9Bs162/24b – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser (Vorsitz), den Richter Mag. Obmann, LL.M. und die Richterin Mag a . Schadenbauer-Pichler in der Strafvollzugssache des A* wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug gemäß § 133a StVG über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 24. Juni 2024, GZ 23 BE 181/24y-6, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Antrag des A* auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes gemäß § 133a StVG abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
begründung:
Der am ** geborene moldawische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt Graz-Jakomini eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 24. Oktober 2023 zu AZ 25 Hv 42/23k wegen der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG verhängte Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren (Beilagen in den elektronischen Akten).
Demnach hat A* in ** und anderen Orten des österreichischen Bundesgebiets im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit bislang nicht ausgeforschten Mittätern und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Ein- und Durchreise in Bezug auf 50 Fremde, die zum Aufenthalt in der Europäischen Union nicht berechtigt sind, in sowie durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, und zwar die Republiken Österreich und Ungarn, mit dem Vorsatz, sich durch ein dafür geleistetes Entgelt in der Höhe von zumindest Euro 5.000,00 zu bereichern, gefördert, indem er die Fremden im Auftrag seines bislang nicht ausgeforschten Auftraggebers von diversen Fuß- bzw Fahrzeugschleppern in eigens dafür zur Verfügung gestellte Fahrzeuge, bei der Schleppung am 20. August 2023 in einem Fahrzeug der Marke **, behördliches Kennzeichen **, in der Nähe der serbisch-ungarischen Grenze aufnahm und bis zur österreichisch-ungarischen Grenze transportierte, und zwar
I./ am 9. August 0223 sieben Personen,
II./ am 14. August 2023 sieben Personen,
III./ gewerbsmäßig, nämlich
A./ am 16. August 2023 13 Personen,
B./ am 17. August 2023 elf Personen und
C./ am 20. August 2023 zwölf Personen syrischer Staatsangehörigkeit.
Zum (weiteren) Sachverhalt wird auf die in den Akten erliegende Urteilsausfertigung verwiesen.
Das Strafende fällt auf den 20. August 2025. Die Hälfte der Freiheitsstrafe wird am 20. August 2024 verbüßt sein (ON 2.6).
Mit dem angefochtenen Beschluss sah das Erstgericht über Antrag des Strafgefangenen (ON 2.2 und ON 2.3) vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe ab und begründete dies damit, dass sämtliche Voraussetzungen für ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG vorliegen würden (ON 6).
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist erfolgreich (ON 7).
Fallkonkret liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots (§ 133a Abs 1 StVG) nicht vor.
Im bekämpften Beschluss stellte das Erstgericht die Stellungnahme der Anklagebehörde (ON 1.2) und des Leiters der Justizanstalt (ON 2.7) sowie die für das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbots maßgebliche Norm (§ 133a StVG) zutreffend fest, weshalb darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (RIS-Justiz RS0119090 [T4], RS0098664 [T3], RS0098936 [T15]).
Zutreffend verweist die Anklagebehörde darauf, dass vorliegendenfalls entgegen der Ansicht des Erstgerichts dem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe bereits die außerordentliche Schwere des vom Strafgefangenen zu verantwortenden Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG entgegensteht. Mag auch das vorläufige Absehen vom Strafvollzug nach § 133a StVG bei keinem Straftatbestand und auch bei keiner Tätergruppe aus generalpräventiven Erwägungen grundsätzlich ausgeschlossen sein (RIS-Justiz RS0091771, RS0091695 jeweils zur bedingten Entlassung), so ist doch zu berücksichtigen, dass sich bereits in der Strafdrohung von einjähriger bis zu zehnjähriger Freiheitsstrafe ein derartiges Ausmaß an sozialem Störwert einer unter den Tatbestand des § 114 Abs 1 und Abs 4 FPG zu subsumierenden Handlung manifestiert, das an den von § 133a Abs 2 StVG geforderten Schweregrad nahe heranreicht. Treten fallbezogen noch die in der Anlassverurteilung zu Punkt III./ festgestellten Tatumstände der Schleppung einer Vielzahl von Personen als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bei drei gesonderten Fahrten innerhalb eines Zeitraums von nur wenigen Tagen und der mehrfachen Qualifikation der Schlepperei, nämlich nach § 114 Abs 3 Z 1 und 2 sowie Abs 4 erster Fall FPG, hinzu, so wird ein Schweregrad erreicht, dessentwegen es ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um bei potentiellen Tätern einen positiven Abschreckungseffekt und die Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu bewirken.
Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass den vom Erstgericht im angefochtenen Beschluss zitierten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Graz – anders als hier – jeweils „bloß“ eine einzelne Schlepperfahrt zugrunde lag.
Aus diesen Erwägungen war der erstgerichtliche Beschluss aufzuheben und der Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom weiteren Strafvollzug zum frühestmöglichen Zeitpunkt abzuweisen.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.