JudikaturOLG Graz

4R78/24h – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht, Zivilrecht
29. Mai 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz), Mag. a Zeiler-Wlasich und Dr. in Jost-Draxl in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Vertragsbediensteter, **, vertreten durch Peissl Partner Rechtsanwälte OG in Köflach, gegen die beklagte Partei B* GmbH , **, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Graz, wegen EUR 9.200,00 samt Anhang und Feststellung (Interesse: EUR 6.000,00), über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse gesamt EUR 7.750,00 [Zahlung EUR 1.750,00 und Feststellung EUR 6.000,00]), gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Februar 2024, 63 Cg 19/22b-54, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert , dass es - unter Einbeziehung der in Rechtskraft erwachsenen Teile (Zuspruch von EUR 1.950,00 samt Zinsen, Abweisung von EUR 5.500,00 samt Zinsen) - in vollständiger Neufassung lautet:

1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 2.550,00 samt 4 % Zinsen seit 5. März 2022 zu zahlen.

2. Das Zahlungsmehrbegehren von EUR 6.650,00 samt Zinsen wird abgewiesen.

3. Das Begehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei gegenüber der klagenden Partei für sämtliche zukünftigen Schäden aus deren Sturz am 6. Juli 2021 in der von der beklagten Partei am Standort ** betriebenen Tiefgarage wird abgewiesen.

4. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 5.989,68 (darin EUR 760,08 Umsatzsteuer und EUR 1.429,19 saldierte Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 975,00 (darin EUR 162,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verletzte sich am 6. Juli 2021 bei einem Sturz über eine Verdunstungsrinne in der von der Beklagten betriebenen und von ihm entgeltlich benutzten Tiefgarage in der ** in **. Die Haftung der Beklagten für die Folgen dieses Vorfalls steht fest. Themen des Berufungsverfahrens sind das Mitverschulden des Klägers, die Höhe des Schmerzengelds und das Feststellungsbegehren.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von EUR 9.200,00 samt Zinsen (EUR 9.000,00 Schmerzengeld und EUR 200,00 Heilungskosten) sowie die mit EUR 6.000,00 bewertete Feststellung von deren Haftung für sämtliche zukünftigen Schäden aus dem beschriebenen Sturz. Er sei in der düsteren Tiefgarage über eine nicht abgedeckte Ablaufrinne gestolpert. Bei der neu errichteten Tiefgarage mit Zugang zu einem Krankenhaus habe er nicht mit erheblichen Unebenheiten als Gefahrenquelle rechnen müssen, insbesondere als eine gelbe Markierung nicht auf eine Gefahr für Fußgänger hindeute. Zudem sei die Unebenheit aufgrund ihrer relativ geringen Tiefe nicht notwendigerweise als solche erkennbar, jedoch als Stolperfalle umso gefährlicher gewesen. Er habe bei seinem Sturz Bänder- und Sehnenrisse sowie Muskeleinrisse im Bereich des rechten Ellenbogens erlitten. Diese Verletzungen seien nicht vollständig ausgeheilt. Die dadurch bedingten Bewegungseinschränkungen könnten zu weiteren Schäden führen.

Die Beklagte erhebt einen Mitverschuldenseinwand, weil der Kläger nicht vor die eigenen Füße geschaut habe, was ihm jedenfalls zumutbar gewesen wäre. Das Schmerzengeld sei weit überhöht. Zudem fehle es dem Kläger am rechtlichen Feststellungsinteresse, weil sämtliche Folgen des Vorfalls beseitigt und der Eintritt weiterer Folgen auszuschließen sei(en).

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtet das Erstgericht die Beklagte - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers von einem Viertel - zur Zahlung von EUR 1.950,00 ( Schmerzengeld EUR 1.800,00 , Heilungskosten EUR 150,00) samt Zinsen und weist das Mehrbegehren von EUR 7.250,00 samt Zinsen und das gesamte Feststellungsbegehren ab . Es geht von den auf den Seiten 1 bis 4 seines Urteils wiedergegebenen Sachverhaltsannahmen aus, auf die verwiesen wird und von denen die folgenden, für das Berufungsverfahren relevanten (die vom Kläger bekämpfte Feststellungspassage [a] kursiv gekennzeichnet) hervorgehoben werden:

Die Tiefgarage war zum Zeitpunkt des Sturzes des Klägers seit rund einem Monat fertiggestellt. Zwischen der ersten und zweiten Parkkoje nach der im rechten Winkel querenden Fahrgasse beim Eingang zur Klinik der Beklagten befindet sich eine quer über die Fahrgasse verlaufende Entwässerungsrinne. Diese Rinne ist an der Oberfläche 24 cm und an der Sohle 16 cm breit sowie 4 cm tief. Ihre Ränder sind um 45° abgeschrägt. Die Rinne war im Zeitpunkt des Sturzes des Klägers (nur) im Bereich der beiden Parkkojen mit gelben Brettern abgedeckt. Im Bereich der Fahrgasse hingegen war sie nicht abgedeckt, zwar farblich stark kontrastiert (gelb zum grauen Boden), jedoch war die Tiefe mit 4 cm weit über dem tolerablen Bereich von 2 cm und die Abschrägung mit 45° weit über der empfohlenen Schräge von 15°. Sie war daher aus technischer Sicht in jenem Bereich als unfallgefährdend einzustufen. Ihre Ausführung entsprach auch nicht dem Polierplan und dem genehmigten Einreichplan. Mittlerweile [Ortsaugenschein am 20. Februar 2023] ist die (gesamte) Rinne mit einer grauen Metallplatte (Warzenblech) abgedeckt.

Die Beleuchtung der Tiefgarage entsprach dem Stand der Technik und den Ö-Normen zum Zeitpunkt ihrer Errichtung. Das Mindesterfordernis an Beleuchtungsstärke wurde deutlich überschritten und deren Gleichmäßigkeit war deutlich besser als gefordert; es gab keine Blendwirkung der Leuchten. Dass die Beleuchtung im Zeitpunkt des Sturzes des Klägers anders gewesen wäre als im Zeitpunkt des Ortsaugenscheins, konnte nicht festgestellt werden.

Der Kläger fuhr im Zuge der Einfahrt in die Parkgarage nicht über diese Rinne. Er stellte sein Fahrzeug in einer [weiter entfernten] Parkkoje ab und begab sich zu Fuß zum Klinikzugang, wo er einen Untersuchungstermin hatte. In seiner Gehlinie befand sich die Rinne. Als er sich ihr näherte, bemerkte er eine quer über die Fahrgasse verlaufende gelbe Linie. Er nahm links und rechts der Fahrgasse, nicht jedoch im Bereich der Fahrgasse, Bretter in der Rinne wahr. Er stürzte über die quer zur Fahrgasse verlaufende Rinne und machte einen „Bauchfleck“, ohne sich noch abstützen zu können.

Der Kläger erlitt bei seinem Sturz einen Einriss im speichenseitigen Seitenbandapparat des rechten Ellenbogengelenks, einen (Teil-)Einriss im (anatomisch darüber gelegenen) gemeinsamen Ursprung der Unterarmstreckmuskulatur, eine oberflächliche Abschürfung am Ellenbogenhaken mit einer zusätzlichen Prellung, eine Muskelzerrung im Bereich der Ellenbogenstreckmuskulatur (Trizeps) sowie eine Prellung an der Kniescheibe. Dadurch hatte er - komprimiert auf den 24-Stunden-Tag - zwei Tage mittelstarke sowie elf Tage leichte Schmerzen zu erdulden. Die Tragedauer der Orthese ist körperlich leichten Schmerzen von drei Tagen gleichzusetzen. Dauerfolgen für den Kläger aufgrund des Sturzes sind nicht zu befürchten. Das Auftreten von Spätschäden kann mit der in der Medizin möglichen höchsten Sicherheit ausgeschlossen werden [a].

Rechtlich lastet das Erstgericht der Beklagten einen Verstoß gegen ihre Verkehrssicherungspflichten an, weil sie die Rinne leicht auch im Bereich der Fahrgasse mit Brettern hätte abdecken können. Dem Kläger wirft es - gewichtet mit 25 % - vor, nicht vor die Füße geschaut zu haben. Als er in Annäherung an die Rinne deren farbliche Hervorhebung und die im Bereich der angrenzenden Parkkojen liegenden Bretter erkannt habe, hätte er mehr Augenmerk auf diese farbliche Hervorhebung und damit die Rinne legen müssen. Das Schmerzengeld sei ungekürzt mit EUR 2.400,00 auszumessen; drei Viertel davon seien EUR 1.800,00. Das Feststellungsbegehren sei unberechtigt, weil Spätschäden mit der in der Medizin möglichen Sicherheit auszuschließen seien.

Gegen die Abweisung des Zahlungsbegehrens von EUR 1.750,00 samt Zinsen und des gesamten Feststellungsbegehrens richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die Abänderung des Ersturteils dahin, dass die Beklagte ihm den Betrag von EUR 3.700,00 samt Zinsen zu zahlen habe und seinem Feststellungsbegehren stattgegeben werde. Die Beklagte erstattet eine Berufungsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung , über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt . Die Behandlung der Berufung folgt nicht den geltend gemachten Rechtsmittelgründen; stattdessen wird sie zur leichteren Lesbarkeit thematisch gegliedert.

I. „Mitverschulden“ des Klägers

1. Der Berufungswerber strebt mit seiner Rechtsrüge das Alleinverschulden der Beklagten am Zustandekommen seines Sturzes an. Es sei ihm nicht erkennbar gewesen, dass nicht die gesamte Rinne mit in derselben gelben Farbe - wie die Rinne selbst - gestrichenem Holz aufgefüllt gewesen sei. Er habe annehmen müssen, dass die gesamte Rinne mit gelb gestrichenen Brettern abgedeckt gewesen sei, zumal die Farbe der Rinne und der Bretter nicht kontrastiert haben. Sein möglicher Beobachtungsfehler sei daher im Verhältnis zu dem der Beklagten zuzurechnenden Fehlverhalten vernachlässigbar.

2. Bei Schadenersatzpflichten wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten liegt ein Mitverschulden des Geschädigten nur dann vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig erkennen konnte, dass Anhaltspunkte für eine solche Verletzung bestehen, und die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen (RS0023704). Von einem Fußgänger ist nicht nur zu verlangen, beim Gehen vor die Füße zu schauen und der eingeschlagenen Wegstrecke Aufmerksamkeit zuzuwenden (RS0023787 [T3]), sondern auch, einem auftauchenden Hindernis oder einer gefährlichen Stelle möglichst auszuweichen (RS0027447 [T14]). Diese Verpflichtung gilt auch auf dem Gehweg (RS0027447) oder in einem Geschäftslokal (RS0023787) und dementsprechend auch in einer Tiefgarage.

3. Der Kläger bemerkte in Annäherung an die Rinne die quer über die Fahrgasse verlaufende gelbe Linie und nahm links und rechts der Fahrgasse entlang den Parkkojen, nicht jedoch im Bereich der Fahrgasse, gelb gestrichene Bretter in der Rinne wahr (US 3 Mitte). Nach diesen Feststellungen muss der Kläger ohnedies wahrgenommen haben, dass in jenem Bereich der Rinne, der die Fahrgasse querte, - im Gegensatz zu den Bereichen links und rechts davon - gerade keine Bretter lagen. Wenn er dennoch über die Rinne stürzte, ist ihm jedenfalls eine massive Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten anzulasten. Nahm er in Annäherung an die spätere Sturzstelle hingegen tatsächlich (nur) die links und rechts seiner Wegstrecke in der Rinne vorhandenen Bretter wahr, nahm er deshalb bloß (fälschlich) an, dass die Rinne auch im Bereich der Fahrgasse mit Brettern überdeckt wäre, und übersah er somit die unbedeckte Rinne, so kann dieses Fehlverhalten nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben: Die Gefahrenquelle war ja nicht völlig ungesichert, sondern mit gelber Farbe in starkem Kontrast zum grauen Garagenboden gekennzeichnet. Gelb ist in einem solchen Umfeld eine für den Menschen auffällige Farbe mit Signalwirkung, die als Warnung vor einer Gefahr - hier konkret vor der Rinne - dient (international ist Gelb etwa die Erkennungsfarbe für Gefahrenstoffe). Wenn der Kläger in dieser Umgebung der vor ihm liegenden Wegstrecke nicht die gebotene Aufmerksamkeit zuwandte, sondern sich bloß auf seine Wahrnehmungen links und rechts seiner Gehlinie verließ, kann er sich durch die vom Erstgericht gefundene Verschuldensteilung von 3:1 zu Lasten der Beklagten nicht beschwert erachten.

II. Feststellung der Haftung der Beklagten

A. Zur Mängelrüge und zur Beweisrüge

1. Anstelle der kritisierten Sachverhaltsannahme [a] wünscht der Berufungswerber - gestützt auf die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen in der mündlichen Gutachtenserörterung - die Ersatzfeststellung, dass beim Kläger im Bereich des verletzten Ellenbogens eine Schwachstelle vorzufinden ist, sich durch den Vorfall unfallbedingt die Verletzungswahrscheinlichkeit erhöht hat und beim Kläger unfallbedingt eine um 10° geringere Außendrehung im Seitenvergleich vorhanden ist, die allerdings keine Einschränkung im Alltag bedeutet.

Das Erstgericht habe sich in seiner Beweiswürdigung damit begnügt, das Sachverständigengutachten als in sich schlüssig, nachvollziehbar und auch für den Laien verständlich zu bezeichnen, ohne sich mit den (in die angestrebte Ersatzfeststellung einfließenden) Ergebnissen der mündlichen Gutachtenserörterung auseinanderzusetzen. Darin liege entweder ein Begründungsmangel („Scheinbegründung“) oder eine unrichtige Beweiswürdigung. Rechtlich ergebe sich aus der Ersatzfeststellung, dass unfallkausal nicht alle denkbaren Spät- und Dauerfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen seien, sodass dem Feststellungsbegehren stattzugeben sei.

2.1. Das Fehlen einer Beweiswürdigung ist ein Verstoß gegen die Begründungspflicht nach §§ 272 Abs 3, 417 ZPO und begründet als Formfehler des Urteils eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO (RS0102004; Rechberger in Fasching/Konecny 3 III/1 § 272 ZPO Rz 8, 12 (Stand 1.8.2017, rdb.at); Pimmer in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 496 ZPO Rz 33 (Stand 1.9.2019, rdb.at); Delle-Karth , ÖJZ 1993, 15 ff; A. Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 471 Rz 10). Ein Begründungsmangel liegt etwa dann vor, wenn sich das Erstgericht mit wesentlichen Verfahrensergebnissen überhaupt nicht auseinandersetzte, nicht aber (schon) dann, wenn in der Begründung der Entscheidung ein Umstand nicht erwähnt wurde, der hätte erwähnt werden können, oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die hätte angestellt werden können (RS0040165).

2.2. Ein Begründungsmangel liegt hier nicht vor: Das Erstgericht hielt (auch) das medizinische Sachverständigengutachten für in sich schlüssig, nachvollziehbar und auch für den Laien verständlich und hatte daher keinerlei Bedenken dagegen. Tatsächlich sind die Ausführungen des Sachverständigen - will man sie richtig verstehen - so eindeutig, dass sich das Erstgericht dessen Expertise ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und ohne weitschweifende Darlegung weiterer Überlegungen schlicht anschließen durfte.

3. Auch der Beweisrüge kommt keine Berechtigung zu:

3.1. Der Sachverständige erklärte eindeutig, dass Dauerfolgen aufgrund des Unfalls nicht bestehen (ON 39, 17). Die angestrebte Ersatzfeststellung einer unfallbedingt um 10° geringeren Außendrehung im Seitenvergleich kann schon deshalb nicht getroffen werden, weil der Sachverständige die Kausalität des Unfalls für diese Einschränkung nicht beurteilen konnte. Es blieb offen, ob es sich bei dieser Einschränkung der Drehbewegung im Vergleich zur anderen Seite überhaupt um eine Unfallsfolge handelt, zumal eine solche Einschränkung auch einem Normal-/Durchschnittsbefund entspricht (ON 50.4, 3). Die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten der Beklagten und den Verletzungsfolgen trifft aber den geschädigten Kläger (vgl RS0022686), der diesen Beweis hinsichtlich der in Rede stehenden Bewegungseinschränkung im Seitenvergleich nicht erbringen konnte.

3.2. Entgegen den Berufungsausführungen ist die Feststellung zum Ausschluss von Spätschäden nicht nur angesichts des schriftlichen Gutachtens (ON 39, 18), sondern auch im Hinblick auf die Antworten des Sachverständigen in der mündlichen Gutachtenserörterung (ON 50.4, 4) in keiner Weise bedenklich: Der Berufungswerber unterstellt zunächst, dass sich im verletzten Ellenbogenbereich Narben gebildet hätten. Das ist bereits - mangels bildgebender Untersuchung - eine unbewiesene Hypothese, auf der er dann seine weitere Argumentation aufbaut, wonach der Muskel in diesem Narbenbereich leichter einreißen könnte. Der Sachverständige bestätigte zwar grundsätzlich die Vermutung des Klägers, dass eine „Vernarbung per se“ eine Schwachstelle ist, hielt aber im konkreten Fall eindeutig fest, dass sich „daraus“ - also für den Fall, dass es tatsächlich eine Vernarbung gäbe - angesichts des stabilen Ellenbogengelenks mit freier Beweglichkeit (bei der Untersuchung durch den Sachverständigen mehr als zwei Jahre nach dem Unfall: ON 39, 15; ON 50.4, 3) mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine relevanten Veränderungen in Bezug auf Stabilität und Beweglichkeit ergeben können. Das bedeutet, dass selbst ein pathologischer Befund (Narben) bei einer Sonographie ohne (negative) Konsequenz für den Kläger bliebe. Insgesamt schloss der Sachverständige das Auftreten von Spätschäden mit der in der Medizin möglichen höchsten - mit über 98 %iger (ON 39, 18) - Sicherheit aus. Von dieser Prognose des Experten abzugehen hatte das Erstgericht keinen Anlass.

4. Das Berufungsgericht übernimmt daher (auch) die gerügten Feststellungen [a] und legt sie gemäß § 498 Abs 1 ZPO der Behandlung der Rechtsrüge zugrunde.

B. Zur Rechtsrüge

1. Der Berufungswerber vermisst - qualitativ grundsätzlich richtig der Rechtsrüge zugeordnet - Tatsachenfeststellungen dahin, dass unfallbedingt beim Kläger eine Schwachstelle des vorfallbedingt verletzten Ellenbogens und eine Bewegungseinschränkung vorliege . Dass die Bewegungseinschränkung im Alltag nicht spürbar sei, ändere nichts an seinem Feststellungsinteresse. Als Dauerfolge liege eine höhere Vulnerabilität im Falle zukünftiger Traumata vor.

2. Zunächst genügt der Hinweis auf Punkt II.A.3. der Berufungsentscheidung. Die ergänzend angestrebten Feststellungen könnten schon aus den dort angeführten Erwägungen nicht getroffen werden und stünden den erstgerichtlichen, vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen entgegen. Im Übrigen ist den Argumenten in der Rechtsrüge das Folgende entgegenzuhalten:

3. Können weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis - „schlechthin und absolut“ (7 Ob 149/06x 3 Ob 57/07i; 9 ObA 22/10s; 4 Ob 14/16m; vgl auch 2 Ob 58/07d: „gänzlich und mit Bestimmtheit“) - ausgeschlossen werden, ist dem Geschädigten das Interesse an der Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden abzusprechen (RS0038826). Dies gilt auch dann, wenn zwar bestimmte Dauerschäden vorhanden sind, die zwar in der Regel die Möglichkeit späterer unfallkausaler Schäden implizieren (RS0038920), Spätfolgen derartiger Verletzungen aber ausgeschlossen sind (RS0038976 [T22]; zuletzt 2 Ob 146/21s; 8 Ob 138/17b; 2 Ob 162/05w).

4. Der Oberste Gerichtshof setzte sich in seiner Entscheidung 2 Ob 11/18h mit der teilweise kasuistischen, schwer überschaubaren und der Rechtssicherheit abträglichen Rechtsprechung zum Vorliegen eines Feststellungsinteresses ausführlich auseinander und betonte, dass es für das Feststellungsinteresse nur darauf ankomme, ob (auf der Tatsachenebene) künftige Unfallfolgen ausgeschlossen werden können oder nicht (vgl 2 Ob 81/21g). Grundlage für diese Feststellung sei in der Regel die vom Sachverständigen in seinem Gutachten geäußerte Prognose , mit welcher Wahrscheinlichkeit künftige Unfallschäden eintreten werden oder auszuschließen seien. Es sei die Aufgabe der Tatsacheninstanzen , aufgrund dieser Prognose die notwendigen Schlüsse zu ziehen und eine eindeutige Feststellung dahin zu treffen, ob der Eintritt künftiger Unfallfolgen ausgeschlossen ist oder nicht. Die wörtliche Wiedergabe der Prognose in den Feststellungen werde dieser Anforderung, wie die [in den Punkten 4.1. bis 4.9. jener Entscheidung] angeführten Beispiele belegen, hingegen häufig nicht gerecht. Laute die Prognose des Sachverständigen dahin, dass künftige Unfallfolgen „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können, und werde sie als Tatsachenfeststellung wörtlich wiedergegeben, rechtfertige dies deren Auslegung im Sinne des Ausschlusses künftiger Schäden . Denn Tatsachenfeststellungen könnten (auch) im Zivilprozess niemals mit absoluter Sicherheit getroffen werden. Der Beweis der höchsten, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit sei folglich dem vollen Beweis gleichgestellt (vgl 8 Ob 138/17b mwN). Soweit aus der Entscheidung 4 Ob 46/06b anderes abgleitet werden könnte, werde diese Auffassung nicht geteilt. Zusammenfassend hielt der Oberste Gerichtshof fest: Der mit einer „an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit“ festgestellte Ausschluss künftiger Unfallfolgen ist der Feststellung des („gänzlichen“ oder „absoluten“) Ausschlusses gleichzuhalten. Eine derartige Feststellung bedeutet kein Minus gegenüber einem „absoluten“ Ausschluss (RS0132047). Daran knüpfte er auch in Folgeentscheidungen an (vgl 6 Ob 63/19m; 2 Ob 216/19g; 2 Ob 81/21g; 2 Ob 122/22p).

5. Im hier zu beurteilenden Fall verneinte der Sachverständige das Bestehen von Dauerfolgen (ON 39, 17), konnte das Vorliegen einer um 10° geringeren Außendrehung der verletzten rechten Seite im Vergleich zur linken Seite nicht eindeutig dem Unfall zuordnen (ON 50.4, 3), schloss Spätfolgen aus der Verletzung mit der in der Medizin möglichen höchsten Sicherheit ( 98 %) aus (ON 39, 18) und hielt daran mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch für den Fall fest, dass ein bildgebendes Verfahren im verletzten Bereich eine Narbenbildung zeigen würde (ON 50.4, 3). Auf der Basis dieser Beweisergebnisse stellte das Erstgericht entscheidungsrelevant fest, dass Dauerfolgen für den Kläger aufgrund des Sturzes nicht zu befürchten sind und dass das Auftreten von Spätschäden mit der in der Medizin möglichen höchsten Sicherheit ausgeschlossen werden kann (US 4).

Mag auch die Feststellung, dass „ Dauerfolgen nicht zu befürchten seien “, unpräzise sein, weil Dauerfolgen ja entweder bereits bestehen oder eben - wie hier nach den klaren Ausführungen des Sachverständigen - nicht bestehen, ändert dies nichts daran, dass sich das Erstgericht entsprechend der referierten höchstgerichtlichen Forderung eindeutig festlegte, dass der Eintritt künftiger Unfallfolgen ausgeschlossen ist. Dieser festgestellte Ausschluss von Spätfolgen führt in rechtlicher Konsequenz zur Abweisung des Feststellungsbegehrens.

III. Höhe des Schmerzengelds

1. Der Berufungswerber wendet sich gegen die Ausmittlung des Schmerzengelds mit (ungekürzt) EUR 2.400,00 und strebt dessen Erhöhung auf EUR 3.500,00 an. Er argumentiert insbesondere mit der eklatanten Inflation der letzten Jahre. In diesem Punkt ist die Berufung des Klägers teilweise berechtigt.

2. Das Schmerzengeld ist unter Bedachtnahme auf Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands zu bemessen (RS0031040). Es soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für alles Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat, und den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen und sonstigen Beeinträchtigungen, auch soweit dies für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (RS0031307). Unter diesem Gesichtspunkt sind etwa auch Sorgen des Verletzten um spätere Komplikationen oder das Bewusstsein eines Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung zu berücksichtigen (2 Ob 143/18w; 1 Ob 31/20w). Wenngleich bei der Bemessung des Schmerzengelds auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen ist, ist zur Vermeidung von Ungleichheiten auch ein objektiver Maßstab anzulegen; der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen bei der Bemessung darf nicht „gesprengt“ werden (RS0031075). Tendenziell erscheint es geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen (RS0031075 [T4, T10; RS0031040 [T5]), wobei allein aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung die Zuerkennung von im Vergleich zu früheren Schmerzengeldzusprüchen höheren Beträgen gerechtfertigt ist (RS0031075 [T10]).

3. Ausgehend von den festgestellten Schmerzperioden von zwei Tagen mittelstarken und insgesamt 14 Tagen leichten Schmerzen (als Orientierungshilfe) und der Konzentration der Sturzfolgen im Wesentlichen auf den linken Arm ohne Dauer- und Spätfolgen (US 4 letzter Absatz) erachtet der Berufungssenat mit Blick auf die eben referierten Judikaturrichtlinien gemäß § 273 ZPO ein (ungekürztes) Schmerzengeld von EUR 3.200,00 als angemessen.

IV. Ergebnis, Kosten, Bewertung, Zulassung

1. Zusammengefasst scheitert die Berufung des Klägers in der Frage der Verschuldensteilung und des Feststellungsbegehrens, ist jedoch teilweise erfolgreich in Bezug auf die Höhe des Schmerzengelds. Das Ersturteil ist daher im Zuspruch von EUR 1.950,00 auf EUR 2.550,00 (Schmerzengeld EUR 3.200,00 : 4 x 3 = EUR 2.400,00 plus EUR 150,00 Heilungskosten) und korrespondierend in der Abweisung von EUR 7.250,00 auf EUR 6.650,00 jeweils samt Zinsen abzuändern. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens bleibt aufrecht.

2. Diese Abänderung in der Sachentscheidung zieht eine Neuberechnung der Verfahrenskosten erster Instanz nach sich.

2.1. Sie gründet allein auf § 43 Abs 1 ZPO, weil der Kläger bei seinem Schmerzengeldanspruch „überklagt“ hat (Begehren EUR 9.000,00 im Vergleich zum ungekürzten Zuspruch von EUR 3.200,00; vgl Obermaier , Kostenhandbuch³ Rz 1.170f). Dem Streitwert von EUR 15.200,00 (Zahlung EUR 9.200,00 und Feststellung EUR 6.000,00) steht ein Zuspruch von EUR 2.550,00 gegenüber.

2.2. Der Beklagten gelang somit die Abwehr des Klagebegehrens zu 83 %, sodass ihr nach der Quotenkompensation 66 % ihrer Anwaltskosten zustehen. Ihre Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis des Klägers (ON 52) sind gemäß § 54 Abs 1a letzter Satz ZPO nicht zu honorieren. Der Kläger erhob keine Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten iSd § 54 Abs 1a ZPO, sodass die verzeichneten Kosten der Entscheidung - allerdings nicht „ungeprüft“ - zugrundezulegen sind. Schreib- und Rechenfehler sowie offenkundige Fehler sind dennoch zu korrigieren (VfGH G 280/09, G 84/11; Obermaier aaO Rz 1.75). Als Maß für die Überprüfungspflicht bietet sich an, offenkundige Fehler dort aufzugreifen, wo die Verzeichnung der Kosten offenkundig unrichtig gegen eine klare Gesetzesbestimmung oder gegen die ständige Judikatur erfolgt (OLG Graz 4 R 150/15h; 4 R 201/20s; 4 R 86/22g). Als gegen § 142 ZPO verstoßend ist daher die Honorierung von Vertagungsanträgen zu beseitigen ( Obermaier aaO Rz 1.75; OLG Linz 4 R 90/16g und 4 R 137/16v). Damit ergeben sich ersatzfähige Anwaltskosten der Beklagten von EUR 5.758,20, wovon ihr 66 % ( EUR 3.800,41 ) zuzüglich 20 % Umsatzsteuer ( EUR 760,08 ) zustehen.

2.3. Gemäß § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO hat der Kläger der Beklagten 83 % (EUR 2.349,32) ihrer insgesamt getragenen Barauslagen (Sachverständigengebühren von EUR 2.830,50) zu ersetzen, während die Beklagte dem Kläger 17 % (EUR 920,13) von dessen gesamten Barauslagen (Sachverständigengebühren und Pauschalgebühr erster Instanz EUR 5.412,50) zu ersetzen hat. Die an die Parteien(vertreter) rücküberwiesenen Kostenvorschüsse sind darin berücksichtigt. Saldiert ergibt dies einen Barauslagenersatz des Klägers an die Beklagte von EUR 1.429,19 .

2.4. Insgesamt hat der Kläger der Beklagten somit EUR 5.989,68 an Prozesskosten erster Instanz zu ersetzen.

3. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren gründet auf §§ 43 Abs 2, 50 Abs 1 ZPO. Der Berufungswerber war nur mit einem gegenüber dem gesamten Anfechtungsgegenstand (EUR 7.750,00) nicht ins Gewicht fallenden Teil (EUR 600,00) seines Berufungsantrags erfolgreich (mit nur rund 8 %), sodass er der Berufungsgegnerin die gesamten Kosten ihrer Berufungsbeantwortung nach TP3B auf Basis des abgewehrten Betrags (EUR 7.150,00; daher Tarifansatz EUR 325,00) zu ersetzen hat (vgl 1 Ob 81/09g; Obermaier aaO Rz 1.177 mwN). Da die Beklagte nur einen Einheitssatz von 150 % und keinen ERV-Zuschlag verzeichnete, errechnet sich ein Betrag von EUR 975,00 einschließlich 20 % Umsatzsteuer.

4. Der Bewertungsausspruch stützt sich auf § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO. An die Bewertung des Feststellungsbegehrens durch den Kläger (mit EUR 6.000,00) ist das Berufungsgericht zwar nicht gebunden; es sieht aber auch keinen Anlass davon abzuweichen. Im Verein mit der in Berufung gezogenen Abweisung des Zahlungsbegehrens von EUR 1.750,00 ist daher auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes des Berufungsverfahrens zwar EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00 übersteigt.

5. Die ordentliche Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen in der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zu lösen sind. Ob den Geschädigten überhaupt ein Mitverschulden an dem von ihm geltend gemachten Schaden trifft, ist ebenso eine nicht revisible Einzelfrage (RS0044088 [T30]) wie die bloßen Ermessensentscheidungen, ob eine bestimmte Verschuldensteilung (RS0087606 [T2]; RS0044262 [T42, T53]) oder ein bestimmtes Schmerzengeld angemessen sind (RS0107773 [T1]). Zur Frage der Berechtigung des Feststellungsbegehrens konnte sich das Berufungsgericht auf die zitierte aktuelle höchstgerichtliche Judikatur stützen.

Rückverweise