8Bs225/24k – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer (Vorsitz) und die Richter Mag. Koller und Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A* und andere Personen wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz über die Beschwerde des Mag. B* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 19. Juli 2024, AZ 27 HR 44/24i (ON 115 der Akten 112 St 6/24s der Staatsanwaltschaft Graz) in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass die Kosten für die mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 25. Juni 2024 (ON 105) erteilte Weisung, sich einer stationären Entzugs- und Substitutionsbehandlung zu unterziehen für die Dauer von sechs Monaten dem Grunde nach vom Bund getragen werden.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
begründung:
Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 25. Juni 2024 (ON 105) wurde die über Mag. B* mit Beschluss vom 11. Juni 2024 wegen des dringenden Verdachts des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall SMG verhängte (ON 47) und mehrfach fortgesetzte (ON 52, ON 73, ON 77.3 und ON 98) Untersuchungshaft unter Anwendung gelinderer Mittel iSd § 173 Abs 5 StPO, darunter der – mit seiner ausdrücklichen Zustimmung erteilten – Weisung, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens eine stationäre „Drogentherapie“ zu absolvieren und den Beginn der Therapie dem Gericht binnen 14 Tagen und deren Fortgang sodann im Abstand von vier Wochen nachzuweisen, aufgehoben und die sofortige Enthaftung des Beschuldigten angeordnet. Der Beschuldigte wurde noch am selben Tag aus der Haft entlassen (ON 107.2) und trat noch am selben Tag die stationäre gesundheitsbezogene Maßnahme beim Verein C*, Einrichtung **, an (ON 108).
Am 18. Juli 2024 beantragte der Beschuldigte die Kostenübernahme für die aufgetragene stationäre Therapie beim Verein C* durch den Bund, weil die Bezirkshauptmannschaft ** als zuständiger Sozialhilfeträger eine Kostenübernahme abgelehnt habe und er seit Anfang Dezember weder bei der Österreichischen Gesundheitskasse noch bei einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung in einem aufrechten Versicherungsverhältnis stehe (ON 114).
Die Staatsanwaltschaft Graz sprach sich mangels gesetzlicher Grundlage gegen die Kostenübernahme aus (ON 1.134).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Übernahme der Kosten der stationären Drogenentwöhnungstherapie durch den Bund ab und begründete dies damit, dass die Bestimmung des § 41 Abs 1 SMG die Kostenübernahme für eine aus Anlass der Aufhebung der Untersuchungshaft gegen gelindere Mittel nach § 173 Abs 5 Z 9 StPO aufgetragene Entwöhnungsbehandlung nicht vorsehe und es daher an einer gesetzlichen Grundlage für die Kostentragung fehle (ON 115).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten (ON 116), der im Spruch ersichtlichen Umfang Berechtigung zukommt.
Gemäß § 41 Abs 1 SMG hat der Bund die Kosten gesundheitsbezogener Maßnahmen gemäß § 11 Abs 2 Z 1 bis 4 SMG (ärztliche Überwachung des Gesundheitszustands, ärztliche Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung , klinisch-psychologische Beratung und Betreuung sowie Psychotherapie) unter anderem in den Fällen des § 173 Abs 5 Z 9 StPO sowie die Kosten einer Entwöhnungsbehandlung, sonst einer medizinischen oder einer psychotherapeutischen Behandlung (§ 51 Abs 1 und 3 StGB) eines Rechtsbrechers, dem aus Anlass einer mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel im Zusammenhang stehenden Verurteilung die Weisung erteilt worden ist, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen, zu übernehmen, wenn
1. der Rechtsbrecher sich der Maßnahme in einer Einrichtung oder Vereinigung gemäß § 15 SMG unterzieht,
2. der Rechtsbrecher nicht Anspruch auf entsprechende Leistungen aufgrund von Gesetzen der Länder oder einer gesetzlichen Sozialversicherung hat und
3. durch die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten sein Fortkommen erschwert würde.
Das Erstgericht verkennt bei seiner Argumentation, dass der Begriff Entwöhnungsbehandlung in § 173 Abs 5 Z 9 StPO nur solche Behandlungs- und Therapiemaßnahmen umfasst, bei denen es sich nicht um gesundheitsbezogene Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs 2 SMG handelt (wie etwa der Weisung, sich einer die Alkoholsucht bekämpfenden Entwöhnungsbehandlung zu unterziehen oder ein Antigewalttraining zu absolvieren). Die aufgetragene stationäre „Drogentherapie“ (genauer: Entzugs- und Substitutionsbehandlung) ist aber eine gesundheitsbezogene Maßnahme im Sinne des § 11 Abs 2 Z 2 SMG, bei der nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut des § 41 Abs 1 SMG eine Kostenübernahme auch in den Fällen des § 173 Abs 5 Z 9 StPO vorgesehen ist, liegt der Sinn und Zweck dieser Bestimmung doch gerade darin, an Suchtmittel gewöhnte Rechtsbrecher möglichst früh und effizient von der Sucht wegzubringen und dies nicht von der Kostentragung abhängig zu machen ( Matzka/Zeder/Rüdisser , SMG 3 § 41 SMG Rz 1). Eine Differenzierung zwischen von der Staatsanwaltschaft als Bedingung eines vorläufigen Rücktritts von der Verfolgung festgelegten oder vom Gericht bei einem Vorgehen nach § 37 SMG oder (wie hier:) in den Fällen des § 173 Abs 5 Z 9 StPO aufgetragenen gesundheitsbezogenen (suchtbekämpfenden) Maßnahmen iSd § 11 Abs 1 Z 1 bis 4 SMG sowie den aus Anlass einer Verurteilung erteilten und spezifisch der Gewöhnung an Suchtmittel entgegenwirkenden Weisungen nach § 51 Abs 3 StGB findet insoweit daher nicht statt.
Die Grundeingangsvoraussetzung für die Kostentragung durch den Bund liegt daher entgegen der Ansicht des Erstgerichts vor, sodass vom Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung in der Sache (§ 89 Abs 2b zweiter Satz StPO) nur mehr zu prüfen ist, ob sonst ein im Gesetz ausdrücklich bezeichneter Grund einer Kostentragung entgegensteht.
Mag. B* unterzieht sich seit 25. Juni 2024 (vgl die letzte Aufenthaltsbestätigung vom 7. August 2024 ON 120) der aufgetragenen gesundheitsbezogenen Maßnahme beim Verein C*, bei dem es sich um eine anerkannte Einrichtung im Sinne des § 15 SMG handelt (Kundmachung der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über Einrichtungen und Vereinigungen mit Betreuungsangebot für Personen im Hinblick auf Suchtgiftmissbrauch, BGBl II 2008/132; Z 1). Nach den unbedenklichen Urkunden (ON 114.3 und 114.4) hat er keinen Anspruch auf entsprechende Leistungen aufgrund von (Sozialhilfe-)Gesetzen der Länder oder einer gesetzlichen Sozialversicherung (Z 2) und verfügt er aktuell weder über ein Erwerbseinkommen, noch über Ersparnisse mit Hilfe derer er die Kosten der Behandlung bestreiten könnte (ON 43.1, 4). Die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten der aufgetragenen stationären Therapie würde daher sein Fortkommen erschweren (Z 3).
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Kostenübernahme liegen damit vor, weswegen die Kostentragungspflicht des Bundes für die Dauer von maximal sechs Monaten (dies ergibt sich aus dem Zusammenhalt von § 41 mit § 35 Abs 6 bzw § 39 Abs 1 Z 1 SMG [vgl Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG 3 § 41 SMG Rz 7/1 mit Verweis auf § 35 Rz 45/1 und § 39 Rz 19/1 sowie ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 90]) dem Grunde nach auszusprechen war. Über den Kostenersatz der Höhe nach wird das Erstgericht aufgrund noch vorzulegender Honorarnoten durch den Verein C*, mit dem das Bundesministerium für Justiz die Entlohnung nach Pauschalsätzen vereinbart hat (vgl hierzu den Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 28. Februar 2023 über die Anpassung der mit den Drogentherapieeinrichtungen D* GmbH, E* GmbH, Verein C* , Verein F*, Verein G* GmbH nach § 41 Abs 3 SMG vereinbarten Pauschalsätze an den Verbraucherpreisindex), zu entscheiden haben.