JudikaturOLG Graz

10Bs216/24a – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
08. August 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. a Tröster und Dr. in Steindl-Neumayr in der Übergabesache des A* zur Strafverfolgung an die Bundesrepublik Deutschland über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 24. Juli 2024, GZ 8 HR 54/24s (ON 51 der Akten AZ 18 HSt 2/24f der Staatsanwaltschaft Klagenfurt), in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Übergabehaft wird aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO iVm § 18 Abs 2 EU-JZG iVm § 29 ARHG fortgesetzt.

Die Wirksamkeit dieses Beschlusses ist durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt (§ 18 Abs 2 EU-JZG iVm § 29 Abs 5 ARHG).

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

BEGRÜNDUNG :

Aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts Bonn vom 24. November 2023, AZ 50 Gs 4568/23 (ON 3), leitete die Staatsanwaltschaft Klagenfurt am 25. Februar 2024 gegen den am ** geborenen deutschen Staatsangehörigen A* gemäß § 16 EU-JZG ein Übergabeverfahren zum Zweck der Strafverfolgung ein (ON 1.1).

Nach dem genannten Europäischen Haftbefehl werden A* zwei - rechtlich als Betrug in besonders schwerem Fall in zwei Fällen, in einem Fall tateinheitlich mit Unterschlagung sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis (§§ 263 Abs 1 und 3, 246 Abs 1, 52, 53 des deutschen Strafgesetzbuchs, § 21 Abs 1 Nr 1 1. Alternative des deutschen Straßenverkehrsgesetz) qualifizierte - Straftaten vorgeworfen, wobei die dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegenden mit Strafe bedrohten Handlungen dem Listendelikt des Betrugs (§ 4 Abs 3 EU-JZG iVm Anhang I Teil A) zugeordnet wurden.

Nachdem mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 27. Februar 2024 über den am 25. Februar 2024 in ** festgenommenen A* die Übergabehaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO iVm § 29 ARHG iVm § 18 Abs 2 EU-JZG mit Wirksamkeit bis 12. März 2024 verhängt worden war (ON 11), wurde mit in der Übergabeverhandlung vom 11. März 2024 (ON 18) mündlich verkündetem rechtskräftigen Beschluss aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts Bonn vom 24. November 2023, AZ 50 Gs 4982/23 (347 AR 26/23; 331 Js 551/23) gemäß § 21 EU-JZG die Übergabe des A* an die Bundesrepublik Deutschland zur Strafverfolgung bewilligt und ausgesprochen, dass mit der Übergabe Spezialitätswirkungen verbunden sind. Außerdem beschloss der Erstrichter den Aufschub der Übergabe gemäß § 25 Abs 1 Z 4 EU-JZG wegen des gegen den Betroffenen anhängigen inländischen Strafverfahrens AZ 34 Hv 21/22h des Landesgerichts Innsbruck (ON 24.1). Unter einem wurde die Übergabehaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO iVm § 18 EU-JZG iVm § 29 ARHG ohne Begrenzung durch eine Haftfrist (§ 18 EU-JZG iVm § 29 Abs 5 ARHG) fortgesetzt und die vorläufige Bewährungshilfe gemäß § 18 EU-JZG iVm § 29 ARHG iVm § 173a Abs 2 StPO iVm § 179 StPO zur Erhebung der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Übergabehaft im Wege des elektronisch überwachten Hausarrests angeordnet (ON 18).

Nach den vom Verein Neustart durchgeführten Erhebungen wurden (unter anderem) die vom Betroffenen angegebenen Wohnmöglichkeiten von den Unterkunftgebern verneint (ON 23). In der Übergabehaftverhandlung vom 25. April 2024 wurde die Übergabehaft aus den bisherigen Haftgründen fortgesetzt und der Antrag auf Fortsetzung der Übergabehaft im Wege des elektronisch überwachten Hausarrests abgewiesen (ON 28).

Von 14. Mai 2024, 8.00 Uhr bis 9. Juli 2024, 4.00 Uhr war die Übergabehaft im Hinblick auf den Vollzug offener Ersatzfreiheitsstrafen gehemmt (Hemmungsbeschluss ON 30.2, ON 31, ON 33, ON 44; ON 42.2 – Bescheid der Landespolizeidirektion ** vom 12. Juli 2024 über den Aufschub der Vollstreckung der offenen Ersatzfreiheitsstrafen).

Am 28. Mai 2024 wurde der Betroffene von der Justizanstalt Klagenfurt an die Justizanstalt Leoben überstellt (ON 34 und 35).

Mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 27. Juni 2024, AZ 17 Hv 46/24a, wurde der Betroffene (in Erledigung auch der ursprünglich den Gegenstand des Verfahrens AZ 34 Hv 21/22h des Landesgerichts Innsbruck bildenden Vorwürfe) zu I.A. der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 (zweiter Fall) StGB, zu I.B. der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB, zu II. des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und zu III. des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt und hiefür in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, auf die gemäß § 38 Abs 1 Z 2 StGB die Vorhaft (Übergabehaft) vom 25.2.2024, 10.50 Uhr, bis 14.5.2024, 8.00 Uhr, angerechnet wurde (ON 40). Die Einleitung des Strafvollzugs wurde mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 10. Juli 2024, AZ 17 Hv 46/24a, gemäß § 5 StVG wegen Vollzugsuntauglichkeit (infolge des bestehenden operativ sanierbaren Rectumprolaps-Leidens) bis 20. Oktober 2024 aufgeschoben (ON 43).

Im gegenständlichen Verfahren beantragte der Betroffene, die Übergabehaft aufzuheben und die Übergabe bis zu seiner Genesung aufzuschieben (ON 42.1, auch ON 41). Dies begründete er damit, dass er aufgrund der im Gerichtsakt aufliegenden Krankenunterlagen an einer schweren Krebserkrankung leide und seitens der behandelnden Ärzte des LKH B* eine zumindest sechsmonatige stationäre Aufnahme für die Chemotherapie und Bestrahlung verschrieben worden sei, die im genannten Krankenhaus umgehend angetreten werden könne. Aufgrund der fortgeschrittenen Krebserkrankung, die ihn regelmäßig, fast täglich zum Aufsuchen eines Krankenhauses zwinge, würden weder die angenommenen Haftgründe der Flucht- und Tatbegehungsgefahr vorliegen, noch sei die mit einer unzureichenden Behandlung der Krebserkrankung verbundene Übergabehaft im Hinblick auf die dadurch bewirkte Gesundheitsbeeinträchtigung verhältnismäßig. Die Vollzugsuntauglichkeit bedingenden gesundheitlichen Leiden würden eine Transportunfähigkeit bewirken. Der Betroffene bedürfe einer umgehenden Chemotherapie, die aufgrund der durchgeführten Vorbehandlungen nur im LKH B* gewährleistet sei, wogegen eine Übergabe nach Deutschland deren Wiederholung erforderlich machen würde. Mit der Durchführung der Übergabe sei daher auch eine Gefährdung für Leib und Leben verbunden (ON 42.1).

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte der Erstrichter die Übergabehaft erneut aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO iVm § 18 EU-JZG iVm § 29 ARHG ohne Begrenzung durch eine Haftfrist fort (1.) und wies den Antrag auf Aufschub der Übergabe ab (2.). Begründend wurde ausgeführt, dass die gesundheitlichen Einschränkungen aktuell keine Transportunfähigkeit begründeten, wie die stattgefundenen Überstellungen (etwa nach B*), aber auch die Transporte zur ambulanten Versorgung zeigen würden, wobei das Vorbringen einer neuerlichen Karzinombildung anhand der von der Anstaltsärztin eingeholten Befunde nicht nachvollzogen werden könne und ein Transport auf dem Landweg an die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland ohne Weiteres in Begleitung eines Arztes bzw Rettungswagens durchführbar sei. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 24 EU-JZG lägen nunmehr vor. Die Fortsetzung der Übergabehaft sei bei ungeachtet der gesundheitlichen Beeinträchtigungen fortbestehender Flucht- und Tatbegehungsgefahr im Hinblick auf die nach Rechtskraft der Entscheidung über den Aufschub umgehend vorzunehmende Überstellung an die deutschen Justizbehörden verhältnismäßig (ON 51).

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Betroffenen (ON 50, AS 3 und ON 52), mit der er das Vorliegen der Haftvoraussetzungen (insbesondere von Haftgründen, der Verhältnismäßigkeit und des Fehlens geeigneter gelinderer Mittel) bestreitet, erneut auf die mit einer Übergabe verbundene, Lebensgefährdung bewirkende Verzögerung seiner Krebstherapien hinweist und beantragt, die Übergabehaft aufzuheben und die Übergabe bis zu seiner Genesung aufzuschieben.

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft inhaltlich nicht äußerte, ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Aufschub gemäß § 25 Abs 1 Z 1 EU-JZG :

Die möglichen Aufschubsgründe einer Übergabe sind in § 25 Abs 1 EU-JZG taxativ aufgezählt ( Hinterhofer in WK² EU-JZG § 25 Rz 1). Das Gericht hat auf Antrag der betroffenen Person oder der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen (hier relevant) gemäß § 25 Abs 1 Z 1 EU-JZG die Übergabe aufzuschieben, wenn die betroffene Person nicht transportfähig ist oder ernsthafte Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Durchführung der Übergabe eine Gefährdung für Leib oder Leben der betroffenen Person nach sich ziehen könnte. Der Aufschubsgrund nach § 25 Abs 1 Z 1 EU-JZG ist nur dann gegeben, wenn der Betroffene transportunfähig ist oder die Durchführung der Übergabe (sohin der Transport in den Ausstellungsstaat) eine Gefährdung für Leib oder Leben des Betroffenen nach sich ziehen könnte ( Hinterhofer in WK² EU-JZG § 25 Rz 6 ff, OLG Graz 9 Bs 429/22i), wobei die Notwendigkeit des Transports im Krankenwagen oder im Flugzeug unter ärztlicher Begleitung für sich alleine noch keinen ausreichenden Grund für einen Aufschub der Übergabe darstellt (vgl Hinterhofer in WK 2 EU-JZG § 25 Rz 6).

Voranzustellen ist, dass mit Blick auf die unterschiedlichen Beurteilungskriterien Vollzugsuntauglichkeit im Sinne des § 5 StVG (für die insbesondere auch von Bedeutung ist, ob unter den gegebenen Umständen eine erzieherische Gestaltung des Vollzugs gemäß § 20 Abs 1 und 2 StVG realisierbar ist) per se weder eine Transportunfähigkeit noch eine mit der Durchführung der Übergabe verbundene Gefährdung für Leib und Leben des Betroffenen begründet. Die Behauptung krankheitsbedingter Vollzugsuntauglichkeit ist auch nicht Gegenstand der Prüfung im Rahmen der an den Voraussetzungen der Untersuchungshaft zu messenden Übergabehaft (vgl RIS-Justiz RS0113913, 11 Os 141/14s).

Gemäß der vom Erstgericht eingeholten unbedenklichen ärztlichen Expertise liegt beim Beschwerdeführer keine Reise- bzw Transportunfähigkeit im Sinne des § 25 Abs 1 Z 1 EU-JZG vor. Die bestehende Grunderkrankung (rezidivierende Rectumdarmprolapse) hindert demnach auch den Transport über längere Strecken nicht (vgl ON 46 Stellungnahme Dris. C* – chefärztlicher Dienst der Generaldirektion für Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen/BMJ). Dies belegen die stattgefundenen (auch längeren) Überstellungen (nach B*) und die laufenden Ausführungen zur (ambulanten) Versorgung in den jeweiligen Krankenanstalten am Sitz der Justizanstalten (vgl ON 46, auch ON 45 und 50).

Die vom Betroffenen unter Berufung auf die im Gerichtsakt aufliegenden Krankenunterlagen behauptete sonstige – aus einer Verzögerung der bereits konkret geplanten Krebstherapie im LKH B* abgeleitete - Gefährdung von Leib und Leben des Betroffenen durch die Durchführung der Übergabe kann nicht nachvollzogen werden. Im von ihm in seiner Eingabe vom 20. Juni 2024 (ON 37) relevierten Befund des LKH B* vom 19. Juni 2024 wird als (Eigen-)Befund ein (eineinhalb Faust großer) Rectumprolaps angeführt (ON 45, AS 5) und nur im Zusammenhang mit der Darstellung der mit dem Betroffenen erhobenen Anamnese - ausdrücklich unter Hinweis auf fehlende Befunde - auf ein seit 2022 histologisch verifiziertes Rectumcarcinom Bezug genommen. Die vom Betroffenen gegenüber den zuständigen Ärzten der chirurgischen Ambulanz am Standort B* angegebenen – im Befund vom 19. Juni 2024 ebenfalls (nur) anamnestisch wiedergegebenen - im LKH E* nach Haftentlassung angeblich geplanten Therapien (neoadjuvante Chemo/Strahlentherapie) finden in den dortigen Ambulanzprotokollen keinen Niederschlag, wo sich wiederum der (bloß) anamnestische Hinweis auf eine Behandlung wegen eines Rectumkarzinoms 2019 in Deutschland (ON 45, AS 31) und eine im Heimatkrankenhaus in Deutschland bereits geplante Operation des Rectumprolapses (ON 45, AS 33) findet. Die Behauptungen des Betroffenen, dass im LKH B* eine sofortige mindestens sechs Monate dauernde Krebsbehandlung im Form einer Chemotherapie und Bestrahlung sowie einer Operation (künstlicher Darmausgang) anstehe (ON 37 und ON 42.1), werden – wie bereits im angefochtenen Beschluss erläutert - durch die vorliegenden Unterlagen nicht bestätigt, was der Beschwerdeführer schlicht übergeht.

Aus dem Akt ergibt sich, dass auch die gegenüber der Anstaltsärztin behauptete Behandlung im F* (Deutschland) von der genannten Einrichtung verneint wurde (ON 45, AS 9). Aus den Befunden der G* GmbH vom Juni und August 2023 geht hervor, dass schon damals regelmäßig Darmprolaps-Repositionen erforderlich waren (vgl auch bereits ON 45, AS 7 – Notfallbefund des Uniklinikums H* vom Juli 2021; ON 45, AS 19 – Befund der Landesklinik I* vom Juni 2021) und dem Betroffenen im Hinblick auf die rezidivierenden Beschwerden dringend zu einer operativen Sanierung der Rectumprolaps-Problematik geraten wurde (ON 45, AS 21ff). Nach den vorliegenden Unterlagen wurde eine solche vom Betroffenen zunächst abgelehnt (ON 45, AS 24) und ist später (anamnestisch) ein vereinbarter (in der Folge aber offenbar nicht stattgefundener) Termin für die operative Behandlung am 1. September 2023 in der Uniklinik J* dokumentiert (ON 45, AS 27), wobei sich der Betroffene auch gegenüber dem LKH E* auf einen bereits geplanten elektiven Operationstermin im Heimatkrankenhaus in Deutschland bezog (vgl ON 45, AS 33). Die operative Sanierung der bereits länger bestehenden Rectumprolaps-Problematik (vgl Stellungnahme der Anstaltsärztin ON 45, AS 3) wurde vom Beschwerdeführer – trotz mehrfacher Gelegenheit – bisher nicht veranlasst. Vielmehr ergibt sich aus dem vom Betroffenen bezeichneten Befund vom 19. Juni 2024, dass er eine (diesbezügliche) stationäre Aufnahme im LKH B* (bei der im Sinne der Stellungnahme der Anstaltsärztin sämtliche diagnostischen Abklärungen zum Ausschluss einer möglichen onkologischen Grunderkrankung und gegebenenfalls eine umgehende therapeutische Intervention durchgeführt worden wären) ablehnte (vgl ON 45, AS 3 und 5). Krankenunterlagen, aus denen sich ein aktueller Krebsbefund oder diesbezüglich vorbereitete Behandlungsmaßnahmen ergeben würden, wurden vom Betroffenen nicht vorgelegt und sind auch sonst nicht bekannt (vgl Stellungnahme des Anstaltsleiters vom 24. Juli 2024 ON 50, AS 2). Im Sinne der obigen Ausführungen ergibt sich eine mehrfache Diskrepanz zwischen dem Vorbringen des Betroffenen und den (von ihm bezeichneten) im Akt erliegenden Behandlungsunterlagen, wobei in den von der Anstaltsärztin beigeschafften Befunden auch psychische Co-Morbiditäten wie eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit ausladendem Manipulationsverhalten (ON 45, AS 11 – Kurzarztbrief Forensik Kepler Universitätsklinikum vom 6. Februar 2017) beschrieben werden.

Zusammengefasst ergibt sich daher, dass eine Transportunfähigkeit des Betroffenen aufgrund seiner Grunderkrankung nicht gegeben ist. Dem (auch im sonstigen Alltag zu berücksichtigenden) Erfordernis medizinischer Interventionen bei Auftreten der Darmprolaps-Problematik kann durch Vorkehrungen bei der Durchführung des Transports Rechnung getragen (vgl auch ON 51, AS 5) und so den bei verzögertem Bemerken eines solchen Vorfalls möglichen Komplikationen (vgl ON 43, AS 5) begegnet werden. Es liegen im Sinne der obigen Ausführungen auch keine sonstigen ernsthaften Gründe für die Annahme vor, dass die Durchführung der Übergabe eine Gefährdung für Leib und Leben des Betroffenen nach sich ziehen könnte, zumal anhand der vom Betroffenen angeführten Unterlagen weder die behauptete aktuelle Krebserkrankung noch diesbezüglich im LKH B* bereits vorbereitete (auch nach dem Vorbringen des Betroffenen erst einzuleitende) Behandlungen oder deren (einer Durchführung der Übergabe erst entgegenstehende) besondere Dringlichkeit nachvollzogen werden können.

Ein Grund für einen Aufschub der Übergabe liegt daher nicht vor.

Zur Fortsetzung der Übergabehaft:

Zum hinreichenden Tatverdacht kann auf die bereits mit Beschluss vom 11. März 2024 auf Grund des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts Bonn vom 24. November 2023, AZ 50 Gs 4982/23 (347 AR 26/23; 331 Js 551/23) (rechtskräftig) bewilligte Übergabe des Betroffenen an die deutschen Behörden zur Strafverfolgung und die dem angeführten Beschluss zugrunde liegenden unbedenklichen Verdachtsannahmen verwiesen werden (vgl ON 24.1).

Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO ist gegeben, weil aufgrund der dem Betroffenen im Europäischen Haftbefehl zur Last liegenden wiederholten Tathandlungen gegen fremdes Vermögen konkret zu befürchten ist, dass er ungeachtet des gegen ihn wegen mit mehr als sechs Monate Freiheitsstrafe bedrohter strafbarer Handlungen geführten Strafverfahrens weitere derartige strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen mit nicht bloß leichten Folgen begehen wird, zumal die Tatwiederholung in der Zusammenschau mit der dreisten Art der Tatbegehung und der mehrfachen Vorstrafenbelastung wegen Vermögensdelinquenz (ON 5 – Positionen 1, 2 und 6 der Strafregisterauskunft, drei Verurteilungen (auch) wegen Betrugsdelikten zu mehrjährigen unbedingten Freiheitsstrafen, zuletzt zu einer Zusatzstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten im Verfahren AZ 39 Hv 81/21k des Landesgerichts Salzburg) auf eine massive Tatgeneigtheit und eine gegenüber fremdem Vermögen gleichgültige Persönlichkeitsstruktur (zur Bedeutung von Charaktereigenschaften und Wesenszügen des Beschuldigten für die Beurteilung der Tatbegehungsgefahr: Kirchbacher/Rami in WK StPO § 173 Rz 28 mwN), somit eine erhöhte Rückfallgefahr in gegen fremdes Vermögen gerichtete Delinquenz schließen lässt.

Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tathandlungen begangen wurden, ist nicht ersichtlich. Insbesondere führt der Beschwerdekritik zuwider das nach der Aktenlage beim Betroffenen bereits seit längerem – insbesondere auch zu den Tatzeiten - bestehende gesundheitliche Leiden (Darmprolaps-Problematik) zu keiner geänderten Beurteilung, zumal dieses zwar mit wiederkehrenden medizinischen Interventionen verbunden ist, im Übrigen aber der dem Betroffenen zur Last liegenden Vermögensdelinquenz nicht entgegensteht (vgl auch ON 40 - Schuldspruch III. im Verfahren AZ 17 Hv 46/24a des Landesgerichts Klagenfurt – Tatzeitraum 12 .September bis 3. November 2023).

Bei dieser Sachlage kann das Vorliegen des (durch die gesundheitlichen Einschränkungen zumindest reduzierten) Haftgrunds der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO dahinstehen.

Ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren (pro Tat) bzw bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (bei einer Gesamtfreiheitsstrafe) liegt eine Unverhältnismäßigkeit der Übergabehaft zur im Fall einer verdachtskonformen Verurteilung zu erwartenden Freiheitsstrafe mit Blick auf das Gewicht und den sozialen Störwert der gegenständlichen Vermögensdelinquenz und die bisherige Dauer der Übergabehaft nicht vor. Durch die Berufung auf die Vollzugsuntauglichkeit im Sinne des § 5 StVG wird die Verhältnismäßigkeit der Haft nicht in Frage gestellt (vgl RIS-Justiz RS0113913, 11 Os 104/19g).

Aufgrund der Intensität des Haftgrunds der Tatbegehungsgefahr kann dieser derzeit auch nicht durch wirksame gelindere Mittel substituiert werden, zumal ein ausreichend präventiv wirkender sozialer und wirtschaftlicher Empfangsraum nicht belegt ist (vgl Erhebungen Neustart ON 23, auch Eingabe des Betroffenen ON 32).

Der Entfall der Haftfrist ergibt sich aus § 18 Abs 2 EU-JZG iVm § 29 Abs 5 ARHG.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs folgt aus § 1 Abs 2 EU-JZG iVm § 9 Abs 1 ARHG und § 89 Abs 6 StPO ( Hinterhofer in WK² EU-JZG § 1 Rz 16f).

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