8Bs362/24g – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A* und eine andere Person wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB über die Beschwerde der B* gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 29. November 2024, AZ ** (ON 7 der Akten ** der Staatsanwaltschaft Leoben), den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Antrag der B* auf Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten ihrer Verteidigung zurückgewiesen .
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Text
Am 27. November 2024 stellte die Staatsanwaltschaft Leoben das gegen B* wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein und verständigte die Beschuldigte sowie das minderjährige Tatopfer über dessen (vermeintlichen) gesetzlichen Vertreter (Bezirkshauptmannschaft C*) hievon (ON 1.2).
Bereits am 29. November 2024 begehrte B* – ohne Vorlage eines Kostenverzeichnisses – die Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten ihrer Verteidigung in Höhe von EUR 3.000,00 (ON 5).
Vor Ablauf der (mit der Zustellung der Einstellungsverständigung an das Opfer ausgelösten) 14-tägigen Frist zur Einbringung eines Fortführungsantrags (§ 195 Abs 2 erster Satz StPO) erkannte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss der Beschuldigten einen Beitrag zu den Kosten ihrer Verteidigung von EUR 1.000,00 zu (ON 6).
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft kommt in ihrem Kassationsbegehren Berechtigung zu (ON 9.4).
Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird.
Nach der Übergangsbestimmung in § 516 Abs 12 StPO ist § 196a StPO auf Verfahren anzuwenden, in denen die verfahrensbeendenden Entscheidungen ab dem 1. Jänner 2024 rechtskräftig geworden sind.
Die formelle Rechtskraft einer Entscheidung bezeichnet deren Unanfechtbarkeit und liegt vor, wenn eine Entscheidung der verfahrensmäßigen Bekämpfung durch die Parteien, also einer solchen durch ordentliche Rechtsmittel (Rechtsbehelfe), wozu auch ein Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 195 StPO zählt ( Ratz , WK-StPO Vor §§ 280 bis 296a Rz 3 und 8; Birklbauer , WK-StPO § 16 Rz 7 ff), nicht mehr offen steht ( Lewisch , WK-StPO Vor §§ 352 bis 363 Rz 11 ff).
Ungeachtet dessen, dass die Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlussfassung noch nicht rechtskräftig war, ist das Ermittlungsverfahren gegen B* in der Zwischenzeit von der Staatsanwaltschaft aufgrund eines Fortführungsantrags des Opfers (ON 13) gemäß § 195 Abs 3 erster Satz StPO fortgeführt worden (ON 1.9). Damit ist aber auch die Grundlage für die Zuerkennung eines Verteidigerkostenbeitrags weggefallen.
Diese vom Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung in der Sache zu berücksichtigende Neuerung (§ 89 Abs 2b StPO) hat die Kassation des angefochtenen Beschlusses sowie die Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten der Verteidigung zur Konsequenz.