JudikaturOLG Graz

9Bs125/24m – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser (Vorsitz), den Richter Mag. Obmann, LL.M. und die Richterin Mag a . Schadenbauer-Pichler in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe nach § 46 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 8. Mai 2024, GZ 4 BE 88/24g-5, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und A* mit 23. Juni 2024 nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit aus dem Vollzug der über ihn mit Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 3. Februar 2023, AZ 217 U 170/22w, verhängten Freiheitsstrafe bedingt entlassen , wobei der Strafrest von fünf Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wird.

Gemäß § 50 Abs 1 StGB wird für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.

Gemäß § 51 Abs 1 und 2 StGB wird dem Strafgefangenen die Weisung erteilt, sich beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend zu melden oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen und binnen vier Wochen dem Vollzugsgericht einen Nachweis darüber zu übermitteln.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

begründung:

Der am ** geborene A* verbüßt in der Justizanstalt Graz-Jakomini Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von 15 Monaten (§ 1 Z 5 StVG), nämlich die im Verfahren AZ 218 U 96/21v des Bezirksgerichts Graz-Ost wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB über ihn verhängte Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die seit 24. März 2024 vollzogen ist, und die im Verfahren AZ 217 U 170/22w des Bezirksgerichts Graz-Ost wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB über ihn verhängte Freiheitsstrafe von acht Monaten (ON 2.2).

Hinsichtlich der diesen Verurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte wird auf die in den Akten erliegenden Urteilsausfertigungen verwiesen.

Das Ende der Strafzeit fällt auf den 24. November 2024. Zwei Drittel der Freiheitsstrafe werden am 23. Juni 2024 verbüßt sein (ON 2.2).

Mit Beschluss (ON 5) lehnte das Erstgericht – zulässigerweise ohne persönliche Anhörung (RIS-Justiz RS0131225) – die bedingte Entlassung der Strafgefangenen zum Zweidrittel-Stichtag wegen spezialpräventiver Bedenken ab (ON 5).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitige und zulässige Beschwerde des Strafgefangenen (ON 6), die Erfolg hat.

Das Erstgericht stellte im bekämpften Beschluss die Anlass- und sonstigen Verurteilungen des Beschwerdeführers sowie die Stellungnahmen des Anstaltsleiters (ON 2.1, 2) und der Anklagebehörde (ON 1.2) zutreffend fest, weshalb darauf (BS 2ff) zur Vermeidung von Wiederholungen identifizierend verwiesen wird (zur Zulässigkeit vgl RIS-Justiz RS0124017 [T2]; RS0115236; RS0119090 [T4], RS0098664 [T3], RS0098936 [T15]).

Gemäß § 46 Abs 1 StGB ist einem Verurteilten, der die Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass er durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Bei Entscheidungen nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Abs 4 leg cit darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzugs begonnene freiwillige Behandlung im Sinne von § 51 Abs 3 StGB, die der Verurteilte in Freiheit fortzusetzen bereit ist, eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist, bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 46 Rz 15/1). Die Anwendung dieses Rechtsinstituts soll nach der erkennbaren Intention des StRÄG 2008 der Regelfall sein, der Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe hingegen auf (Ausnahme-)Fälle evidenten Rückfallrisikos des Rechtsbrechers beschränkt bleiben ( Jerabek/Ropper, aaO, § 46 Rz 17).

Fallkonkret liegen die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der gesamten (§ 46 Abs 5 StGB) Strafzeit vor, weil eine spezialpräventive Kontraindikation nicht mehr gegeben ist. Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass der Strafgefangene neben den Anlassverurteilungen (nach Bereinigung um Zusatzstrafenverhältnisse) noch drei weitere Verurteilungen aufweist, wobei über ihn Geldstrafen und bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe verhängt wurden. Die den Anlassverurteilungen zugrunde liegenden Taten beging er zudem während Probezeiten (Pos 3, 4 und 5 der Strafregisterauskunft [ON 4]) und trotz Bewährungshilfe (Pos 3 der Strafregisterauskunft [ON 4]), wobei er zuletzt im raschen Rückfall und im Rückfall nach § 39 Abs 1a StGB sowie während eines ihm im Verfahren AZ 218 U 96/21v des Bezirksgerichts Graz-Ost gewährten Strafaufschubs straffällig wurde (Pos 8 der Strafregisterauskunft [ON 4]). Dem dargestellten Bewährungsversagen ist jedoch gegenüberzustellen, dass sich der Verurteilte nunmehr im Erstvollzug befindet, dem eine maßgebliche abschreckende und läuternde Wirkung beizumessen ist. Sein Vollzugsverhalten ist zwar durch eine Ordnungsstrafe belastet, der die Nichtbefolgung einer Anordnung durch den Strafgefangenen, konkret der Aufforderung, sich unmittelbar nach einem geplanten Termin im LKH auf die Rückfahrt zu machen und nicht selbständig einen Arzttermin wahrzunehmen, zugrunde lag, welcher der Strafgefangene seinen Beschwerdeausführungen zufolge nicht nachkam, weil er sich aufgrund monatelang verspürter Schmerzen während eines Ausgangs auf eigenen Kosten einer Zahnextraktion unterzogen habe, zumal ihn die bis dahin zahnerhaltende Behandlung im Rahmen des Strafvollzugs nicht von den Schmerzen befreien habe können und sein Ersuchen, den Zahn zu ziehen, kein Gehör gefunden habe, abgesehen davon wurde sein Vollzugsverhalten jedoch nicht beanstandet und erbringt der Beschwerdeführer eine zufriedenstellende Arbeitsleistung (ON 2.1,2). Seine Stellungnahme (ON 2.3) lässt eine Reflexion seines delinquenten Verhaltens erkennen. Ein sozialer Empfangsraum wird bei seiner Lebensgefährtin angegeben, welche erklärte, dass der Strafgefangene im Falle der Entlassung bei ihr wohnen könne (ON 8, 2). Eine diese Ausführungen bestätigende Wohnsitzmeldung des Strafgefangenen wurde vorgelegt (ON 8, 3). Bei dieser Sachlage ist bei einer Gesamtwürdigung aller für das Prognosekalkül maßgebenden Umstände davon auszugehen, dass die bedingte Entlassung im Zusammenhalt mit auf (weitere) Stabilisierung abzielenden flankierenden Maßnahmen gemäß §§ 50ff StGB nicht weniger geeignet ist, A* zu künftiger Straffreiheit anzuhalten, als der weitere Vollzug der Freiheitsstrafe (vgl Jerabek/Ropper , aaO § 46 Rz 15f und 17; Tipold in Leukauf/Steininger , StGB 4 § 46 Rz 7 und 10).

Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.

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