9Bs171/24a – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz), den Richter Mag. Obmann, LL.M. und die Richterin Mag a . Kohlroser in der Strafsache gegen A* wegen der Vergehen unbefugter Bildaufnahmen nach § 120a Abs 1 StGB über die Beschwerde des Beschuldigten A* gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 27. Juni 2024, AZ 15 HR 69/24w (ON 4 der Ermittlungsakten AZ 69 BAZ 806/24t der Staatsanwaltschaft Leoben), in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Insoweit sich die Beschwerde gegen die Anordnung der Sicherstellung richtet, wird sie als unzulässig zurückgewiesen .
Im Übrigen wird der Beschwerde nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Die Staatsanwaltschaft Leoben führt zu AZ 69 BAZ 806/24t ein Ermittlungsverfahren gegen den am ** geborenen österreichischen Staatsangehörigen A* wegen des Verdachts unbefugter Bildaufnahmen nach § 120a Abs 1 StGB.
Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft Leoben vom 27. Juni 2024 (ON 1.2) folgend und befristet bis 1. November 2024 gemäß §§ 117 Z 2 lit b, 119 Abs 1, 120 Abs 1 erster Halbsatz StPO die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräumlichkeiten des A* an der Adresse **, samt allfälliger Keller- und Nebenräumlichkeiten (Punkt I.1). Hinsichtlich der Punkt I.2. betreffenden Sicherstellung (Sicherstellung sämtlicher Mobiltelefone, Tablets, Computer und sonstiger Datenverarbeitungsgeräte und elektronischer Speichermedien inklusive Online-Speicher des Beschuldigten) erfolgte – zutreffenderweise (siehe noch im Folgenden) – keine gerichtliche Bewilligung (ON 4, 3).
Bei der Begründung des Beschlusses wurde – zulässigerweise (RIS-Justiz RS0124017) – auf die Ausführungen der staatsanwaltschaftlichen Anordnung verwiesen. Demnach stehe A* im Verdacht, er habe im Zeitraum von 23. Juni 2024 bis 26. Juni 2024 in ** und ** absichtlich Bildaufnahmen der Genitalien, der Schamgegend, des Gesäßes, der weiblichen Brust oder der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche anderer Personen, die sich in einer Wohnstätte befinden, ohne deren Einwilligung hergestellt, indem er im Wohnbereich eines von ihm an Urlauber vermieteten Appartements eine als Wecker getarnte Kamera aufstellte, welche auf die dort im Wohnbereich befindliche Sauna und die Couch gerichtet war, und auf diese Weise mehrmals Nacktaufnahmen der B* und des C* herstellte, als diese die Sauna benutzten.
Der Tatverdacht wurde auf die Erhebungsergebnisse der PI **, insbesondere auf die Angaben der Anzeiger B* und C* vor Ort sowie die eigene dienstliche Wahrnehmung der einschreitenden Polizeibeamten, welche die gegenständliche Kamera sicherstellen konnten, gestützt. Zusätzlich wurde in der Begründung des angefochtenen Beschlusses noch angemerkt, dass wegen der WIFI-Funktion der Kamera zudem davon auszugehen sei, dass die Bilder der Opfer über das Internet auf den PC des „BS“ (gemeint: Beschuldigten) geladen wurden und sich daher auf diesem in seiner Wohnung befinden würden (ON 4,3).
Die Anordnung der Durchsuchung sei erforderlich, weil nur dadurch Aussicht auf die Sicherstellung der im Spruch angeführten Gegenstände bestehe. Nur durch die Auswertung dieser Gegenstände könne festgestellt werden, ob der Beschuldigte (noch) im Besitz von unbefugt angefertigten Bildaufnahmen der B* und des C* sei (insofern diene die Anordnung der Durchsetzung privatrechtlicher [Unterlassungs- und Löschungs-]Ansprüche) und/oder ob er diese auch an Dritte weitergegeben habe. Darüber hinaus bestehe aufgrund der Art und Weise der gegenständlichen Tatbegehung (Erwerb und Einrichtung einer getarnten Kamera) der Verdacht, dass der Beschuldigte auch andere Opfer beim Saunagang gefilmt haben könnte. Insofern diene die Anordnung auch der Ausforschung weiterer Opfer (ON 4,3).
Die Anordnung der Durchsuchung stehe zur Bedeutung der Sache nicht außer Verhältnis, weil sie zur Aufklärung eines Vergehens diene, welches mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen bedroht ist (ON 4, 3 ).
Die Staatsanwaltschaft Leoben ordnete am 27. Juni 2024 die Durchführung der gerichtlich bewilligten Anordnung an (ON 4, 3). Die Durchsuchung wurde noch am selben Tag in **, vollzogen (ON 9.2).
Mit seiner am 3. Juli 2024 eingebrachten Beschwerde (ON 7) beantragt der Beschuldigte, die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräumlichkeiten an der Adresse **, samt allfälliger Keller- und Nebenräumlichkeiten, in eventu die Anordnung der Sicherstellung sämtlicher Mobiltelefone, Tablets, Computer und sonstiger Datenverarbeitungsgeräte und elektronischer Speichermedien (inklusive Speicher) des Beschuldigten für rechtswidrig zu erklären und als Verletzung subjektiver Rechte des Beschuldigten festzustellen.
Der Beschwerdeführer moniert – zusammengefasst - die unterbliebene Anwendung gelinderer Mittel, etwa der Beschuldigtenvernehmung. Die Durchsetzung privatrechtlicher (Unterlassungs- und Löschungs-)Ansprüche sei außerdem nicht das primäre Interesse der Strafverfolgung und daher nur subsidiär bzw rechtlich nachrangig. Dafür, dass es noch andere Opfer gebe, fehle es an konkreten Anhaltspunkten. Die Durchsuchung sei auch nicht verhältnismäßig, weil es nur um die Aufklärung eines Vergehens und nicht etwa eines Verbrechens gehe. Die einschreitende Polizeiinspektion oder die Staatsanwaltschaft hätte vor der Anordnung eines derart sensiblen Eingriffs in die Rechtssphäre des Beschuldigten (und seiner Lebensgefährtin) die technischen Voraussetzungen für die Verarbeitung und Speicherung von Bildmaterial des am 26. Juni 2024 sichergestellten Objektes zu erheben gehabt. Darüber hinaus hätten sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen überhaupt keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Daten gespeichert worden seien. Die Nutzer der Ferienwohnung behaupteten nackt gewesen zu sein, jedoch sei nicht überprüft worden, ob von inkriminierten Körperstellen im Bereich der vermeintlichen Kamera Bildaufnahmen gemacht werden konnten. Bei der Beschuldigtenvernehmung hätte auch eine freiwillige Nachschau an Stelle der rechtswidrigen Sicherstellung von Daten erfolgen können. Dem Beschluss hafte schließlich ein inhaltlicher Mangel an, da die Anordnung nur hinsichtlich Punkt I.1. bewilligt worden sei, nicht aber (auch) hinsichtlich Punkt I.2.
Letzterem ist zunächst zu entgegnen, dass die Beschwerde, insoweit sie sich gegen die Anordnung der Sicherstellung richtet, nach § 89 Abs 2 StPO als unzulässig zurückzuweisen ist. Nach § 110 Abs 2 StPO ist die Sicherstellung von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen. Damit ist für eine derartige Anordnung im Gegensatz zur Anordnung der Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 120 Abs 1 erster Halbsatz StPO) keine gerichtliche Bewilligung vorgesehen und wurde im vorliegenden Fall auch nicht erteilt.
Rechtliche Beurteilung
Im Übrigen bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.
Voranzustellen ist, dass aufgrund des bereits erfolgten Vollzugs der Durchsuchung das Beschwerdegericht die richtige Anwendung des Gesetzes zu prüfen hat ( Tipold , WK-StPO § 89 Rz 15). Dabei hat sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bewilligung der Durchsuchung auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das Erstgericht zu beziehen („ex-ante“-Perspektive). Nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Umstände, die aus späterer Sicht zur Annahme führen, es fehle an einer Durchsuchungsvoraussetzung, machen die seinerzeitige Entscheidung nicht rechtswidrig (RIS-Justiz RS0131252).
Gerichtliche Bewilligung der Durchsuchung von durch das Hausrecht geschützten Orten (§ 120 Abs 1 erster Satz StPO) erfordert zunächst einen begründeten Verdacht. Dieser muss vor dem Eingriff bestimmt und hinreichend sein. Nach § 119 Abs 1 StPO ist die Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 117 Z 2 StPO) außerdem nur zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass – soweit hier relevant - sich dort Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind. Die angesprochenen Gegenstände können solche sein, die unmittelbar zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen (zum Beispiel Tatwerkzeug), aber auch Sachen, die bloß einen Hinweis auf Beweismittel enthalten, wie etwa ein Computer, auf dem weiterführende Informationen gespeichert sind ( Tipold/Zerbes, WK-StPO § 119 Rz 4). Demnach ist die – auf bestimmte Tatsachen gegründete – Wahrscheinlichkeit bzw der Verdacht erforderlich, dass sich in dem zu durchsuchenden Ort Gegenstände oder Spuren befinden, die aus Beweisgründen sicherzustellen oder auszuwerten wären und zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können. Dieser Verdacht muss vor dem Eingriff bestimmt und hinreichend sein. Durchsuchungen ohne solchen Verdacht, nur aus unbestimmten Mutmaßungen oder Hoffnungen aufs Geradewohl sind ebenso unzulässig wie Durchsuchungen zur bloßen Gewinnung von Verdachtsgründen. Schließlich muss die Bedeutung der Gegenstände für die Untersuchung nachvollziehbar sein und es müssen Tatsachen vorliegen, aus denen sich die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung ergibt ( Tipold/Zerbes , aaO Vor §§ 119 bis 122 Rz 9, 10; § 119 Rz 17, 19).
In vorliegenden Fall bestand der entsprechende Tatverdacht auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse der PI **, insbesondere aufgrund der Angaben des C* und der B*. Die Verdachtslage zum objektiven Tatgeschehen indizierte auch die Annahme der deliktsspezifischen subjektiven Tatseite (vgl RIS-Justiz RS0098671, RS0116882), da die offenkundig heimliche und getarnte Installation einer auf eine Sauna gerichteten Kamera in einer vermieteten Wohnung den Schluss nahelegt, dass es dem Vermieter darauf ankam, Bildaufnahmen sexuell konnotierter Körperteile (Genitalien, Schamgegend, Gesäß, weibliche Brust) der die Sauna benützenden Mieter der Wohnung ohne deren Einwilligung zu machen (zur erforderlichen Absichtlichkeit vgl Lewisch/ Reindl-Krauskopf in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB [Stand 1.3.2022, rdb.at] § 120a Rz 9). Die mutmaßlichen Opfer C* und B* erteilten zudem die nach § 120a Abs 3 StGB erforderliche Ermächtigung den Täter zu verfolgen (ON 3).
Die „Spykamera“ wurde am 27.6.2024 um 00.15 Uhr unmittelbar nach der Anzeigenerstattung durch C* und B* vom erhebenden Polizeibeamten nach § 110 Abs 3 StPO aus eigenem Antrieb sichergestellt. Ob die Kamera tatsächlich Videos aufzeichnete, konnte vom Polizeibeamten vorerst nicht eruiert werden (vgl Anlass-Bericht ON 2). Vor diesem Hintergrund war die Durchsuchung erforderlich, da nur auf diese Weise Beweisgegenstände gesichert werden konnten, welche etwa offenlegen, ob auf die Kamera (zB über WLAN bzw Apps) zugegriffen wurde und strafbare Bilder und/oder Videos auf Mobiltelefonen, PCs ect aufgenommen wurden. Ein Zuwarten auf die Auswertung der vom Polizeibeamten autonom sichergestellten Kamera hätte die Gefahr geborgen, dass der Beschuldigte Kenntnis von den Ermittlungen erlangt und Beweisgegenstände, die die Herstellung von strafbaren Bildern und/oder Videos dokumentieren können, verbringt oder vernichtet. Aus dem gleichen Grund kam eine Vernehmung des Beschuldigten im Vorfeld nicht in Frage. Andere zielführende und grundrechtsschonendere Ermittlungsschritte waren nicht denkbar.
Die Durchsuchung war aber auch verhältnismäßig. Dass lediglich der Verdacht einer in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallenden Straftat mit einer Strafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen angenommen wurde, hindert die Bewilligung der Durchsuchung nicht, sieht doch das Gesetz keine diesbezügliche Einschränkung vor. Das Gewicht einer strafbaren Handlung und deren sozialer Störwert misst sich nicht ausschließlich an der Strafdrohung (vgl 14 Os 46/09k). Berücksichtigt man in concreto die zwei Opfer und einen mehrtägigen Tatzeitraum betreffende Verdachtslage und demnach das nicht unerhebliche Gewicht der angelasteten Straftat(en), ist die vorliegende Zwangsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (§ 5 Abs 1 und 2 StPO) sehr wohl gerechtfertigt.
Da die Bewilligung der Durchsuchung schon aus diesen Gründen zu Recht erfolgte, erübrigt sich ein Eingehen auf weitere Argumente der Beschwerde.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 89 Abs 6 StPO.