger das kollektivvertragliche Entgelt zustehe. Er sei als Dialoger vollzeitbeschäftigt gewesen. Auf das Dienstverhältnis sei der Kollektivvertrag für Angestellte in der Information und Consulting anzuwenden. Das Dienstverhältnis sei vom Kläger beendet worden. Unrichtigerweise gehe die Beklagte von einem freien Dienstverhältnis aus. Beispielsweise habe sich der Kläger nicht vertreten lassen können. Die Arbeit habe er stets selbst erledigen müssen. Auch sei er an Arbeitszeiten und bestimmte Arbeitsorte gebunden gewesen. Jeden Morgen in der Früh habe er bei der Besprechung im Unternehmen der Beklagten anwesend sein müssen. Der Teamleiter habe ihm mitgeteilt, was er für die Tätigkeit einpacken müsse und wer wo arbeite. Manchmal sei ihm erst in der Straßenbahn mitgeteilt worden, wo er aussteigen müsse. Er habe nicht selbstständig entscheiden können, an welche Standorte er gehe. Der Teamleiter sei zwischendurch immer wieder vorbeigekommen. Sei am Standort wenig los gewesen, sei er zu einem anderen geschickt worden. Der Kläger sei daher an Arbeitszeit und Arbeitsort gebunden gewesen und sei den Anweisungen des Teamleiters unterlegen gewesen. Er sei in das Unternehmen selbst organisatorisch eingebunden gewesen. Im Schulungsseminar sei mitgeteilt worden, dass die Arbeitszeiten zwischen 9:30 und 18:30 Uhr lägen. Auch die Ruhepausen seien vom Teamleiter eingeteilt bzw. mit ihm ausgemacht worden. Die Tätigkeit des Klägers sei gewesen, Spenden für eine Kinderhilfsorganisation einzusammeln und über diese zu informieren. Die tatsächlich gelebte Praxis weiche daher vom Inhalt des Dienstvertrags ab.
Der Vertragspunkt 11.2. sei aus Sicht des Klägers gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB sittenwidrig und damit nichtig, da sie mit einem zu Vertragsabschluss Minderjährigen abgeschlossen worden sei, der die Tragweite bzw. Konsequenzen dieser Verfallsfrist nicht habe nachvollziehen können. Dieser Vertragspunkt sei auch nicht explizit mit dem damals noch Minderjährigen besprochen worden. Der anzuwendende Kollektivvertrag sehe eine Verfallsfrist nur für Reiseaufwandsentschädigungen nach § 10 vor. Für alle anderen Entgeltansprüche sehe er keine Verfallsfrist vor. Es sei daher auch eine Schlechterstellung des damals noch Minderjährigen im Vergleich zu den kollektivvertraglichen Bestimmungen anzunehmen. Die verfahrensgegenständlichen Ansprüche seien daher nicht verfallen.
Die Beklagte bestreitet und wendet ein, es sei ein freier Dienstvertrag abgeschlossen worden. Der für die Arbeitnehmer der Beklagten geltende Kollektivvertrag sei daher nicht anwendbar. Das freie Dienstverhältnis habe durch Kündigung des Klägers geendet. Der Kläger habe der Beklagten mitgeteilt, nicht weiter für sie tätig werden zu wollen. Der Kläger habe daher nach dem 5. August 2023 jegliche Tätigkeit für die Beklagte eingestellt, weshalb er vereinbarungsgemäß wieder bei der ÖGK abgemeldet worden sei. Die bis dahin zustehende Vergütung habe er vereinbarungsgemäß zur Gänze erhalten. Unrichtig sei, dass sich der Kläger nicht vertreten lassen hätte können. Er sei vielmehr weder verpflichtet gewesen, ein bestimmtes monatliches Ausmaß zu arbeiten, noch überhaupt, irgendwelche Aufträge zu übernehmen. Er habe von den von der Beklagten angebotenen Aufträgen frei wählen können. Selbst wenn er einen Auftrag übernommen hätte, hätte er diesen sanktionslos entweder überhaupt nicht antreten oder nach Antritt jederzeit wieder beenden können. Wenn aber der Kläger nicht einmal verpflichtet gewesen sei, ein bestimmtes Ausmaß an Aufträgen zu übernehmen, oder übernommene Aufträge überhaupt einfach nicht ausführen hätte müssen, wäre ein Vertretungsrecht ohnehin nicht einmal notwendig gewesen. Dennoch sei ein solches im Vertrag eingeräumt worden. Der Kläger habe sich zu Beginn des freien Dienstverhältnisses freiwillig – und bis auf jederzeitigen Widerruf – dazu entschlossen, gemeinsam mit anderen freien Dienstnehmern in einem Team arbeiten zu wollen. Diese Entscheidung habe er jederzeit widerrufen und alleine weiterarbeiten können. Die (notwendige) Koordination innerhalb eines Teams führe aber nicht dazu, dass der Kläger sich nicht jederzeit hätte anders entscheiden können. Es habe auch keine Verpflichtung zur Anwesenheit in den Betriebsräumlichkeiten der Beklagten gegeben. Es habe auch keinen „Teamleiter“ gegeben, sondern nur einen Teamkoordinator. Diese seien ebenfalls freie Dienstnehmer der Beklagten. Weder sei der Kläger verpflichtet, irgendwelche Weisungen entgegenzunehmen und zu befolgen, noch sei der Teamkoordinator befugt, solche zu erteilen. Woraus sich die (nicht gegebene) organisatorische Eingliederung des Klägers ergeben sollte, führe er nicht näher aus.
Im Übrigen sei in Punkt 11. des Vertrages eine Verfallsklausel mit einer Verfallsfrist von insgesamt fünf Monaten vereinbart worden. Auch im echten Dienstverhältnis seien Verfallsfristen bis zu einer Dauer von 3 Monaten unproblematisch. Der Kläger sei bereits während der dreimonatigen Verfallsfrist rechtskundig von der Arbeiterkammer vertreten worden, die es verabsäumt habe, den von der Beklagten abgelehnten Anspruch rechtzeitig gerichtlich geltend zu machen. Der Einwand der Sittenwidrigkeit sei daher verfehlt.
Mit dem angefochtenen Urteil weist das Erstgericht das Klagebegehren auf der Grundlage des eingangs dargestellten, unstrittigen Sachverhalts ab.
In rechtlicher Hinsicht folgert es, dass die einzelvertragliche Vereinbarung einer Präklusivfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag sowie die Verkürzung der an und für sich greifenden Verjährungsfrist zulässig sei, wenn sie nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers gegen zwingende gesetzliche Fristbestimmungen verstoße oder durch eine unangemessen kurze Ausschlussfrist die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschwere. § 1162d ABGB sei analog auf freie Dienstverhältnisse anwendbar, sodass unabhängig davon, ob gegenständlich ein freier Dienstvertrag oder ein echter Dienstvertrag vorliege, zu prüfen sei, ob durch die vertragliche Vereinbarung ein für den Kläger nachteiliger Verstoß gegen die Bestimmung vorliege. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seien jedoch nicht vom Geltungsbereich dieser Bestimmung erfasst, sodass die dort vorgesehene sechsmonatige Frist nicht zur Anwendung gelange und eine abweichende einzelvertragliche Vereinbarung zulässig sei. Eine solche dürfe jedoch die Geltendmachung von Ansprüchen nicht übermäßig erschweren. Die Frage der Erschwerung sei nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Eine übermäßige Erschwerung und damit Sittenwidrigkeit werde für eine Verfallsklausel bei einer dreimonatigen Frist allgemein verneint. Die getroffene vertragliche Vereinbarung, die eine drei- und zweimonatige Verfallsfrist vorsehe, sei somit nicht sittenwidrig. Auf die Minderjährigkeit des Klägers zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses komme es dabei nicht an, zumal dieser als mündiger Minderjähriger gemäß § 171 ABGB berechtigt gewesen sei, Dienstverhältnisse abzuschließen. Die Ansprüche des Klägers seien verfallen, weshalb eine inhaltliche Prüfung unterbleiben könne.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in Verbindung mit § 2 Abs 1 ASGG in nicht-öffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.
In seiner ausschließlich erhobenen Rechtsrüge vertritt der Berufungswerber die Auffassung, dass eine vertragliche Vereinbarung, wonach die von der Dienstgeberin abgelehnten Entgeltansprüche innerhalb von zwei Monaten gerichtlich geltend zu machen seien, gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB sittenwidrig sei. Es bestehe kein Zweifel daran, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags noch minderjährig gewesen sei. Er habe die Tragweite der Verfallsklausel nicht erfassen können. Die Klausel schütze ausschließlich die Beklagte vor der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis durch den Dienstnehmer. Damit sei sie grob benachteiligend. Vor allem könne aber eine derartige Vereinbarung mit einem Minderjährigen nicht wirksam abgeschlossen werden. Es komme auch nicht darauf an, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Ablehnung bereits von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für ** rechtskundig vertreten gewesen sei. Vielmehr sei die vertragliche Vereinbarung in diesem Punkt (teil-)nichtig. Eine derartige Vertragsklausel sei für einen Minderjährigen absolut nicht zu erwarten und rechtlich gesehen für ihn auch nicht einzuordnen. Insbesondere habe er die Tragweite dieser Vereinbarung nicht erfassen können. Dabei spiele es keine Rolle, ob ein mündiger Minderjähriger gemäß § 171 ABGB berechtigt gewesen sei, ein Dienstverhältnis abzuschließen. Es liege auf der Hand, dass eine derartige Vereinbarung jedenfalls gegen das Kindeswohl verstoße und damit im Übrigen auch pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen gewesen wäre bzw. die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter benötigt hätte. Auch dies sei nicht geschehen. Weiter sei auch vorgebracht worden, dass dieser Vertragspunkt mit dem damals noch Minderjährigen nicht besprochen worden sei. Er sei auch nicht auf die Konsequenzen dieses Vertragspunktes hingewiesen worden. Auch deshalb sei davon auszugehen, dass seine Unerfahrenheit ausgenutzt worden sei. Schließlich sei auch zwischen der außergerichtlich erfolgten schriftlichen Geltendmachung und der gerichtlichen Geltendmachung innerhalb eines Zeitraums von lediglich zwei Monaten zu unterscheiden. Die Frist für die gerichtliche Geltendmachung betrage weniger als drei Monate. Der Kollektivvertrag sehe überhaupt keine Verfallsfrist vor. Insgesamt sei auch von einer Schlechterstellung des damals noch minderjährigen Klägers im Vergleich zu den kollektivvertraglichen Bestimmungen auszugehen.
Im Übrigen würde die Anwendung des § 171 ABGB die Bestimmung des § 167 ABGB ad absurdum führen, wenn jede noch so nachteilige Klausel, welche nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehöre, mit minderjährigen Dienstnehmern vereinbart werden könne. Die verfahrensgegenständliche Klausel bedürfe daher jedenfalls der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter und der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts.
Dazu ist zunächst auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zu verweisen (§ 500a ZPO) und den Berufungsausführungen kurz zu entgegnen:
Der Zweck von Verfallsklauseln liegt regelmäßig darin, dem Beweisnotstand zu begegnen, in welchem sich der Arbeitgeber bei verspäteter Geltendmachung befinden würde. Dieser Zweck ist dem Erfordernis gegenüberzustellen, dem Arbeitnehmer eine entsprechende Zeitspanne zur Klärung der Sach- und Rechtslage einzuräumen ( RS0034417 [T4 und T5]).
Allgemein hält die Rechtsprechung daher eine Verkürzung der allgemeinen Verjährungsfrist (nicht aber einseitig zwingender gesetzlicher Verfallsfristen wie nach § 34 AngG oder § 1162d ABGB) durch Vereinbarung für zulässig. Die vertraglichen Verfallsklauseln unterliegen jedoch der Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 879 ABGB (8 ObA 75/15k, 9 ObA 126/15t). Verfallsklauseln sind dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren oder praktisch unmöglich machen. Demgemäß wurde eine einzelvertraglich vereinbarte (oder kollektivvertragliche) dreimonatige Fallfrist nicht als sittenwidrig angesehen ( RS0016688 ; RS0051974 [T5]).
Aber auch „doppelte Verfallsbestimmungen“, mit denen in der Regel eine zunächst einzuhaltende längere Frist für eine außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche beim Arbeitgeber im Fall der Ablehnung mit einer kürzeren Frist für die gerichtliche Geltendmachung kombiniert werden, werden von der Rechtsprechung grundsätzlich akzeptiert (9 ObA 128/15m, 9 ObA 126/15t, 8 ObA 75/15k, 14 Ob 167/86 (14 Ob 168/86, 14 Ob 169/86)) zu kollektivvertraglichen Verfallsbestimmungen).
Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die konkret zwischen den Streitteilen vereinbarte Verfallsklausel per se als sittenwidrig anzusehen ist.
Der Berufungswerber stützt sich auf § 879 Abs 2 Z 4 ABGB wonach Verträge nichtig sind, wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet , dass er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren lässt, deren Vermögenswert zu dem Werte der Leistung in auffallendem Missverhältnis entsteht. Es handelt sich dabei um den „Wuchertatbestand“, das bedeutet, dass die ungünstige Lage des Verkürzten ausgebeutet wird, was zumindest fahrlässiges Ausnützen erfordert ( RS0104129 ; Bollenberger/P. Bydlinski in Bydlinski/Perner/Spitzer ABGB 7 § 879 Rz 18). Der Kläger leitet dies aus seiner Minderjährigkeit und daraus ab, dass er die Tragweite der Verfallsklausel nicht erfassen könne. Außerdem solle die Klausel nur die Beklagte vor der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis durch den Dienstnehmer schützen, weshalb sie grob benachteiligend sei.
Die hier aufgezeigte Einseitigkeit zulasten des Klägers liegt jedoch schon deshalb nicht vor, weil nach der Textierung der Verfallsklausel diese nicht nur den Kläger sondern auch die Beklagte, etwa im Falle der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, bindet.
Es trifft auch nicht zu, dass die Minderjährigkeit des Klägers schon dazu führen sollte, dass er die Tragweite der Verfallsklausel nicht erfassen konnte. Bereits das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich ein mündiges minderjähriges Kind nach § 171 ABGB selbstständig durch Vertrag zu Dienstleistungen (ausgenommen zu Dienstleistungen auf Grund eines Lehr- oder sonstigen Ausbildungsvertrags) verpflichten kann. Der gesetzliche Vertreter kann allerdings das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis aus wichtigen Gründen vorzeitig lösen, was hier nicht der Fall war. Somit können mündige Minderjährige Dienstverträge grundsätzlich ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters selbst abschließen und auch auflösen ( Bollenberger/P. Bydlinski in Bydlinski/Perner/Spitzer ABGB 7 § 171 Rz 1). Es bedarf daher weder einer Unterschrift des gesetzlichen Vertreters noch einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Die Befugnis zum Abschluss von Dienstverträgen erklärt sich aus der Überlegung, dass der Minderjährige über seine eigene Arbeitskraft selbst verfügen können soll ( Thunhart in Klang 3 zu § 152 (jetzt § 171) ABGB Rz 1). Der Gesetzgeber traut daher mündigen Minderjährigen zu, Verträge über Dienstverträge – jedenfalls zu üblichen Bedingungen – selbstständig abzuschließen, die ihnen auch Verpflichtungen auferlegen.
Der Berufungswerber beruft sich nicht auf die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags, den er als (echten) Arbeitsvertrag (im Gegensatz zu einem freien Dienstvertrag) rechtlich qualifiziert, sondern ausschließlich auf die Unwirksamkeit der zwischen den Streitteilen vereinbarten Verfallsklausel.
Es existieren arbeitsrechtliche Sonderregelungen, die die dienstvertragliche Verpflichtungsfähigkeit eines minderjährigen Arbeitnehmers einschränken. Beispielsweise kann gemäß § 36 Abs 1 AngG und § 2c Abs 1 Z 1 AVRAG ein Minderjähriger keine Konkurrenzklausel wirksam vereinbaren. Auch die Übernahme einer Verpflichtung zum Ersatz von Ausbildungskosten bedarf nach § 2d Abs 3 AVRAG der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Weitere Schutzbestimmungen sieht das KJBG vor. Eine Einschränkung hinsichtlich einer Verfallsklausel findet sich nicht.
Bei einer Verfallsklausel handelt es sich nicht um eine ungewöhnliche Bedingung in einem Arbeitsvertrag, mit der man nicht rechnen muss, finden sich derartige Klauseln doch nicht nur in Einzelverträgen sondern auch in zahlreichen Kollektivverträgen. Dass der Kläger einen (echten) Arbeitsvertrag abschloss, entspricht geradezu seinen Klagsbehauptungen; insofern ist es auch zusammenfassend zulässig, in einem solchen entsprechende Verfallsbestimmungen zu vereinbaren.
Der Kläger war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (am 1. August 2023 unterfertigte er die Beilage./A) bereits 17 Jahre alt; die Vertragsbestimmung Punkt 11.2. ist klar formuliert, sodass erkennbar ist, innerhalb welcher Frist er seine Ansprüche, über die er im Sinn des § 170 Abs 2 ABGB (außer bei Gefährdung der Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse) grundsätzlich verfügen kann, geltend machen muss. Aus welchen Gründen er die Tragweite dieser Klausel nicht erkennen hätte sollen, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich nahm er auch einen Rechtsschutz durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte in Anspruch, die zunächst rechtzeitig ein Aufforderungsschreiben an die Beklagte richtete.
Eine rechtsmissbräuchliche Vorgangsweise der Beklagten kann insgesamt nicht erkannt werden. Dass die Klausel an sich nicht sittenwidrig ist, wurde bereits dargelegt.
Zusammenfassend war der Berufung daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO in Verbindung mit § 2 Abs 1 ASGG. Entgegen der Verzeichnung gebührt der Beklagten für die Berufungsbeantwortung nur der einfache Einheitssatz. Das Berufungsgericht vertritt seit 8 Ra 118/98d (veröffentlicht in RIS-Justiz RG0000018 mit ausführlicher Begründung) in ständiger Judikatur die Auffassung, dass auch in Arbeitsrechtssachen bei Streitwerten bis zu EUR 2.700,00 - wie hier - in Analogie zu § 501 Abs 1 ZPO bzw § 23 Abs 9 und 10 RATG nur der einfache Einheitssatz zuzuerkennen ist (vgl auch Neumayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm 3 §§ 45 bis 48 ASGG Rz 7 (Stand 1.1.2018, rdb.at)).
Die Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu lösen war. In Ansehung der Frage der Unzulässigkeit von Verfallsklauseln konnte auf bereits gesicherte Judikatur zurückgegriffen werden.